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22.07.2024

bESSERwisser

Resistente Stärke: Kalte Nudeln für unsere Darmbakterien

Nudelsalat

Es ist oft schwierig, eine Portion Nudeln, Kartoffeln oder Reis für eine Mahlzeit korrekt einzuschätzen, und oft bleibt etwas übrig. Beim Abkühlen dieser Lebensmittel entsteht dann resistente Stärke. Resteessen von Pasta und anderen stärkehaltigen Lebensmitteln ist gut für die Gesundheit und kann auch beim Abnehmen helfen. Warum das so ist, erklären die bESSERwisser in diesem Artikel.

In vielen Kulturen sind Reis, verarbeiteter Weizen, Mais oder Kartoffeln fixer Bestandteil der Mahlzeiten – und somit kommt auch eine reichliche Portion Stärke auf den Teller [1,2]. Personen mit herkömmlicher Ernährungsweise nehmen bis zu einem Viertel ihrer Kalorien über dieses Kohlenhydrat zu sich, Vegetarier noch mehr [3].

Während Pasta und Kartoffel generell als Dickmacher gelten, verhält es sich mit diesen Lebensmitteln in abgekühlter Form ganz anders: Sie sollen das Abnehmen erleichtern und auch noch gut für die Gesundheit sein.

Stärke ­– ein Vielfachzucker

Stärke ist ein Vielfachzucker (Polysaccharid), der aus einzelnen miteinander verknüpften Glukoseeinheiten (Traubenzucker) aufgebaut ist. Im menschlichen Dünndarm wird Stärke in ihre kleineren Zuckerbestandteile aufgespalten und in Form von Glukose vom Körper aufgenommen. Für diesen Prozess sind spezielle Verdauungsenzyme zuständig: Amylasen und Amyloglukosidasen.

Manche Arten von Stärke können den Dünndarm jedoch unverdaut passieren, man spricht in so einem Fall von so genannter resistenter Stärke. Diese gelangt dann als Vielfachzucker in den Dickdarm, wo unser Darmmikrobiom ­– eine Vielzahl an diversen Bakterien – schon darauf wartet und sie verarbeitet [4]. Da resistente Stärke vom menschlichen Verdauungssystem nicht oder nur teilweise abgebaut werden kann, wird sie zu den Ballaststoffen gerechnet.

Resistente Stärke weist eine komplexe Struktur auf, und es sind nicht alle Mikroorganismen in der Lage, sie abzubauen. Ruminococcus bromii oder Eubacterium rectale sind neben Firmicutes prausnitzii jene Bakteriengruppen im menschlichen Verdauungstrakt, die das schaffen [5].

Da resistente Stärke im Dünndarm nicht in ihre Glukose-Einheiten aufgespalten wird, steigt der Glukosespiegel nach ihrem Verzehr weniger stark an als bei herkömmlicher Stärke.

Verdaubarkeit von Stärke – eine Typenfrage

Resistente Stärke ist nicht gleich resistente Stärke, denn es gibt davon insgesamt fünf verschiedene Arten – so genannte Subtypen oder Fraktionen.

Typ1 der resistenten Stärke (RS 1) ist natürliche Stärke, die durch ihre kompakte Struktur für Verdauungsenzyme kaum bis gar nicht zugänglich ist. Durch Mahlen wird diese Stärke-Fraktion, die vor allem in ganzen Getreidekörnern, Samen, Saaten und Hülsenfrüchten zu finden ist, besser verdaulich.

Resistente Stärke des Typ 2 (RS 2) ist ebenfalls natürliche Stärke und kommt in granulärer Form in Stärkekörnern vor. Sie ist beispielsweise in ungekochten Kartoffeln, grünen Bananen oder Maisstärke enthalten [6]. RS 2 ist in kaltem Zustand gegenüber den menschlichen Verdauungsenzymen resistent und wird für diese erst nach dem Erhitzen zugänglich, wenn die Stärkekörner quellen und platzen [7, 8].

Resistente Stärke Typ 2 ist die Vorstufe der resistenten Stärke Typ 3 (RS3). Diese ist nicht in rohen Produkten enthalten und entsteht nur dann, wenn zuvor erhitzte stärkehaltige Lebensmittel erkalten. Ein Teil der Stärkemoleküle bildet dabei kristalline Strukturen aus, und die Stärke „verkleistert“ zur RS 3. Diese ist für die Verdauungsenzyme nicht mehr angreifbar und für den Menschen daher unverdaulich – für die Bakterien in unseren Darm aber nicht [9, 10]. Das Aufwärmen kann den Gehalt an resistenter Stärke wieder verringern [11, 12, 13]. Ein Beispiel für ein Gericht mit RS3 ist Kartoffel- oder Nudelsalat.

Beim Typ 4 der resistenten Stärke (RS 4) handelt es sich um chemisch modifizierte unverdauliche Stärke. Diese wird künstlich vernetzt oder mit bestimmten Molekülen versehen, um so ihre Eigenschaften zu verändern. Das Vernetzen der einzelnen Stärke-Moleküle wird hauptsächlich in der Pharma- und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Diese Veränderung führt zu einer widerstandfähigeren Stärke, der Hitze, Säure und mechanische Kräfte weniger anhaben können [14]. Stärke des Typs 4 findet man beispielsweise in Ballaststoff-Drinks oder bestimmten Brot- und Kuchensorten.

Bei RS 5 handelt es sich wie bei RS4 um resistente Stärke, die nicht in natürlichen Lebensmitteln vorkommt. Sie liegt als Komplex aus Zucke rund Fetten vor und ist ebenfalls unverdaulich.

Kleine Untermieter im Darm – unser Darmmikrobiom

Der Mensch ist dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die auch als menschliches Mikrobiom bezeichnet werden. Genaugenommen bestehen wir sogar zur Hälfte aus Mikroorganismen: Es wird geschätzt, dass ein Mensch im Durchschnitt aus 30 Billionen Zellen besteht. Dazu kommen dann noch einmal ungefähr 30 Billionen Mikroorganismen, die ihn innen und außen besiedeln [15]. Die meisten davon tummeln sich im Darm und werden als Darmmikrobiom bezeichnet.

Heute weiß man, dass die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms kann unseren Energiehaushalt und unsere Gesundheit beeinflussen kann [16, 17]. Die kleinen Untermieter in unserem Darm brauchen, ebenso wie wir, auch Nahrung und ernähren sich von dem, was bei ihnen im Darm landet.  Essen, das im Dünndarm nicht verdaut wurde – vor allem Ballaststoffe – gelangt in den mittleren Teil des Dickdarms. Dort bietet es den Bakterien einen herausragenden Nährboden [18]. Dies erklärt, warum unsere Ernährung auch einen Einfluss auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms hat [19].

Gelangt resistente Stärke in den Dünndarm, wird der Prozess der anaeroben – also ohne Sauerstoff ablaufenden – Fermentation gestartet. Dabei stellen die Bakterien aus der Nahrung Alkohol, CO2 und organische Säuren her [20]. Durch die anaerobe Fermentation entstehen aus resistenter Stärke schließlich Salze von kurzkettigen Fettsäuren wie Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure: Butyrat, Acetat und Propionat.

Nicht alle Arten resistenter Stärke wirken sich allerdings gleich auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms aus. So etwa lässt resistente Stärke vom Typ 2 andere Bakterien im Darm wachsen als Typ 4 [21, 22]. Um konkrete Aussagen zum Einfluss verschiedener Stärke-Typen auf die Biodiversität in unserem Darm machen zu können, bedarf es aber noch weiterer Studien.

Der Einfluss kurzer Fettsäuren auf unsere Gesundheit

Unsere Darmbakterien produzieren aus resistenter Stärke im Dickdarm unter anderem Acetat, welches im menschlichen Körper eine wichtige Rolle im Fett-Metabolismus spielt und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt. Seine Rolle im Fett-Stoffwechsel ist aber eher negativ behaftet, denn eine erhöhte Produktion von Acetat geht mit größerem Appetit und einem höheren Risiko für Übergewicht einher [23].

Vom Propionat, das ebenfalls vom Darmmikrobiom im Dickdarm aus resistenter Stärke gebildet wird, wird jedoch angenommen, dass es der Gegenspieler zum Acetat ist und unseren Appetit zügelt. Propionat hat außerdem möglicherweise einen schützenden Einfluss auf unseren Blutkreislauf, indem es der Verstopfung der Arterien entgegenwirkt [24]. Sowohl Acetat als auch Propionat wirken entzündungshemmend, und beide können ins Gehirn gelangen [25, 26].

Buttersäure und ihre Derivate sind eine der Hauptenergiequellen der Darmepithelzellen und halten diese funktionsfähig, sodass keine ungewünschten Substanzen in unseren Kreislauf gelangen können. Diese Fettsäure schafft es auch, Entzündungsreaktionen im Darm herunterzuregulieren und hat möglicherweise einen gesundheitsfördernden Effekt [27, 28, 29].  Außerdem besitzt sie antioxidative Eigenschaften und einen möglichen Tumor-hemmenden Effekt, weshalb sie verstärkt in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Durch eine Ernährung, die viel resistente Stärke enthält, kann man den Buttersäure-Spiegel erhöhen, was auch den Verlauf von Darmkrebs-Erkrankungen verbessern kann [30,31].

Darm-Hirn-Achse: Wie unser Bauch das Hirn beeinflusst

Kurze Fettsäuren, die Hauptprodukte der Fermentationsprozesse unserer Darmbakterien, können nicht nur unsere Gesundheit beeinflussen, sie wirken sich auch auf das Gehirn aus. Auch wenn die genauen Mechanismen noch unklar sind, konnte schon gezeigt werden: Ein Ungleichgewicht in unserem Darmmikrobiom kann Auswirkungen auf unser Hirn haben. Etliche Studien legen eine Verbindung zwischen einem gestörten Darmmikrobiom und neurologischen Krankheiten nahe – von Depressionen, Alzheimer, Parkinson bis hin zu Autismus [32, 33, 34, 35].

Eine mögliche Erklärung dafür: Acetat, das beim Abbau resistenter Stärke in unserem Darm entsteht, kann über den Blutstrom in unser Gehirn gelangen. Dort hat es nicht nur Einfluss auf unser Sättigungsgefühl, es ist auch wichtig für die Reifung von Mikroglia-Zellen im Gehirn. Diese speziellen Immunzellen fressen Fremdkörper oder schadhafte Gehirnzellen auf. Studien weisen des Weiteren darauf hin, dass durch Mikroorganismen erzeugtes Acetat dem Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen entgegenwirken kann [36].

Auch Butyrat ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren, welche als Schutzbarriere zwischen Hirnsubstanz und Blutstrom dient, und gelangt so ins Gehirn. Dort kann es dann durch das Regulieren von Genen verschiedene positive Wirkungen haben. aher wird Butyrat in der Forschung als experimentelles Medikament für Studien zu neurologischen Erkrankungen – von Depression über neurodegenerative Erkrankungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen – eingesetzt [37, 38].

Resistente Stärke: Gut fürs Abnehmen?

Der Konsum von resistenter Stärke scheint auch gut fürs Abnehmen zu sein – zumindest bei Mäusen. Bei diesen konnte gezeigt werden, dass resistente Stärke von Kartoffeln zu einer geringeren Gewichtszunahme führte als bei Ernährung ohne resistente Stärke [39].

Beim Menschenaber scheint resistente Stärke bei gesunden Personen keinen Effekt auf die Gewichtsabnahme zu haben – zu diesem Ergebnis kam zumindest eine Zusammenfassung von mehreren Daten [40]. Da resistente Stärke die Fettverbrennung ankurbelt und die Speicherung von Fett in den Fettzellen verringert, betonen die Studienautor:innen  aber, dass resistente Stärke übergewichtigen Menschen durchaus beim Abnehmen helfen könnte. Hinweise dafür gab es in einer Studie, bei der die Studienteilnehmenden 40 Gramm resistenter Stärke einnahmen und innerhalb von  8 Wochen 2,8 Kilogramm verloren. Das Problem dabei war jedoch, dass mit 37 übergewichtigen Studienteilnehmer:innen die Gruppe an Proband:innen ziemlich klein war. Des Weiteren wurde mit 40 Gramm die empfohlene Tagesdosis von 25-30 Gramm an Ballaststoffen, zu denen die resistente Stärke ja auch zählt, überschritten [41, 42].

Was auch noch bekannt ist: Resistente Stärke schafft es, den Glukose-Stoffwechsel im Körper anzuregen. Dies könnte für Diabetiker:innen interessant sein, um den Blutzuckerspiegel zu senken – hier benötigt es aber einer besseren Studienlage, um sichere Aussagen treffen zu können [43].

Fazit

Resistente Stärke, die beim Erkalten von zuvor gewärmten Nudeln, Kartoffeln, Reis und auch Süßkartoffeln entsteht, birgt großes Potential für unsere Gesundheit: Sie ist eine hervorragende Nahrungsgrundlage für die Bakterien in unserem Darm, die sie dann zu kurzen Fettsäuren weiterverarbeiten. Diese spielen eine Schlüsselrolle in der Regulation verschiedenster Stoffwechselprozesse und können Einfluss auf die Funktion unseres Gehirns, die Regulation des Blutzuckers, den Schutz des Blutkreislaufs bin hin zu potenzieller Prävention von Darmkrebs haben. Mit resistenter Stärke tun wird somit nicht nur unseren Darmbakterien etwas Gutes, sondern in weiterer Folge vermutlich auch unserem Wohlbefinden.

Des Weiteren wäre es möglich, dass resistente Stärke übergewichtigen Personen beim Abnehmen hilft, und auch im Zusammenhang mit Diabetes wird ihr Positives nachgesagt. Aktuell wird mit Hochtouren an diesen Themen geforscht, und es braucht noch mehr Studienergebnisse, um hier sichere Aussagen treffen zu können.

Referenzen:

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20.04.2020

bESSERwisser

Darmmikrobiom: Warum wir Mikroorganismen im Verdauungstrakt brauchen

Darmmikrobiom unter Lupe

Unser Körper ist Lebensraum für eine Vielzahl von Bakterien und anderen Mikroorganismen. Vor allem jene kleinen Mitbewohner, die sich in unserem Darm ansiedeln, sind an unserem Wohlbefinden maßgeblich beteiligt. Wer von Bauchbeschwerden verschont bleiben und gleichzeitig seine Immunabwehr unterstützen will, sollte sein Darmmikrobiom hegen und pflegen. Die bESSERwisser haben recherchiert, wie das funktioniert und was es mit Probiotika und Präbiotika auf sich hat.

Das menschliche Mikrobiom

Der menschliche Körper ist von der Haut über die Atemwege bis zum Verdauungstrakt dicht mit Mikroorganismen besiedelt. Der größte Teil des menschlichen Mikrobioms – darunter versteht man die Gesamtheit der Mikroorganismen, die mit dem Menschen assoziiert sind – ist im Darm angesiedelt und auch als Darmflora oder Darmmikrobiota bekannt. Schon bei der Geburt beginnen Mikroorganismen aus dem Geburtskanal der Mutter den Darm eines Babys zu besiedeln. Im Laufe des Lebens versorgen uns Muttermilch, Ernährung und unsere Umgebung permanent mit Mikroorganismen, die sich auf und in unserem Körper ansiedeln.

Den Hauptteil des menschlichen Mikrobioms machen Bakterien aus. Aber auch Archaeen, Pilze und Viren sind Teil des Mikrobioms, das in komplexer Interaktion mit dem Körper steht. Lange Zeit wurde in der Wissenschaft die Ansicht vertreten, dass im menschlichen Körper zehnmal mehr Mikroben-Zellen als menschliche Zellen zu finden sind und diese ein bis zwei Kilogramm des Körpergewichts ausmachen [1]. Neue Berechnungen haben jedoch ergeben, dass im menschlichen Körper gleich viele Mikroorganismenzellen wie Körperzellen vorkommen Man weiß heute auch, dass das Mikrobiom nicht mehr als 200 Gramm des Körpergewichts ausmacht [2].

Mikroskopisches Leben im Verdauungstrakt

Die saure Umgebung des Magens und Dünndarms erlaubt es nur wenigen Bakterienspezies, dort zu überleben. Ab dem letzten Drittel des Dünndarms (Ileum) steigt der pH-Wert an und wird basisch, und gleichzeitig nimmt auch die Zahl der Mikroorganismen zu. Im Dickdarm sind Anzahl und Diversität der Mikroorganismen am höchsten. Hier herrschen anaerobe Bedingungen, das heißt, nur Organismen, die für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff benötigen und Energie zum Beispiel aus Fermentation generieren, siedeln sich hier an [3].

Das menschliche Darmmikrobiom wird von zwei bakteriellen Stämmen beherrscht: den Bacteroidetes und den Firmicutes mit ihren jeweiligen Unterarten. Das Verhältnis dieser beiden zueinander wird in der Wissenschaft und Medizin repräsentativ zur Beurteilung der Darmgesundheit herangezogen. Das Mikrobiom ist jedoch keine einheitliche Bakteriengemeinschaft, sondern variiert von Mensch zu Mensch und verändert sich mit dem Alter. Faktoren, die die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen, sind unter anderem Alter, Genetik, geografische Lage, Art der Geburt (natürlich oder Kaiserschnitt), Ernährung in der frühen Kindheit, Medikamenteneinnahme, und Ernährungsstil [4].

Wichtige Funktionen des Darmmikrobioms

Das Darmmikrobiom wird oft auch als das „vergessene Organ“ bezeichnet, da es wichtige Funktionen im Körper übernimmt. So verarbeiten die Darmmikroben Nährstoffe, schützen vor Krankheitserregern, beeinflussen das Immunsystem und können über Verbindungen zum Hirn den Körper auf viele Arten beeinflussen.

Verdauung

Am offensichtlichsten ist die Rolle Darmmikrobioms bei der Verdauung. Hier regen die Mikroorganismen Darmbewegungen an, sind bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen beteiligt und produzieren für den Körper essenzielle Nährstoffe. Die Hauptnahrungsquelle des Darmmikrobioms sind fasrige Nahrungsbestandteile, sogenannte Ballaststoffe. Bei deren Fermentation generieren die Mikroorganismen nicht nur Energie für sich selbst, sondern erzeugen auch Nebenprodukte, wie etwa kurzkettige Fettsäuren (SCFA). Ein Beispiel dafür ist Butyrat, das eine wichtige Funktion bei der Versorgung der Darmzellen hat und immunmodulierend wirkt [5].
Weiters können Mikroorganismen in unserem Darm aus Ballaststoffen die Vitamine B1, B2, B5, B6, Folat, Vitamin B12 und Vitamin K2 produzieren und leisten so einen Beitrag zur Versorgung des Körpers mit diesen Nährstoffen [6]. Im Zuge der mikrobiellen Aktivität und vor allem durch den Prozess der Fermentation werden Gase wie Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Methan gebildet, die sich als Blähungen bemerkbar machen können.

Schutz vor Krankheitserregern

Eine weitere wichtige Funktion des Darmmikrobioms ist die Abwehr von pathogenen Keimen, die zum Beispiel durch die Nahrung aufgenommen werden. Eine intakte Darmflora mit einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Organismen, die alle Nischen des Darms besiedelt und ihren Lebensraum verteidigt, ist ein guter Schutz gegen die Besiedelung durch andere, krankmachende Keime.

Ein gesunder Mensch lebt mit seinem Mikrobiom in sogenannter„Normobiose – das bedeutet, der Körper profitiert von den anwesenden Mikroorganismen, und schädliche Organismen sind in der Unterzahl. Ein funktionierendes Mikrobiom ist notwendig für Stoffwechsel und Gesundheit. Es ist aber bislang nicht klar, ob das Mikrobiom nur positive Auswirkungen auf den Körper hat. Ebenso ist nicht geklärt, was ein „gesundes“ Mikrobiom ausmacht, da es hier auch bei gesunden Individuen eine hohe Variabilität gibt. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass ein vielfältiges Darmmikrobiom sowie das Aufwachsen in einer Umgebung mit einer hohen Zahl und Vielfalt an Mikroorganismen sich positiv auf die Gesundheit im späteren Leben auswirkt [7].

Allesesser, Vegetarier, Veganer: Das Mikrobiom i(s)st, was man isst

So gut wie alles, was wir zu uns nehmen und was in weiterer Folge unseren Darm passiert, kann Einfluss auf das Darmmikrobiom haben. Interaktionen von Nahrung, Mikrobiom und Körper sind aber hochkomplex und noch nicht ganzheitlich erforscht. Es gibt jedoch bereits etliche Studien, die sich mit der Auswirkung verschiedener Ernährungsweisen auf das Darmmikrobiom beschäftigen.

  • Es konnte gezeigt werden, dass im Mikrobiom von vegetarisch und vegan lebenden Personen vermehrt Bakteriengruppen zu finden sind, die Kohlenhydrate und Vitamine besonders gut metabolisieren können. Der höhere Anteil an Ballaststoffen in vegetarischer und veganer Ernährung verstärkt außerdem die mikrobielle Fermentation von gesundheitsförderlichen Butyraten im Darm [8].
  • Eine weitere Studie zeigte, dass sich bei einer Umstellung auf eine Ernährung mit ausschließlich tierischen Produkten das Verhältnis von Bacteroidetes/ Firmicutes verändert. Die Anzahl der proteinverwertenden Bakterien stieg, während die Zahl der Firmicutes, die für die Verdauung von pflanzlichen Ballaststoffen verantwortlich sind, zurückging. Die Studie ergab auch, dass sich das Darmmikrobiom innerhalb weniger Tage an eine neue Ernährungsweise anpassen kann, was in der Evolution des Menschen sicher hilfreich war [9].
  • Nicht nur die Zusammensetzung, auch die Art der Zubereitung der Nahrung beeinflusst das Darmmikrobiom. Beim Kochen von stärkehaltigen Lebensmitteln – wie etwa Kartoffeln – verkleistert die Stärke und wird somit leichter verdaulich. Dadurch erreicht weniger Stärke den Dickdarm und das Mikrobiom. In Studien an Mäusen und Menschen konnte gezeigt werden, dass gekochte Nahrung im Vergleich zu Rohkost die Funktionalität und Diversität des Mikrobioms beeinflusst [10].

Probiotika

Im Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom ist häufig von Pro- und Präbiotika die Rede. Als Probiotika werden lebende Mikroorganismen bezeichnet, die laut Definition der WHO „dem Wirt (= Mensch, der sie aufnimmt) einen gesundheitlichen Nutzen verschaffen, wenn sie in ausreichenden Mengen verabreicht werden.“

Die Bezeichnung „probiotisch“ wird vor allem für Nahrungsmittel verwendet, die verdauungsförderliche Mikroorganismen wie Bifidobakterien oder Laktobazillen beinhalten. Dazu zählen vorrangig vergorene Lebensmittel wie Joghurt, Käse, Sauerkraut, aber auch unfiltriertes Bier. Ihnen wird nachgesagt, dass sie Verdauungsprobleme lösen, die Stuhlkonsistenz normalisieren und gegen Allergien und Unverträglichkeiten helfen. Ob die Mikroorganismen in diesen Lebensmitteln jedoch tatsächlich auch noch leben, wenn sie in den Dickdarm gelangen, ist nicht gänzlich bewiesen. Laut der europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) muss bei der Bewerbung eines Produktes mit dem Wort „probiotisch“ dessen Wirkung auch wissenschaftlich belegt sein. Das hat in der Lebensmittelbranche großen Unmut hervorgerufen und dazu geführt, dass heute kaum mehr „probiotisch“ beworbene Produkte in den Regalen zu finden sind [11].

Die möglichen gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Probiotika sind in der Forschung dennoch ein heißes Thema. Mit ihrer Hilfe erwartet man sich Prävention und Behandlung von Krankheiten. So führte in einer Studie mit älteren Menschen die regelmäßige Einnahme von Joghurt, das mit Laktobazillen angereichert wurde, zu einer Verringerung von Atemwegsinfekten um mehr als die Hälfte im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Forscher führten diesen Effekt auf eine verbesserte T-Zell mediierte Immunabwehr zurück [12]. Eine andere Studie ergab, dass regelmäßige Einnahme von Milch bzw. Reis, die mit Laktobazillen fermentiert wurden, auch bei Kleinkindern zu einem besseren Schutz gegen Infektionskrankheiten führt [13].

Laktobazillen, die in diesen beiden Studien bei gesunden Menschen eine gesundheitsfördernde Wirkung zeigten, können in seltenen Fällen bei immunschwachen Menschen aber auch in den Blutkreislauf eindringen. Dies kann in manchen Fällen Infektionen bis hin zur Entzündung der Herzklappen oder zu Hirnhautentzündung hervorrufen [14].

Präbiotika

Als Präbiotika werden unverdauliche Substanzen bezeichnet, die für das Darmmikrobiom förderlich sind. Sie werden entweder von Mikroorganismen als Energiequelle verwertet (fermentiert) oder beeinflussen deren Lebensraum positiv.

Die wohl bekanntesten Präbiotika sind Ballaststoffe – unverdauliche Kohlenhydrate, die meist pflanzlichen Ursprung haben. Hohen präbiotischen Gehalt weisen Glykane, resistente (unverdauliche) Stärke, Inulin, und Oligofruktose auf [15]. Diese sind vor allem in fasrigem Gemüse wie Spargel oder Chicorée sowie in stärkehaltigen Nahrungsmitteln wie Johannisbrotkernmehl enthalten. Darmbakterien, die die notwendigen Enzyme (CAZyme) besitzen, können diese Stoffe verwerten. Ob Präbiotika auch einen spezifischen Nutzen für den Menschen haben, ist wie bei den Probiotika ungeklärt. Laut der EFSA muss auch für die Bezeichnung „präbiotisch“ ein gesundheitlicher Nutzen wissenschaftlich erwiesen sein. Grünes Licht für die Bezeichnung „Präbiotikum“ gab es von der EFSA bisher nur in wenigen Fällen: Für Oligofruktose, die sich nachweislich auf den Blutzuckerspiegel auswirkt, sowie für Inulin, welches aus Chicorée gewonnen wird und einen positiven Effekt auf den Stuhlgang hat [16].

Die Rolle des Mikrobioms in Krankheit und Gesundheit

Auch wenn die spezifischen Interaktionen zwischen Köper und Mikrobiom noch nicht vollständig geklärt sind, ist eines klar: Die Mikroorganismen des Menschen spielen eine wichtige Rolle für seine Gesundheit. So konnten zahlreiche Studien bereits einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Infektionskrankheiten, chronischen Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Darm- und Leberkrebs und Allergien belegen [17].

Tatsache ist auch, dass Antibiotika, die im Zuge von bakteriellen Infektionen eingenommen werden, nicht nur die krankmachenden Keime, sondern auch förderliche Darmbakterien angreifen. Langwierige Antibiotikatherapien können das Darmmikrobiom zerstören und die Verdauung nachhaltig negativ beeinflussen [18].

Zur Therapie von Darmerkrankungen wird in der Medizin seit einiger Zeit auf die Fäkaltransplantation zurückgegriffen. Der Hype um diesen abstoßend-faszinierenden Eingriff verschaffte dem „gesunden“ Stuhl einen neuen Wert, der in der Southpark Folge „Kot-Diebe“ (s23f8) köstlich auf die Spitze getrieben wird.

Fazit

Heute ist bereits erwiesen, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle in Krankheit und Gesundheit spielt. Auf welche Weise es durch Ernährung beeinflusst werden kann und welche Folgen das hat, ist aber wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt und Gegenstand aktueller Untersuchungen. Fest steht zumindest schon einmal, dass eine vielseitige, ballaststoffreiche Ernährung gut für das Mikrobiom ist und der Verdauung hilft.

Weiterführender Link zum Mikrobiom des Menschen:

Mikrobiom des Menschen: Mikrobiomforschung im digitalen Zeitalter; Wissensartikel von Open Science

Quellen:

[1] Luckey TD: Introduction to intestinal microecology (1972). The American journal of clinical nutrition 25 (12), S. 1292–1294. DOI: 10.1093/ajcn/25.12.1292.

[2] Sender R., Fuchs S., Milo R.: Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body (2016). PLoS biology 14 (8), e1002533. DOI: 10.1371/journal.pbio.1002533.

[3] Lin CS, Chang CJ, Lu CC, Martel J. et al.: Impact of the gut microbiota, prebiotics, and probiotics on human health and disease (2014). Biomedical journal 37 (5), S. 259–268. DOI: 10.4103/2319-4170.138314.

[4] Yang Q., Liang Q., Balakrishnan B., Belobrajdic D. et al.: Role of Dietary Nutrients in the Modulation of Gut Microbiota (2020). A Narrative Review. Nutrients 12 (2). DOI: 10.3390/nu12020381.

[5] Martin-Gallausiaux C., Marinelli L., Blottière HM et al.: SCFA. Mechanisms and functional importance in the gut (2020). The Proceedings of the Nutrition Society, S. 1–13. DOI: 10.1017/S0029665120006916.

[6] LeBlanc JG, Milani C., Giori GS et al.: Bacteria as vitamin suppliers to their host (2013). A gut microbiota perspective. Current opinion in biotechnology 24 (2), S. 160–168. DOI: 10.1016/j.copbio.2012.08.005.

[7] Eisenstein M.: The hunt for a healthy microbiome (2020). Nature 577 (7792), S6-S8. DOI: 10.1038/d41586-020-00193-3.

[8] de Angelis M., Ferrocino I., Calabrese FM et al.: Diet influences the functions of the human intestinal microbiome (2020). Scientific reports 10 (1), S. 4247. DOI: 10.1038/s41598-020-61192-y.

[9] David LA., Maurice CF, Carmody RN, Gootenberg DB et al.: Diet rapidly and reproducibly alters the human gut microbiome (2014). Nature 505 (7484), S. 559–563. DOI: 10.1038/nature12820.

[10] Carmody RN, Bisanz JE, Bowen BP et al: Cooking shapes the structure and function of the gut microbiome (2019). Nature microbiology 4 (12), S. 2052–2063. DOI: 10.1038/s41564-019-0569-4.

[11] https://www.theguardian.com/society/2010/oct/19/efsa-rules-probiotic-health-claims-unproven

[12] Pu F., Guo Y., Li M. et al.: Yogurt supplemented with probiotics can protect the healthy elderly from respiratory infections (2017). A randomized controlled open-label trial. Clinical interventions in aging 12, S. 1223–1231. DOI: 10.2147/CIA.S141518.

[13] Nocerino R., Paparo L., Terrin G. et al.: Cow’s milk and rice fermented with Lactobacillus paracasei CBA L74 prevent infectious diseases in children (2017). A randomized controlled trial. Clinical nutrition (Edinburgh, Scotland) 36 (1), S. 118–125. DOI: 10.1016/j.clnu.2015.12.004.

[14] Goldstein EJC, Tyrrell KL and Citron DM: Lactobacillus species. Taxonomic complexity and controversial susceptibilities (2015). Clinical infectious diseases : an official publication of the Infectious Diseases Society of America 60 Suppl 2, S98-107. DOI: 10.1093/cid/civ072.

[15] Markowiak P. and Śliżewska K.: Effects of Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics on Human Health (2017). Nutrients 9 (9). DOI: 10.3390/nu9091021.

[16] Hutkins RW, Krumbeck JA, Bindels LB, Cani PD et al.: Prebiotics. Why definitions matter (2016). Current opinion in biotechnology 37, S. 1–7. DOI: 10.1016/j.copbio.2015.09.001.

[17] Bindels LB, Delzenne NM, Cani PD and Walter J.: Towards a more comprehensive concept for prebiotics (2015). Nature reviews. Gastroenterology & hepatology 12 (5), S. 303–310. DOI: 10.1038/nrgastro.2015.47.

[18] Lange K., Buerger M., Stallmach A. and Bruns T.: Effects of Antibiotics on Gut Microbiota (2016). Digestive diseases (Basel, Switzerland) 34 (3), S. 260–268. DOI: 10.1159/000443360.

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30.12.2024

bESSERwisser

Wieso sind Ballaststoffe so gesund?

Ballaststoffe sind wichtig Nährstoffe für das Darmmikrobiom und unterstützen unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Mit ein paar einfachen Tricks lassen sich leicht in den Speiseplan integrieren. 

Ihren Namen tragen Ballaststoffe völlig zu Unrecht, denn sie sind alles andere als Ballast und haben eine äußerst wichtige Funktion für Gesundheit und Wohlbefinden. Die Pflanzenfasern dienen als tolle Sattmacher, fördern die Verdauung und dienen Mikroorganismen im Darm als Nahrungsgrundlage.

Die fasrigen Bestandteile von Pflanzen, die aus komplexen Kohlenhydraten oder dem Zellwandbestandteil Lignin bestehen [1], sind in Obst, Gemüse, und Getreideprodukten enthalten. Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sind besonders ballaststoffreich.

Essen – auch für die Darmbakterien

Der Mensch ist innen und außen dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die sich zum Großteil aus Bakterien, Pilzen und Viren zusammensetzen [2,3]. Die meisten Bakterien des Menschen befinden sich im Darm. Für ihr Überleben sind sie auf Nährstoffe angewiesen, wobei die Ernährungsweise einer Person stark die Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms beeinflusst.

Der Weg der Nahrung zu den Darmmikroorganismen ist lang: Im Magen wird das zerkaute Essen zunächst durch spezielle Verdauungsenzyme zerkleinert. Im Dünndarm wird es dann weiter zerlegt, und der Körper nimmt wichtige Nährstoffe sowie Vitamine und Mineralstoffe auf. Auch Mikroorganismen schalten sich hier schon in die Essensverwertung mit ein.

Im Dickdarm wird dem Nahrungsbrei schließlich Wasser entzogen, und Salze und Elektrolyte werden aufgenommen. In diesem Darmabschnitt sitzen besonders viele Mikroorganismen und arbeiten auf Hochtouren: Mit ihrem einzigartigen Stoffwechsel verwerten sie vor allem Ballaststoffe, die bis hierher nicht umgesetzt wurden. Dabei liefern sie zusätzliche Energie und geben wichtige Stoffe an die Darmschleimhaut ab, wie beispielsweise Vitamine und kurzkettige Fettsäuren [2,3].

Intaktes Mikrobiom für Gesundheit und Wohlbefinden

Mikroorganismen erfüllen auch noch andere wichtige Funktionen im Darm: Sie unterstützen die Darmschleimhaut, die eine wichtige Barriere darstellt, produzieren antimikrobielle Stoffe und lassen potenziell schädlichen Erregern keinen Platz zum Ausbreiten. Außerdem trainieren sie das Immunsystem [2,3].

Des Weiteren können die Mikroorganismen im Darm über bestimmte Botenstoffe mit dem Gehirn kommunizieren – man spricht von der Darm-Hirn-Achse. So etwa werden von Bakterien produzierte kurzkettige Fettsäuren über das Blut zum Gehirn transportiert und führen dort u. a. zur Freisetzung des Glückshormons Serotonin und somit zu guter Laune [4]. Die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst auch Schlaf [5] sowie Haut [6].

Das Mikrobiom birgt somit enormes Potenzial für die Gesundheit und wird aktuell intensiv erforscht. Heute ist ein Zusammenhang zwischen zahlreichen Erkrankungen und einer veränderten Zusammensetzung der Darmmikroben bekannt. Das trifft beispielsweise auf Diabetes, Fettleibigkeit, Asthma, Allergien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und entzündliche Darmerkrankungen zu. Auch bei Depressionen, Autismus, Parkinson und Alzheimer dürften die Mikroorganismen im Darm eine wichtige Rolle spielen [7].

Im Tiermodell konnte des Weiteren gezeigt werden, dass sich bereits wenige Tage ohne Ballaststoffe nachteilig auf die Gesundheit auswirken [8].

Zu wenige Ballaststoffe auf den T

Europäische Richtlinien empfehlen eine tägliche Ballaststoffaufnahme von mindestens 25 bis 35 Gramm für Erwachsene, in Österreich sind es 30 Gramm [9,10]. Die meisten erwachsenen Europäerinnen und Europäer erreichen diese Menge jedoch nicht [11]. Dabei ist die Integration von Ballaststoffen in den Speiseplan nicht schwer. Diese sollten aus verschiedenen Quellen stammen, um auch noch möglichst viele unterschiedliche Vitamine, Mineralien und andere Nährstoffe abzudecken.

In der EU sind Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und Kartoffeln die Hauptquellen für Ballaststoffe. Vergleichsweise ballaststoffreich sind Bohnen, Erbsen, Linsen und Getreideprodukte mit möglichst vollem Korn wie Roggenbrot, Haferflocken sowie Vollkornbrot und -nudeln.

Bei Obst und Gemüse zählen Beeren, Äpfel, Birnen, Bananen, Pfirsiche, Avocados, Sellerie, Brokkoli, Karotten und Kartoffeln zu den besten Ballaststofflieferanten. Top für eine ballaststoffreiche Kost sind auch Nüsse und Samen: Flohsamenschalen, Leinsamen, Weizenkleie und Chiasamen lassen hier Mandeln, Pekannüsse, Pistazien und Kürbiskerne hinter sich [9-12].

Einfache Tricks für mehr Ballaststoffe

Es gibt ein paar einfache Tricks, um das Essen mit mehr Ballaststoffen anzureichern:

  • Ballaststoffreiches Obst und Gemüse für die Gerichte verwenden. Daher nicht an Äpfeln, Kartoffeln und anderen guten Ballaststofflieferanten sparen!
  • Ballaststoffe wie Karotten, Zucchini und Sellerie können in geraspelter Form einfach in manchen Speisen „versteckt“ werden. So kann etwa ein Teil von Fleisch in Fleischspeisen ohne Geschmackseinbußen durch Gemüse ersetzt werden. Und durch das Beimengen von Zucchini oder Karotten (unbedingt ganz fein raspeln!) gelingen herrlich saftige Torten und Kuchen.
  • Die Schale von Obst und Gemüse enthält viele Ballaststoffe. Daher wenn möglich Äpfel ungeschält verwenden – beispielsweise beim Zubereiten von Apfelmus, aber auch beim weihnachtlichen Bratapfel. Das spart Arbeit und ist eine Wohltat für den Darm.
  • Wenn möglich auf Vollkornprodukte zurückgreifen, beispielsweise auf Vollkornnudeln und Vollkornnudelblätter bei Pasta-Gerichten.
  • Weißmehl durch Vollkornmehl ersetzen, beispielsweise bei Einbrenn, Béchamelsauce und Bäckerei. Wem das geschmacklich nicht ganz so zusagt: Auch schon das Ersetzen eines Teils des Mehls durch die Vollkornvariante ist ein Plus für die Gesundheit. Vollkornmehl enthält im Gegensatz zu Weißmehl nicht nur den Mehlkörper mit der Stärke, sondern auch den Keimling und die Schale des Kornes und liefert so mehr Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Ein kleiner Tipp: Baguette und Toast aus Weißmehl durch die entsprechende Vollkornvariante ersetzen.
  • Viele Speisen lassen sich durch das Beimengen von Haferflocken, (geriebenen) Nüssen, Kernen und Samen ballaststoffreicher gestalten. So können etwa Suppen, Smoothies, Salate, Joghurts und Müsli auf diese Art mit Ballaststoffen aufgebessert werden. Auch Bäckerei mit Haferflocken wie etwa Haferflockenkekse schmecken wunderbar.
  • Auch als gesunder Snack eignen sich Ballaststoffe hervorragend: Eine Handvoll Nüsse oder Mandeln sind nicht nur gut gegen Heißhunger, sondern erfreuen auch den Darm. Und falls es doch etwas Süßes sein soll für zwischendurch: Auch dunkle Schokolade liefert Ballaststoffe. Weniger weihnachtlich, aber durchaus gut zu wissen: Popcorn tut das ebenso.
  • Kräuter und Gewürze sind ebenfalls tolle Ballaststofflieferanten, daher unbedingt den Mahlzeiten frische gehackte Kräuter und Gewürze beimengen. Diese verstärken nicht nur das natürliche Aroma, sondern wirken sich auch auf die Darmgesundheit und das allgemeine Wohlbefinden aus.

Viele dieser Tipps sind nicht nur kulinarisch ein Plus, auch der Darm und das allgemeine Wohlbefinden profitieren davon. Ein höherer pflanzlicher Anteil in unserem Essen tut außerdem nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem Klima gut.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit der Mikrobiologin und Ernährungsexpertin Annelieke Overbeeke entstanden, die auf ihrer Darm Kram-Seite Tipps und Tricks sowie zahlreiche Rezepte und Kochvideos für eine ballaststoffreichere Ernährung anbietet.

Referenzen:

[1] Akbar A. and Shreenath AP: High Fiber Diet. [Updated 2023 May 1]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan.

[2] Salvadori M. and Rosso G.: Update on the gut microbiome in health and diseases. World J Methodol. 2024 Mar 20;14(1):89196. doi: 10.5662/wjm.v14.i1.89196. PMID: 38577200; PMCID: PMC10989414.

[3] Fujisaka S., Watanabe Y. and Tobe K. The gut microbiome: a core regulator of metabolism. J Endocrinol. 2023 Jan 19;256(3):e220111. doi: 10.1530/JOE-22-0111. PMID: 36458804; PMCID: PMC9874984.

[4] Appleton J.: The Gut-Brain Axis: Influence of Microbiota on Mood and Mental Health. Integr Med (Encinitas). 2018 Aug;17(4):28-32. PMID: 31043907; PMCID: PMC6469458.

[5] Dos Santos A. and Galiè S.: The Microbiota-Gut-Brain Axis in Metabolic Syndrome and Sleep Disorders: A Systematic Review. Nutrients. 2024 Jan 29;16(3):390. doi: 10.3390/nu16030390. PMID: 38337675; PMCID: PMC10857497.

[6] Thye AY, Bah YR, Law JW, Tan LT, He YW, Wong SH, Thurairajasingam S., Chan KG, Lee LH and Letchumanan V.: Gut-Skin Axis: Unravelling the Connection between the Gut Microbiome and Psoriasis. Biomedicines. 2022 Apr 30;10(5):1037. doi: 10.3390/biomedicines10051037. PMID: 35625774; PMCID: PMC9138548.

[7] Hou K., Wu ZX, Chen XY, Wang JQ, Zhang D., Xiao C., Zhu D., Koya JB, Wei L., Li J. and Chen ZS.: Microbiota in health and diseases. Signal Transduct Target Ther. 2022 Apr 23;7(1):135. doi: 10.1038/s41392-022-00974-4. PMID: 35461318; PMCID: PMC9034083.

[8] Overbeeke A., Lang M., Hausmann B., Watzka M., Nikolov G., Schwarz J., Kohl G., De Paepe K., Eislmayr K., Decker T., Richter A. and Berry D.: Impaired Mucosal Homeostasis in Short-Term Fiber Deprivation Is Due to Reduced Mucus Production Rather Than Overgrowth of Mucus-Degrading Bacteria. Nutrients. 2022 Sep 15;14(18):3802. doi: 10.3390/nu14183802.

[9] The European Food Information Council: Empfohlene tägliche Aufnahme von Ballaststoffen und ballaststoffreichen Lebensmitteln, um Ihnen zu helfen, dieses Ziel zu erreichen. Zuletzt aktualisiert 2023. Abgerufen am 27.11.2024.

[10] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: DGE/ ÖGE-Referenzwerte. Abgerufen am 27.11.2024

[11] McKeown NM, Fahey GC Jr, Slavin J. and van der Kamp JW: Fibre intake for optimal health: how can healthcare professionals support people to reach dietary recommendations? BMJ. 2022 Jul 20;378:e054370. doi: 10.1136/bmj-2020-054370. PMID: 35858693; PMCID: PMC9298262.

[12] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Ballaststoffe. Abgerufen am 13.12.2024

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28.08.2024

bESSERwisser

Braucht der Mensch Fleisch?

Fleisch Steak mit Gewürzen

Der Verzicht auf Fleisch boomt aktuell, stößt jedoch häufig noch auf Skepsis. Dabei kann ein fleischloser Lebensstil durchaus gut für die Gesundheit sein. Die bESSERwisser haben recherchiert.

Wir Menschen gehören der Gattung Homo an, die es schätzungsweise schon seit rund 2,5 Millionen Jahren gibt. Vor etwa zwei Millionen Jahren gab es eine evolutionäre Sternstunde, als das Gehirn unserer Vorfahren sich vergrößerte und der Homo erectus entstand [1]. Dieser war ein Allesfresser und ernährte sich als Jäger und Sammler von Fleisch und Pflanzen, wie es der heutige Mensch an und für sich auch tut.

Im Lauf der letzten Jahre hat sich in unserer Gesellschaft ein klarer Trend hin zu einem fleischlosen Lebensstil entwickelt. Eine Befragung von Personen im Alter ab 18 Jahren aus zehn Ländern zeigte, dass die Hälfte von ihnen ihren Fleischkonsum in den letzten Jahren reduziert hatte [2]. Österreich besaß unter diesen Ländern sogar den höchsten Anteil an Veganer:innen.

Fleisch als Klimasünde

Der Verzicht auf Fleisch ist keineswegs eine Errungenschaft der heutigen Zeit, denn schon sehr früh und in verschieden Kulturen wurde ein solcher dokumentiert: Bereits 3200 Jahre vor Christus glaubten beispielsweise die Ägypter, durch eine vegetarische Ernährung die Chance auf Wiedergeburt zu erhöhen. Und im antiken Griechenland war der Philosoph Pythagoras einer der bekanntesten Vegetarier. Erst in der christlichen Ära geriet eine fleischlose Ernährung in den Hintergrund [3].

Heute entscheiden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen dazu, Fleisch den Rücken zu kehren – sei es aus ethischen Bedenken, aufgrund einer Fleischallergie, wegen eines Angebots an besseren Alternativen oder dem steigenden Bewusstsein für den Klimawandel. Eines steht jedenfalls außer Frage: Fleischkonsum hat einen negativen Einfluss auf unsere Umwelt. Rund 23 Prozent der totalen Gasemissionen gehen auf die Landwirtschaft zurück, die somit zu den größten Antreibern des Klimawandels zählet. Es wird geschätzt, dass alleine die Viehwirtschaft zwischen zwölf und 18 Prozent zu den totalen Gasemissionen beisteuert [4]. Daneben trägt die Viehzucht mancherorts auch zu Wasserverschmutzung und -knappheit bei. Schätzungsweise braucht man für die Produktion eines Kilogramms Protein vom Rind achtzehnmal mehr Land, zehnmal mehr Wasser, neunmal mehr Treibstoff, zwölfmal mehr Düngemittel und zehnmal mehr Pestizide als für ein Kilogramm pflanzliches Protein von Kidneybohnen [5].

In einer Zeit, in der bewusster Konsum und ethische Verantwortung gegenüber der Umwelt immer mehr in den Fokus rücken, stellt sich somit die Frage: Braucht der Mensch wirklich Fleisch?

Vegetarisch, vegan und Co

Neben der „klassischen“ Ernährungsweise mit Fleisch gibt es auch zahlreiche fleischlose Alternativen, die sich durch verschiedene Eigenheiten auszeichnen. So etwa wird bei der vegetarischen Ernährung einfach Fleisch weggelassen. Veganer:innen hingegen nehmen überhaupt keine tierischen Produkte zu sich – kein Fleisch, keine Milch oder Eier, keinen Fisch und in der Regel auch keinen Honig.

Es gibt aber noch eine ganze Fülle anderer Ernährungsstile, die in der Regel nicht ganz so bekannt sind: Pescetarier essen kein Fleisch, aber trotzdem Fisch. Menschen, die sich als Flexitarier:in bezeichnen, leben nicht zu jeder Zeit vegetarisch und gönnen sich selten auch mal Fleisch in kleinen Mengen. Und Lakto-Vegetarier:innen verzehren neben pflanzlicher Kost auch Milch und Milchprodukte. Ovo-Vegetarier:innen machen bei Eiern eine Ausnahme, essen aber sonst keine tierischen Produkte [6].

Verzicht auf Fleisch fördert die Gesundheit

Laut der World Health Organization (WHO) wird eine hauptsächlich pflanzliche Ernährung in Kombination mit wenig Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren als gesund angesehen [7]. Ebenso gilt es als gesundheitsfördernd, wenn man auf rotes Fleisch – wie etwa Rind, Schwein oder Lamm – sowie auf verarbeitetes Fleisch, wie beispielsweise Würstel oder geräuchertes Fleisch, verzichtet. Ob auch weißes Fleisch, also Geflügel, einen negativen Einfluss auf die Gesundheit hat, ist aktuell noch unklar.

Kein oder ein geringer Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch stehen jedenfalls mit einer Senkung eines frühen krankheitsbedingten Todes in Verbindung. Es vermindert sich dadurch auch das Risiko, an nicht-übertragbaren Krankheiten zu sterben. Dazu zählen beispielsweise Krebs, Blutkreislauferkrankungen, Diabetes oder chronische Lungenerkrankungen, und diese machen immerhin 71 Prozent der frühzeitigen Todesfälle weltweit aus [8]. Studien belegen außerdem, dass eine vegetarische oder vegane Ernährung Herzerkrankungen und Schlaganfällen vorbeugen kann [9-11].

Ein fleischloser Lebensstil, besonders vegane Ernährung, kann auch positive Auswirkungen auf den Blutdruck haben, der einen enormen Risikofaktor für Kreislauf- und Nierenerkrankungen darstellt [12, 13]. Außerdem besitzen Menschen, die sich fleischlos ernähren, im Schnitt einen geringeren BMI (body mass index) als Fleischesser:innen, sind also viel seltener übergewichtig. Dies wiederum senkt das Risiko, an Diabetes zu erkranken [14]. Des Weiteren deuten Studien darauf hin, dass Vegetarier:innen und Veganer:innen einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, an verschiedenen Arten von Krebs, wie Lymphknoten-, Blasen-, Lungen-, Darm- oder Magenkrebs, zu erkranken, als Fleischesser:innen [15, 16].

Der World Cancer Research Fund – eine Organisation, die sich seit Jahrzehnten der Krebsprävention widmet – empfiehlt nur geringe Mengen an rotem Fleisch und sehr wenig bis gar kein verarbeitetes Fleisch für ein reduziertes Krebsrisiko [17].

Mögliche Nährstoffdefizite bei fleischloser Lebensweise

Fleisch liefert dem Körper allerdings wichtige und gesunde Stoffe. Es ist eine gute Proteinquelle und reich an Mikronährstoffen – also Vitaminen und Mineralien, die für den Menschen lebensnotwendig sind. Im Gegensatz zu Makronährstoffen (Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten) dienen Mikronährstoffe nicht als Energiequelle, sind aber dennoch essenziell für unsere Gesundheit: Fehlen sie im Körper, kann es zu neuronalen Beeinträchtigungen, Knochenproblemen, einem geschwächtem Immunsystem oder mentalen Problemen kommen [18]. Daher sollte man bei fleischloser Ernährung darauf achten, dass es nicht zu einer Unterversorgung mit diesen Stoffen kommt. Oft entsteht bei vegetarischer und veganer Ernährungsweise jedoch ein Defizit an Zink, Kalzium, Iod oder Eisen [19, 20].

Vitamin B12

Auch ein Mangel an Vitamin B12 tritt häufig bei Vegetarier:innen und Veganer:innen auf. Dieses Vitamin wird vom menschlichen Körper unter anderem für die Produktion von roten Blutkörperchen, neurologische Funktionen sowie die Herstellung von DNA benötigt, ist aber ausschließlich in tierischem Gewebe und nicht in Pflanzen zu finden. Einige vegetarische Nahrungsmittel, wie zum Beispiel Tempeh oder Fischsauce, die durch Bakterien fermentiert wurden, enthalten auch Vitamin B12, allerdings nur in sehr geringen Mengen. Der Vitamin-B12-Gehalt in Eiern und Milch ist ebenfalls sehr gering und wird durch Verarbeiten oder Kochen noch einmal weniger [21-23].

Vitamin D

Bei einer fleischlosen Ernährung wird des Weiteren oft auch zu wenig Vitamin D aufgenommen. Hier haben Pescetarier einen klaren Vorteil gegenüber Vegetarier:innen und Veganer:innen, denn Vitamin D ist außer in Fleisch auch vermehrt in Fischen und Algen zu finden [24]. Auch in Eiern ist es enthalten. Vegetarische und vegane Ernährung führt außerdem öfters zu einem Mangel an DHA (Docosahexaensäure). Diese Omega-3-Fettsäure ist ein Bestandteil der Zellmembran von Nervenzellen und es wird angenommen, dass geringe DHA-Werte in Zusammenhang mit neurologischen Beschwerden stehen. Auch für eine gute Spermaqualität sollt ausreichend DHA aufgenommen werden [25, 26].

Fleischlose Ernährung: Gute Planung wichtig

Prinzipiell gehen Vegetarier:innen ein geringeres Risiko ein, mit Mikronährstoffen unterversorgt zu sein als Veganer:innen. Doch ob Vegetarier:in, Veganer:in oder eine andere Form von Fleisch-Verweigerer:in – in der heutigen Zeit kann man Mängeln durch eine gut geplante Lebensmittelauswahl oder auch durch die Einnahme von passenden Nahrungsergänzungsmitteln vorbeugen. Bei falscher Planung und Unausgewogenheit kann eine fleischlose Ernährung jedenfalls ungesund sein und unter anderem zu chronischen Entzündungen führen [27]. Interessanterweise können aber Personen mit fleischloser Lebensweise im Vergleich zu Fleischesser:innen manche ungesättigten Fettsäuren, Folat, Vitamin C, E und Magnesium besser aufnehmen [28].

Weniger Protein: Schrumpft der Bizeps vom Salat?

Heute weiß man, dass pflanzliche Proteine um 50 bis 70 Prozent schlechter zu verdauen sind als tierische. Ein möglicher Grund dafür sind deren strukturelle Unterschiede: In Pflanzenproteinen dominiert eine Struktur, die in unserem Verdauungstrakt gegen den für die Aufnahme nötigen Abbau teilweise widerstandsfähiger ist. Zusätzlich verklumpen pflanzliche Proteine vermehrt, was deren Verarbeitung im menschlichen Verdauungstrakt Körper noch einmal erschwert. Über Pflanzen nehmen wir außerdem auch Mehrfachzucker und Stoffe auf, welche die Verfügbarkeit von Verdauungsenzymen verringern, da sie Enzyme für den Proteinabbau blockieren [29-31]. Pflanzliche Proteine bestehen auch aus weniger essenziellen Aminosäuren – also Bausteinen von Proteinen, die dem Körper zugeführt werden müssen ­­– als tierische. [32].

Alles in allem besitzen tierische Proteine eine höhere Wertigkeit als pflanzliche. Das bedeutet, dass tierisches Nahrungseiweiß besser zur Bildung körpereigener Proteine genutzt werden kann als pflanzliches. Daher ist der Muskelaufbau mit rein pflanzlicher Ernährung auch schwieriger, als wenn auch tierische Produkte und Fleisch verzehrt werden. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass eine vegetarische oder vegane Lebensweise Menschen körperlich schwächen muss. Das haben etwa Sportler:innen wie der vegane Tennisspieler Novak Djokovic, der vegane Formel-1-Fahrer und Weltmeister Lewis Hamilton oder die mehrfache Grand-Slam-Siegerin Serena Williams – sie isst mittlerweile wieder Fleisch, hat aber als Veganerin die French Open gewonnen – bewiesen: Sie haben gezeigt, dass es für einen sportlichen Körper und Spitzenleistungen nicht unbedingt Fleisch benötigt [33, 34].

Tricks für mehr Protein

Welche Möglichkeiten gibt es also, trotz vegetarischer oder veganer Lebensweise und ohne ergänzende Proteinriegel oder Proteinpulver genügend Protein zu sich zu nehmen? Ein einfacher Trick bei pflanzlichen Proteinen ist es, sie durch Kochen verdaulicher zu machen [35]. Naheliegend ist auch, einfach mehr Gemüse und Obst ­und – falls es die persönliche Ernährungsform erlaubt – auch Milchprodukte und Eier­ zu essen. So kann die Proteinzufuhr gezielt erhöht werden, um den Körper mit genügend Aminosäuren zu versorgen. So können dann unter anderem die Muskeln beim Wachsen unterstützt werden [36].

Kein automatischer Nährstoffmangel

Wie lautet also die Antwort auf die Frage, ob der Mensch Fleisch braucht? Wenn man es richtig macht, dann nicht. Fleisch ist zwar ein wertvolles Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Proteinen, Vitaminen und Mineralien. Doch ein Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte muss nicht zwingendermaßen zu einem Nährstoffstoffmangel führen – ganz im Gegenteil: Plant man die Auswahl seiner Lebensmittel sorgfältig, ist ein Leben ohne Fleisch sogar gut für die Gesundheit. Voraussetzung ist natürlich immer das entsprechende Wissen zu passenden Alternativen, was bisweilen eine Herausforderung darstellen kann. Im Zweifelsfall kann es nicht schaden, hier auch eine:n Diätolog:in mit einzubeziehen.

Ein Verzicht auf Fleisch kommt außerdem der Umwelt zugute, und auch die Volkswirtschaft könnte von einem Umstieg der Bevölkerung auf eine pflanzliche Ernährung profitieren: Das europäische Gesundheitssystemen könnte so vermutlich Milliarden an Geldern einsparen [37].

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12.01.2024

bESSERwisser

„Brainfood“: sind Nüsse gut fürs Gehirn?

Nüsse Walnüsse

Nüsse sind nicht nur gut und gesund, sie sollen außerdem gut für unser Gehirn sein. Die bESSERwisser haben recherchiert, ob das stimmt.

Die Gesundheit unseres Gehirns und damit der Erhalt seiner Fähigkeiten beruht auf einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren. Einer davon, den wir täglich im wahrsten Sinn des Wortes selbst in der Hand haben, ist unsere Ernährung. Nüsse sind Bestandteil vieler Bäckereien und Speisen und auch roh eine beliebte Knabberei für zwischendurch. Und sie könnten auch einen Boost fürs Gehirn liefern: Denn Nüsse schmecken nicht nur gut, sondern haben auch den Ruf, positive Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit unseres Gehirns zu haben.

Harte Schale, gesunder Kern

Typisch für Nussfrüchte, die botanisch gesehen zu den Schließfrüchten zählen, ist die Verholzung ihrer drei Fruchtwandschichten zur Schale. Diese umschließt einen Samen – den als „Nuss“ bezeichneten ölhaltigen Kern, der meist essbar ist.

Alle Nüsse ­haben prinzipiell ähnliche Inhaltsstoffe: Sie sind generell wasserarm und reich an Fett, Eiweiß, Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Außerdem dienen sie als gute Quelle für Mineralstoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, wobei es in der genauen Zusammensetzung Unterschiede bei den verschiedenen Nussarten gibt. Da Nüsse „kerngesund“ sind, sollten sie Teil einer ausgewogenen Ernährung sein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt sogar, eine Portion Obst am Tag durch eine Hand voll Nüsse zu ersetzen.

Studien zu Nüssen: eine „harte Nuss“

Die Auswirkung von Nüssen auf die menschliche Gesundheit interessiert die Wissenschaft und Medizin schon seit langem. Es ist allerdings prinzipiell recht kompliziert, die Auswirkungen einzelner Bestandteile unserer Ernährung isoliert zu untersuchen. Zu diesem Zweck können beispielsweise in vitro Versuche durchgeführt werden, bei denen der Effekt bestimmter Inhaltsstoffe im Labor analysiert wird. Auch Ernährungsstudien, bei denen Nahrungsmittel oder deren Bestandteile ähnlich wie Medikamente untersucht werden, werden dafür oft eingesetzt. Häufig können einzelne Studien jedoch aufgrund von Unterschieden in Studiendauer, Anzahl der Proband:innen, Menge des konsumierten Nahrungsmittels und teils auch der gemessen Parameter bzw. verwendeten Tests oft schwer verglichen werden. Die aussagekräftigsten Daten zur Wirkung von Nüssen auf die menschliche Gesundheit stammen aus so genannten Metastudien. In diesen systematischen Übersichtsarbeiten wird eine Vielzahl von Studien kombiniert, gemeinsam analysiert und statistisch ausgewertet, sodass eine eindeutige Aussage getroffen werden kann.

So wurde etwa durch Metastudien erhoben, dass sich der regelmäßige Verzehr von Nüssen positiv gegen Krebs auswirken könnte, und auch eine antibakterielle Wirkung wird den gesunden Energiepaketen zugeschrieben [1, 2]. Nusskonsum kann außerdem das Risiko, an Diabetes oder Bauchspeicheldrüsen- und Darmkrebs zu erkranken, reduzieren und Gallensteinen vorbeugen [3, 4].

Positive Effekte von Nüssen bei Erkrankungen des Gehirns

Für viele Bestandteile der Nuss konnte des Weiteren eine positive Auswirkung auf die Gesundheit unserer Gefäße und des Blutkreislaufs im Allgemeinen gezeigt werden [1, 5]. Dies wirkt sich indirekt auch auf unser Denkorgan aus, da Personen mit gesunden Gefäßen und einem gut funktionierenden Blutkreislauf weniger häufig an Erkrankungen des Gehirns leiden. So sind bei ihnen insbesondere Schlaganfälle und Hirnblutungen seltener, aber auch Demenzerkrankungen können so vermieden werden [6].

Gerade bei diesen so häufigen Erkrankungen des Gedächtnisses – in Österreich leben zumindest 150.000 Menschen mit Demenz – gibt es experimentelle Hinweise, dass Nüsse einen davon unabhängigen, positiven Effekt haben könnten. Die Alzheimererkrankung, die mit Abstand die häufigste Ursache für Demenzerkrankungen ist, zeichnet sich durch die Ablagerung von zwei Eiweißen im Gehirn aus: Amyloid-Beta und Tau, die sich zu sogenannten Plaques und Bündeln zusammenkleben. Bestandteile von Nüssen, insbesondere Walnüssen, zeigten im Labor einen positiven Effekt auf diese Veränderungen – sowohl auf die Plaques (siehe Refs 80-94 in [7]) als auch auf die Bündel (siehe Refs 103-105 in [7]).

Die in Nüssen enthaltenen Antioxidantien, wie zum Beispiel Vitamin E oder Folat (Vitamin B9), können außerdem oxidativen Stress von Zellen vermindern, der unter anderem durch Rauchen, UV-Strahlung, Abgase, Pestizide, Schlafmangel oder schlechte Ernährung entstehen kann. Andauernder oxidativer Stress, der durch den heutigen Lebenswandel begünstigt ist, kann unsere kognitive Leistung beeinträchtigen. Da es im Gehirn durch oxidativen Stress zum Verlust von Nervenzellen und Synapsen kommt, steht er auch in Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson [8].

Nüsse als Powerfood fürs Gedächtnis

Wie sich der Konsum von Nüssen auf unser Gehirn bzw. unsere Gedächtnisleistung auswirkt, ist unter anderem aus so genannten beobachtenden Studien bekannt. Bei diesen werden indirekte Hinweise gesammelt, indem beispielsweise die Gedächtnisfähigkeit einer Person getestet und diese gleichzeitig befragt wird, wie sich ihre Ernährung in einem gewissen Zeitraum in der Vergangenheit zusammengesetzt hat. Das ist manchmal jedoch gar nicht so einfach zu beantworten, und es sind auch nicht immer alle Proband:innen  dabei ganz ehrlich. Ein besserer Weg wäre es daher, die Testpersonen zuvor nach ihrer Ernährung zu befragen und dann erst zu einem späteren Zeitpunkt deren Gehirnleistungen zu testen.

Eine Zusammenfassung von Studien der letzten 15 Jahre zeigte folgendes: Bis auf eine Ausnahme [8] konnte in allen beobachtenden Studien ein positiver Effekt von Nüssen auf die Gedächtnisleistung im Ganzen oder in Teilen gezeigt werden [10-15]. Insbesondere gute Wirkung durch Nusskonsum wurde bei Menschen erzielt, die aufgrund anderer Umstände – wie zum Beispiel zu wenig Bewegung, Übergewicht oder Diabetes – ein höheres Risiko für die Entwicklung von Demenzerkrankungen mitbrachten [16].

Risikokandidat:innen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Nüsse essen!

Um den Beweis zu erbringen, dass die positiven Zusammenhänge nicht nur auf Zufällen beruhen, wurden noch weitere Studien durchgeführt. Um ausschließen zu können, dass Proband:innen, die gerne Nüsse essen, auch auf eine andere, von den Forschenden nicht abgefragte Art und Weise etwas Gutes für ihr Gedächtnis tun,  wurden Nüsse daher fast wie Medikamente eingesetzt: In sogenannten prospektiven randomisierten Studien wurde einer Hälfte der Testpersonen eine Nussdiät verordnet, während die andere Hälfte  normal weiter aß. In diesen Studien zeigte sich ein uneinheitliches Bild. Die bei weitem größte Studie, in der 15% des täglichen Energiebedarfs über zwei Jahre aus Walnüssen gedeckt wurden, zeigte keinen Effekt auf die Gehirnleistung bei gesunden älteren Proband:innen [17] . Wenn jedoch Menschen mit einem hohen Risiko für Herzkreislauferkrankungen eingeschlossen wurden, die also auch ein hohes Risiko für Erkrankungen des Gedächtnisses haben, gab es sehr wohl positive Effekte des Nusskonsums: Wurden täglich 30 Gramm Nüsse zusätzlich zu einer gesunden mediterranen Diät verspeist, waren nach vier bis sechs Jahren die Ergebnisse bei Tests zur Gedächtnisleistung besser [18,19]. Auch in kürzeren Untersuchungen mit weniger Teilnehmenden konnten positive Effekte für Erdnüsse [20] und Mandeln [21] gefunden werden.

Unmittelbare Wirkung von Nüssen aufs Gedächtnis fraglich

Und wie steht es um die unmittelbare Wirkung von Nüssen auf die Kognition? Alkohol berauscht schließlich auch sofort, Sportler:innen essen vor Wettkämpfen oft große Mengen an Kohlenhydraten, und Popeye war ohne Spinat kaum einsatzbereit.
Dazu gibt es aktuell leider wirklich wenige Daten. Eine Querschnittsstudie bei Personen im Alter von 20 – 59 Jahren fand positive Effekte auf die Geschwindigkeit bei Reaktionstests [22]. Und in einer kleinen randomisierten prospektiven Studie, bei derWalnüsse in ein Bananenbrot eingebacken wurden, gab es lediglich eine positive Auswirkung auf die kritische Denkleistung [23].

Fazit

Die Antwort auf die Frage, ob Nüsse gut sind fürs Gehirn, ist nicht so ganz einfach zu beantworten, da die wenigen dazu durchgeführten Studien oft schwierig zu vergleichen sind.

Setzt man die vorhandenen Puzzlestücke an Beweisen dennoch so gut es geht zusammen, wird klar: Nüsse haben wohl insbesondere über ihre positive Wirkung auf die Gesundheit von Gefäßen und Kreislauf auch einen positiven Effekt auf das Gedächtnis. Dieser ist naturgemäß bei jenen Personen am größten, die ein höheres Risiko für solche Erkrankungen haben. Als Supernuss in diesem Zusammenhang erweist sich die Walnuss – für sie gibt es fast nur positive Studien. Dazu kommen Hinweise, dass Nüsse möglicherweise direkt vor den häufigsten Demenzerkrankungen des Alters schützen und bei regelmäßigem Konsum die Reaktionsfähigkeit erhöhen könnten.

Bei all der notwendigen kritischen Betrachtung sollten wir eines nicht vergessen: in keiner einzigen Studie konnte ein nachteiliger Effekt von Nüssen festgestellt werden.

Greifen Sie also öfters genüsslich zur Nuss!

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit dem Neurologen Raphael Wurm, der an der Medizinischen Universität Wien Demenzerkrankungen erforscht.

 

Referenzen:

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[22] Arab L. and Ang A.: A cross sectional study of the association between walnut consumption and cognitive function among adult US populations represented in NHANES. J Nutr Health Aging. 2015 Mar;19(3):284-90. doi: 10.1007/s12603-014-0569-2. PMID: 25732213.

[23] Pribis P., Bailey RN, Russell AA, et al.: Effects of walnut consumption on cognitive performance in young adults. Br J Nutr. 2012 May;107(9):1393-401. doi: 10.1017/S0007114511004302. Epub 2011 Sep 19. PMID: 21923981.

 

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29.12.2022

bESSERwisser

Laktosefreie Milch nur bei Laktoseintoleranz?

Glas mit Milch

Viele Menschen leiden heute unter Laktoseintoleranz. Diese stellt genau genommen keine Erkrankung, sondern die normale genetische Variante des menschlichen Metabolismus dar. Für Personen mit Laktoseintoleranz sind laktosefreie Milch und Milchprodukte eine große Erleichterung. Doch ist laktosefreie Milch für alle sinnvoll? Und wieso schmeckt laktosefreie Milch süß? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Laktoseintoleranz ist heute weit verbreitet und tritt meist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf [1]. Weltweit sind etwa 65 Prozent der Bevölkerung davon betroffen, wobei es hier große Unterschiede bei verschiedenen Ethnien gibt. Während etwa 85 Prozent der Personen mit afroasiatischer Abstammung unter Laktoseintoleranz leiden, sind es Europa nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung [2, 3]. Die „gefühlte Betroffenheit“ ist jedoch vermutlich größer als das tatsächliche Vorliegen einer solchen Erkrankung. So zeigte eine Umfrage in Österreich im Jahr 2017 unter Personen, die angegeben hatten, an einer Laktoseintoleranz, Allergie oder sonstiger Unverträglichkeit von Milchprodukten zu leiden: Nur etwa die Hälfte von ihnen ließ sich die Erkrankung auch von Fachärztin/-arzt, Allgemeinmediziner*in oder in einem Allergieambulatorium bestätigen, rund 40 Prozent der Betroffenen reichte die Selbstdiagnose [4].

Fehlendes Enzym als Ursache von Laktoseintoleranz

Im Gegensatz zu einer Milchallergie, bei der das Immunsystem eine entscheidende Rolle spielt, erfolgt bei einer Laktoseintoleranz keine immunologische Reaktion des Körpers auf Bestandteile der Milch [5]. Bei der als Laktoseintoleranz bekannten Unverträglichkeit von Milch mangelt es dem Körper an einem bestimmten Enzym, der so genannten Laktase. Diese wird im Dünndarm gebildet und spaltet normalerweise den in der Milch vorhandenen Zweifachzucker Laktose im Darm in die beiden Einfachzucker Glukose (Traubenzucker) und Galaktose (Schleimzucker) auf. Diese können dann zunächst über ein spezielles Transporterprotein in die Zellen der Darmwand aufgenommen und anschließend an die Blutbahn abgegeben werden. Wird der Milchzucker im Dünndarm wegen Laktasemangels nicht oder nicht vollständig aufgespalten, kann er nicht über die Dünndarmschleimhaut ins Blut aufgenommen und vom Körper verwertet werden. Unverdaute Laktose gelangt so weiter in den Dickdarm. Dort wird sie von den Darmbakterien in einem Gärungsprozess zersetzt, und es entstehen vermehrt Gase und andere Abbauprodukte.

Eine Abbildung zeigt: Laktase spaltet Laktose in Galaktose und Glukose. Bei Laktoseintoleranz ist dieser Vorgang gestört.

Bei einer Laktoseintoleranz wird der Milchzucker (Laktose) nicht in Galaktose und Glukose gespalten. Ungespaltene Laktose kann nicht resorbiert werden und gelangt in den Dickdarm. Mit freundlicher Genehmigung von © PharmaWiki.

Laktoseintoleranz: Weltweit häufigster Enzymmangel

Bei Säugetieren wird die größte Menge an Laktase kurz nach der Geburt im Dünndarm produziert, damit das Neugeborene die Muttermilch verdauen kann. Laktose ist das häufigste Kohlenhydrat in der Muttermilch und eine der Haupt-Energiequellen während der Stillperiode bei Säugetieren. Säugetiere verlieren generell die Fähigkeit, Laktose zu verdauen, wenn sie erwachsen werden. Der Mensch stellt hier eine Ausnahme dar: Beim Großteil der Menschheit sinkt nach dem Abstillen die Mengen dieses Enzyms trotz kontinuierlicher Aufnahme von Milchzucker – ein natürlicher Verlauf und keine Erkrankung. Daher können rund zwei Drittel der Weltbevölkerung Laktose im Erwachsenenalter nicht verdauen [6]. Doch das übrige Drittel der Menschheit behält die Fähigkeit, Laktose zu verwerten. Darunter fallen vor allem Nachkommen von Populationen, die Viehzucht betrieben haben. Beim Menschen tendieren Menschen mit Wurzeln in Südamerika, Asien und Afrika zu Laktoseintoleranz. Personen aus Nordeuropa oder Nordwestindien hingegen behalten normalerweise die Fähigkeit, Laktose zu verdauen [7].

Genetisch bedingte und erworbene Laktoseintoleranz

Bei der Unverträglichkeit von Milchzucker unterscheidet man prinzipiell zwei verschiedene Formen: die primäre und die sekundäre Laktoseintoleranz.

Am häufigsten tritt die primäre adulte Form der Laktoseintoleranz auf, die genetisch bedingt ist. Bei dieser Form des Laktasemangels nimmt die Enzymaktivität langsam kontinuierlich nach dem Säuglingsalter ab. Das Vorliegen der Anlage für diese Laktoseintoleranz stellt genau genommen keine Erkrankung, sondern die normale genetische Variante des menschlichen Metabolismus dar. Am häufigsten liegt hier ein Unterschied in einem bestimmten einzelnen Nukleotid und somit einer einzelnen Base in einer regulatorischen Region des Laktase (LTC)-Gens vor, doch auch andere Stellen können betroffen sein [8]. In Populationen, die intensiv Milchwirtschaft betreiben, kam es vor ca. 7500 Jahren zu Veränderungen des Genmaterials: Es entstanden schützende Mutationen und Genvarianten, die es den Träger*innen sichern, das Enzym ein Leben lang weiter zu produzieren und Milchprodukte weiterhin beschwerdefrei verzehren zu können. Man spricht von Laktasepersistenz.

Bei der sekundären oder erworbenen Laktoseintoleranz handelt es sich um die Folge einer Schädigung des Dünndarms. Sie kann durch verschiedene Darmerkrankungen oder nach Operationen im Magen-Darm-Trakt auftreten. Wird sie als solche erkannt, kann sie therapiert werden. Regeneriert sich die Dünndarmschleimhaut wieder, kann die Produktion von Laktase wieder gesteigert werden, und laktosehaltige Produkte sind wieder besser und in größeren Mengen verträglich.

Bei Beschwerden testen lassen

Der zuvor erwähnte Gärungsprozess im Darm ist für die meisten Symptome bei der Unverträglichkeit von Laktose verantwortlich: Aufgeblähter Bauch, Völlegefühl, Unterbauchschmerzen, starke Blähungen, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und manchmal auch Verstopfung. Treten diese Symptome auf, könnte eine Laktoseintoleranz dahinterstecken. Es kann allerdings auch ein anderes Problem die Ursache sein. Ob wirklich eine Laktoseintoleranz vorliegt, kann allerdings nur durch den Arzt/ die Ärztin festgestellt werden.

Es ist gut zu wissen, dass es hier eine relativ große Toleranzgrenze gibt. Daher muss man bei Laktoseintoleranz meist nicht völlig auf Milch und Milchprodukte verzichten. Laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vertragen die meisten Betroffenen eine Dosis von 12 Gramm Laktose mit wenigen oder gar keinen Symptomen. Bei der Verteilung über den Tag können sogar höhere Dosen (20-24 Gramm) ohne Beschwerden konsumiert werden [5]. In vielen Fällen reicht es, die Laktosemengen um die Hälfte bis ein Drittel zu reduzieren. Nach dem Austesten der individuellen Toleranzgrenze kann man nach zwei laktosefreien Wochen die Laktosemenge langsam steigern.

Die Ernährung sollte bei verringertem bzw. keinem Milchkonsum entsprechend angepasst werden, da es sonst zu Mangelerscheinungen kommen kann. Die Wirkung von Laktase-Tabletten, welche unmittelbar vor dem Verzehr eines milchhaltigen Produkts eingenommen werden und gegen Beschwerden vorbeugen sollen, ist aktuell nicht gut belegt [9].

Unterschied laktosefreie Milch – konventionelle Milch

Laktosefreie Milch wird so wie konventionelle Milch aus frischer Kuhmilch hergestellt und besteht aus denselben Inhaltsstoffen. Allerdings wird bei der Herstellung von laktosefreier Milch der natürliche Zweifachzucker Laktose schon künstlich in seine Bestandteile Glukose und Galaktose aufgespalten. Diese Spaltung wird durch den Zusatz des Enzyms Laktase erreicht und entspricht im Prinzip dem gleichen Vorgang, der im Körper von Personen abläuft, die normale Milch gut vertragen. Laktoseintolerante Personen können die beiden Einfachzucker Glukose und Galaktose aus der Milch dann ohne Beschwerden aufnehmen. Da Glukose und Galaktose süßer als Laktose sind, schmeckt laktosefreie Milch süßlich.

Laktosefreie Produkte: teuer und ohne Unverträglichkeit nicht nötig

Für Personen mit Laktoseintoleranz können laktosefreie Milch und Milchprodukte die Lebensqualität deutlich verbessern. Sie müssen so nicht auf Milchprodukte verzichten und können dem Körper weiterhin die wertvollen in der Milch enthaltenen Inhaltsstoffe zuführen. Laktosefreie Alternativen sind allerdings nicht gesünder als normale Milch und Milchprodukte und haben für Nicht-Betroffene keine gesundheitlichen Vorteile. Für Personen, die Laktose vertragen, lohnt es sich daher nicht, für die deutlich teurere laktosefreie Milch tiefer in die Geldtasche zu greifen. Trotzdem boomt aktuell der Verkauf von laktosefreien Produkten.

Quellen:

[1] Malik TF, Panuganti KK. Lactose Intolerance (2022) May 16, StatPearls, Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 30335318.

[2] Bayless TM, Brown E, Paige DM. Lactase Non-persistence and Lactose Intolerance. Curr Gastroenterol Rep. 2017 May;19(5):23.

[3] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Laktoseintoleranz. Abgerufen am 28.11.2022

[4] Statista Research Department, 21.01.2022: Unverträglichkeit, Intoleranz oder Allergie gegenüber Laktose in Österreich 2017

[5] forum.ernährung heute. Verein zur Förderung von Ernährungsinformation: Milchzuckerunverträglichkeit: Laktosefrei war gestern! (2018)

[6] Ségurel L., Bon C: On the Evolution of Lactase Persistence in Humans (2017). Annu. Rev. Genom. Hum. Genet. 2017; 18:297–319. doi: 10.1146/annurev-genom-091416-035340

[7] Malik TF, Panuganti KK: Lactose Intolerance (2022). StatPearls Publishing; 2022 Jan

[8] Anguita-Ruiz A., Aguilera CM, Gil Á.: Genetics of Lactose Intolerance: An Updated Review and Online Interactive World Maps of Phenotype and Genotype Frequencies (2020). Nutrients. 2020 Sep 3;12(9):2689. doi: 10.3390/nu12092689. PMID: 32899182; PMCID: PMC7551416.

[9] Medizin transparent: Laktoseintoleranz: Besser mit Laktase-Tabletten? Abgerufen am 29.12.2022

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02.05.2022

bESSERwisser

Wieso braucht man Sonne für die Bildung von Vitamin D?

Frau in der Sonne

Sonne tanken für Vitamin D: Es ist bekannt, dass der Körper für die Bildung von Vitamin D Sonne braucht. Warum das so ist, wie viel Sonne man dafür benötigt und warum man den Bedarf am „Sonnenvitamin“ nicht über die Ernährung decken kann, haben die bESSERwisser recherchiert.

Vitamine – lebenswichtig für den Körper

Als Vitamine werden organische Verbindungen bezeichnet, die keine Energieträger darstellen, die der Körper aber für lebenswichtige Funktionen benötigt. Sie müssen in kleinen Mengen aufgenommen werden und sind an fast allen Stoffwechselprozessen im Körper beteiligt. Vitamine dienen unter anderem dem Schutz von Zellen, sie stärken das Immunsystem, bauen Zellen, Knochen und Zähne auf und sind wichtig für die Blutbildung. Auch die geistige Leitungsfähigkeit wird durch Vitamine unterstützt.

Es sind heute insgesamt dreizehn Vitamine bekannt, die für den Menschen lebensnotwendig sind. Diese können aufgrund ihrer Löslichkeit in Wasser in zwei Gruppen unterteilt werden: Es werden die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K von den wasserlöslichen Vitaminen C, B1, B2, B6, B12, Niacin, Pantothensäure, Biotin und Folsäure unterschieden. Sie können im Körper unterschiedlich gespeichert werden [1].

Vitamin D wird vom Körper selbst hergestellt

Elf der dreizehn Vitamine zählen zu den so genannten essenziellen Stoffen. Das bedeutet, sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, da sie der Stoffwechsel nicht bedarfsdeckend synthetisieren kann. Vitamin D und Niacin (Vitamin B3) stellen hier eine Ausnahme dar: Vitamin D kann als einziges Vitamin vom Körper durch direkte Sonneneinstrahlung selbst hergestellt werden, man spricht von endogener Synthese. Auch Niacin kann der Mensch selbst produzieren, als Basis wird dafür allerdings die Aminosäure Tryptophan benötigt. Da der Körper Tryptophan in Form von Protein aufnehmen muss, wird die Eigensynthese von Niacin von den Ernährungsgewohnheiten beeinflusst.

Bildung von Vitamin D benötigt Sonne

Im Durchschnitt bildet der Körper rund 80 bis 90 Prozent des benötigten Vitamin D selbst, den Rest bekommt er über die Nahrung zugeführt.

Körpereigenes Vitamin D wird in mehreren Zwischenschritten durch direkte Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet: Ausgangssubstanz für die Vitamin-D-Produktion ist ein in der Haut vorliegender Vorläufer, das Provitamin 7-Dehydrocholesterol. In den obersten Hautschichten wird aus diesem durch das Einwirken der UV-B-Sonnenstrahlung zunächst das Prävitamin D3 (Cholecalciferol) gebildet. Aus diesem entsteht in weiterer Folge Vitamin D3, welches ins Blut gelangt und zur Leber transportiert wird. In der Leber wird Vitamin D3 zu Calcidiol weiterverarbeitet. Calcidiol stellt eine Speicherform von Vitamin D und einen Vorläufer der aktiven Form dieses Vitamins dar. Im Blutkreislauf ist Calcidiol die vorherrschende zirkulierende Form von Vitamin D im Körper und wird auch zur Bestimmung des Vitamin D-Wertes im Blut herangezogen. Bei Bedarf wird Calcidiol von Zellen oder in der Niere in Calcitriol, die aktive Form von Vitamin D, umgewandelt.

Speichern vom „Sonnenvitamin“ im Sommer

Sommer, Sonne, Sonnenschein: Vitamin D entsteht im Körper durch das Einwirken von UV-B-Strahlung. In unseren Breiten ist das von März bis Oktober möglich. Vor allem im Sommer können in kurzer Zeit größere Mengen an Vitamin D gebildet werden. Bei ausreichendem Aufenthalt an der Sonne kann dann nicht nur der akute Bedarf gedeckt werden, es werden auch Vitamin-D-Reserven im Fett- und Muskelgewebe für das Winterhalbjahr angelegt. Im Winter, wenn die UV-B-Strahlungsintensität dann deutlich geringer ist, kann der Körper auf diesen Speicher zurückgreifen – so lautet zumindest die Theorie.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich unsere Lebensweise allerdings stark verändert:  Wir verbringen viel Zeit in geschlossenen Räumen wie Schule oder Büro und weniger Zeit draußen. Den Aufenthalt in der Sonne, der für das Auffüllen des Vitamin-D-Speichers für den Winter wichtig wäre, schaffen viele nicht mehr.

Vitamin D-Mangel weit verbreitet

Um genügend Vitamin D zu produzieren, sollte man Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz mehrmals pro Woche für etwa fünf bis zwanzig Minuten der Sonne aussetzen. Die Empfehlungen für die Häufigkeit des Sonnenanbetens gehen auseinander und unterscheiden sich von zwei-bis dreimal bis zu fünfmal pro Woche [2-4]. Die Dauer der Sonnenexposition ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich und sollte die Hälfte der Zeit betragen, in der man ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde [2]. Die exakte Zeit hängt von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise dem Hauttyp der Person ab. So etwa reichen bei hellhäutigen Menschen schon 5 bis 10 Minuten Sonnenlicht auf einem Viertel der unbedeckten Körperoberfläche aus, um genügend Vitamin D zu bilden, dunklere Hauttypen benötigen mehr Sonne [3]. Auch die Tageszeit hat Einfluss auf die Zeit der Sonneneinwirkung: Morgens und abends, wenn die Sonne tiefer steht, sollte diese Zeitspanne länger sein als mittags.

Da in der warmen Jahreszeit oft nicht genügend Vitamin D angelegt wird, mangelt es vielen Menschen in der kalten Jahreszeit dann am Sonnenvitamin: Über die Wintermonate sind fast zwei Drittel der Österreicher und Österreicherinnen aus allen Bevölkerungsgruppen mit Vitamin D unterversorgt [4]. Weltweit leidet gar etwa die Hälfte der Bevölkerung an Vitamin-D-Mangel [5].

Übrigens: Die UV-B-Anteile vom Sonnenlicht werden von Fensterglas nahezu vollständig absorbiert, und Sonnencreme behindert die Vitamin-D3-Produktion. Da bei einem Solarienbesuch die Haut meist mit UV-A- und nicht mit UV-B-Licht bestrahlt wird, ist dieser hier in der Regel auch nicht förderlich und erhöht zudem noch das Hautkrebsrisiko [2].

Folgen von Unterversorgung mit Vitamin D

Vitamin D ist in unserem Körper für die Aufnahme von Kalzium und Phosphor zuständig. Diese Mineralstoffe werden für gesunde Knochen, Muskeln und Zähne benötigt. Vitamin D stärkt außerdem das Immunsystem und verringert die Infektanfälligkeit. Auch für einen intakten Hormonhaushalt ist Vitamin D wichtig, und ein Zusammenhang zwischen einer Unterversorgung mit Vitamin D und Depressionen wird vermutet [2-6]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D auch Diabetes vorbeugen kann [7].

Ein Vitamin-D-Mangel kann vielfältige gesundheitliche Folgen haben und wird auf den ersten Blick oft gar nicht als solcher erkannt. Eine Unterversorgung mit dem früher auch als Knochenvitamin bekannten Vitamin D kann zu Knochenerweichungen oder einer Verminderung der Knochenmasse – so genannter Osteoporose – führen. Aber auch die Muskeln können betroffen sein. Vor allem bei älteren Menschen erhöht sich durch fehlendes Vitamin D das Risiko für Stürze, Knochenbrüche, Kraftverlust, Mobilitäts- und Gleichgewichtseinbußen.

Risikogruppen für Vitamin-D-Mangel

Neben älteren immobilen Menschen besteht auch für Heimbewohner und Heimbewohnerinnen sowie Büroarbeiter und Büroarbeiterinnen die Gefahr, mit Vitamin D unterversorgt zu sein. Auch Personen mit dunklem Hauttyp und traditionell verschleierte Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel.

Die Jüngsten zählen ebenfalls zur Risikogruppe: Denn auch Säuglinge und Kleinkinder sollten genug vom Sonnenvitamin abbekommen, dürfen jedoch der Sonne nicht direkt ausgesetzt werden. Bei ihnen kann es daher zu Vitamin-D-Mangel und somit unzureichender Mineralisierung der Knochen kommen. Eine weitere Folge davon kann eine als Rachitis bekannte Skelettdeformation sein [2, 4]. Vorbeugend erhalten Säuglinge hierzulande daher Vitamin-D-Präparate.

Ein hohes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel besteht außerdem bei Menschen mit chronischen Erkrankungen der Leber, der Niere und des Magen-Darm-Traktes. Auch Schwangere und Stillende, Immunschwache und Übergewichtige sowie Personen mit dunkler Hautpigmentierung sollten besonders auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D achten [2, 4, 7].

Deckung des Bedarfs durch Ernährung nicht möglich

Der genaue Bedarf an Vitamin D ist nicht bekannt, es gibt jedoch Schätzwerte, auf denen auch die wissenschaftlichen Empfehlungen beruhen. Diese unterscheiden sich allerdings regional. In Österreich, Deutschland und der Schweiz wird Kindern ab einem Jahr, Jugendlichen ab 15 Jahren, Erwachsenen sowie Schwangeren und Stillenden bei fehlender körpereigener Bildung eine Tagesdosis von 20 Mikrogramm Vitamin D empfohlen. Die Zufuhrempfehlungen werden häufig auch in internationalen Einheiten (IE) angegeben, wobei 1 Mikrogramm 40 IE und somit 20 Mikrogramm 800 IE entsprechen. Säuglinge sollten kontinuierlich 10 Mikrogramm Vitamin D pro Tag erhalten, da sie in der Regel nicht direkt der Sonne ausgesetzt werden [6].

Vitamin D ist in der Nahrung kaum enthalten, daher trägt diese auch nur mit einem geschätzten Anteil von etwa 10 bis 20 Prozent zur Vitamin-D-Versorgung bei [7]. Bei Personen, die sich nur wenig im Freien aufhalten, kann der Vitamin-D-Bedarf daher übers Essen nicht gedeckt werden. Jugendliche und Erwachsene nehmen über die Ernährung im Durchschnitt nur rund zwei bis vier Mikrogramm Vitamin D pro Tag auf, also deutlich zu wenig [6]. Selbst Vitamin-D-reiche Lebensmittel wie fetter Fisch, Eier, Steinpilze oder Innereien können nicht in so großen Mengen konsumiert werden, um hier eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Auch durch den Verzehr von Lebensmitteln, die mit Vitamin D angereichert wurden – wie beispielsweise Margarine – kann dem Körper nicht genügend Vitamin D zu geführt werden.

Vitamin-D-Präparate

Ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D nicht gewährleistet, ist es sinnvoll, auf Vitamin-D-Präparate zurückzugreifen. Bei bestimmten Risikogruppen kann die Gabe von Vitamin D in Form von Nahrungsmittelergänzungsmitteln auch prophylaktisch erfolgen. Da eine Überdosierung von Vitamin D allerdings auch schwerwiegende Folgen haben kann, ist hier Vorsicht geboten [8]: Einen gesundheitlich relevanten Vitamin-D-Mangel können nur Arzt oder Ärztin diagnostizieren und dann auch die passenden Ergänzungsmittel verschreiben.

Referenzen:

[1] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Vitamine und Mineralstoffe.

[2] Bundesamt für Strahlenschutz: Bildung des körpereigenen Vitamin D

[3] Deutsches Grünes Kreuz: Vitamin D: Sonne tanken für die Gesundheit.

[4] Mein Med.at: Vitamin D-Mangel

[5] Nair R., Maseeh A: Vitamin D: The „sunshine“ vitamin. J Pharmacol Pharmacother. 2012;3(2):118-126. doi:10.4103/0976-500X.95506

[6] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Vitamin D

[7] Mitri J., Muraru M., Pittas A.: Vitamin D and type 2 diabetes: a systematic review (2011). Eur J Clin Nutr 65, 1005–1015 (2011). https://doi.org/10.1038/ejcn.2011.118

[8] Robert Koch Institut: Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D.

 

 

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12.07.2021

bESSERwisser

Wie viel Wasser soll man täglich trinken?

Wasser aus Flasche wird in Glas zum Trinken vorbereitet

Häufig wird diskutiert, wie viel Wasser man täglich trinken sollte. Stimmt die Faustregel von eineinhalb bis zwei Litern Flüssigkeitszufuhr am Tag? Benötigt man bei Hitze und Sport mehr Wasser, und sollte dieses besser warm oder kalt getrunken werden? Und was ist dran an dem Gerücht, dass zu hoher Flüssigkeitskonsum tödlich sein kann? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Wasser – Grundlage des Lebens

Wasser ist unser wichtigstes Grundnahrungsmittel und Lebenselixier, und gutes Wasser wird von vielen mit Lebensqualität gleichgesetzt. Genügend Wasser trinken lautet die Devise für einen gesunden Körper, denn eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist essenziell.

Wasseranteil des menschlichen Körpers

Im Säuglingsalter besteht der menschliche Körper zu rund 80 Prozent aus Wasser [1]. Der Wasseranteil sinkt dann im Lauf des Lebens, da mit zunehmendem Alter die Fähigkeit der Wasserspeicherung abnimmt. Der Körper eines Erwachsenen weist einen Wasseranteil von rund 70 Prozent auf, wobei dieser variabel ist und von Alter und Geschlecht abhängt. So haben Männer meist einen höheren Wasseranteil als Frauen. Grund dafür ist der von Natur aus höhere Fettgehalt des weiblichen Gewebes. Prinzipiell gilt hier für beide Geschlechter: Je höher der Fettanteil, desto niedriger der Wasseranteil im Körper. Der Körper von SeniorInnen besteht durchschnittlich nur mehr zu 50 Prozent aus Wasser.

Wasser ist die Grundlage für Leben und ist in unserem Körper bei vielen Prozessen involviert. So etwa wird Wasser für das Kühlsystem des Körpers benötigt: Die Körperwärme wird durch Schwitzen reguliert – ein Vorgang, der als Thermoregulation bezeichnet wird. Die Entgiftung des Körpers über die Nieren benötigt ebenfalls Wasser. Und auch für den Transport von Nährstoffen, Stoffwechselendprodukten und Atemgasen ist der Mensch auf Wasser angewiesen. Auch sämtliche biochemische Reaktionen im Körper benötigen Wasser [2]. Dementsprechend ist Wasser auch in allen unseren Körperzellen und in den Körperflüssigkeiten – wie beispielsweise Speichel, Magensaft, Lymphe oder Blut – enthalten.

Wasserverlust beim Menschen

Wasser wird von unserem Körper laufend über die Haut (Schweiß), den Darm (Stuhl), die Nieren (Urin) sowie beim Atmen (Atemluft) ausgeschieden. Ein Erwachsener verliert täglich mindestens eineinhalb Liter Flüssigkeit, knapp ein Liter davon entweicht allein durch Atmung und Verdunstung über die Haut. Darum ist eine entsprechende Flüssigkeitsaufnahme nötig, um diesen Verlust wieder auszugleichen.

Ein Flüssigkeitsmangel des Körpers kann – je nach Ausmaß – zu leichten bis schweren Störungen der Befindlichkeit oder Gesundheit führen.

Empfohlene tägliche Flüssigkeitszufuhr

Wieviel Wasser man trinken sollte, ist von verschiedenen Faktoren abhängig und von Individuum zu Individuum unterschiedlich [3]: Alter, Körpergröße und Gewicht beeinflussen den Wasserbedarf. Sehr große und/oder schwere Personen brauchen mehr Flüssigkeit als kleine und leichte. Das gilt auch für Menschen, die viel schwitzen.

Der persönliche Flüssigkeitsbedarf kann außerdem von Tag zu Tag variieren. So hat beispielsweise die Umgebungstemperatur Einfluss auf den Flüssigkeitsbedarf. Auch die Speisenzusammensetzung oder der Salzgehalt der Nahrung sind ausschlaggebend dafür, wieviel Wasser tatsächlich vom Körper benötigt wird. Bei körperlicher Betätigung muss dem Körper außerdem mehr Wasser zugeführt werden.

Tägliche Flüssigkeitsaufnahme: Trinken und Wasser aus Nahrung und Stoffwechsel

Als allgemeine Faustregel für den täglichen Flüssigkeitsbedarf gilt: Jugendliche und Erwachsene sollten pro Tag zwischen 30 und 40 Milliliter Wasser pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Daraus ergibt sich – je nach Körpergewicht – eine Menge von rund 2 bis 3 Litern Wasser [4]. Es ist jedoch zu bedenken, dass rund ein Liter Flüssigkeit täglich bereits mit fester Nahrung aufgenommen wird. Außerdem stellt der Körper bei seinen Stoffwechselvorgängen, d.h. dem Abbau von über die Nahrung zugeführten Inhaltsstoffen in den Zellen, selbst rund 300 Milliliter Wasser her.

Die Empfehlungen der österreichischen Ernährungspyramide lauten, täglich mindestens eineinhalb Liter alkoholfreie, energiearme Getränke wie Wasser, Mineralwasser, ungezuckerten Früchte- oder Kräutertee oder stark verdünnte Obst- und Gemüsesäfte zu trinken [5]. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt beim täglichen Trinkbedarf ebenfalls eineinhalb Liter an. Dieser Richtwert ist demografisch aber nicht allgemein gültig, und in verschiedenen Ländern gibt es Abweichungen von diesen Empfehlungen [3].

Trinken beim Sport

Bei sportlicher Betätigung braucht der Körper mehr Flüssigkeit, wobei die Menge von der Dauer und Intensität des Sports, der Umgebungstemperatur sowie der persönlichen Schweißbildung abhängig ist [6]. Bei der Ausübung von extremem Ausdauersport – wie beispielsweise dem Ironman – können AthletInnen mehr als zehn Prozent ihres Körpergewichtes in Form von Wasser verlieren [7]. Um eine ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz (Euhydration) des Körpers aufrecht zu erhalten, ist folgendes wichtig:

  • Generell sollte man beim Sport mit einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz starten und dementsprechend auch vorher schon genug trinken [7].
  • Bei mäßiger Belastungsintensität ohne sichtbaren Schweiß wird empfohlen, etwa einen halben Liter pro Stunde zusätzlich zu trinken.
  • Betreibt man Sport mit intensiver Belastung und entwickelt man deutlich sichtbaren Schweiß, so empfiehlt man, etwa einen Liter pro Stunde zu trinken.
  • Für extreme Belastungen wie beispielsweise eine Wettkampfsituation mit fließendem Schweiß wird zu rund eineinhalb Liter extra Flüssigkeitsaufnahme pro Stunde geraten. Bei langer und intensiver körperlicher Betätigung müssen so etliche zusätzliche Liter mehr getrunken werden [8].

Bei kurzen sportlichen Aktivitäten bis zu dreißig Minuten ist es dann ausreichend, Flüssigkeit danach zu sich zu nehmen. Bei längeren Belastungen ab einer Stunde sollte man kontinuierlich trinken, am besten jede Viertelstunde in kleinen Schlucken. Auf intensive Trainingseinheiten oder Wettkämpfe sollte man sich speziell vorbereiten: Schon vor dem Sport über den Tag verteilt ausreichend trinken und ein paar Stunden vor dem Sport dem Körper noch einmal rund einen halben Liter Flüssigkeit zuführen.

Auch nach dem Sport darf man auf das Trinken nicht vergessen, um den Flüssigkeitshaushalt des Körpers wieder auszugleichen: Man sollte dem Körper rund das eineinhalbfache des verlorenen Schweißes wieder in Form von Flüssigkeit zuführen [9]. Das Durstgefühl nach intensiver sportlicher Betätigung ist meistens so groß, dass das automatisch passiert.

Beim Sport gehen neben dem Wasser auch Elektrolyte verloren – das sind chemische Verbindungen, die elektrisch geladen sind, vor allem Mineralstoffe, Spurenelemente und Salze. Dazu zählen beispielsweise Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium und Chlorid. Elektrolyte sind unter anderem für das Nervensystem und die Muskeln wichtig und sollten zumindest nach langer und intensiver körperlicher Betätigung wieder ersetzt werden. Dazu eignen sich spezielle Getränke für SportlerInnen, aber auch selbstgemachte Elektrolytgetränke.

Kühle bis lauwarme Getränke bei Hitze

Mit steigenden Temperaturen arbeitet auch unser Organismus auf Hochtouren und reagiert mit Schwitzen, um für Abkühlung zu sorgen. Der aus den Poren austretende Schweiß verdunstet an der Oberfläche der Haut und kühlt dadurch den Körper ab. So wie beim Sport sollte man daher auch bei Hitze mehr trinken, um die verlorengegangene Flüssigkeit wieder aufzufüllen.

Bei Hitze greifen viele instinktiv zu kalten Getränken, um sich zu erfrischen. Dass diese dann auch gleich den Körper abkühlen, ist ein weit verbreiteter Irrglaube, der nicht stimmt. Im Magen-Darm-Trakt werden kalte Getränke durch passive Erwärmung automatisch durch die Umgebungstemperatur aufgewärmt. Dasselbe gilt übrigens auch für heiße Getränke, die in manchen Ländern traditionell im Sommer genossen werden: Auch diese werden passiv auf die Körpertemperatur heruntergekühlt.

Sehr kalte Getränke sollte man bei hohen Außentemperaturen meiden, weil sie dem Körper „kalt“ signalisieren und dieser daraufhin aufheizt. Zu Kaltes zu trinken kann auch zu Magenkrämpfen führen, was wiederum die Flüssigkeitsaufnahme des Körpers behindert [7]. Zum Rehydrieren eignen sich am besten kühle bis lauwarme, aber keine kalten oder heißen Getränke [10].

Folgen von Flüssigkeitsmangel

Im Optimalfall sollte man nicht erst bei Durst trinken, sondern schon vorbeugend. Denn ein Durstgefühl ist ein Zeichen dafür, dass der Körper Wasser benötigt und bereits eine negative Wasserbilanz aufweist. Dieser Flüssigkeitsmangel ist auch als Dehydrierung oder Dehydratation bekannt. Je nachdem, wie viel Wasser dem Körper fehlt, wie lange der Mangelzustand anhält und ob gleichzeitig auch noch Mineralien fehlen, können als Folge unterschiedliche Beschwerden auftreten.

Schon bei einem Absinken des Körperwasseranteils um nur 0,5 Prozent entwickeln gesunde Menschen ein Durstgefühl, das in der Folge immer weiter zunimmt. Die Körpertemperatur kann aufgrund des Flüssigkeitsmangels nicht mehr ausreichend reguliert werden. Auch die Nährstoff- und Sauerstoffversorgung wird bei Dehydrierung eingeschränkt, weil das Blut im Körper durch den Wassermangel langsamer fließt. Es kommt zu geringerer körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und niedrigerem Konzentrationsvermögen. Ein Flüssigkeitsverlust von drei Prozent führt bereits zu ernsthaften Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, und zusätzlich zum Durstgefühl kommen verminderte Speichelproduktion und ein zunehmend trockener Mund dazu – Symptome, die bereits deutlich wahrnehmbar sind. Bei noch größerem Flüssigkeitsdefizit reagiert der Körper dann noch heftiger: Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Temperatur und auch Verwirrtheitszustände können auftreten.

Um eine Dehydrierung des Körpers zu vermeiden ist es wichtig, immer ausreichend zu trinken. Man sollte auf das persönliche Durstempfinden achten und spätestens bei Durst Flüssigkeit zu sich nehmen, besser jedoch schon vorbeugend. Vor allem ältere Leute, bekommen nicht mehr so leicht Durst da ihr Gehirn aufgrund der alternden Nerven die konsumierte Flüssigkeitsmenge überschätzt [11]. Sie sollten daher regelmäßig über den ganzen Tag verteilt immer wieder Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um Dehydrierung und die damit verbundenen Beschwerden zu vermeiden.

Tod durch zu viel Wasser Trinken?

Was ist eigentlich dran an dem Mythos, dass man durch zu viel Wasseraufnahme sterben kann? Es sind tatsächlich bereits Menschen den Folgen einer Wasservergiftung erlegen, meist führte aber wirklich nur exzessive Wasseraufnahme – in beschriebenen Fällen beispielsweise dreißig bis vierzig Gläser auf einmal [12] oder mehr als drei Liter innerhalb von ein bis zwei Stunden [13] – zum Tod. ExtremsportlerInnen wird oft zu kontrollierter Flüssigkeitsaufnahme geraten, um ein Zuviel an Wasser zu vermeiden: Beim New York City Marathon etwa lautete die Empfehlung einmal, nicht mehr als 750 Milliliter Wasser pro Stunde zu trinken [14].

Referenzen:

[1] Toro-Ramos T., Paley C., Pi-Sunyer FX and Gallagher D.: Body composition during fetal development and infancy through the age of 5 years (2015). Eur J Clin Nutr. 2015; 69(12):1279-1289. doi:10.1038/ejcn.2015.117

[2] Liska D., Mah E., Brisbois T. et al.: Narrative Review of Hydration and Selected Health Outcomes in the General Population (2019). Nutrients. 2019; 11(1):70. Published 2019 Jan 1. doi:10.3390/nu11010070

[3] Armstrong LE, Johnson EC. Water Intake, Water Balance, and the Elusive Daily Water Requirement. Nutrients. 2018 Dec 5; 10(12):1928. doi: 10.3390/nu10121928. PMID: 30563134; PMCID: PMC6315424.

[4] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Wie viel Flüssigkeit braucht der Körper? Abgefragt am 12.7.2021

[5] AGES: Die österreichische Ernährungspyramide (zuletzt geändert 2020).

[6] Belval LN, Hosokawa Y., Casa DJ et al.: Practical Hydration Solutions for Sports (2019). Nutrients. 2019;11(7):1550. Published 2019 Jul 9. doi:10.3390/nu11071550

[7] Speedy DB, Noakes TD, Rogers IR et al.: Hyponatremia in ultradistance triathletes (1999). Med. Sci. Sports Exerc. 1999; 31:809–815. doi: 10.1097/00005768-199906000-00008

[8] ÖVGW: AQA-Wasserreport 2017. Qualität des österreichischen Leitungswassers aus Sicht der Bevölkerung

[9] Fellner M., Österreichische Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE): Trinken mit Strategie: Wie viel soll man beim Sport trinken? (2017), Beitrag für Sport aktiv

[10] Hosseinlou A., Khamnei S. and Zamanlu M.: The effect of water temperature and voluntary drinking on the post rehydration sweating (2013). Int J Clin Exp Med. 2013;6(8):683-687. Published 2013 Sep 1.

[11] Farrell MJ, Zamarripa F., Shade R. et al.: Effect of aging on regional cerebral blood flow responses associated with osmotic thirst and its satiation by water drinking: A PET study (2008). Proceedings of the National Academy of Sciences Jan 2008, 105 (1) 382-387; DOI: 10.1073/pnas.0710572105

[12] Farrell DJ and Bower L.: Fatal water intoxication (2003). J Clin Pathol. 2003;56(10):803-804. doi:10.1136/jcp.56.10.803-a

[13] Joo MA and Kim EY: Hyponatremia caused by excessive intake of water as a form of child abuse (2013). Ann Pediatr Endocrinol Metab. 2013;18(2):95-98. doi:10.6065/apem.2013.18.2.95

[14] Whitfield AH: Too much of a good thing? The danger of water intoxication in endurance sports (2006). Br J Gen Pract. 2006;56(528):542-545

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01.02.2021

bESSERwisser

Brot aus Sauerteig: Gesund und lange haltbar

Brot aus Sauerteig in Schüssel

Brotbacken ist wieder voll im Trend, und viele greifen dafür auf den guten alten Sauerteig zurück. Frisches Sauerteigbrot punktet vor allem mit seinem unvergleichlichen Duft und Geschmack. Aber was macht Sauerteig so besonders, und ist Sauerteigbrot gesünder als herkömmliches Brot, das mit Hefe gebacken wurde? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Brotbacken: Vom antiken Ägypten bis heute

Brotbacken zählt zu den ältesten Errungenschaften der Menschheit. Dafür sind im Prinzip nur wenige Zutaten nötig: Wasser, Getreide (bzw. Mehl), Salz – und Triebkraft. Und diese kommt beim herkömmlichen Brot von der zugesetzten Hefe, und beim Sauerteigbrot von Milchsäurebakterien.

Es wird vermutet, dass Getreide bereits 700 v. Chr. von Menschen kultiviert wurde, um deren Überleben zu sichern. Schon im antiken Griechenland und Ägypten sowie bei den Römern und Babyloniern war Brot ein Teil der Ernährung. So war schon damals das Fladenbrot, das mit Hefe hergestellt wird, eine beliebte Form von Brot. Auch Sauerteigbrot hat eine lange Geschichte: Die Gärung von Weizen mit Hefe und Milchsäurebakterien ist ein uralter biochemischer Prozess, dessen Tradition im alten Ägypten seinen Ursprung hat.

Dank vielfältiger Technologien wird heute in weiten Teilen der Welt eine Vielzahl unterschiedlicher Brotarten gebacken. Auch das Sauerteigbrot hat sich bis zur jetzigen Zeit gehalten. Beim Brotbacken kommen neben Weizen auch andere Arten von Getreide zum Einsatz. Insgesamt werden weltweit über 30 Getreidesorten angebaut und konsumiert. Bei uns sind vor allem Weizen, Gerste, Reis, Roggen, Mais und Amaranth sowie Hirse bekannt [1].

Sauerteig: Einfache Herstellung aus Wasser und Mehl

Bei Sauerteig, einem der ältesten biologischen Triebmittel, handelt es sich im Prinzip um nichts anderes als ein fermentiertes Gemisch aus Mehl und Wasser. Die Herstellung von Sauerteig ist anfangs recht zeitaufwendig und beginnt mit dem Herstellen eines so genannten Starters, auch Anstellgut genannt: Dazu wird Wasser mit Mehl vermengt und zugedeckt bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Alle 24 Stunden werden gleiche Mengen an Wasser und Mehl zugegeben. Damit Sauerteigbrot gelingt, ist es wichtig, dass der Sauerteig ausreichend aktiv ist. Das erkennt man daran, dass im Ansatz nach drei bis vier Tagen Luftbläschen sichtbar sind und er frisch säuerlich riecht. Für das Ansetzen von Sauerteig wird meist Weizen- oder Roggenmehl verwendet.

Ein Teil des Anstellguts kann dann ab dem dritten oder vierten Tag fürs Brotbacken verwendet werden. Der Rest der Sauerteig-Masse wird als Basis zum Weiterführen der Sauerteig-Kultur aufbewahrt. Diese muss regelmäßig mit Wasser und Mehl gefüttert werden. Ein Teil wird immer zum Brotbacken entnommen, und ein Teil wird weitergeführt. Es soll daher Sauerteige geben, die durch diesen Kreislauf schon mehrere Jahrzehnte alt sind.

Wird nicht wie beim Bäcker täglich Brot gebacken, kann der Ansatz im Kühlschrank gelagert werden, wo er länger haltbar ist und bis zu 14 Tage ohne „Füttern“ stehen kann. Zum Füttern nimmt man das Anstellgut aus dem Kühlschrank, vermengt es mit gleichen Teilen Mehl und Wasser und lässt das Ganze ein paar Stunden, wie gewohnt, bei Zimmertemperatur stehen. Sobald der Ansatz wieder Aktivität zeigt, kann er zurück in den Kühlschrank gestellt werden. Zum Backen nimmt man dann, je nach Rezept, einen Teil des Anstellguts aus dem Kühlschrank, um einen neuen Brotteig anzusetzen. Will man den Ansatz langfristig konservieren, kann er auch eingefroren oder getrocknet und als Trockensauerteig verwendet werden [1,2].

Säuerlicher Geschmack und Triebkraft des Sauerteigs durch Milchsäurebakterien

Mikroorganismen kommen heute standardmäßig bei der Lebensmittelproduktion zum Einsatz. Für das Gelingen von Sauerteig ist die Aktivität ganz bestimmter Mikroorganismen notwendig: Im Sauerteig finden sich vor allem Milchsäurebakterien, aber auch Essigsäurebakterien und Hefen. Die Milchsäurebakterien stammen aus dem verwendeten Wasser und dem Mehl. Die Mikroflora von Rohgetreide besteht aus Bakterien, Hefen und Pilzen und enthält die für den Sauerteig typischen Milchsäurebakterien.

Bei der Milchsäuregärung (Fermentation) wird das Mehl – genauer gesagt der Zucker aus dem Getreide – vergoren. Das saure Milieu und der anfangs niedrige pH-Wert von 5,0–6,2 bieten Milchsäurebakterien die idealen Bedingungen. Anhand ihres Gärungsstoffwechsels und der vorhandenen oder nicht vorhandenen Kohlenstoffdioxid-Produktion werden Milchsäurebakterien in verschiedene Gruppen eingeteilt. Man unterscheidet dabei zwischen homo- und heterofermentativen Arten. Homofermentative Bakterien produzieren bei der Fermentation ausschließlich Milchsäure, während bei der heterofermentativen Gärung zusätzlich Essigsäure, Kohlendioxid und Ethanol (Alkohol) entstehen. Im Sauerteig gibt es sowohl homo- als auch herterofermentative Milchsäurebakterien. Die typischen Arten im Sauerteig sind Lactobacillus plantarum (homofermentativ) und Lactobacillus brevis (heterofermentativ) [3,4].

Einfluss der Gärungsprodukte auf Geschmack und Konsistenz

Milch- und Essigsäure verleihen Backwaren aus Sauerteig letztendlich deren charakteristischen säuerlichen Geschmack. Das Kohlendioxid lockert als Triebmittel den Teig auf, weshalb heterofermentative Milchsäurebakterien bei der Sauerteigherstellung von größerer Bedeutung sind. Da bei schweren Hefe-Roggenteigen die Triebkraft der Hefe allein oft nicht ausreicht, werden noch zusätzlich Sauerteigkulturen beigemengt, um das Brot schön aufgehen zu lassen. Bei manchen Sauerteigrezepten wiederum kommt zusätzlich Hefe zum Einsatz. Durch die Zugabe von Hefe zum Sauerteig entstehen ebenfalls Kohlendioxid und Ethanol (Alkohol), welcher in Essigsäure umgewandelt wird [1,4].

Der Geschmack des Sauerteiges ist vom Verhältnis der gebildeten Milch- und Essigsäure abhängig. Dieses ist jedoch nicht immer gleich und hängt unter anderem von der Teigtemperatur bei der Teigführung ab. Hält man die Temperatur bei der Sauerteigherstellung niedriger – zwischen 24 und 28 Grad Celsius – wird der Teig saurer, da mehr Essigsäure entsteht. Bei höheren Temperaturen ab etwa 30 Grad Celsius überwiegt der Anteil an Milchsäure, und der Teig wird milder [5].

Auch die Konsistenz von Sauerteig ist nicht immer gleich. Sauerteig aus Roggenmehl erinnert in seiner Konsistenz an Schokoladenmousse, ein Weizensauerteig hingegen ist eher schaumig und leicht wabbelig. Es gibt aber auch andere Varianten, die auf Hafer, Gerste oder Mais basieren. Je nach verwendeter Getreideart variieren Geschmack, Nährwert und Haltbarkeit [2].

Vorteile von Brot aus Sauerteig

Die Milchsäuregärung beim Brotbacken ist traditionell, natürlich und nachhaltig. Die Verwendung von Sauerteig garantiert eine bessere Textur sowie Haltbarkeit im Vergleich zu konventionellem Brot aus Hefe. Das saure Milieu und die verschiedenen Metabolite – also Stoffwechselprodukte – von Mikroorganismen im Sauerteig tragen zur Hemmung des Wachstums von Schimmel und anderen schädlichen Mikroorganismen bei. Außerdem wird der Nährwert verschiedenster tierischer und pflanzlicher Lebensmittel durch die Fermentation mit Milchsäurebakterien verbessert [2,6]. Neueste Forschungen beschäftigen sich mit verschiedenen Getreidesorten als sogenanntes „functional food“. So werden Lebensmittel bezeichnet, die neben der Ernährung einen weiteren Zweck erfüllen und zusätzliche Vorteile für die Gesundheit bringen können. Darüber hinaus werden ernährungsphysiologische Vorteile von Sauerteig diskutiert [1]:

Höherer Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen

Unter allen Verarbeitungsmöglichkeiten von Getreide hat die Sauerteigfermentation den größten Einfluss auf den Gehalt und die Bioverfügbarkeit von sekundären Pflanzenstoffen. Letztere beschreibt die Aufnahme von Stoffen über den Darm während der Verdauung. Im Vergleich zu anderen Herstellungsverfahren ist der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen in Backwaren aus Sauerteig wesentlich höher [6].

Niedriger glykämischer Index

Durch die Fermentierung sinkt der glykämische Index (GI) von Sauerteigbrot, und die Verdauung von Stärke wird erleichtert [6]. Der GI ist ein Maß für den Anstieg des Blutzuckers und der damit verbundenen Insulinausschüttung nach der Zufuhr von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln. Lebensmittel mit einem niedrigen GI sind beispielsweise Vollkornprodukte, Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchte. Der Verzehr von diesen Lebensmitteln wirkt sich somit günstig auf den Langzeitblutzucker aus und hat eine präventive Wirkung auf die Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2 [7].

Bessere Aufnahme von Nährstoffen

Durch die Milchsäuregärung entsteht ein saures Milieu, der pH-Wert sinkt und der Gehalt an Phytinsäure wird um mehr als die Hälfte reduziert. Im Vergleich zu konventionellem Vollkornbrot enthält Sauerteigbrot also wesentlich weniger Phytinsäure. Dadurch sind Mineralien, Aminosäuren und Proteine besser bioverfügbar. [6,8].

Bessere Verträglichkeit bei Zöliakie

Durch Enzyme der Milchsäurebakterien werden Proteine im Getreide aufgespalten. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Verträglichkeit von Backwaren bei Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten aus. Während der Sauerteigfermentation wird das Klebereiweiß Gluten im Weizenmehl aufgespalten. Studien zeigten beispielsweise eine generell bessere Bekömmlichkeit von Sauerteigbackwaren für Menschen mit Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) [6].

Reduktion des Salzgehalts

Generell schmecken Backwaren aus Sauerteig von Natur aus salziger als herkömmliches Brot und Gebäck, da während der Fermentation durch Michsäurebakterien geschmacksbildende Fett- und Aminosäuren entstehen. Daher benötigt man weniger Salz, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit auswirkt [6, 9].

Praxistipps: So gelingt das perfekte Sauerteigbrot

  • Für den Sauerteigansatz eignet sich am besten Bio-Mehl, das in der Steinmühle gemahlen wurde. Dieses enthält noch wertvolle Randschichten des Getreides, die zur Bildung des Sauerteiges wichtig sind.
  • Für besonders säuerliches und lockeres Sauerteig-Gebäck möglichst dunkles Mehl mit hoher Mehltype-Zahl verwenden. Diese Zahl gibt den so genannten Aschegehalt an – dafür werden 100 Gramm Mehl verbrannt, und die übrig gebliebene Asche wird gewogen. Je höher diese Zahl, umso höher ist auch der Mineralstoffgehalt des Mehls.
  • Sauerteig mag es warm. Daher sollte der Sauerteigansatz an einem konstant warmen Ort stehen, wie beispieslweise in der Nähe eines Heizkörpers. Alternativ kann man auch das Gefäß, in dem man den Sauerteig ansetzt, anwärmen. Im Sommer ist das nicht notwendig.
  • Den Sauerteigansatz sollte man auf jeden Fall abdecken, aber nicht luftdicht verschließen. Die Mikroorganismen brauchen etwas Sauerstoff, um zu arbeiten. Deshalb mit einem Tuch abdecken oder den Deckel eines Schraubglases lose auflegen.
  • Geduld, Geduld, Geduld. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, einfach einen neuen Versuch starten.
  • Für eine knusprige Brotkruste am besten den Laib vor dem Backen mit Wasser bestreichen, mit Mehl bestäuben und einritzen.
  • Tipp für Profis: Wer das Grundrezept beherrscht, kann sein Sauerteigbrot durch weitere Zutaten wie Nüsse, Kerne, Oliven, Apfel oder Speck aufpeppen.

Fazit

Die Herstellung von Sauerteig hat lange Tradition. Sauerteig besteht im Prinzip nur aus Mehl und Wasser und ist leicht zuzubereiten. Das Ansetzen und Verarbeiten verlangt jedoch etwas Zeit, Geduld und Übung. Seinen einzigartigen Geschmack und seine Textur erhält der Sauerteig vor allem durch die Milchsäuregärung der darin enthaltenen Bakterien. Das so entstehende saure Milieu beeinflusst auch maßgeblich die Haltbarkeit und den Nährstoffgehalt von Sauerteigbbackwaren. Im Gegensatz zu normalem Hefebrot ist Sauerteigbrot insgesamt gesünder und besser verträglich, auch für Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten.

Quellen

[1] Sakandar HA., Hussain R., Kubow S et al.: Sourdough bread: A contemporary cereal fermented product (2019). Journal of Food Processing and Preservation. DOI: 10.1111/jfpp.13883

[2] Süddeutsche Zeitung: „Die Diva unter den Broten“ – Sauerteig braucht viel Geduld (2015). 

[3] Röcken W.: Mikrobiologische Aspekte der Sauerteiggärung -Regulation der Essigsäurebildung (1996). Lehrerinformation Bäckereitechnologie.

[4] De Vuyst L. and Neysens P.: The sourdough microflora: biodiversity and metabolic interactions (2005). Trends in Food Science & Technology, 16(1-3), 43–56. doi:10.1016/j.tifs.2004.02.012

[5] Loderbauer J. Das Bäckerbuch in Lernfeldern. Verlag Handwerk und Technik, Hamburg, Deutschland, 2008.

[6] Gobetti M., De Angelis M., Di Cagno R. et al.: Novel insights on the functional/nutritional features of the sourdough fermentation (2019). International Journal of Food Microbiology, S. 103-113. DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.05.018

[7] https://www.oege.at/index.php/component/content/article/56-bildunginformation/diaetetik/erkrankungen/1813-uebergewicht-adipositas

[8] Koistinen VM, Matilla O., Katina K. et al.: Metabolic profiling of sourdough fermented wheat and rye bread (2018). Sci Rep 8, 5684.

[9] Gobbetti M., Rizzello CG, Di Cagno R. et al.: How the sourdough may affect the functional features of leavened baked goods (2004). Food Microbiology, 37, S. 30–40. DOI: 10.1016/j.fm.2013.04.012

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12.01.2021

bESSERwisser

Kren: Natürliches Antibiotikum aus dem Garten?

Geriebener Kren ist scharf, gilt aber als natürliches Antibiotikum

Aufgrund steigender Antibiotikaresistenzen ist die Forschung stets auf der Suche nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen. Dabei spielen Naturstoffe, die schon in früheren Zeiten eingesetzt wurden, eine immer größere Rolle. So etwa gilt Kren – beziehungsweise die Krenwurzel – als natürliches Antibiotikum aus dem Garten. Doch wirkt Kren wirklich gegen Mikroben? Die bESSERwisser haben recherchiert.  

Gesunde Wurzel

Kren, im deutschen Sprachraum auch als Meerrettich bekannt, gehört zur botanischen Familie der Kreuzblütler. Die scharfe Wurzel wird seit dem Mittelalter als Gemüse und Gewürz in der Küche verwendet und darf auf keiner Brettljause fehlen. Kren wird nach dem Frost im späten Herbst und während des Winters geerntet und kann im Garten leicht angebaut werden. Das gesunde Wintergemüse ist reich an den Vitaminen C und B und besitzt wertvolle Mineralstoffe, wie etwa Natrium, Kalium, Magnesium und Eisen. Das Interesse der Forschung und den Einsatz in der Pflanzenheilkunde verdankt der Kren jedoch den scharfen Senfölen, die in seinen Wurzeln enthalten sind.

Senföle schützen Kren vor Fraßfeinden

Die Senföle der Wurzeln – so genannte Glukosinolate – dienen dem Kren als Schutz vor Fraßfeinden. Glukosinolate sind bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, denen gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. Senföle finden sich auch in anderen Kreuzblütengewächsen wie etwa der Kapuzinerkresse, Senf und vielen Kohlarten. Wird das Gewebe einer solchen Pflanze zerstört, kommt es zur Reaktion der Glukosinolate mit einem speziellen Enzym, das ebenfalls in den Pflanzenzellen gespeichert ist. Dieses Enzym – die Myrosinase – spaltet die Schwefel-Zucker Verbindung der Glukosinolate zu Isothiocyanat, welches den scharfen Geschmack und Geruch hervorruft. Isothiocyanat kann jedoch nur entstehen, wenn die Pflanzenzellen durch Schneiden oder Kauen zerkleinert werden. Gekochter, intakter Kren hat deshalb auch keinen stechend scharfen Geschmack. Übrigens: Gegen die beißenden Dämpfe beim Krenreiben helfen ähnliche Tricks wie beim Zwiebelschneiden.

Das bekannteste Senföl ist Sinigrin. Vor allem schwarze Senfsamen, Kren, Kresse und Kohlsprossen enthalten nennenswerte Mengen an Sinigrin. Weiße Senfsamen hingegen enthalten höhere Anteile an Sinalbin, einem weniger scharfen Senföl.

Antimikrobielle Wirkung

Neben ihrer kulinarischen Verwendung wird die Krenwurzel seit jeher auch zur Behandlung von Krankheiten, besonders von Entzündungen und Rheumatismus, eingesetzt. Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden Kreuzblütengewächse wissenschaftlich auf ihre antimikrobiellen Eigenschaften hin untersucht. Die scharfen Senföle konnten sich wirksam gegen verschiedene Erreger zeigen. Neben Viren und infektiösen Pilzen konnten sie in Versuchen auch krankmachende Bakterien hemmen.

Die steigenden Antibiotikaresistenzen und der damit einhergehende dringende Bedarf an neuen Antibiotika macht die antibakterielle Wirkung von Senfölen besonders interessant. In den letzten Jahren konnten einige Studien wichtige Erkenntnisse zur Wirkung von Senfölen gegen Bakterien liefern und machen Kren somit als natürliches Antibiotikum interessant:

  • Kapuzinerkresse und Krenextrakte zeigten gute Wirkung gegen bakterielle Erreger im Mundraum, die etwa Zahnfleischentzündungen hervorrufen. In klinischen Studien hatten die Extrakte außerdem eine Wirkung gegen Atemwegsinfekte (Bronchitis) und leichte Harnwegsinfekte, die mit jener von klassischen Antibiotika vergleichbar war [1].
  • Interessanterweise war eine Mischung von Isothiozyanaten aus Kren und Kapuzinerkresse nicht nur gegen Keime, die auch mit herkömmlichen Antibiotika bekämpft werden können, wirksam, sondern auch gegen antibiotikaresistente Keime [2].
  • Eine weitere Studie zeigte, dass Isothiozyanate die Wirkung von klassischen Antibiotika unterstützen können. Das macht ihren Einsatz vielversprechend, da so vielleicht das Risiko der Bildung von resistenten Keimen verringert werden könnte. Bei einer Kombination mit natürlichen Isothiozyanaten könnten geringere Dosen von herkömmlichen Antibiotika eingesetzt werden [3].

Natürliches Antibiotikum mit Schärfe

Der Mechanismus, mit dem die in den Senfölen enthaltenen Isothiozyanate Bakterien schädigen, ist nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie ähnlich wie Antibiotika die Zellmembranen von Bakterien, deren Proteinsynthese und ihren Metabolismus angreifen.

Ein Nachteil natürlicher Isothiozyanate im medizinischen Gebrauch ist deren scharfer Geschmack und die damit einhergehende Reizung des Verdauungstraktes. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, ist die Inaktivierung der in den Pflanzen enthaltenen Myrosinase durch Hitze. Die Glukosinolate werden dann nicht schon im Mund, sondern erst im Darm von den Myrosinasen der natürlich vorkommenden Darmbakterien zu Isothiozyanaten gespalten [4].

Einsatz von Kren: Ayurveda und Lebensmittelproduktion

Auch in der traditionellen indischen Heilkunst (Ayurveda) werden Senföle aus Pflanzen für die Ernährung und als Heilmittel eingesetzt. In Indien und Afrika findet vor allem der sogenannte Meerrettichbaum (Moringa oleifera), der Senfölglykoside in Blättern und Wurzeln enthält, gegen Entzündungen und Rheuma Anwendung [5].

Weiters wird der Einsatz von Isothiozyanaten gegen Pflanzenkrankheiten und als Konservierungsstoff für Lebensmittel diskutiert.  Allylisothiocyanat aus natürlichen Quellen ist in Japan bereits als Konservierungsstoff für Lebensmittel zugelassen [4].

Da die Schärfe des Krens jedoch auf das Verdauungssystem leicht reizend wirkt, sollten Personen mit Magen- oder Darmgeschwüren Kren nicht zu gesundheitlichen Zwecken zu sich nehmen. Auch Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenfehlfunktion sollten Kren nicht in großen Mengen konsumieren, da hohe Mengen der Glukosinolate die Jodaufnahme der Schilddrüse beeinträchtigen können [6].

Quellen

[1] Eichel V., Schüller A., Biehler K. et al.: Antimicrobial effects of mustard oil-containing plants against oral pathogens. An in vitro study (2020). BMC complementary medicine and therapies 20 (1), S. 156. DOI: 10.1186/s12906-020-02953-0.

[2] Conrad A., Biehler D., Nobis T. et al.: Broad spectrum antibacterial activity of a mixture of isothiocyanates from nasturtium (Tropaeoli majoris herba) and horseradish (Armoraciae rusticanae radix) (2013). Drug Res (Stuttg). 2013 Feb;63(2):65-8. doi: 10.1055/s-0032-1331754

[3] Palaniappan K. and Holley RA: Use of natural antimicrobials to increase antibiotic susceptibility of drug resistant bacteria (2010). International journal of food microbiology 140 (2-3), S. 164–168. DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2010.04.001.

[4] Dufour V., Stahl M. and Baysse C.: The antibacterial properties of isothiocyanates (2015). Microbiology (Reading, England) 161 (Pt 2), S. 229–243. DOI: 10.1099/mic.0.082362-0.

[5] Food and Agriculture Organization of the United Nations: Traditional crops

[6] Felker P., Bunch R. and Leung AM: Concentrations of thiocyanate and goitrin in human plasma, their precursor concentrations in brassica vegetables, and associated potential risk for hypothyroidism (2016). Nutrition reviews 74 (4), S. 248–258. DOI: 10.1093/nutrit/nuv110.

 

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30.11.2020

bESSERwisser

Hilft Hühnersuppe bei Grippe?

Es gibt viele Ratschläge dazu, was man bei Erkältungen, Magen-Darm-Infekten oder bei Grippe essen sollte. Doch wie wissenschaftlich fundiert sind diese Empfehlungen, und kann richtige Ernährung tatsächlich bei Krankheiten helfen? Und was hat es mit dem „Aushungern“ von Krankheiten auf sich? Die bESSERwisser haben dazu recherchiert und nehmen bekannte Hausmittel bei Grippe & Co unter die Lupe.

Erkältung, Magen-Darm Infekt oder echte Grippe?

Bei Unwohlsein und Fieber spricht man umgangssprachlich schnell einmal von einer Grippe. Doch auch wenn man sie leicht verwechseln kann, bestehen zwischen sogenannten „Grippe“-Erkrankungen  und der echten Grippe große Unterschiede:

  • Eine Erkältung – auch als grippaler oder viraler Infekt bekannt – ist eine Sammelbezeichnung für unkomplizierte Atemwegsinfekte. Sie kann durch über 100 verschiedenen Viren ausgelöst werden, meistens handelt es sich um Rhinoviren. Charakteristisch sind Symptome wie Husten, Schnupfen und Halsschmerzen, die über einige Tage graduell ansteigen. Gegen grippale Infekte gibt es keine präventive Impfung.
  • Die echte Grippe – auch Influenza genannt – wird von Influenzaviren ausgelöst. Die Symptome einer echten Grippe treten meist innerhalb von Stunden auf und schließen Kopfweh, Erschöpfung, oft Fieber und bei Kindern auch Erbrechen ein. Bei schweren Verläufen kann es zu Komplikationen bis hin zu Lungenentzündungen kommen. Die wirksamste, vorbeugende medizinische Maßnahme gegen Influenza ist die Grippeimpfung. In den letzten Jahren lag die Influenza-Durchimpfungsrate der österreichischen Bevölkerung nur bei 6-10% [1].
  • Die Magen-Darm Grippe – auch Gastroenteritis – hat hingegen nichts mit Influenza zu tun. Hier sind Noroviren oder Rotaviren, seltener auch Bakterien wie Salmonellen die Auslöser. Die Symptome – Erbrechen und Durchfall – treten schnell auf, häufig sind verunreinigte Lebensmittel der Auslöser.

Was hilft bei Grippe?

Im Normalfall klingen Grippe und Erkältung von selbst wieder ab, wenn unser Immunsystem die krankmachenden Mikroorganismen aus dem Körper eliminiert hat. Medikamente gegen Viren wirken nur bei Einnahme innerhalb der ersten zwölf Stunden nach der Infektion [2]: Die bei Influenza eingesetzten Neuraminidase-Hemmer blockieren das Binden der Viren an die Körperzellen. Sie wirken jedoch nicht mehr, wenn sich die Viren bereits in den Zellen vermehren. Studien zeigten, dass diese Medikamente bei einer akuten Influenza nur geringe, unspezifische Wirkung haben und die Dauer der Grippe um maximal einen Tag verkürzen [3]. Das Sprichwort „eine Grippe dauert eine Woche und mit Medikamenten sieben Tage“ trifft in den meisten Fällen bei milden Verläufen also wirklich zu.

Es gibt viele Hausmittel und Ernährungsempfehlungen zur Behandlung einer Grippe. Die Klassiker – Vitamin C, Zink und Pflanzenextrakte – haben sich in Studien wirksam zur Vorbeugung von Grippe und positiv auf den Verlauf der Erkrankung gezeigt. Als Therapie gegen eine bereits akute Erkrankung konnten sie sich jedoch nicht als statistisch wirksam erweisen [4]. Die meisten Hausmittel zielen darauf ab, Symptome zu lindern und den Körper mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen.

  • Tee: Der Klassiker unter den Erkältungsgetränken, da Flüssigkeit und Dampf die Schleimhäute benetzen. So kann der Körper Viren, die die Atemwege befallen, durch Schleim leichter abtransportieren. Diesen Prozess unterstützt man durch Trinken und Inhalieren.
  • Ruhe und Schlaf: Wenn das Immunsystem Erreger bekämpft und durch Fieber deren Verbreitung eindämmt, ist das für den Körper sehr anstrengend. Er benötigt in dieser Zeit viel Ruhe und Schlaf. Rauchen oder Alkohol sind in Zeiten der Krankheit eine unnötige zusätzliche Belastung.
  • Leicht Bekömmliches: Verstopfte Nase oder Übelkeit führen häufig dazu, dass sich der Geschmack und der Appetit während einer Krankheit verändern. Die Lust auf stark gewürzte Speisen nimmt ab. Um den Körper dennoch mit Energie zu versorgen, sind leicht bekömmliche Speisen wie Zwieback oder gekochtes Gemüse empfehlenswert.

Soletti und Cola: Bei Magen-Darm-Grippe besser nicht

Wenn der Körper mit Erbrechen oder Durchfall auf einen Erreger reagiert, verliert er dabei viel Flüssigkeit und Mineralstoffe. Diesen Wasser- und Salzverlust gilt es auszugleichen. Oft wird bei Übelkeit und Durchfall „Soletti und Cola“ empfohlen. Dieser Rat ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Die in Cola enthaltene Kohlensäure und Koffein können Magen und Darm weiter reizen und so die Symptome noch verschlimmern. Auch der hohe Zuckeranteil wirkt sich nicht förderlich auf die Darmtätigkeit aus. Salzstangen liefern zwar Kochsalz und Kohlenhydrate, jedoch keine anderen benötigten Mineralien oder Nährstoffe. Eine bessere Alternative sind verdauungsschonende Speisen, die Flüssigkeit und Mineralstoffe liefern.

Neben leicht gesüßten Tees und klaren Suppen helfen Bananen, geriebene Karotten und weich gekochter Reis oder Kartoffeln dabei, die Verdauung wieder zu normalisieren.

Wenn Erbrechen oder Durchfall über mehrere Tage hinweg andauern und Flüssigkeit nicht aufgenommen oder behalten werden kann, besteht die Gefahr der Dehydration, also des „Austrocknens“. Für diesen Fall gibt es in der Apotheke Rehydrationslösungen – Gemische aus Wasser, Traubenzucker und Salz – zu kaufen. Besonders bei Kindern sollte auf Symptome der Dehydration geachtet werden. Und auch hier gilt: Flüssigkeit nicht mit süßen oder kohlensäurehaltigen Getränken, sondern mit Wasser und Tee zuführen [5].

Die Sache mit der Hühnersuppe

Eines der beliebtesten Hausmittel gegen Infekte im Allgemeinen ist selbstgekochte Hühnersuppe [6]. Sie liefert viel Flüssigkeit und Mineralstoffe und ist mit gekochtem Gemüse und Nudeln eine leicht verdauliche, nährstoffreiche Speise. Eine Studie konnte zeigen, dass durch einen Hühnersuppenextrakt Immunzellen (neutrophile Granulozyten), die Entzündungen und Schwellungen der Schleimhäute auslösen, tatsächlich blockiert werden [7]. Veröffentlicht wurde die Studie bereits vor etwa zwanzig Jahren und  fand seither in der Presse großen Anklang.

Angesicht der Corona-Pandemie bezogen die Autoren und Autorinnen nun Stellung zu ihrer damaligen Arbeit: Sie stellten klar, dass die Studie in der Öffentlichkeit weit über die wissenschaftliche Signifikanz ihrer Ergebnisse diskutiert wurde. Die Untersuchungen von damals  zeigten an Zellen im Reagenzglas einen leichten Effekt auf die Bewegung der Immunzellen, es können daraus jedoch keine Aussagen über die klinische Wirksamkeit von Hühnersuppe gezogen werden. Gleichzeitig betonten die Autoren aber auch, dass das Kochen von Hühnersuppe positive Auswirkungen über den medizinischen Effekt  hinaus haben kann. Mit Hingabe und Liebe eine Suppe zuzubereiten oder serviert zu bekommen kann eine wichtige psychosoziale Unterstützung während einer Krankheit – und besonders während einer Pandemie – sein [8].

Viren oder Bakterien – der Erreger macht den Unterschied

Einige Krankheiten verändern den Appetit und verderben den Kranken teilweise tagelang die Lust aufs Essen. Einerseits braucht der Körper Energie, um Krankheitserreger zu bekämpfen. Andererseits kann die verringerte Aufnahme von Nahrung auch eine Strategie gegen die Verbreitung der Erreger im Körper sein. Der typische Appetitverlust bei manchen Infektionen betrifft nicht nur Menschen, sondern kommt auch bei Mäusen und sogar Insekten vor. Mögliche Auswirkungen der Appetitlosigkeit und der veränderten Nahrungsaufnahme während einer Krankheit haben Forscher und Forscherinnen in einer Studie an Mäusen untersucht [9]:

  • Bei bakteriellen Infektionen überstanden die Tiere die Krankheit besser, wenn ihnen weniger Nahrung zur Verfügung stand. Eine erhöhte Energiezufuhr in Form von Zucker wirkte sich hingegen nachteilig auf die Krankheit aus. Dies führten die Forscher auf den schützenden Mechanismus der Ketogenese zurück. Das ist ein Stoffwechselweg des Körpers, der bei Kohlenhydratemangel aktiviert wird und Nervenzellen vor zerstörerischen Sauerstoffradikalen (ROS) schützt.
  • Bei viralen Infektionen wie Influenza wirkte sich die erhöhte Zuckerzufuhr positiv auf den Krankheitsverlauf bei den Mäusen aus. Weniger Futter hatte hingegen negative Auswirkungen. Hier vermuten die Forscher, dass der Zucker notwendig ist, um den für virale Infektionen typischen Zellstress zu blockieren. Dies schützt Nervenzellen und hatte bei den Mäusen weniger Todesfälle zur Folge.

Schnupfen füttern, Fieber aushungern?

Ein Sprichwort zur Ernährung im Krankheitsfall lautet: „Schnupfen füttern, Fieber aushungern“. In Anbetracht der Studienergebnisse könnte an dieser Empfehlung tatsächlich etwas dran sein, wenn man bedenkt: Schnupfen wird so gut wie immer von Viren ausgelöst, und Fieber liegt oft auch eine bakterielle Infektion zu Grunde. Die Ergebnisse der Studie an Mäusen können jedoch nicht direkt auf den Menschen übertragen werden. Ratsam ist es deshalb, auf seinen Appetit zu hören und sich körperlich zu schonen. Bei schweren Verläufen von Krankheiten sollte unbedingt medizinische Hilfe aufgesucht werden.

Quellen

  1. Österreichischer Verband der Impfstoffhersteller: Influenza – errechnete Durchimpfungsrate Gesamtbevölkerung Österreich 2004-2019. https://oevih.at/wp-content/uploads/2019/05/impfverhalten_influenza_in_oesterreich_status_2019.pdf
  2. https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/atemwege/grippe/diagnose
  3. Jefferson  T, Jones  MA, Doshi  P, Del Mar  CB, Hama  R, Thompson  MJ, Spencer  EA, Onakpoya  IJ, Mahtani  KR, Nunan  D, Howick  J, Heneghan  CJ. Neuraminidase inhibitors for preventing and treating influenza in adults and children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 4. Art. No.: CD008965. DOI: 10.1002/14651858.CD008965.pub4
  4. Roxas M, Jurenka J. Colds and influenza: a review of diagnosis and conventional, botanical, and nutritional considerations. Altern Med Rev. 2007 Mar;12(1):25-48. PMID: 17397266
  5. 2018 surveillance of diarrhoea and vomiting caused by gastroenteritis in under 5s: diagnosis and management (NICE guideline CG84). London: National Institute for Health and Care Excellence (UK); 2018 Oct 31. PMID: 31851440
  6. https://www.derstandard.at/story/1288160256101/interview-huehnersuppe-ist-genial-bei-viralen-infekten
  7. Rennard BO, Ertl RF, Gossman GL, Robbins RA, Rennard SI. Chicken soup inhibits neutrophil chemotaxis in vitro. Chest. 2000 Oct;118(4):1150-7. doi: 10.1378/chest.118.4.1150
  8. Rennard SI, Kalil AC, Casaburi R. Chicken Soup in the Time of COVID. 2020 Sep;158(3):864-865. doi: 10.1016/j.chest.2020.04.044
  9. Wang A, Huen SC, Luan HH, Yu S, Zhang C, Gallezot JD, Booth CJ, Medzhitov R. Opposing Effects of Fasting Metabolism on Tissue Tolerance in Bacterial and Viral Inflammation. 2016 Sep 8;166(6):1512-1525.e12. doi: 10.1016/j.cell.2016.07.026
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06.11.2020

bESSERwisser

Sind Apfelkerne giftig?

Aufgeschnittener Apfel, bei dem man Apfelkerne sieht

Oft hört man, dass Apfelkerne giftig sind und Blausäure enthalten. Deshalb sollte man sie nicht essen, so der damit einhergehende Ratschlag. Tatsächlich schützen viele Pflanzen ihre Samen mit giftigen Substanzen. Die bESSERwisser haben recherchiert, welche Früchte das betrifft und ob der Verzehr von Obstkernen gefährlich sein kann.

Schutzmechanismus in Kernen: Anreicherung von Amygdalin

Da Pflanzen vor ihren Fraßfeinden nicht davonlaufen können, haben sie andere Taktiken entwickelt, um ihre Vermehrung sicherzustellen. Dazu zählt unter anderem die Produktion von giftigen sekundären Pflanzenstoffen, die sie in ihren Zellen anreichern. Die Familie der Rosengewächse (Rosaceae), zu der auch Äpfel, Birnen, Marillen, Zwetschken und Mandeln zählen, konzentriert zu diesem Zweck Amygdalin in den Kernen ihrer Früchte. Sind Apfelkerne deshalb giftig?

Gebundene Blausäure in Apfelkernen

Amygdalin ist ein sogenanntes cyanogenes Glycosid – also eine Zuckerverbindung mit gebundener Blausäure. Unzerkaut passieren Apfelkerne den Verdauungstrakt, und Amygdalin wird vom Körper nicht aufgenommen. Werden Apfelkerne jedoch im Mund zerkaut oder in gemahlener Form gegessen, wird dieses freigesetzt. Im Körper kommt Amygdalin in Kontakt mit Wasser und wird von speziellen Enzymen, den sogenannten beta-Glucosidasen, gespalten. Dieser Vorgang läuft im Darm durch die Bakterien des Darmmikrobioms ab. Dabei ensteht Cyanwasserstoff (HCN), besser bekannt als Blausäure, welche vom Körper dann aufgenommen wird [1].

Blausäure ist hochgiftig, da sie die Zellatmung blockiert und der Körper in Folge keine Energie mehr gewinnen kann. Schon ein bis zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht können für den Menschen tödlich sein. Geringe Mengen an Blausäure kann der Körper jedoch durch das Enzym Rhodanase in den ungefährlichen Stoff Rhodanid umwandeln.

Verzehr: Wie viele Apfelkerne sind giftig?

Bei der Verarbeitung von ganzen Früchten – etwa zu Saft – werden häufig auch Kerne oder Teile davon mitverarbeitet. Der Amygdalin-Gehalt dieser Produkte ist aber relativ gering und stellt laut Studien kein Risiko für die Ernährungssicherheit dar [2].

Anders verhält es sich beim Verzehr der Kerne selbst: Hier können durchaus nennenswerte Mengen von Blausäure im Körper angereichert werden. Im Fall von Apfelkernen kann in etwa abgeschätzt werden, wie viele Kerne gefährlich werden können:

Ein großer Apfelkern wiegt im Schnitt rund ein Gramm (0,7 Gramm werden in der Literatur angegeben). Abhängig von der Apfelsorte enthält ein Kern ein bis vier Milligramm Amygdalin [3].
Ein Milligramm Amygdalin kann in weiterer Folge zu etwa 0,06 Milligramm Blausäure umgewandelt werden [4]. Somit können durch das Verspeisen eines einzigen Apfelkerns je nach Größe und Apfelsorte zwischen 0,06 und 0,24 Milligramm Blausäure im Körper entstehen.

Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) hat die kritische Dosis von Blausäure für einen erwachsenen Menschen bei 30-50 Milligramm angesetzt. Um diese Menge zu erreichen, müsste ein Erwachsener je nach Körpergewicht somit rund 150 Apfelkerne essen, um diesen Wert zu erreichen.

Bei den wesentlich größeren Marillenkernen wird aufgrund des im Inneren enthaltenen Amygdalins jedoch dazu geraten, nicht mehr als drei Kerne pro Tag zu verspeisen. Für Kinder kann schon der Verzehr von einem Kern gefährlich werden [4]. Bei versehentlichem Verschlucken wird Amygdalin jedoch nicht freigesetzt, und die Erstickungsgefahr ist in diesem Fall wohl das größere Problem. Die inneren Weichkerne von Marillen, die in Aussehen und Konsistenz Mandeln ähneln, erhält man durch Aufknacken des äußeren Marillenkerns. Es gibt die inneren Marillenkerne auch geröstet und gesalzen zu kaufen, hier ist beim Genuss jedoch Vorsicht geboten. Auch Leinsamen enthalten Amygdalin, weswegen nicht mehr als zwei Esslöffel pro Tag konsumiert werden sollten.

Bei übermäßigem Konsum von Amygdalin treten vor der Vergiftung Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen auf. Da Blausäure im Körper angereichert und nur langsam abgebaut wird, kann auch eine regelmäßige Einnahme auf Dauer zu einer Vergiftung führen [4].

Fragwürdiger Einsatz in der Alternativmedizin

Nun stellt sich die Frage, wieso manche Menschen überhaupt auf die Idee kommen, die bitteren und nicht besonders schmackhaften Kerne in größeren Mengen zu sich zu nehmen.

Der Hintergrund ist der Einsatz von Amygdalin in der Alternativmedizin als „Wundermittel“ gegen Krebs. Unter dem Namen Laetril oder der – übrigens falschen – Bezeichnung Vitamin B17 wird Amygdalin angepriesen, Krebszellen zu zerstören. Wissenschaftlich seriöse Beweise für die therapeutische Wirksamkeit von Amygdalin auf Krebszellen fehlen jedoch [5].

Fazit

Viele Obstkerne enthalten Amygdalin – ein Stoff, der im Körper enzymatisch zu Blausäure umgesetzt wird. Obwohl Blausäure hochgiftig ist, liegt sie in Apfelkernen in so geringen Mengen vor, dass der Verzehr von Äpfeln inklusive Kernen unbedenklich ist. Es müssten schon über 150 Apfelkerne verspeist – und auch zerkaut – werden, um hier überhaupt die Untergrenze des kritischen Grenzwerts zu überschreiten. Anders verhält es sich mit dem weichen, mandelähnlichen Inneren von Marillenkernen, die man durch Aufknacken des äußeren Kerns erhält: Hier sollten nicht mehr als drei Stück gegessen werden.

Quellen

  1. Cressey P. and Reeve J.: Metabolism of cyanogenic glycosides: A review. Food Chem Toxicol. 2019 Mar;125:225-232. doi: 10.1016/j.fct.2019.01.002
  2. Bolarinwa IF, Orfila C. and Morgan MR.: Amygdalin content of seeds, kernels and food products commercially-available in the UK. Food Chem. 2014;152:133-9. doi: 10.1016/j.foodchem.2013.11.002
  3. Bolarinwa IF, Orfila C. and Morgan MR. Determination of amygdalin in apple seeds, fresh apples and processed apple juices. Food Chem. 2015 Mar 1;170:437-42. doi: 10.1016/j.foodchem.2014.08.083
  4. EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), Schrenk D., Bignami M., Bodin L. et al.: Evaluation of the health risks related to the presence of cyanogenic glycosides in foods other than raw apricot kernels. EFSA J. 2019 Apr 11;17(4):e05662. doi: 10.2903/j.efsa.2019.5662
  5. Blaheta RA, Nelson K., Haferkamp A. et al.:  Amygdalin, quackery or cure? 2016 Apr 15;23(4):367-76. doi: 10.1016/j.phymed.2016.02.004
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12.10.2020

bESSERwisser

Wie gesund oder ungesund ist Milch?

Milch wird in Glas gegossen

Milch und Milchprodukte liefern hochwertiges Eiweiß und versorgen uns mit wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen. Sie können aber auch viel Zucker und Fett enthalten. Trotz ihrer vielen positiven Eigenschaften gerät Milch aber auch immer wieder in Kritik. Ist Milch gesund oder ungesund? Was ist dran an den Vorwürfen, die Milch in Verbindung mit diversen Krankheiten bringt? Und worauf soll beim Kauf geachtet werden? Ein Gastbeitrag von Irene Wallisch und und Bettina Meidlinger (AGES).

Das Besondere an Milch und Milchprodukten

Milch und Milchprodukte liefern hochwertiges Eiweiß und versorgen uns mit wichtigen Mineralstoffen und Vitaminen iwie beispielsweise Kalzium und Vitamin B12 [1]. Eiweiß ist unter anderem für die Zunahme und den Erhalt der Muskelmasse wichtig. Kalzium sorgt für die notwendige Stabilität von Knochen und Zähnen [2], wobei für die Knochengesundheit auch eine ausreichende körperliche Aktivität erforderlich ist [3]. Vitamin B12 trägt zum Beispiel zur Bildung roter Blutkörperchen bei und übernimmt wichtige Aufgaben im Immun- bzw. Nervensystem [1, 4].

Wie viele Portionen sollten es sein?

In Österreich konsumieren Kinder und Erwachsene weniger als die empfohlenen drei Portionen Milch und Milchprodukte am Tag. Ideal wären zwei Portionen sogenannter „weißer“ Produkte wie beispielsweise Milch, Joghurt oder Buttermilch. Bei „gelben“ Produkten wie zum Beispiel Käse sollte eine Portion am Tag verzehrt werden. Als Richtwert gilt: Für Erwachsene entsprechen drei Portionen in etwa 500 Gramm.

Milchkonsum von Frauen, Männern und Kindern

Laut österreichischem Ernährungsbericht erreichen Frauen entgegen der Empfehlungen jedoch mit etwa 255 bis 268 Gramm von dieser Lebensmittelgruppe nur etwa die Hälfte der empfohlenen Menge. Männer essen zwar mengenmäßig mit 260 bis 310 Gramm etwas mehr Milch und Milchprodukte, liegen aber dennoch auch unter den Empfehlungen.

Um eine ausreichende Versorgung mit Kalzium zu gewährleisten, ist eine erhöhte Aufnahme von Milch und Milchprodukten vor allem bei Kindern empfehlenswert [5, 6]. Im Kindesalter erlernte Ernährungsgewohnheiten werden meist auch im Erwachsenenalter beibehalten. Daher kann eine auf Empfehlungen basierende Ernährung in frühen Lebensjahren positive Auswirkungen auf ein gesundes Ernährungsverhalten in späteren Jahren haben [7, 8, 9].

Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Krankheiten?

Studien zeigen, dass der Konsum von Milchprodukten vor der Entstehung von Dickdarmkrebs schützen und möglicherweise das Brustkrebsrisiko senken kann [10]. Ein erhöhter Konsum kann weiters zu einem geringeren Risiko für Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ 2 führen. Außerdem können durch eine vermehrte Aufnahme von Milch und Milchprodukten Knochenmasse und Knochendichte zunehmen. An der Entstehung von Osteoporose scheint die Ernährung allein jedoch keinen Einfluss zu haben. Für Herzkreislauferkrankungen stellt der Konsum von Milch und Milchprodukten weder einen Schutz- noch einen Risikofaktor dar [11].

Verschleimt Milch wirklich?

Vor allem in der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Kuhmilch als schleimbildend angesehen [12]. Nach vorliegender Datenlage kann die Verschleimung der Atemwege und Darmzotten durch Milch jedoch nicht bestätigt werden. Bereits im Mund startet die Verdauung der Milch. Der Speichel kann hier zu einer Ausflockung des Eiweißes führen, was mit einer vermehrten Schleimbildung verwechselt werden kann [11]. Ein wissenschaftlicher Beleg für die Verschleimung durch Milch fehlt bisher [12].

Vorsicht Zucker! Milch und Milchprodukte unter der Lupe

Generell wird empfohlen, fettarme und ungesüßte Varianten von Milch und Milchprodukten zu bevorzugen [13, 14], da diese auch leicht zur Zucker- und Fettfalle werden können.

Zucker ist nicht gleich Zucker

Eine Untersuchung von Lebensmitteln vom österreichischen Markt hat gezeigt, dass in vielen Produkten süßende Zutaten wie Zucker, Honig, Agavendicksaft, Schokolade etc. enthalten sind.

Vor allem Milchmischgetränke wie Kakaomilch, Vanillemilch oder Fruchtmilch enthalten im Vergleich zu „purer“ Milch bis zu dreimal so viel Zucker. Joghurts mit Früchten, Vanille, Schokolade und Co liefern sogar die bis zu fünfeinhalbfache Menge an Zucker verglichen mit Naturjoghurts. Selbst Fruchtjoghurts enthalten häufig zugesetzten Zucker oder andere süßende Zutaten. Joghurts mit Zutaten zum Einrühren (z. B. Kekse, Schokolade) sind im Durchschnitt zuckerhaltiger als herkömmliche Joghurts. In zuckerärmeren Produkten ist oft auch ein Süßungsmittel enthalten.

Ein 10-jähriges Kind kann beim Konsum von einem Becher Fruchtjoghurt (180 bis 250 g) abhängig von der Rezeptur bereits bis zu 75 Prozent der maximal empfohlenen Zuckermenge – bezogen auf die D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr – pro Tag aufnehmen [15]!

Deshalb sollten trotz aller positiver Eigenschaften von Milch und Milchprodukten vor allem gesüßte Produkte vermieden werden. Sie zählen aufgrund ihres zum Teil hohen Zucker- und Fettgehaltes zur Gruppe „Fettes, Süßes und Salziges“ und sollten daher selten – und nicht täglich – gegessen werden [12]. Milchprodukte, die im Rahmen des EU-Schulprogramms gefördert werden, unterliegen daher auch strengen Kriterien [16].

Produkte auf pflanzlicher Basis im Vergleich

Bei Produkten auf pflanzlicher Basis ist in etwa jedes dritte Produkt mit Kalzium angereichert. Ob dieses zugesetzt wurde, ist an der Zutatenliste erkennbar. In punkto Zuckergehalt gibt es – genauso wie bei Milchprodukten – große Unterschiede.

Getränke auf pflanzlicher Basis – wie beispielsweise Hafer-, Mandel-, Reisgetränke – beinhalten im Vergleich zu Kuhmilch geringere Mengen Eiweiß [15, 17]. Aufgrund der unterschiedlichen Nährstoffzusammensetzung wird ein vollständiger Ersatz von Kuhmilch durch pflanzliche Getränke für Kinder nicht empfohlen. Wird auf die Gabe von Milch und Milchprodukten bei einseitiger Ernährung verzichtet, ist eine Beratung durch Ernährungsfachkräfte anzuraten, um einer Nährstoffunterversorgung vorzubeugen [13, 17].

Tipps für den Alltag

  • Milchprodukte bzw. Produkte auf pflanzlicher Basis – ohne Zucker und andere süßende Zutaten – bevorzugen.
  • Fruchtjoghurts selbst aus Naturjoghurt und frischen Früchten der Saison zubereiten. Auch Trinkkakaos, fruchtige Buttermilch und Milchmischgetränke können schnell und einfach selbst zubereitet werden. So bleibt die Zuckermenge unter Kontrolle.
  • Um den Zuckergehalt zu reduzieren, können Milchprodukte auch mit Naturjoghurts gemischt werden.
  • Bei Milchprodukten bzw. Desserts für Kinder darauf achten, dass weder Koffein noch Alkohol enthalten sind. Dafür die Zutatenliste sowie andere Warnhinweis am Etikett beachten. [15]

Fazit

Milchprodukte sind gute Kalziumlieferanten, können aber aus bis zu einem Viertel aus Zucker bestehen. So können etwa in einem Becher Joghurt (Packungsgröße: 70 bis 250 g) umgerechnet bis zu 10 Stück Würfelzucker (36 g Zucker) stecken. Was viele vielleicht nicht wissen: Auch Produkte auf pflanzlicher Basis können sehr süß sein. Es lohnt sich daher immer, den Zuckergehalt zu vergleichen, denn es gibt genügend zuckerärmere Varianten.

Zu den Autorinnen: Irene Wallisch, MSc, und und Dr. Bettina Meidlinger sind im Zentrum Ernährung & Prävention der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) tätig.

Weiterführendes Material:

  • Online-Milch-Quiz
  • Milch-Quiz als Pdf
  • Experiment „Zucker im Fruchtjoghurt „für Volksschulkinder: Wie viel Fruchtjoghurt muss man zum Naturjoghurt geben, damit es süß schmeckt? Hier können Kinder selbst ausprobieren, wie viel Zucker fertige Fruchtjoghurts enthalten.
  • Anleitung zum Experiment: Seite 4 der „Experimente für den Schulunterricht„
  • EU-Schulprogramm für Milch, Obst und Gemüse .
  • Nützlicher Link zum Checken des Zuckergehalts von Lebensmitteln

Quellen:

[1] Bundeslebensmittelschlüssel (BLS) 3.02 aus dato Denkwerkzeuge, Software: nut.s nutritional software, v1.32.50; Wien, (2017).

[2] Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft fur Ernährung (DACH) (Hrsg.). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn, 2. Auflage, 4. Ausgabe, (2018).

[3] Weaver CM, Gordon CM, Janz KF, Kalkwarf HJ, Lappe JM, Lewis R, O’Karma M, Wallace TC, Zemel BS. The National Osteoporosis Foundation’s position statement on peak bone mass development and lifestyle factors: a systematic review and implementation recommendations. Osteoporos Int. 2016; 27(4): 1281-386. DOI: 10.1007/s00198-015-3440-3

[4] Europäische Kommission – VERORDNUNG (EU) Nr. 432/2012 DER KOMMISSION vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (2012).

[5] Rust P, Hasenegger V, König J – Department für Ernährungswissenschaften: Österreichischer Ernährungsbericht 2017. 1. Auflage, Wien (2017).

[6] Elmadfa I et al. Österreichischer Ernährungsbericht 2012. 1. Auflage, Wien (2012).

[7] Methfessel B, Höhn K, Miltner-Jürgensen B: Essen und Ernährung in der KiTa. Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit. Kohlhammer, Stuttgart (2016).

[8] Nicklaus S, Remy E: Early origins of overeating: tracking between early food habits and later eating patterns. Curr Obes Rep; 2013; 2:179-184. DOI: 10.1007/s13679-013-0055-x

[9] Gahagan S: Development of eating behavior: biology and context. J Dev Behav Pediatr 2012; 33:261–271. DOI: 10.1097/DBP.0b013e31824a7baa

[10] WCRF – World Cancer Research Fund/American Institute for Cancer Research. Continuous Update Project Expert Report 2018. Meat, fish and dairy products and the risk of cancer (2018).

[11] Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn): Freispruch für die Milch – ein Überblick über die aktuelle wissenschaftliche Literatur (2014).

[12] Medizin Transparent: Milch – verschleimend und krankmachend? (2014).

[13] Bruckmüller M, Dieminger-Schnürch B, Hesina S: Ernährungsempfehlungen für Kinder im Alter von 4 bis 10 Jahren. REVAN – Richtig essen von Anfang an! (2017).

[14] Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Ernährungsempfehlungen – Österreichische Ernährungspyramide (2020).

[15] Lebensmittel unter der Lupe: Milchprodukte und Co unter der Lupe. Hrsg. AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Wien (2019). www.lebensmittellupe.at

[16] Europäische Kommission – DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/40 DER KOMMISSION vom 3. November 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Gewährung einer Unionsbeihilfe für die Abgabe von Obst und Gemüse, Bananen und Milch in Bildungseinrichtungen und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 907/2014 der Kommission (2013).

[17] Marchart K, Meidlinger B, Hofstädter D et al. Pflanzliche Milch-Alternativen unter der Lupe. Hrsg. AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Wien (2019).

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06.07.2020

bESSERwisser

Kartoffeln: Nährstoffe, resistente Stärke und Sorten

Kartoffeln in Sack

Kartoffeln gelten in unseren Breiten als Standardbeilage. Dabei sind sie nicht nur sättigend, sondern auch sehr nachhaltig und besitzen viele Nährstoffe. Die interessanten Eigenschaften der Kartoffelstärke und die richtige Zubereitung der verschiedenen Sorten sind hier von den bESSERwissern  zusammengefasst.

Von der Zierpflanze zum Allrounder

Die Kartoffel (lat. solanum tuberosum) wird seit über 6.000 Jahren in den Anden kultiviert und gelangte durch spanische Seefahrer Mitte des 16. Jahrhunderts nach Europa. Zuerst war sie hier aufgrund ihrer nicht genießbaren Blüten und Blätter nur als Zierpflanze verbreitet. Als sehr nährstoffreiches und gut lagerfähiges Lebensmittel legte sie zur Ernährung der wachsenden europäischen Bevölkerung in den folgenden Jahrhunderten aber eine steile Karriere hin.
Während in manchen Sprachen der lateinamerikanische Name patata übernommen wurde und im Englischen zu potato wurde, stammt der Name Kartoffel vom italienischen tartufo (Trüffel). In Österreich ist der Name Erdapfel (vom französischen pomme de terre) verbreiteter, aber auch hier gibt es regionale Unterschiede – im Burgenland wird die Knolle beispielsweise auch Grundbirne genannt.

Heute gibt es über 3.000 verschiedene Kartoffelsorten mit unterschiedlichen Farben, Formen und Reifezeiten. Sie finden Verwendung als Nahrungsmittel und Tierfutter, zur Erzeugung industrieller Rohstoffe sowie zur Alkoholproduktion [1].

Kartoffeln: Nachhaltiger Energielieferant

Als Grundnahrungsmittel spielen Kartoffeln auch heute noch eine wichtige Rolle in der Ernährungssicherheit und im weltweiten Kampf gegen Hungersnöte. Sie sind relativ günstig und haben verglichen mit anderen Gemüsesorten das beste Nährstoff-zu-Preis-Verhältnis [2]. Außerdem haben Kartoffeln eine gute Ökobilanz gemessen an der für den Anbau benötigten Menge Ackerland, Wasser und Energieressourcen. Verglichen mit Reis und Weizen hat die Kartoffel in der Produktion den geringsten CO2-Fußabdruck (3). Vor allem in Ländern, in denen Kartoffeln angebaut werden, Reis und Nudeln jedoch überwiegend importiert werden, sind kurze Transportwege möglich. Die relativ lange Kochzeit von Kartoffeln lässt den Energiebedarf jedoch steigen.

Nährstoffe und Giftstoffe in Kartoffeln

Neben ihrem hohen Anteil an Kohlenhydraten sind Kartoffeln auch reich an anderen lebenswichtigen Nährstoffen. Ihr Proteingehalt liegt – ähnlich wie bei vielen anderen Gemüsen – bei durchschnittlich zwei Prozent. Die in der Kartoffel vorkommenden Proteine sind jedoch für den Körper überdurchschnittlich gut verwertbar und enthalten alle essenziellen Aminosäuren. Weiters sind Kartoffeln gute Quellen für die Vitamine C, B6, Riboflavin, Thiamin und Folat. Kartoffeln sind außerdem eine der besten Kaliumquellen, liefern Magnesium, und das in ihnen enthaltene Eisen kann der Körper besonders gut aufnehmen. Während sich die meisten Ballaststoffe in der Kartoffelschale befinden, sind die anderen Nährstoffe überwiegend im Fruchtfleisch gespeichert. Die tatsächlich für den Körper verfügbaren Nährstoffe sind jedoch von der Art der Zubereitung abhängig. So lässt langes Kochen in Wasser die Konzentration des wasserlöslichen und hitzeempfindlichen Vitamins C sinken [4].

Als Vertreter der Nachtschattengewächse enthalten Kartoffeln aber auch einige natürliche Giftstoffe (Toxine), die sie vor Fraßfeinden schützen sollen. Vor allem Solanin, ein Glykoalkaloid, ist hier zu erwähnen. Dieses findet sich insbesondere in Kartoffelaugen – den dunklen Stellen an denen sich Triebe bilden-, den Schalen und in grünen Stellen der Knolle. Im Fruchtfleisch ist der Solaningehalt jedoch verschwindend gering. Wenn grüne Stellen und Keime vor der Zubereitung entfernt werden, können Kartoffeln also bedenkenlos verzehrt werden [5].

Resistente Stärke

Den relativ hohen Kaloriengehalt verdankt die Kartoffel der in ihr gespeicherten Stärke. Kartoffelstärke besteht aus den Polysacchariden (Vielfachzuckern) Amylopektin und Amylose und kann roh nicht verdaut werden. Erst beim Erhitzen bindet die Stärke Wasser und quillt auf (verkleistert). Im Körper können Enzyme (Amylasen) die Stärke in Zucker spalten und so verwertbar machen. Ein Teil der Stärke kann im Zuge der Verdauung aufgrund ihrer Struktur nicht enzymatisch gespalten werden. Diese sogenannte „resistente Stärke“ kommt vor allem in rohen Kartoffeln vor, entsteht aber auch beim Abkühlen erhitzter Kartoffeln, wenn sich die verkleisterte Stärke wieder zurückbildet (Retrogradation). Resistente Stärke  gelangt unverdaut in den Dickdarm, wo sie von Mikroorganismen fermentiert wird. Dabei ist sie, ähnlich wie Ballaststoffe, förderlich für das Mikrobiom. In weiterer Folge wirkt resistente Stärke positiv auf den Körper, indem sie das Sättigungsgefühl verstärkt und Fett- sowie Glukosewerte im Blut positiv beeinflusst [4].

Kalte Kartoffeln, etwa im Kartoffelsalat, haben einen höheren Anteil resistenter Stärke und deshalb etwas weniger Kalorien als warme. In einer Studie wurde die Menge von resistenter Stärke in verschieden zubereiteten Kartoffeln untersucht. Dabei zeigte sich, dass gebackene Kartoffeln mehr resistente Stärke enthalten als in Wasser gekochte. Den größten Anteil an resistenter Stärke hatten abgekühlte Kartoffeln, und auch wenn sie danach wieder erwärmt wurden, blieb resistente Stärke erhalten [6].

Kälteinduziertes Süßwerden

Eine weitere, jedoch weniger bekannte Eigenschaft von Kartoffeln ist die geschmackliche Veränderung bei kalten Temperaturen. Kartoffeln sollten feucht und dunkel bei 6-10°C gelagert werden, um die Sprossenbildung zu verhindern. Bei Temperaturen unter 4°C beginnen jedoch Amylasen in der Kartoffel die Speicherstärke in Zucker zu spalten, was dazu führt, dass Kartoffeln nach kalter Lagerung süß schmecken. Die Ursache und der Mechanismus dahinter sind noch nicht genau erforscht, es wird aber ein pflanzeneigener Frostschutzmechanismus vermutet: Reduzierende Zucker wie Glukose und Fruktose setzen den Gefrierpunkt in der Kartoffelknolle herab und schützen so die Pflanzenzellen gegen Frost. Man spricht auch von kälteinduziertem Süßwerden. Während die so entstandene Süße bei Karotten  willkommen ist, sind zu süße Kartoffeln eher nicht beliebt. Vor allem bei Kartoffeln, die zu Chips oder Pommes Frites weiterverarbeitet werden sollen stört der höhere Zuckergehalt, da er zu einer verstärkten Bräunung führt.  [7].

Welche Kartoffelsorte für welches Gericht?

Oft steht man beim Einkaufen vor der Qual der Wahl: mehlige, vorwiegend festkochende, festkochende und speckige Sorten werden angeboten. Den rohen Kartoffeln sieht man ihre Kocheigenschaften nicht an. Wieder ist es die Stärke, die hier den Unterscheid macht: Je mehr Stärke in der Kartoffelknolle steckt, umso weicher wird sie beim Kochen.

  • Die vorwiegend festkochenden Kartoffeln gelten als Allrounder: Sie werden beim Kochen mittelweich und können z.B. gut zu Salzkartoffeln, Aufläufen oder Rösti verarbeitet werden.
  • Festkochende und speckige Kartoffeln haben gekocht eine festere Konsistenz, was bei Bratkartoffeln und Kartoffelsalaten von Vorteil ist.
  • Mehlige Kartoffeln werden hingegen relativ weich und eignen sich daher gut für Püree, Knödel und Suppen.

Quellen

  1. Pflanzenforschung.de
  2. Drewnowski A.: New metrics of affordable nutrition: which vegetables provide most nutrients for least cost? J Acad Nutr Diet. 2013;113(9):1182-1187. doi:10.1016/j.jand.2013.03.015
  3. Hess T., Chatterton J., Daccache A. and Williams A.: The impact of changing food choices on the blue water scarcity footprint and greenhouse gas emissions of the British diet: the example of potato, pasta and rice. Journal of Cleaner Production 2016; 112 (5): 4558-4568. doi: 10.1016/j.jclepro.2015.08.098
  4. Beals, K.: Potatoes, Nutrition and Health. American Journal of Potato Research 2018; 96 (103) doi: 10.1007/s12230-018-09705-4.
  5. Deutsche Gesellschaft für Ernährung
  6. Raatz SK, Idso L., Johnson LK et al.: Resistant starch analysis of commonly consumed potatoes: Content varies by cooking method and service temperature but not by variety. Food Chem. 2016;208:297-300. doi:10.1016/j.foodchem.2016.03.120
  7. Robertson TM, Alzaabi AZ, Robertson MD and Fielding BA: Starchy Carbohydrates in a Healthy Diet: The Role of the Humble Potato. Nutrients. 2018;10(11):1764. Published 2018 Nov 14. doi:10.3390/nu10111764
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29.04.2020

bESSERwisser

Adstringenz: Wenn sich im Mund alles „zusammenzieht“

Rotwein und Trauben

Viele kennen das Gefühl, wenn es einem im Mund „alles zusammenzieht“. Im Fachjargon ist dieses Phänomen als Adstringenz bekannt. Häufig haben Rotweine adstringierende Wirkung, aber auch Obst und andere Speisen können solch ein pelzig-raues Geschmackserlebnis hervorrufen. Verantwortlich dafür sind spezielle pflanzliche Gerbstoffe, die so genannten Tannine. Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Was sind Tannine?

Tannine sind pflanzliche Gerbstoffe, was auch zu ihrer Namensgebung führte (franz. tanin = Gerbstoff). Als sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe dienen sie nicht dem Energiestoffwechsel der Pflanze, sondern schützen diese vor Fressfeinden, Pathogenen oder Antioxidantien (UV-Strahlen). Weiters regulieren Tannine auch den pflanzlichen Stoffwechsel zur Anpassung an verschiedene Umweltbedingungen. Der Tannin-Gehalt einer Pflanze kann somit stark schwanken. Auch die chemischen Strukturen von Tanninen sind sehr unterschiedlich und variieren je nach der Pflanzenart, in deren Organellen sie produziert werden [1].

Die bekannteste Wirkung von Tanninen ist ihre Interaktion mit Eiweißen (Proteinen). Sie binden und fällen Proteine, reagieren aber auch mit Kohlenhydraten, organischen Stickstoffverbindungen und sogar mit Metallen. Da es sich bei den meisten Enzymen um Proteine handelt, interagieren Tannine auch mit ihnen. Während früher angenommen wurde, dass Tannine Enzymaktivitäten nur vermindern können, ist inzwischen klar, dass sie diese auch steigern können. Das hängt vor allem von der Konzentration der Tannine ab. Eine geringe Menge steigert, eine hohe Menge verringert die katalytische Aktivität von Enzymen [1].

Vorkommen in Lebensmitteln

Tannine finden sich vor allem in Rinden, Blättern und Früchten von Bäumen und Sträuchern. Deshalb kommen sie auch in einigen pflanzlichen Speisen und Getränken vor. Besonders hoch ist der Tanningehalt in Kakaobohnen, Tee und Rotwein. Aber auch viele Beeren, Nüsse, Hülsenfrüchte und Getreidesorten beinhalten diese sekundären Pflanzenstoffe.

Tannine haben einen starken Einfluss auf den Geschmack und das Mundgefühl von Speisen. Dank ihrer antioxidativen Wirkung verlängern sie außerdem die Haltbarkeit von Lebensmitteln. Die Aufnahme und Verstoffwechselung von Tanninen im Körper dürfte stark vom Mikrobiom im Darm abhängen, ist aber noch nicht zur Gänze erforscht [2].

Adstringierende Wirkung

Lebensmitteln mit hohem Tanningehalt verursachen beim Verzehr oft Adstringenz – eine Empfindung des Zusammenziehens und der Trockenheit im Mund, von manchen auch als herbes oder pelziges Gefühl beschrieben. Ursache dafür ist eine Fällung der im Speichel und den Mundschleimhäuten gelösten Proteinen durch die Tannine. Normalerweise wird der als eine angenehme Flüssigkeit wahrgenommen, die die Schleimhäute benetzt. Gelangen nun aber über Nahrung oder Getränke Gerbstoffe in den Mund und werden im Speichel gelöst, werden Proteine gefällt und verbinden sich zu größeren Komplexen. Das Fließverhalten des Speichels ändert sich, was mittels Trigeminusnerv wahrgenommen wird. Die adstringierende Wirkung hängt von der Anzahl der Hydroxylgruppen des Tannins ab, bei 1-5 solcher Gruppen steigert es sich, ab 7 Gruppen verringert sie sich wieder. [1,2]

Verwendung von Tanninen

Früher spielten Tannine vor allem in der Lederproduktion eine große Rolle. Bis ins 20. Jahrhundert wurden die in Eichenholz vorkommenden Tannine dazu verwendet, die Fasern in Tierhäuten zu vernetzen und das Leder haltbar zu machen. Heutzutage wird Leder vor allem mit Mineralsalzen gegerbt.

In der Lebensmittelindustrie werden Tannine heute aufgrund ihrer antioxidativen und antimikrobiellen Wirkung als Konservierungsstoffe eingesetzt.

In der Medizin wird ihre immunregulierende, entzündungshemmende, krebshemmende, Herz-Kreislauf-stärkende und antithrombotische Wirkung erforscht, ebenso wie stoffwechselregulierende und antidiabetische Eigenschaften. Das Problem dabei ist, dass Tannine sehr unterschiedlich sind und sich Resultate schwer vergleichen lassen. [2,3]

Vor allem in der Prävention von chronischen Krankheiten dürften Tannine ihre Wirkung entfalten, da sie anti-oxidativ, entzündungshemmend, antibakteriell und antiviral wirken. Zudem haben sie einen positiven Einfluss auf den Blutzucker und das Sättigungsgefühl und könnten auch als vorbeugendes Mittel gegen Übergewicht und Diabetes interessant werden. [3]

Fazit

Tannine sind pflanzliche Gerbstoffe, die mit Proteinen interagieren und diese zum Verklumpen bringen können. Sie sind für das „pelzige Gefühl“ und das „Zusammenziehen“ im Mund verantwortlich. Dieses wird oft durch Wein hervorgerufen und ist auch als Adstringenz bekannt. Eine mögliche medizinische Wirkung von Tanninen ist aktuell ein spannendes Forschungsgebiet.

Quellen:

[1] Adamczyk  B., Simon J., Kitunen V. et al.:  Tannins and Their Complex Interaction with Different Organic Nitrogen Compounds and Enzymes: Old Paradigms versus Recent Advances. Chemistry Open (2017), Volume6, Issue5,  p610-614

[2] Smeriglio A., Barreca D. and Trombetta D.: Proanthocyanidins and hydrolysable tannins: occurrence, dietary intake and pharmacological effects. British Journal of Pharmacology (2017) 174 p1244-1262

[3] Barrett  AH, Farhadi NF and Smith TJ: Slowing starch digestion and inhibiting digestive enzyme activity using plant flavanols/tannins— A review of efficacy and mechanisms. LWT (2018) Volume 87, p 394-399

 

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29.04.2020

bESSERwisser

Können Viren durch Lebensmittel übertragen werden?

Obst und Gemüse im Supermarkt

Wie groß ist die Gefahr einer Übertragung von Viren durch Lebensmittel? Vor allem jetzt in der Corona-Zeit verursacht diese Frage bei vielen große Unsicherheit. Ob man sich durch offenes Gemüse aus dem Supermarkt mit SARS-CoV-2 infizieren kann und wie hoch das Risiko bei Essensbestellungen oder beim Essen im Restaurant ist, haben die bESSERwisser recherchiert.

Viren

Bei Viren handelt es sich laut Definition um infektiöse, organische Strukturen, die sich außerhalb von Zellen zwar verbreiten, sich ohne geeignete Wirtszellen aber nicht vermehren können. Es gibt Viren ohne Membranhülle (nackte Viren) und solche, die mit einer Lipid-Doppelmembran umhüllt sind. Die Hülle verleiht einem Virus generell bessere Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen. Das erklärt, warum es sich bei den neu auftretenden Viren der letzten großen Pandemien immer um behüllte Viren handelte (HI-Virus, Influenzavirus, Ebolavirus, SARS-assoziiertes Coronavirus).

Das Vorhandensein einer Hülle macht Viren jedoch auch angreifbarer: Die Hülle wird beim Händewaschen durch die in Waschmitteln und Seife enthaltenen Tenside zerstört. Dadurch wird das Genom des Virus freigelegt, welches so nicht mehr infektiös ist. Noch detailliertere Informationen zu Viren gibt es nachzulesen in „Viren: Freunde oder Feinde des Menschen?“ von Open Science.

Übertragung von Viren

Unterschiedliche Viren haben unterschiedliche Wege der Übertragung von einem infizierten auf einen gesunden Menschen. Manche Viren werden vor allem sexuell übertragen (HIV, Hepatitis B), andere fäkal-oral, z.B. über verschmutztes Wasser (Noroviren, Hepatitis A), und wieder andere über die Atemwege durch Tröpfcheninfektion (Coronaviren, Influenzaviren).

SARS-CoV-2 wird hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Niesen oder Husten abgesondert werden, ausgeschieden. Über Nase, Mund oder Augen kann das Virus in einen neuen Wirt eindringen und dessen Atemwege infizieren. Nachdem Nahrung auch über den Mund aufgenommen wird, fragen sich viele, ob die Gefahr besteht, sich über Nahrungsmittel beim Essen anzustecken. Bis heute gibt es keinen bestätigten Fall, in dem SARS-CoV-2 über Nahrungsmittel oder deren Verpackung übertragen wurde.

Stabilität von Coronaviren

Es gibt einige Studien zur Stabilität von Coronaviren und Empfehlungen zum Umgang mit Nahrungsmitteln. Generell sind Coronaviren unter Laborbedingungen bei niedrigen Temperaturen recht stabil, aber sehr hitzeempfindlich.

  • Hitze und Kälte: Eine neue Studie zeigt, dass SARS-CoV-2 bei 4°C selbst nach 14 Tagen noch nachzuweisen ist, bei 70°C hingegen lag die Zeit bis zur Inaktivierung bei nur 5 Minuten [1].
  • In der Luft: In Aerosolen (feinen Tröpchen), über die Coronaviren üblicherweise übertragen werden, sind sie bis zu 3 Stunden lang infektiös [2].
  • Auf Oberflächen: Viele Studien untersuchen zurzeit auch die Haltbarkeit der Viren auf Alltagsgegenständen. Auch wenn Ergebnisse leicht variieren, kamen bislang alle Studien zum Schluss, dass Coronaviren auf weichen Materialien wie Papier nur einige Stunden haltbar sind. Auf Plastik, Glas oder Edelstahl hingegen konnten sie auch nach einigen Tagen noch nachgewiesen werden [1,2,3]. Desinfektionsmittel, vor allem jene mit 60-70% Ethanol, 0,5% Wasserstoffperoxid oder 0,1% Natriumhypochlorit, können die Coronaviren aber binnen einer Minute eliminieren [3].

In all den angeführten Studien wurden die Viren unter optimalen Laborbedingungen gezüchtet und nachgewiesen. Wie weit diese Ergebnisse auf Alltagssituationen übertragbar sind, in denen auch Faktoren wie UV-Licht, Trockenheit und Detergenzien auf die Viren einwirken, wurde nicht untersucht. Auch die virale Dosis von SARS-CoV-2 – also die Menge an Viren, die nötig ist, um eine Person zu infizieren – ist aktuell noch nicht bekannt.

Übertragungsarten von SARS-CoV-2

Um einen neuen Wirt zu infizieren, muss eine ausreichende Zahl infektiöser SARS-CoV-2 Viruspartikel auf dessen Atemwege treffen. Viren, die sich auf Oberflächen befinden, können sich nicht von selbst von dort fortbewegen. Coronaviren können nur durch direkte Übertragung in einen neuen Wirt gelangen. Dies kann beispielsweise über die  Hand einer Person, die gerade in frische Tröpfchen gegriffen hat und sich danach direkt an den Mund oder die Nase greift, erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion auf diesem Weg halten Experten aber für gering, als wahrscheinlichste Übertragungsart gilt die Tröpfcheninfektion [4].

Empfehlungen zum Umgang mit Nahrungsmitteln

Aus der Erfahrung mit Ausbrüchen von verwandten Coronaviren  wie SARS und MERS Coronaviren, die nicht über Lebensmittel übertragen wurden, schließen Wissenschaftler, dass sich auch SARS-CoV-2 nicht anders verhält [5]. Die allgemeinen Hygieneregeln zum Umgang und Verarbeitung von Lebensmitteln sollten aber auf jeden Fall eingehalten werden.

Die WHO empfiehlt generell, vor dem Kontakt mit Lebensmitteln zuerst die Hände mit Seife zu waschen. So werden schon einmal mögliche Keime auf den Händen des Koches oder der Köchin inaktiviert und werden nicht auf das Essen übertragen. Erst danach sollen frische Lebensmittel gewaschen und verarbeitet werden. Von der Desinfektion von Lebensmitteln wird abgeraten, da dies zu Allergien führen könnte. Auch eine Übertragung von Coronaviren durch fertig zubereitete Speisen ist sehr unwahrscheinlich. Wichtig ist aber, bei der Abholung oder Lieferung Abstand zu anderen Personen zu halten und sich auch danach gründlich die Hände zu waschen [6].

Andere virale Infektionen durch Lebensmittel

Auch wenn dies auf SARS-CoV-2 nicht zutrifft, können Lebensmittel durchaus andere krankmachende Viren übertragen. Die häufigsten viralen Lebensmittelinfektionen werden durch Noroviren und Hepatitis A Viren verursacht. Noroviren sind hoch infektiös, schon wenige Viruspartikel können eine Magen-Darm-Grippe auslösen. Oft sind die Verläufe aber nur leicht oder asymptomatisch. Hepatitis A verursacht ebenfalls Magen-Darm-Beschwerden, kann aber auch Fieber und eine Leberentzündung zur Folge haben. Diese für Lebensmittelinfektionen typische Viren werden vor allem fäkal-oral übertragen, meistens durch infizierte Menschen in der Verarbeitungskette von Lebensmitteln. Aber auch bei der Düngung oder Bewässerung mit verschmutztem Wasser können Nahrungsmittel in Kontakt mit Noroviren kommen. Die größte Gefahr der Ansteckung ist bei Meeresfrüchten, frischem Blattgemüse und Früchten, die nicht gekocht werden [7].

Virale Infektionen durch Lebensmittel werden aufgrund ihres oft milden Verlaufs häufig nicht erkannt. Verunreinigte Speisen, die in großem Maßstab zubereitet werden, können aber auch zu großen Krankheitsausbrüchen führen. Im Herbst 2012 erkrankten beispielsweise 11.000 Menschen in fünf deutschen Bundesländern an Brechdurchfällen infolge von Norovirus-Infektionen. Als Ursache konnten Tiefkühl-Erdbeeren einer bestimmten Charge identifiziert werden, die an Großküchen ausgeliefert worden waren [8].

Um das Risiko von lebensmittelbedingten Infektionen zu minimieren, ist die Einhaltung von Hygienestandards in der Landwirtschaft und nahrungsmittelverarbeitenden Betrieben unerlässlich. Im Zweifelsfall ist das Kochen von Lebensmitteln vor dem Verzehr die beste Strategie, um virale Erreger abzutöten.

Fazit

Generell können Viren durch Nahrungsmittel übertragen werden. Noroviren und Hepatitis A Viren sind die häufigsten Auslöser viraler Nahrungsmittelinfektionen. Im Fall des derzeit grassierenden Coronavirus, SARS-CoV-2, ist die Übertragung durch Lebensmittel aber sehr unwahrscheinlich. Übliche Hygienemaßnahmen sollten aber trotzdem unbedingt eingehalten werden. In diesem Sinne: Vor dem Essen – und Kochen – Händewaschen nicht vergessen!

[1] Chin AWH, Chu JTS, Perera MRA et al.: Stability of SARS-CoV-2 in different environmental conditions (2020). The Lancet Microbe. DOI: 10.1016/S2666-5247(20)30003-3.

[2] van Doremalen N., Bushmaker T., Morris DH et al.: Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as Compared with SARS-CoV-1 (2020). The New England journal of medicine 382 (16), S. 1564–1567. DOI: 10.1056/NEJMc2004973.

[3] Kampf G., Todt, D., Pfaender S. and Steinmann E.: Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents (2020). The Journal of hospital infection 104 (3), S. 246–251. DOI: 10.1016/j.jhin.2020.01.022.

[4] Bundesinstitut für Risikobewertung: https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html, abgerufen: 28.04.2020

[5] EFSA: Coronavirus: keine Anhaltspunkte, dass Lebensmittel eine Quelle für eine Infektion oder ein Übertragungsweg sind, abgerufen: 28.04.2020

[6] Lebensmittelverband Deutschland, abgerufen: 28.04.2020

[7] Bosch A., Gkogka E., Le Guyader FS et al.: Foodborne viruses. Detection, risk assessment, and control options in food processing (2018). International journal of food microbiology 285, S. 110–128. DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.06.001.

[8] Bundesinstitut für Risikobewertung: Norovirus-Ausbruch 2012, abgerufen: 28.04.2020

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28.04.2020

bESSERwisser

Kurkuma – goldenes Gewürz und Heilmittel

Kurkuma-Wurzel und Kurkuma-Pulver

Kurkuma erfreut sich nicht nur in zahlreichen Speisen, sondern auch in Getränken zunehmender Beliebtheit. Golden Milk und Kurkuma Latte zählen zu den neuen Trend-Getränken und gelten als wahres Superfood. Diesen Drinks wird positive Auswirkung auf die Gesundheit nachgesagt. Wer nicht gerade asiatisch kocht, hat sich wahrscheinlich noch nie Gedanken darüber gemacht, woher Kurkuma eigentlich stammt und wie die schöne gelbe Farbe dieses Gewürzes entsteht. Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Kurkuma ist einer der Bestandteile von Curry-Gewürzmischungen und wird als solche in vielen Speisen verwendet. Seit einiger Zeit findet Kurkuma jedoch auch bei der Zubereitung von Getränken Einsatz. Golden Milk ist ein neues kurkumahaltiges In-Getränk, dem gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt wird. Was im ersten Moment wie eine ausgefallene Hipster-Kreation klingt, hat in Wahrheit eine jahrhundertealte Tradition.

Botanische Zugehörigkeit und Ursprung

Die Kurkuma (Curcuma longa) ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae). Ihre Wurzel ähnelt stark der des Ingwers, ist jedoch deutlich intensiver und etwas dunkler gelb gefärbt. Deshalb ist Kurkuma auch unter den Namen gelber Ingwer, Safranwurz oder Gelbwurz bekannt. Bei der Verarbeitung ist Vorsicht geboten, da Kurkuma stark färbt. Am besten trägt man Handschuhe und arbeitet nicht mit Kunststoffgeräten. Flecken lassen sich auch nur sehr schwer wieder aus der Kleidung entfernen. Die Färbekraft von Kurkuma kann man sich aber auch zunutze machen und damit beispielsweise gelbe Ostereier zaubern.

Die Kurkuma-Pflanze selbst ist ursprünglich auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien heimisch. In China, Indien, Thailand, Nepal und im Iran dient ihre pulverisierte Wurzel zur Verfeinerung vieler asiatischer Gerichte und verleiht den Speisen eine kräftige gelbe Färbung sowie eine erdige Geschmacksnote. Darüber hinaus wird das Gewürz gerne als Färbemittel, etwa für Lebensmittel wie Senf und Milchprodukte, verwendet. In der traditionellen ayurvedischen Medizin gilt Kurkuma seit knapp 4000 Jahren als umfassendes Heilmittel zahlreicher Krankheiten und kommt beispielsweise bei Atemwegsinfekten, Rheuma, Verdauungsbeschwerden oder Leberleiden zum Einsatz.

Geschmacks- und farbgebende Inhaltsstoffe von Kurkuma

Der typische Geschmack von Kurkuma entsteht vor allem durch so genannte Oleoresine.  Das sind färbende oder geschmacksgebende Extrakte, die aus Samen, Wurzeln, Blättern, oder Früchten sowie ätherischen Ölen gewonnen werden können [1].

Für die gelbe Färbung der Kurkuma-Wurzel sind so genannte Curcuminoide verantwortlich. Zu diesen zählen neben Curcumin auch Demethoxycurcumin, Bisdemethoxycurcumin und Cyclocurcumin (Curcumin I bis IV). Bei Curcumin handelt es sich um ein natürliches Polyphenol, das erstmals im Jahr 1870 in purer, kristalliner Form extrahiert wurde [1,2].

Schlechte Aufnahme von Curcumin aus der Nahrung

Curcumin wird ein breites Spektrum an positiven Wirkungen auf die Gesundheit nachgesagt, welche hauptsächlich auf seiner anti-oxidativen und anti-inflammatorischen Wirkung im Körper beruhen . Curcumin ist jedoch chemisch instabil und verfügt über eine niedrige Wasserlöslichkeit, womit es nur schlecht ins Zellinnere sowie ins Blut aufgenommen werden kann. So wird letztendlich das wenige Curcumin aus der Nahrung, das im Dünndarm absorbiert wurde, in der Leber rasch verstoffwechselt und über die Gallenblase schnell ausgeschieden. Auch hohe Dosierungen von bis zu 12 Gramm Kurkuma-Pulver pro Tag – was deutlich mehr als der von der WHO empfohlenen Tagesdosis von maximal 3 Gramm entspricht – konnten daran nichts ändern [2,3].

Es gibt jedoch die Möglichkeit, die Verfügbarkeit von Curcumin für den Körper zu erhöhen:

  • So kann beispielsweise durch die gemeinsame Aufnahme von Curcumin und Piperin, dem Hauptwirkstoff in schwarzem Pfeffer, die Aufnahme von Curcumin ins Blut um 2000 % gesteigert werden. Dies ist jedoch von der Curcumin-Dosis und dem Gesundheitszustand der Person abhängig [2,3].
  • Auch verschiedene Arten der Wirkstoffverabreichung sowie nanotechnologie-basierte Systeme zum Wirkstofftransport sollen die therapeutische Wirksamkeit von Curcumin verbessern [4]. Ein Beispiel dafür ist das Abfüllen von Curcumin gemeinsam mit essenziellen Kurkuma-Ölen in Kapseln, um die Aufnahme vom Dünndarm ins Blut zu steigern [5].

Therapeutisches Potential wird diskutiert

Curcumin und seine Derivate haben im Lauf der letzten zwei Dekaden erhöhte Aufmerksamkeit in der Forschung bekommen [2,7]. Für neurodegenerative Erkrankungen, Krebs und Immunerkrankungen gilt Curcumin als vielversprechender Wirkstoff [3,6].

Auch ein Einsatz von Curcumin bei Krebs wird diskutiert. Krebs ist heute die zweithäufigste Todesursache weltweit. Trotz großer Fortschritte in der Krebstherapie sind sowohl die Zahl der Neuerkrankungen als auch die Sterblichkeitsrate hoch. Daher gehört die Suche nach effizienteren und weniger toxischen Behandlungsstrategien von Krebs zu den obersten Zielen der derzeitigen Forschung [7]. Curcumin gilt hier als vielversprechender Kandidat, eine effektive Wirkung gegen Krebs konnte jedoch bisher noch nicht bestätigt werden. Derzeit wird in verschiedenen klinischen Humanstudien die Wirksamkeit von Curcumin bei Brust- und Prostatakrebs erforscht:

  • Eine amerikanische Studie beschäftigt sich mit möglichen Veränderungen des Primärtumors von 20 Brustkrebspatientinnen im Zusammenhang mit der oralen Gabe von Curcumin [8].
  • Eine weitere Studie untersucht eine mögliche Reduzierung der Krebsprogression in 291 Prostatakrebspatienten, die unter aktiver ärztlicher Überwachung stehen. Curcumin wird den Probanden in Form eines Nahrungsergänzungsmittels namens Biocurcumax verabreicht [8].

Beide Studien werden in den nächsten Jahren abgeschlossen und man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.

Interaktion von Kurkuma mit der Darmflora

Unsere Ernährung hat starken Einfluss auf unsere Darmflora. Eine intakte Darmflora wiederum ist entscheidend für einen gesunden Körper. So steht ein Ungleichgewicht unserer Darmflora mit vielen Stoffwechselerkrankungen in Zusammenhang [9].

Studien weisen darauf hin, dass der positive Effekt von Curcumin auf die Gesundheit durch die Darmflora verstärkt wird. Die Mikroorganismen des Darms und Curcuma beeinflussen sich gegenseitig: Die Darmflora produziert aktive Stoffwechselprodukte aus Curcumin, was allerdings stark von der individuellen Bakterienbesiedelung einer Person abhängig ist. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass Curcumin einen positiven Einfluss auf die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora hat. Das ist in Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer, wichtig, da bei diesen Erkrankungen eine veränderte Darmflora für das Auftreten von Symptomen verantwortlich ist. Etwaige Veränderungen der Darmflora im Menschen und die genauen Mechanismen dahinter sind Gegenstand zukünftiger Forschung.

Bei der Verwendung von Curcumin für therapeutische Zwecke wird empfohlen, dieses gemeinsam mit Milch oder Öl einzunehmen, um die Aufnahme im Körper zu erhöhen [6,9].

Golden Milk: Wahres Superfood?

Aufgrund der möglicherweise verbesserten Aufnahme von Curcumin in Kombination mit Milch erfreuen sich auch Golden Milk und Kurkuma Latte in letzter Zeit großer Beliebtheit. Unzählige Onlineshops bieten fertige Gewürzmischungen für die Zubereitung dieses Wunder-Getränks an. Obwohl sie in Indien schon seit Jahrhunderten Tradition haben, gelten diese Getränke in Europa erst seit kurzer Zeit als Trend und wahres Superfood. Wie der Name schon vermuten lässt, besteht das Getränk neben dem Kurkumapulver in erster Linie aus Milch oder pflanzlichen Alternativen aus Mandel, Soja, Cashew, Kokos oder Hafer. Propagiert werden neben anti-oxidativer und entzündungshemmender auch eine verdauungsfördernde Wirkung. Hier besteht jedoch aus wissenschaftlicher Seite noch reichlich Forschungsbedarf.

Tipps für Einkauf und Lagerung von Kurkuma

Frische Kurkuma-Wurzeln sind ganzjährig in Bioläden oder gut sortierten Supermärkten erhältlich. Beim Kauf ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Wurzel schwer in der Hand liegt und keinesfalls runzelige oder feuchte Stellen aufweist. Die frische Wurzel lässt sich am besten im Kühlschrank in einer Dose oder einem verschließbaren Gefrierbeutel aufbewahren, wo sie mehrere Wochen frisch bleibt.

Kurkuma-Pulver sollte, wie auch andere Gewürze, trocken und kühl gelagert werden. Dazu eignen sich gut verschließbare Gefäße mit Schraubverschluss.

Fazit

Zur Farbgebung von Speisen und Getränken eignen sich frische Kurkuma-Wurzeln oder das daraus gewonnene Pulver gut als günstigere Alternative zu Safran. Auch als Bestandteil von Curry-Gewürzmischungen ist Kurkuma gut zum Verfeinern und Färben verschiedener Speisen geeignet. In Milch oder Pflanzendrinks aufgelöst kann man Kurkuma als wärmendes Getränk genießen. Ihrem Ruf als Superfood kann die Golden Milk aus wissenschaftlicher Sicht allerdings noch nicht gerecht werden. Mögliche positive Wirkungen von Curcumin – dem in Kurkuma enthalten Wirkstoff – auf die Verdauung sowie beim Einsatz bei Krebs sind wissenschaftlich noch nicht bestätigt. Die Kurkuma zugeschriebenen Eigenschaften als Wundermittel kommen also eher aus der Tradition als aus der Wissenschaft.

Referenzen:

[1] Nelson, KM, Dahlin JL, Bisson J. et al.: The Essential Medicinal Chemistry of Curcumin (2017). J Med Chem. 2017 Mar 9;60(5):1620-1637. doi: 10.1021/acs.jmedchem.6b00975.

[2] Dei Cas M. nad Ghidoni R.: Dietary Curcumin: Correlation between Bioavailability and Health Potential (2019). Nutrients. 2019 Sep 8;11(9). pii: E2147. doi: 10.3390/nu11092147.

[3] Anand P., Kunnumakkara AB, Newman RA et al.: Bioavailability of curcumin: problems and promises (2007). Mol Pharm. 2007 Nov-Dec;4(6):807-18. Epub 2007 Nov 14.

[4] Catanzaro M., Corsini E., Rosini M. et al.: Immunomodulators Inspired by Nature: A Review on Curcumin and Echinacea (2018). Molecules. 2018 Oct 26;23(11). pii: E2778. doi: 10.3390/molecules23112778.

[5] Singletary K.: Turmeric: Potential Health Benefits (2020). Nutrition Today: January/February 2020 – Volume 55 – Issue 1 – p 45-56. doi: 10.1097/NT.0000000000000392

[6] Pluta R., Januszewski S. and Ulamek-Koziol M.: Mutual Two-Way Interactions of Curcumin and Gut Microbiota (2020). Int. J. Mol. Sci. 2020, 21(3), 1055. doi: 10.3390/ijms21031055

[7] Tomeh MA , Hadianamrei R. and Zhao X.: A review of curcumin and its derivatives as anticancer agents (2019). Int J Mol Sci. 2019 Feb 27;20(5). pii: E1033. doi: 10.3390/ijms20051033.

[8] Giordano A. and Tommonaro G.: Curcumin and Cancer (2019). Nutrients. 2019 Oct; 11(10): 2376. doi: 10.3390/nu11102376

[9] Zam W.: Gut Microbiota as a Prospective Therapeutic Target for Curcumin: A Review of Mutual Influence (2018). J Nutr Metab. 2018; 2018: 1367984. doi: 10.1155/2018/136798

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12.02.2020

bESSERwisser

Verursacht roher Teig Bauchschmerzen?

Quirl von Mixer mit Teig

Beim Kuchen- oder Keksebacken gehört für viele das Naschen vom rohen Teig und Ausschlecken der Rührschüssel einfach dazu. Doch verursacht roher Teig wirklich Bauchschmerzen, wie viele behaupten? Und stimmt es, dass er gar schädlich für die Gesundheit sein kann? Die bESSERwisser sind dieser Frage nachgegangen.

Mikroorganismen im rohen Teig

Die rohe Masse von Kuchen und Keksen schmeckt gut, daran besteht kein Zweifel. Wer kostet nicht schon gern voller Vorfreude vom frisch gerührten Teig? Die darin enthaltenen Backtriebmittel, die den Teig locker und luftig machen sollen, können im Verdauungstrakt jedoch für Unruhe sorgen. Roh verzehrte Hefe gärt im Magen weiter, und auch Backpulver produziert im Magen weiterhin Kohlendioxid. Im Magen-Darmtrakt kann sich so Gas ansammeln und für Bauchschmerzen und Blähungen sorgen. Backmasse beinhaltet meist auch noch Mehl und Eier, die roh eine potenzielle Gefahrenquelle für die Gesundheit darstellen: Sie können unter Umständen schädliche Mikroorganismen enthalten, die erst beim Backen abgetötet werden. Dies trifft nicht nur auf Kekse und Kuchen, sondern beispielsweise auch auf Pizza- und Brotteig zu.

Gefahrenquelle Mehl

Die amerikanische Lebensmittel- und Arzneibehörde (FDA) warnt schon seit längerem davor, vom rohen Teig zu kosten. Mehl steht in seiner Rohform in Verdacht, aufgrund darin enthaltener Kontaminationen durch das Bakterium Escherichia coli Krankheiten auszulösen. Im Jahr 2017 wurde dies dann auch durch eine amerikanische Studie bestätigt, bei der gemeldete E. coli-Infektionen genauer untersucht wurden: Knapp 40 Prozent davon konnten auf den Verzehr von rohem Mehl zurückgeführt werden. [1] Die betroffenen Mehlhersteller mussten daraufhin ihre Produkte aus den Regalen zurückziehen. In Österreich sind bisher allerdings noch keine Krankheitsfälle durch kontaminiertes Mehl bekannt geworden.

Escherichia coli

Bei Escherichia coli handelt es sich um stäbchenförmige, gramnegative Bakterien. Diese wurden 1885 vom Kinderarzt Theodor Escherich erstmals aus dem Dickdarm (Colon) von Kleinkindern isoliert.  E. coli vermehren sich zwischen 10 und 47°C am besten und kommen im menschlichen und tierischen Darm vor. Diese Mikroorganismen sind Teil der natürlichen Darmflora und in der Regel harmlos. Sie machen nur dann krank, wenn sie aus dem Darm in andere Körperregionen verschleppt werden und können dort Beschwerden wie Harnwegsinfekt, Bauchfellentzündung oder Gallenblasenentzündung hervorrufen [2].

Es gibt aber auch bestimmte Stämme von E.coli, die gesundheitsschädlich sein können. Zu diesen zählen jene E. coli Bakterien, die einen bestimmten Giftstoff, das so genannte Vero- oder Shigatoxin, bilden. Diese Bakterien sind als VTEC (Verotoxin bildende E.coli) oder STEC (Shigatoxin bildende E.coli) bekannt. Deren Giftstoffe wirken schädlich auf den Menschen und können Bauchschmerzen, Erbrechen, Fieber, Durchfall und im schlimmsten Fall sogar Nierenversagen auslösen [2, 3]. Durch Kochen, Backen oder Braten bei über 70°C können E.coli Bakterien abgetötet werden [3].

Wie kommen Mikroorganismen ins Mehl?

Mehl dient als rohes, minimal verarbeitetes Produkt, das mit anderen Zutaten vermengt und vor dem Verzehr erhitzt werden sollte. Es enthält an sich kaum Wasser und fördert normalerweise kein Bakterienwachstum. Allerdings konnte nachgewiesen werden, dass Mikroorganismen auf Weizen und anderen Mehlbestandteilen überleben können, da Getreide nicht gegen Bakterien behandelt wird. Tierische Ausscheidungen und pathogene Keime, die das Getreidekorn verunreinigen, können so mit dem Mehl weiterverarbeitet werden.

Gefahrenquelle Eier

Die Tatsache, dass rohe Eier mit Salmonellen behaftet sein können, ist allgemein bekannt. Diese Krankheitserreger sind vorwiegend auf der Schale von Eiern zu finden und kommen in Eiern selbst eher selten vor.

Salmonellen

Bei Salmonellen handelt es sich um eine Gattung stäbchenförmige Bakterien, die zur Gruppe der Enterobakterien zählen. Manche Salmonellen-Arten können beim Menschen schwere Krankheiten hervorrufen, diese werden allgemein als Salmonellosen bezeichnet.

Bei einer Salmonelleninfektion treten die Beschwerden im Normalfall sechs bis 72 Stunden nach der Infektion auf – meist abhängig von der Anzahl der Erreger, die in den Körper gelangt sind. Setzen die Salmonellen in der Darmschleimhaut des Dünndarms ihre giftigen Stoffwechselprodukte frei, kommt es zu den typischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfen, Durchfall und Kopfschmerzen, auch Fieber kann dazu kommen. Gelangen die Bakterien in die Blutbahn, können sie Komplikationen bei Organen außerhalb des Darmes auslösen und schwere Krankheitsverläufen hervorrufen, was aber eher selten vorkommt. Eine Infektion mit Salmonellen erfolgt meistens über kontaminierte Lebensmittel. [4]

Salmonellen vermehren sich bereits bei Temperaturen von sieben bis 45°C. Feuchtigkeit begünstigt ihr Wachstum, und abgetötet werden die Erreger erst ab 75°C. Sie können sogar in Tiefkühlschränken bei minus 20°C überleben. Vermeiden kann man Salmonellen-Infektionen am besten durch die Verwendung von möglichst frischen Lebensmitteln und guter Küchenhygiene.

Fazit

Das Naschen vom rohen Teig kann tatsächlich Bauchschmerzen und Blähungen verursachen, da die darin enthaltenen Backtriebmittel eine Ansammlung von Gasen im Magen-Darm-Trakt bewirken können. Dies ist allerdings abhängig davon, wieviel von der Rohmasse verzehrt wurde und wie empfindlich die Naschkatze reagiert.

Die Wahrscheinlichkeit, sich durch den rohen Teig von Kuchen, Keksen, Pizza oder Brot eine Infektion mit E.coli-Bakterien oder mit Salmonellen zu holen,  ist prinzipiell gegeben, ist aber sehr gering. Zumindest gab es bisher in Österreich noch keine Fälle dieser Art. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, lässt das Kosten vom rohem Teig besser sein. Das fertig gebackene Endprodukt birgt in dieser Hinsicht kein Risiko, da die Erreger durch das Backen abgetötet werden.

Quellen:

[1] Crowe SJ, Bottichio L., Shade LN et.al: Shiga Toxin–Producing E. coli Infections Associated with Flour (2017). N Engl J Med 2017; November 23, 377:2036-2043: doi: 10.1056/NEJMoa1615910

[2] Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES): Escherichia coli inklusive Verotoxin bildende E. coli (VTEC) (2020)

[3] Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung: Shigatoxin-bildende E. coli in Lebensmitteln: Vorhersage des krankmachenden Potenzials der verschiedenen Stämme noch nicht möglich. DOI 10.17590/20180419-133502

[4] Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES): Salmonellen.

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02.12.2019

bESSERwisser

Hilft Alkohol bei der Verdauung?

Drei Gläser mit Alkohol

Besonders zu Festtagen isst man oft mehr, als einem guttut, und ein unangenehmes Völlegefühl ist die Folge. Die weit verbreitete Meinung, hochprozentiger Alkohol helfe der Verdauung, lässt viele nach dem Essen zu Schnaps greifen. Aber stimmt es überhaupt, dass ein Digestif die Verdauung fördert? Und wie ist das mit dem Völlegefühl? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Was bewirkt Alkohol im Körper?

Bei Alkohol handelt es sich chemisch gesehen um Ethanol, dessen Abbauprodukte auf den menschlichen Körper giftig wirken. Die Aufnahme von Alkohol beginnt bereits beim Trinken im Mund über die Schleimhäute. Den Großteil nimmt aber etwas später die Magenschleimhaut auf, und über die Blutbahn gelangt der Alkohol zu den inneren Organen. Etwa eine Stunde nach dem Alkoholgenuss ist die größte Konzentration im Blut nachweisbar und nimmt dann langsam wieder ab.

Der Alkohol wird bis zu 98% in der Leber abgebaut, und im Durchschnitt sinkt seine Konzentration im Blut um etwa 0,1 Promille pro Stunde. Mehr schafft die Leber nicht, und auch diverse Tricks und Wundermittel beschleunigen den Abbau nicht. So hilft es weder, viel Wasser zu trinken, noch Unmengen an Kaffee zu sich zu nehmen oder Sauerstoff zu tanken, um schneller wieder auszunüchtern – die Abbaukapazität der Leber verändert sich nicht. Minimale Mengen an Alkohol werden zwar über Lunge, Haut und Niere ausgeschieden, allerdings ist das im Verhältnis zu dem, was die Leber leisten muss, verschwindend wenig. In der Leber ist vor allem das Enzym Alkoholdeydrogenase (ADH) am Alkoholabbau beteiligt. Als Abbauprodukt entsteht Acetaldehyd, das für den „Kater“ am Morgen danach verantwortlich ist und sich in Form von Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel bemerkbar macht. Das Zellgift Acetaldehyd muss vom Körper weiter zerlegt werden und wird mittels Aldehyddehydrogenase (ALDH) in Essigsäure umgewandelt und wird schlussendlich als Kohlendioxid und Wasser ausgeschieden. [1]

Alkohol, die Stoffwechselbremse

Da während des Alkoholabbaus im Körper keine anderen Stoffwechselvorgänge ablaufen können, werden bei Alkoholkonsum Verdauung, Fettverbrennung und Muskelaufbau ausgebremst.  Das Essen liegt außerdem länger und schwerer im Magen, da der Weitertransport in den Dünndarm gestoppt wird.

  • Bereits im Jahr 2000 konnte eine spanische Studie zeigen, dass Alkohol die Verdauung nicht fördert. [2]
  • 2010 untersuchte eine Schweizer Studie an zwanzig Testpersonen, wie sich Alkoholkonsum während des Essens auf die Verdauung auswirkt. Während eines – für die Schweiz typischen – Käsefondues mit 200 Gramm Käse und 100 Gramm Weißbrot pro Person trank die eine Gruppe ein Glas Weißwein, die anderen Teilnehmer eine Tasse Schwarztee zum Essen. Eineinhalb Stunden nach der Mahlzeit bekamen die Weintrinker zusätzlich ein Gläschen Schnaps, die Teetrinker tranken Wasser. Um wissenschaftlich zu testen, wie schnell die Verdauung funktioniert, wurde der Fonduekäse mit C-13-Istopen markiert. Der Abbau der Nahrung in Magen und Darm wurde mittels Atemtests erfasst. Dabei konnte festgestellt werden, dass Alkohol die Verdauung nicht beschleunigt, das Gegenteil war der Fall: Es verlangsamte sie sogar. Die Teilnehmer, die Alkohol getrunken hatten,  klagten außerdem über Völlegefühl. [3] Diesem Fakt liegt die Tatsache zugrunde, dass Alkohol zuerst abgebaut werden muss, bevor die Verdauung starten kann. Somit liegt das Essen bei Alkoholkonsum entgegen vieler Meinungen länger und schwerer im Magen.

Entspanntes Gefühl

Alkohol, vor allem sehr hochprozentiger, kann dennoch ein entspanntes Gefühl nach einer üppigen Mahlzeit vermitteln: Er erweitert die Blutgefäße und übt eine entspannende Wirkung auf Muskelzellen aus. So wird der Magenmuskel nach einem Schnaps lokerer, das Völlegefühl wird weniger, und man fühlt sich leichter. Allerdings ist das nur eine gefühlte Leichtigkeit, denn in Wahrheit steht die Verdauung solange still, bis der Alkohol abgebaut ist. Nur in sehr geringen Konzentrationen konnte hier ein positiver Effekt auf die Verdauung gemessen werden. Ein kleines Glas Bier oder weniger als ein Achtel Wein regen die Schleimhautzellen im Magen dazu an, mehr Säure zu produzieren. [4]

Verdauung fördern mit Kräutern

Anders verhält es sich mit Kräuterlikören oder Kräuterschnäpsen. Diese unterstützen die Verdauung, allerdings durch die darin enthaltenen Kräuter, und nicht durch den Alkohol. Eine Tasse Kräutertee  würde hier denselben Zweck ebenso oder sogar noch besser erfüllen. Pfefferminztee oder Fencheltee wirken durch ihre ätherischen Öle positiv auf die Verdauung. Eine Tasse Kaffee wirkt ebenfalls positiv auf die Bildung von Magensäure und fördert so die Verdauung. In einer Studie konnten Extrakte aus Ingwer, Pfefferminze, Anis, Fenchel, Zitrusfrüchte, Löwenzahn, Artischocke, Melisse und Kamille eine positive Wirkung auf die Verdauung zeigen. [5]

Auch ein Spaziergang nach üppigem Essen kann eine gute Alternative zu einem Schnaps sein, da durch die Bewegung der Darm indirekt massiert wird. [6]

Fazit

Die Annahme, dass ein Schnaps nach dem Essen die Verdauung fördert, stimmt nicht. Im Gegenteil, das Essen liegt bei gleichzeitigem Genuss von Hochprozentigem sogar länger im Magen. Geringe Mengen an Wein oder Bier hingegen wirken sich positiv auf die Bildung von Verdauungssäften aus. Kräutertees, Bitterstoffe oder ein Spaziergang helfen besser als Alkohol, um ein üppiges Essen leichter zu verdauen.

Quellen
[1] https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-662-05657-8_8
[2]Bujanda L.: The effects of alcohol consumption upon the gastrointestinal tract. DOI: 10.1111/j.1572-0241.2000.03347.x
[3]Heinrich H., Goetze O., Menne D., et al.: Effect on gastric function and symptoms of drinking wine, black tea, or schnapps with a Swiss cheese fondue: randomised controlled crossover trial, BMJ. 2010 Dec 14;341:c6731. doi: 10.1136/bmj.c6731. 
[4]https://www.uni-heidelberg.de/uni/presse/RuCa1_97/singer.htm
[5]Valussi M.:Functional foods with digestion-enhancing properties, DOI:10.3109/09637486.2011.627841
[6] https://www.gesund-vital.de/hilft-alkohol-der-verdauung
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01.08.2019

bESSERwisser

Kann Obst ungesund sein?

Obst

Obst gilt als gesunde, leichte Nahrung, die den Körper nicht belastet. Vor allem jetzt im Sommer verlocken bunte Früchte, die süß und köstlich schmecken. Aber ist Obst wirklich so gesund? Nimmt man damit nicht zu viel (Frucht) Zucker auf, wie manche Ärzte warnen? Und wie sieht es mit der Pestizidbelastung aus? Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Fruktose, der Zucker im Obst

Zucker sollte nur in Maßen genossen werden, soviel ist bekannt. 2015 gab die WHO diesbezüglich eine Empfehlung aus: Ein durchschnittlicher Erwachsener sollte pro Tag nicht mehr als zehn Teelöffel Zucker – das entspricht etwa 50 Gramm – zu sich nehmen, um Gewichtszunahme und Karies vorzubeugen. Noch besser wäre laut WHO ein täglicher Zuckerkonsum von maximal fünf Teelöffeln.[1] Sich daran zu halten ist schwierig, da die Industrie Zucker gerne andere Namen gibt. Hinter Bezeichnungen wie Glukose, Saccharose, Maltose oder Dextrose verbirgt sich nichts Anderes als Zucker. Auch Fruktose (Fruchtzucker), die in Obst natürlich vorkommt, ist eine bestimmte Zuckerart.[2]

„Zucker“ im Überblick

Rein wissenschaftlich gesehen handelt es sich bei den Zuckern um eine bestimmte Gruppe organischer Verbindungen, die sogenannten niedermolekularen Kohlenhydrate. Je nach Anzahl der einzelnen aneinandergereihten Bausteine (Saccharide) unterscheidet man Einfachzucker (Monosaccharide), Zweifachzucker (Disaccharide) und Mehrfachzucker (Oligo- und Polysaccharide).[3] Bei der im allgemeinen Sprachgebrauch als Zucker bezeichneten Saccharose, dem Kristallzucker, handelt es sich um einen Vertreter der Zweifachzucker.

Zu den Monosacchariden zählt zum Beispiel Glukose (Traubenzucker, Dextrose), die in Obst, Gemüse und Honig vorkommt. Dieser Zucker gelangt vom Darm direkt in die Blutbahn und dient dem Körper als schnellster Energielieferant. Fruktose (Fruchtzucker) ist in Früchten enthalten und wird in der Leber zu Glukose umgewandelt. Galaktose ist Bestandteil der Laktose und ist hauptsächlich in Milch und Milchprodukten zu finden. Bei Tagatose handelt es sich um einen Einfachzucker, der erst kürzlich seine Zulassung in der EU bekommen hat. Dieser wird aus Galaktose industriell hergestellt, kommt aber auch natürlich in Milchprodukten vor. Tagatose wird nur zu etwa 20 Prozent vom Dünndarm aufgenommen, hat einen geringeren Brennwert als Glukose und wird in erster Linie in Diätnahrung eingesetzt. [4]

 

Zu den Disacchariden rechnet man Maltose, die aus zwei Glukosemolekülen besteht. Im menschlichen Körper entsteht dieser Zucker bei der Verdauung stärkehaltiger Speisen, kann aber auch künstlich hergestellt werden. Aufgrund seines karamellartigen Geschmacks wird Maltose gerne für Backwaren verwendet. Laktose besteht aus Glukose und Galaktose und kommt hauptsächlich in Milch und Milchprodukten vor. Saccharose (Haushaltszucker, Kristallzucker, Rübenzucker, Rohrzucker) wird entweder direkt zum Süßen verwendet oder Lebensmitteln zugesetzt. Dieses Disaccharid wird aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnen und besteht zur einen Hälfte aus Glukose und zur anderen aus Fruktose.

 

Polysaccharide (Vielfachzucker) schmecken weniger süß. Zu ihnen zählen Stärke, Glykogen, Pektin, Chitin, Kallose und Zellulose. Polysaccharide dienen als Ballaststoffe, Reservestoffe und Nährstoffe. Man findet sie zum Beispiel in Getreidekörnern oder Kartoffeln. [5]

Unterschiedlicher Fruchtzuckergehalt in Früchten

Der Fruktosegehalt in Früchten ist generell relativ gering, kann jedoch je nach Obstsorte stark schwanken. Hier ein kleiner Überblick – angegeben sind immer Durchschnittswerte für Fruktose (Fruchtzucker) pro 100 Gramm Früchten für das jeweilige Obst: Datteln (31 Gramm), Kaki (acht Gramm), Weintrauben (sieben Gramm), Äpfel, Kirschen (sechs Gramm), Orangen, Bananen (drei Gramm), Wassermelone (fünf Gramm), Zitrone (ein Gramm), Papaya, Rhabarber (weniger als 0,5 Gramm).

Um die empfohlene Maximalmenge von 50 Gramm Zucker pro Tag durch den Konsum von Früchten zu überschreiten, müsste man ungewöhnlich große Mengen an Früchten verzehren. Um in einen gesundheitlich bedenklichen Bereich zu gelangen, müsste man beispielsweise eine große Wassermelone oder sechs mittelgroße Äpfel auf einmal verzehren. Ab dieser Menge käme man auf etwa 50 Gramm Fruchtzucker, was Dünndarm und Leber stark belasten kann. [6] Seriöse Beweisstudien, die besagen, dass ab dieser Menge Obst als ungesund eingestuft wird und schädlich wirkt, fehlen allerdings.

Industrielle Fruktose: Beliebt in der Lebensmittelproduktion

Fruktose kommt natürlich in Früchten vor, kann aber auch künstlich gewonnen werden. So wird beispielsweise aus Maisstärke ein spezieller Fruktose-Sirup hergestellt, der unter dem Namen High-Fructose-Corn-Syrup (HFCS) als hochkonzentrierte, industriell hergestellte Fruktose auf den Markt kommt. Seine Süßkraft ist um ein Vielfaches höher als die des Rübenzuckers. Die Lebensmittelindustrie nutzt gerne die Vorteile des synthetischen Fruchtzuckers: Er kristallisiert nicht und behält eine geschmeidige Konsistenz. So etwa bräunt mit Fruktose versetztes Gebäck gleichmäßiger, und bei Tiefkühlkost bilden sich keine Eiskristalle. Trotz dieser Vorteile kann es hier für den Endverbraucher problematisch werden, denn unbewusst werden oft große Mengen von HFCS aufgenommen. Ein mit HFCS gesüßter Fertigsmoothie enthält beispielsweise bis zu 40 Gramm Fruchtzucker pro Liter, was einer kleinen Wassermelone entspricht.

Zu viel Fruchtzucker kann krank machen

Da Fruktose nur über die Leber verstoffwechselt werden kann, belasten größere Mengen ab etwa 50 Gramm dieses Organ. Überschüssige Fruktose wird ins Blut abgegeben, wodurch Cholesterin- und Blutfettwerte steigen. Der Zucker wird in weiterer Folge im Körper als Fett eingelagert. Dauerhafter Konsum von großen Mengen an Fruchtzucker kann deshalb zu Übergewicht führen, und das Risiko einer Fettleber steigt. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Adipositas oder Gicht können mögliche Folgen sein. Es gibt einige Studien, die einen Zusammenhang vom Verzehr von Fruchtzucker und diesen Krankheiten belegen. Allerdings konnte darin nicht eindeutig bestätigt werden, dass der Fruchtzucker alleine verantwortlich für die gesundheitlichen Probleme ist. [7, 8]

Verdauen mit Bauchweh

Der Konsum von Fruktose in größeren Mengen kann jedoch auch aus einem anderen Grund unangenehm werden, denn zu viel davon kann in manchen Fällen Verdauungsbeschwerden verursachen. Dies lässt sich so erklären: Vom Körper aufgenommene Fruktose gelangt zunächst in den Dünndarm. Handelt es sich dabei um große Mengen, die den Dünndarm überfordern, kann dieser nicht die gesamte Menge an Fruchtzucker verwerten. Fruktose gelangt so in weiterer Folge auch in den Dickdarm, und die Darmflora ändert sich. Bakterien im Dickdarm nehmen große Fruktosemengen als Anlass, um sich übermäßig zu vermehren und produzieren dabei Säuren und Gase. Viele Menschen spüren das in Form von Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. Die Toleranzschwelle ist hier von Mensch zu Mensch recht unterschiedlich. Bei starker Ausprägung spricht man von Fruktoseunverträglichkeit, die beim Arzt getestet werden kann. [9]

Fruchtzucker in Getränken

Obst enthält neben Fruchtzucker auch Ballaststoffe. Da diese im Verdauungstrakt aufgespalten werden müssen, wird Fruktose nach dem Verzehr von Früchten langsam abgebaut. Die Aufnahme des Fruchtzuckers ins Blut wird verzögert, und der Blutzuckerspiegel steigt nur langsam an. Ballaststoffe, wie beispielsweise Pektin, binden außerdem Wasser und quellen im Magen auf. Dadurch wird die Magenentleerung verzögert, und das Sättigungsgefühl hält länger an.

Konsumiert man anstatt von Früchten den daraus gewonnenen Fruchtsaft, verhält es sich anders: Fruchtsäfte ohne zugesetzte Ballaststoffe lassen den Blutzuckerspiegel schneller ansteigen, und man verspürt nach deren Genuss schneller wieder Hunger. Da das Sättigungsgefühl aufgrund der fehlenden Ballaststoffe nicht so rasch einsetzt, trink man bei Fruchtsäften auch schnell größere Mengen, als man in Form von Früchten zu sich nehmen würde. Es macht für den Körper also einen großen Unterschied, in welcher Form man Obst zu sich nimmt.

Fruchtgetränke im Überblick

Im Handel findet man unterschiedliche Bezeichnungen von Fruchtgetränken [10]: Unter Fruchtsaft versteht man ein flüssiges Erzeugnis aus Früchten, bei dem der Fruchtgehalt 100 Prozent betragen muss. Man unterscheidet zwischen Direktsaft und Fruchtsaft aus Konzentrat, wobei beim Konzentrat der Fruchtsaft im Herkunftsland konzentriert und im Zielland rückverdünnt wird. Ein Fruchtsaft aus Orangen enthält beispielsweise etwa 40, Apfelsaft sogar bis zu 68 Gramm Fruktose pro Liter. Bei Fruchtnektar ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestgehalt an Fruchtsaft oder Fruchtmark je nach Fruchtart verschieden. Bei Mango muss dieser beispielsweise 25 Prozent, bei Nektar aus Pfirsich 50 Prozent betragen. Fruchtnektar darf bis zu 20 Prozent des Gesamtgewichts an Zucker oder Honig zugesetzt werden. Frischsaft ist zu 100 Prozent frisch gepresster Saft aus Früchten.

Fruchtsaftgetränke zählen zu den Erfrischungsgetränken und enthalten nur geringe Mengen an Fruchtsaft. Bei Zitrusfrüchten sind es beispielsweise sechs Prozent, bei Trauben oder Kernobst 30 Prozent. Zucker und Aromastoffe dürfen ebenfalls beigefügt werden. Bei Smoothies wird die ganze Frucht, manchmal sogar mit Schale, verarbeitet. Als Basis dienen Fruchtmark oder Fruchtpüree, die mit Wasser, Milchprodukten oder Pflanzenmilch vermengt werden, um eine cremige Konsistenz zu erhalten. Smoothies schmecken gut und vermitteln noch dazu das Gefühl, etwas Gutes für den Körper zu tun. Allerdings kann der Genuss eines Smoothies schnell mit großen Mengen an Fruchtzucker zu Buche schlagen: So etwa enthält ein Smoothie aus drei Äpfeln, zwei Orangen, einer Banane und 100 Gramm Erdbeeren rund 40 Gramm Fruktose – damit wäre das Fruktosekonto für diesen Tag dann auch schon beinahe voll.

Pestizide – die gefürchtete Chemie im Obst

Seit der Einführung des Glyphosatverbots in Österreich im Juli sind Konsumenten für das Thema Pestizide besonders sensibilisiert, und Berichterstattungen über Schadstoffe in Lebensmitteln erwecken großes Interesse. Eine Behandlung mit Pestiziden sieht man dem Obst nicht an, und man schmeckt sie auch nicht, daher sind diese Stoffe oft gefürchtet. Im Durchschnitt wird konventionelles Obst – vom kleinen Pflänzchen bis zur reifen Frucht – bis zu 53 Mal gespritzt, bevor es in die Supermarktregale gelangt. [11] In Europa sind aktuell etwa 290 verschiedene Substanzen zugelassen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, und konventionell wirtschaftende Landwirte kommen kaum ohne Pestizide aus. Bei Kritik verweisen Landwirte und Supermärkte meist auf Grenzwertbestimmungen, die in Österreich selten überschritten werden. Allerdings gelten die Grenzwerte für einzelne Pestizide, und nicht für die Gesamtbelastung aller eingesetzten Spritzmittel. Der gesamte Schadstoffcocktail, der sich durch das Spritzen insgesamt ergibt, kann sich in manchen Fällen sehr wohl auf die Gesundheit auswirken.

Studien zu Pestizidbelastungen

Eine 2015 durchgeführte Studie aus den USA [12] zeigte, dass die männliche Spermienzahl und der Anteil an morphologisch normalen Spermien geringer werden, wenn Obst mit hohen Pestizidbelastungen konsumiert wird. Eine 2017 erschienene dänische Langzeitstudie untersuchte, wie sich Pestizidrückstände verschiedener Substanzen in Lebensmitteln langfristig auswirken. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Auswirkungen unbedeutend für die Gesundheit wären. [13]

Ende 2018 zeigte ein Stichproben-Test der Arbeiterkammer Wien, dass 88 Prozent des getesteten Obstes Rückstände von Schadstoffen beinhaltete. Allerdings lagen alle Werte für einzelne Pestizide unter dem gesetzlichen Grenzwert. Addiert ergab die Gesamtmenge an Schadstoffen auf eine Frucht aber eine hohe Belastung. Hilfreicher wäre es somit, den Konsumenten die Gesamtbelastung durch alle Schadstoffe im Obst offenzulegen, um gesundheitliche Folgen besser abschätzen zu können. [11] Eine Erhebung von Global 2000 im Jahr 2015 ergab, dass biologisch angebautes Obst kaum bis keine Pestizidbelastungen aufweist. [14]

Fazit

Eine gesunde, ausgewogene Ernährung sollte unbedingt Obst beinhalten. Wer normale Mengen an Früchten isst, tut seinem Körper etwas Gutes und riskiert weder Bauchschmerzen noch andere gesundheitliche Beschwerden – vorausgesetzt, es liegt keine Unverträglichkeit vor. Beim Konsum fertiger Getränke aus Früchten heißt es jedoch schon vorsichtiger sein: Über Fruchtsäfte, Smoothies und Co können schnell große Mengen an Fruchtzucker aufgenommen werden. Hier sollte man darauf achten, unter den empfohlenen Maximalwerten für Fruktose zu bleiben, um Beschwerden zu vermeiden. Und wer Angst vor Pestizidbelastungen hat und hier auf Nummer sicher gehen möchte, wählt am besten Biofrüchte, denn Biologisch angebautes Obst darf keine naturfremden Pestizide enthalten. [15, 16, 17]

Quellen:

Abgerufen am 1.8.2019

¹ AGES: Guideline:Sugars intake for adults and children (2015)

² Deutsche Verbraucherzentrale, Lebensmittelklarheit: Zucker hat viele Namen

³ Lifeline, das Gesundheitsportal: Glucose plus Fructose gleich Saccharose: Zuckerarten im Überblick

⁴ Science Direct: Tagatose

⁵ Science direct: Polysaccharides

⁶ Stanhope Kl: Sugar consumption, metabolic disease and obesity: The state of the controversy (2016). Crit Rev Clin Lab Sci. 2016;53(1):52-67.

⁷ Chiu S, Sievenpiper JL, de Souza RJ et al.: Effect of fructose on markers of non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD): a systematic review and meta-analysis of controlled feeding trials (2014). Eur J Clin Nutr. 2014 Apr;68(4):416-23

⁸ Sievenpiper JL, de Souza RJ, Mirrahimi A. et al.: Effect of fructose on body weight in controlled feeding trials: a systematic review and meta-analysis (2012). Ann Intern Med. 2012 Feb 21;156(4): 291-304.

⁹ Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Fruktoseintoleranz

¹⁰ Rechtsinformationssystem des Bundes: Fruchtsaftverordnung

¹¹ Arbeiterkammer Wien: Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln bei Obst und Gemüse aus Wiener Supermärkten und Märkten (2018).

¹² Chiu Y., Afeiche M., Gaskins A., et al.: Fruit and vegetable intake and their pesticide residues in relation to semen quality among men from a fertility clinic (2015). Hum Reprod. 2015 Jun; 30(6): 1342–1351.
Published online 2015 Mar 30.

¹³ Larsson M., Nielsen V., Bjerre N., et al.: Refined assessment and perspectives on the cumulative risk resulting from the dietary exposure to pesticide residues in the Danish population (2018). Food and Chemical Toxicology, Volume 111, January 2018, Pages 207-267.

¹⁴ Global 2000: Bio vs. konventionell (2015)

¹⁵ Global 2000: Pestizide

¹⁶ Bio Austria: Bio-Rechtsvorschriften

¹⁷ Kommunkationsplattform Verbrauchergesundheit: Veröffentlichungen zur biologischen Produktion (2019)

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18.01.2019

bESSERwisser

Senf: Ein gesundes und vielfältiges Würzmittel

Weißwürste auf Teller, daneben zwei Packungen Händlmaier-Senf

Senf ist Würzmittel und Heilpflanze zugleich. Schon seit Jahrhunderten werden viele Speisen mit dem gesunden Scharfmacher Senf verfeinert. Die bESSERwisser haben recherchiert, wie die Würzpaste hergestellt wird, wie vielfältig Senf sein kann, warum er bis heute als sehr gesund gilt und warum man ihn einer Salatmarinade zugeben sollte.

Herstellung von Speisesenf

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist meist dann von Senf die Rede, wenn die in Tuben oder Gläsern zum Verkauf angebotene Senfpaste, auch Mostrich genannt, gemeint ist. Genau genommen bezeichnet Senf jedoch ursprünglich die Senfpflanze, die zur Gattung der Kreuzblütengewächse gehört. Zur Herstellung von Senf werden die Samen der Senfpflanze, die Senfkörner, verwendet. Die Gewürzpaste wird je nach Senfart aus Körnern des Weißen, Gelben oder Schwarzen ­ beziehungsweise heutzutage vermehrt Braunen ­ Senfs hergestellt.[1]

Bereits von den Römern wurde ein Rezept für Senf überliefert: Schon damals wurde eine Senfpaste aus Senfkörnern, Olivenöl, Honig und vergorenem Most hergestellt. Diese Mischung wurde als mustum ardens, was so viel wie „brennender Most“ bedeutet, bezeichnet. Daraus entwickelten sich später die Bezeichnung Mostrich sowie das englische Wort für Senf, „mustard“.[1]

Heutzutage werden zur Herstellung von der Gewürzpaste neben Senfkörnern üblicherweise Wasser, Essig und Salz verwendet. Das Verhältnis dieser Zutaten, die Art der Senfkörner und weitere zugegebene Ingredienzien variieren je nach Senfart.[2]

In den Senfkörnern sind bis zu 36 Prozent Öle enthalten, die in nussig schmeckende Pflanzenöle und in die für die Schärfe verantwortlichen ätherischen Senföle unterteilt werden können.[1] Allerdings schmeckt Senf an sich, auch in bereits gemahlener Form, nicht scharf.[3] Die im ätherischen Senföl enthaltenen Senfölglycoside, die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen und unter anderem auch in Kren und Kresse vorkommen, entfalten ihre Schärfe erst durch das Mahlen der Körner und den Kontakt mit Flüssigkeit. Dabei wandeln sich die Senfölglycoside in andere Stoffe um, darunter das scharf schmeckende Isothiocyanat, das auch zu den Senfölen zählt [3].

Der Anteil verschiedener Senföle beziehungsweise Senfölglycoside in den Senfpflanzen ist unterschiedlich, wodurch sich die Senfarten im Geschmack unterscheiden.­ Weißer Senf ist verhältnismäßig mild, während Schwarzer Senf besonders scharf ist.[3]

Senfarten

Heute gibt es eine große Auswahl an Speisesenfen, die folgendermaßen unterteilt werden können:

  • Dijonsenf: Im 13.Jahrhundert hatte die französische Stadt Dijon das Monopol auf die Senfherstellung [3]. Bis heute muss der Dijonsenf bestimmte Kriterien erfüllen, um die offizielle Bezeichnung tragen zu dürfen – schon bei geringen Abweichungen vom Originalrezept wird das Produkt nur mit dem Siegel „nach Dijon Art“ gekennzeichnet. Klassischerweise wird Dijonsenf aus gemahlenen Schwarzen Senfkörnern, Salz und anderen Gewürzen und Wein oder Sauermost anstelle von Essig hergestellt.[2]
  • Englischer Senf: Gelbwurzel, auch Kurkuma genannt, gibt diesem Produkt seine charakteristische gelbe Farbe. Ansonsten enthält Englischer Senf fast ausschließlich gemahlenes, helles Senfpulver und Wasser und gilt daher als besonders reiner Gewürzpaste, der einen scharfen Geschmack aufweist.[2]
  • Scharfer Senf: Für diese Senfsorte verwendet man hauptsächlich dunkle Senfkörner , so dass er eine besonders intensive Schärfe erhält.[2]
  • Mittelscharfer Senf: Dieser klassische Bratwurst-Senf wird aus einer Mischung von dunklen und hellen Senfkörnern zubereitet, manchmal wird dieser Art auch Kren hinzugefügt.[2]
  • Süßer Senf: In Süddeutschland und Österreich wird Süßer Senf als klassischer Weißwurstsenf verwendet. Für seine Herstellung werden Gelbe und Braune Senfkörner zuerst geröstet, wodurch ein nussiger Geschmack entsteht. Durch die Zugabe von Zucker, Honig, Apfelmus oder Süßstoff schmeckt das Produkt süßlich. Außerdem mengen Senfproduzenten teils Wacholderbeeren bei.[2]
  • Estragon-Senf: Bei der Herstellung dieser Gewürzpaste werden neben Senf- und Pfefferkörnern Weinessig, Salz, Zucker und das Küchenkraut Estragon, das dem Endprodukt den Namen gibt, verwendet. Das frische Kraut aus der Beifußfamilie gibt dem besonders aromatischen Senf seinen typisch würzigen und gleichzeitig süßen Geschmack.[4]

Senf ist vielfältig in der Küche einsetzbar

Typischerweise wird Senf in Europa zu Bratwürsten oder Frankfurtern gegessen. Doch auch für Salatmarinaden wird er häufig verwendet. Bei der Zubereitung von Vinaigrette – einer Marinade aus Öl, Essig, Salz und weiteren Zutaten – wird Senf nicht nur für den Geschmack, sondern auch aus einem anderen Grund zugegeben: Senf ermöglicht die Emulsion von Essig und Öl, welche sich aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften ohne seine Zugabe nicht vermischen würden. Für das Vermischen sind die in der Gewürzpaste enthaltenen Senföle verantwortlich. Diese Moleküle besitzen hydrophile, also wasserliebende, Teile, die mit Essig wechselwirken, und hydrophobe, also wasserabstoßende, Bereiche, welche sich mit Öl verbinden. So wird Senf zum idealen Vermittler zwischen Essig und Öl, er ist ein sogenannter Emulgator. Verwendet man also eine senfhaltige Vinaigrette für den Salat, verteilen sich alle Geschmacksstoffe – sowohl die fettlöslichen aus dem Öl als auch die wasserlöslichen aus dem Essig – gleichmäßig.[5]

Auch dass Senf gerne zu Grillfleisch gegessen wird, ist keineswegs unbegründet – selbst wenn uns die Wirkung vielleicht gar nicht bewusst ist. Manche Stoffe aus der Gewürzpaste machen Benzpyrene, welche beim Braten und Grillen durch die Maillard-Reaktion (Bräunungs-Reaktion) bei hohen Temperaturen entstehen können, weniger schädlich. So macht es Sinn, Senf zu gebräuntem Fleisch zu verzehren, um mögliche kanzerogene Benzpyrene zu neutralisieren.[5]

Senfkörner werden allerdings nicht nur zu einer Gewürzpaste verarbeitet, sie kommen auch unverarbeitet als Würzmittel zum Einsatz. Üblich ist beispielsweise die Zugabe beim Einlegen von Gewürzgurken oder süß-saurem Gemüse. Auch bei der Herstellung von Fischfonds kann man sie beimengen, genau wie bei anderen hellen Saucen oder im Kartoffelsalat.[2]

Senf wird auch in gemahlener Form – als Senfpulver oder Senfmehl bezeichnet – verkauft. So kann man daraus ganz einfach selbst seinen eigenen Senf herstellen, in dem man das Pulver mit Wasser verrührt. Aber auch zum Würzen von Saucen oder Currys kann man Senfpulver verwenden.[2]

Hätten Sie’s gewusst?

Senf ist sehr wärmeempfindlich. Schon bei einer Lagerung bei Raumtemperatur verliert er nach und nach seine Schärfe. Auch offener Senf im Kühlschrank sollte rasch verbraucht werden, da er den eigentlichen Geschmack bald einbüßt.[3]

Außerdem geht durch das Erhitzen beim Kochen die Schärfe des Senfs mit der Zeit verloren.[3] Darum darf man zum Bestreichen von Fleisch oder Gemüse vor der Zubereitung gerne etwas mehr von der Würzpaste verwenden.

Senf hat positive Wirkung auf Körper

Schon im Mittelalter war Senf in der Küche beliebt, da er neben Kren das einzig scharfe Gewürz in der europäischen Kultur war – Pfeffer und Chili wurden erst später für eine breite Bevölkerung verfügbar, Senf war verhältnismäßig billig zu erwerben.[1] Bereits damals verwendete man Senf beim Pökeln von Fleisch, da man wusste, dass Senf den Speichelfluss und die Magensaftproduktion anregt und dadurch die Verdauung ankurbelt. Grund dafür sind die im Senf vorhandenen ätherischen Öle.[3] Bereits seit dem Mittelalter wurde die Heilpflanze daher als Medizin in Apotheken verkauft.

Heute weiß man, dass die beliebte Gewürzpaste auch krebsvorbeugende und antimikrobielle Wirkungen im Darm hat.[2][3][6][7] Eine Forschungsgruppe von der Universität Flensburg konnte 2011 beispielsweise zeigen, dass der Konsum von 20 Gramm scharfem Senf pro Tag auf Dauer das Krebsrisiko senken kann ­ und das sogar langfristig, nicht nur während der Zeit des Konsums. Durch den Verzehr von Senf konnten die weißen Blutkörperchen krebsauslösende Stoffe im Blut der Probanden schneller bekämpfen. Dem dürfte das für die Schärfe verantwortliche Isothiocyanat aus verarbeitetem Senf zugrunde liegen, welches für seine entgiftende Wirkung bekannt ist [8][9]. Interessant war außerdem, dass die Probanden nach Senfkonsum auch signifikant niedrigere Cholesterinwerte aufwiesen – ein weiterer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung von Senf. Übrigens: Schon in Vorversuchen zeigten die Forscher, dass gilt: Je schärfer der Senf, desto höher ist seine krebsvorbeugende Wirkung.[6]

Senf soll außerdem durchblutungsfördernd wirken und die Fettverbrennung anregen.[3] Laut aktuellem Stand der Wissenschaft scheint die Gewürzpaste nicht nur vielfältig, sondern auch gesund zu sein – die Wirkungsweise der in den Senfkörnern enthaltenen Stoffe wird auch in Zukunft in der Forschung weiter untersucht werden.[10]

Warum wir (unseren) Senf dazugeben

Übrigens: Im 17. Jahrhundert galt Senf als besonders kostbar­ und wurde daher von Köchen sehr vielen Gerichten zugegeben, um diese wertvoller erscheinen zu lassen. Die Gewürzpaste wurde damals auch Speisen, zu denen er geschmacklich gar nicht passte, beigefügt ­ also selbst dann, wenn der Geschmack nicht erwünscht war. Aus dieser Zeit kommt deshalb auch die Redewendung „seinen Senf“ dazugeben ­ dabei bekommt man nämlich etwas zu hören, das man gar nicht wissen will.[11]

 

Quellen

[1]    Senf – Der gesunde Scharfmacher. Zentrum der Gesundheit (20.10.2018), abgerufen am 4.1.2019

[2]    Eden S.: Senf: Warenkunde. www.essen-und-trinken.de, abgerufen am 4.1.2019

[3]    Senfkunde mit Händlmaier. Luise Händlmaier GmbH (2017), abgerufen am 8.1.2019

[4]    Zimmer C., Ganz R.: Estragon. www.essen-und-trinken.de, abgerufen am 7.1.2019

[5]    Vilgis T.: Die Molekül-Küche: Physik und Chemie des feinen Geschmacks. S. Hirzel Verlag Stuttgart (2013), 9. korrigierte Auflage

[6]    Senf schützt vor Krebs. Apotheke adhoc (20.09.2011), abgerufen am 9.1.2019

[7]    Senf kann vor Krebs schützen. Fischerauer (2011), abgerufen am 9.1.2018

[8]    Erkekoğlu P., Baydar T.: Effect of allyl isothiocyanate (AITC) in both nitrite- and nitrosamine-induced cell death, production of reactive oxygen species, and DNA damage by the single-cell gel electrophoresis (SCGE): does it have any protective effect on HepG2 cells? (2010). Int J Toxicol. 2010 May-Jun;29(3):305-12. doi: 10.1177/1091581810366313.

[9]    Bhattacharya A., Li Y., Wade KL et al.: Allyl isothiocyanate-rich mustard seed powder inhibits bladder cancer growth and muscle invasion (2010). Carcinogenesis. 2010 Dec;31(12):2105-10. doi: 10.1093/carcin/bgq202. Epub 2010 Oct 1.

[10] Peng C., Zhao SQ, Zhang J. at al.: Chemical composition, antimicrobial property and microencapsulation of Mustard (Sinapis alba) seed essential oil by complex coacervation (2014). Food Chem. 2014 Dec 15;165:560-8. doi: 10.1016/j.foodchem.2014.05.126. Epub 2014 Jun 5.

[11] Seinen Senf dazugeben. www.geo.de/geolino, abgerufen am 4.1.2019

 

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15.01.2019

bESSERwisser

Gene und Ernährung: Essen, was den Genen „schmeckt“?

Arzt hält einen Teller mit Obst und Gemüse in der Hand

Das Bewusstsein von Konsumenten für gesunde Ernährung hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zugenommen. Im Zusammenhang damit setzt sich schön langsam ein neuer Trend durch: Menschen lassen ihre DNA analysieren, um Aufschluss über genetisch bedingte Verarbeitung von Nährstoffen zu erhalten. Gemeinsam mit anderen Lifestyle-Gentests ist die Personalisierte Ernährung im Kommen, Gene und Ernährung werden abgestimmt  – die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Gene und Ernährung

Menschen können sich von Individuum zu Individuum stark darin unterscheiden, wie Nahrung von ihrem Körper aufgenommen und verwertet wird. So etwa kann die gleiche Kost bei einer Person zur Gewichtszunahme führen, während eine andere Person damit ihr Gewicht hält.  Außerdem kann jemand, der sich hauptsächlich von Schnitzel und Pommes ernährt, durchaus einen niedrigeren BMI (Body Mass Index oder Körpermasseindex) aufweisen als jemand, der auf ausgewogene Kost achtet. Ebenso kann Kaffee bei verschiedenen Personen den Blutdruck völlig unterschiedlich beeinflussen. Somit funktioniert es nicht, eine Generalaussage über die Wirkung von Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln zu treffen. Zu einem gewissen Maß spielt hier unsere genetische Veranlagung eine wichtige Rolle, Wissenschaft aber auch kommerzielle Anbieter widmen sich in letzter Zeit verstärkt dieser Thematik.

Genanalysen von Anfang an?

In unserer Gesellschaft wird bereits früh versucht, das Bewusstsein für gesunde Ernährung zu schaffen. Schon unsere Kinder lernen die Ernährungspyramide [1] kennen und wissen, was gut und was schlecht für sie ist. Zahlreiche Programme unseres Gesundheitssystems setzen beim Thema Ernährung und Gesundheit früh an. Initiativen wie beispielsweise „Richtig Essen von Anfang an“ [2] vermitteln grundlegendes Wissen für Schwangere und Stillende zu ihrer Ernährung und der von Babys und Kleinkindern. Trotz solcher Maßnahmen ist Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen heute weit verbreitet. Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) können verschiedene Ursachen haben und entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel genetischer, verhaltens- wie auch verhältnisbezogener Faktoren [3]. Als verhaltensbezogen  bezeichnet man personenbezogene Faktoren, während die externen Faktoren im Lebensumfeld einer Person als verhältnisbezogen beschrieben werden.

Die gezielte Aufklärungsarbeit im Bildungsbereich bewirkt in vielen Fällen eine gewisse Sensibilität für gesunde Ernährung. Was jedoch kaum beachtet wird ist die Tatsache, dass auch genetische Einflüsse Auswirkungen darauf haben, wie die Nahrung von einem Individuum aufgenommen und verwertet wird. Projekte wie Food4Me [4] versuchen systematisch Daten zum Zusammenspiel von Genen und Ernährung zu sammeln. Immer mehr Menschen nehmen aber die Analysen auch selbst in die Hand: der Markt für genetische Tests aus dem Internet blüht [5], und hier gibt es auch ein großes Angebot an Ernährungs-Gentests. Einige dieser Gentests haben auch Kinder als Zielgruppe und untersuchen beispielsweise Gene für Fettleibigkeit [6,7].

Die Nutrigenomik

Der Forschungszweig der Nutrigenomik befasst sich mit dem Zusammenspiel von unseren Genen und Ernährung. Jeder von uns hat ein individuelles Genprofil, das mitbestimmt, welche Nahrungsmittel der Körper gut oder auch schlecht verarbeiten kann. Nicht nur die DNA ist relevant, auch die daraus entstehenden Proteine (Proteomics) und Stoffwechselprodukte (Metabolomics) finden hier Berücksichtigung. Die Nutrigenetik ist ein Teilbereich der Nutrigenomik und beschäftigt sich mit genetischen Abweichungen, die sich auf den Stoffwechsel und den Nährstoffbedarf auswirken. In der Nutri-Epigenetik wiederum wird die Regulation von ernährungsrelevanten Genen und die Wirkung von Ernährungsweisen auf die DNA und Genregulation untersucht [8].

Heute weiß man, dass je nach genetischer Ausstattung eines Menschen Nährstoffe unterschiedlich auf ihn wirken können. Obwohl wir Menschen genetisch zu 99,9 % ident sind, machen die restlichen 0,1% den Unterschied von Individuum zu Individuum aus [9]. Konkret können minimale Abweichungen in der Buchstabenreihenfolge der DNA  – den Basen Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin – große Auswirkungen haben, denn sie sind die Bauanleitung für Eiweiße (Proteine).  Proteine haben bei allen Vorgängen in unserem Körper wichtige Aufgaben, so auch bei der Aufnahme und Verwertung von Nahrung. Veränderungen in der DNA-Sequenz können somit zu Unterschieden bei der Nahrungsverwertung führen.  Eine bestimmte Basenabfolge in der DNA kann etwa bewirken, dass Fruktosetransporter falsch gebaut werden und somit keine Fruktose mehr in die Zelle aufgenommen werden kann. Allerdings stellt eine Variantion der DNA-Basensequenz eine Mutationen dar, man spricht hier von einem sogenannten Polymorphismus. Polymorphismen sind Abweichungen der Basenabfolge der DNA, die in der Bevölkerung häufig vorkommen und bei denen oft nicht mehr definiert ist, was die „normale“ Variante ist. Molekularbiologen sprechen hier von einem häufigeren und einem weniger häufigen Allel (Ausprägungsform eines Gens).

Die Laktoseintoleranz – ein prominentes Beispiel der Nutrigenetik

Für Gene und Ernährung gibt es ein Beispiel, das wohl vielen bekannt ist: Die Verträglichkeit von Milchzucker – auch als Laktosetoleranz bekannt – hat sich in Europa nach jahrtausendelanger Milchviehzucht als genetische Variante durchgesetzt. Ihr verdanken wir es, dass hierzulande auch die meisten Erwachsenen Milchzucker (Laktose) verdauen können. Die Laktoseintoleranz ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit (also keine Allergie), die etwa 75 % der Weltbevölkerung betrifft [10].

Dass der Mensch im Erwachsenenalter keine Milch verträgt, ist also global gesehen der Normalfall. Die Österreicher haben, ähnlich wie andere Europäer, historisch bedingt eine um ein Vielfaches höhere Laktosetoleranz von etwa 80 %. [11,12]

Neugeborene besitzen die Fähigkeit, dank des Enzyms Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LPH, Genname LCT) die in der Muttermilch vorhandene Laktose (Milchzucker) abzubauen. Die Fähigkeit, größere Mengen an Laktose aus Milchprodukten und Milch zu verarbeiten, bleibt aber nach dem Abstillen nicht unbedingt bei allen Menschen erhalten. Die resultierende primäre Laktoseintoleranz des Erwachsenen ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, die mit unangenehmen Symptomen einhergeht. Verantwortlich dafür, ob man Milchzucker verarbeiten kann oder nicht, sind Polymorphismen im MCM6-Gen, das in der Nähe des LCT-Gens gelegen ist. Der Polymorphismus LCT-13910C>T (Cytosin/Thymin  Variation) ist im Kontext der Laktosetoleranz besonders wichtig: Die genetische Variante ist über 90 % mit dem Auftreten der Laktosetoleranz assoziiert und für die europäische und amerikanische Form der Laktoseverträglichkeit verantwortlich. [13]

Als sekundäre Laktoseintoleranz bezeichnet man eine Milchzuckerunverträglichkeit, die als Folgeerscheinung einer anderen Erkrankung auftritt. Hierzu zählt beispielsweise die Zöliakie (Glutenunverträglichkeit). Bei dieser Erkrankung  wird die Schleimhaut des Darms verändert und damit die Laktaseproduktion beeinträchtigt. [14]

Lifestyle-Gentests und medizinische Tests: Angebote und Grenzen

Generell kann man bei Gentests aus dem Internet zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Tests unterscheiden. Medizinische Gentests sind all jene, bei denen der Gesetzgeber die Vorschreibungen des Tests durch einen Arzt vorsieht. Alle anderen – sogenannte Lifestyle-Gentests – dürfen auch von Heilpraktikern, Ernährungsberatern, Fitnesstrainern oder Privatpersonen bestellt werden. Der Test auf Laktoseintoleranz fällt in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter die Regelung für medizinische Tests [15,16,17], da es sich zwar nicht klassischerweise um eine Erkrankung handelt, die Genanalyse aber einem medizinischen Zweck dient. Ähnliches gilt für Tests, die beispielweise das Diabetes- oder Bluthochdruckrisiko aufgrund genetischer Markergene bestimmen.

Die Bandbreite an Lifestyle-Tests, die man ohne ärztliche Beratung beziehen kann und die lediglich einer selbst abgenommenen Speichelprobe bedürfen, ist mittlerweile sehr groß. Neben ernährungsrelevanten Genen können auch Gene, die mit Abnehmen oder sportlicher Leistung assoziiert sind, analysiert werden. Der Kunde erhält nach der Auswertung ein genetisches Profil und einen an seine Gene angepassten Ernährungs-, Trainings- oder Abnehmplan. Ein solches Profil kann dabei helfen herauszufinden, wie der Körper beispielsweise Eisen, Vitamine oder Coenzyme verwertet und wieviel man demnach zu sich nehmen muss, um den Bedarf zu decken. Dabei wird oft auch für Kunden designtes Functional Food angeboten, um eine optimale „Gen-Diät“ zu gewährleisten.

Mit dem zunehmendem Angebot ist bei Lifestyle-Gentests die Grenze zum medizinischen Nutzen immer schwieriger zu ziehen. Schlussendlich wirken viele Interventionen, die nach „nicht-medizinischen“ Genanalysen erfolgen, in den medizinischen Bereich hinein. Dies ist also ein Prozess, der von Experten begleitet werden sollte.

Fazit

Der Einfluss der Gene darauf, wie der Mensch unterschiedlich Nahrungsmittel verwerten kann, ist schon länger bekannt. Heute werden Test und Ernährungspläne auf Basis genetischer Analysen als „Personalisierte Ernährung“ betitelt, sie sollen eine individuell gesündere Lebensweise fördern. Die erhöhte Nachfrage an genetischen Analysen wirft viele Fragen zur ethischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Dimension, auch oder sogar im speziellen von „nicht-medizinischen“ Tests  auf. Eine breite Diskussion über Lifestyle-Genanalysen sollte dazu führen, dass die Anbieter der Tests auch umfassendere Informationen zur Bedeutung der Ergebnisse für Konsumenten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus kann eine gute naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) und Know-how im Bereich der Genetik dazu beitragen, als Konsument oder Konsumentin den Wert solcher Tests adäquat einschätzen zu können – und zwar da, wo die gesetzliche Regelung  medizinischer Tests endet und die Beratung durch einen Mediziner nicht mehr obligat ist.

 

Referenzen:

[1] Gesundheit.gv.at. Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs. Die Österreichische Ernährungspyramide. Abgerufen am 07.11.18

[2] Richtig Essen von Anfang an. abgerufen am 07.11. 18

[3] Gesundheit Österreich und Bundesministerium für Gesundheit. Österreichischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht (2016). Abgerufen am 07.11.18

[4] Food4me Projekt. Abgerufen am 07.11.18

[5] Centers for Disease Control and Prevention. Genomics and Health Impact Blog. Consumer Genetic Testing Is Booming: But What are the Benefits and Harms to Individuals and Populations? Abgerufen am 22.11.18

[6] Caulfield T., Borry P., Toews M., Elger BS, Greely HT und McGuire A.: Marginally scientific? Genetic testing of children and adolescents for lifestyle and health promotion (2015). Journal of Law and the Biosciences 2: 627–644.

[7] Segal M.: Genetic Testing for Obesity: Implications and Challenges (2017). Current Obesity Reports 6: 93–100.

[8] Doreen Gille, Nutri-Epigenetik – Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Genetik (2016) Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin. Abgerufen am 22.11.18

[9] National Human Genome Institute, FAQ Genetic and Genomic Science. Abgerufen am 07.11.18

[10] Silanikove N.,* Leitner G. und Merin U.: The Interrelationships between Lactose Intolerance and the Modern Dairy Industry: Global Perspectives in Evolutional and Historical Backgrounds (2015). Nutrients, Aug 31; 7(9): 7312–7331. doi:  [10.3390/nu7095340]

[11] Verband der Diaetologen Österreichs, Milchzuckerunverträglichkeit. Abgerufen am 07.11.18

[12] Obermayer-Pietsch B. Osteoporose und Laktoseintoleranz (2008). Journal für Mineralstoffwechsel; 15 (1):22-25. Abegrufen am 07.11.18

[13] Daniel H., Klein U., Nutrigenetik: Genetische Varianz und Effekte der
Ernährung, In: D. Haller (Hrsg.), Biofunktionalität der Lebensmittelinhaltsstoffe,
DOI 10.1007/978-3-642-29374-0_2, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013, Kapitel 2, Seite 9-10

[14] Mein Allergie Portal, Sekundäre Laktoseintoleranz – wann kann es dazu kommen? Abgerufen am 22.11.18

[15] Deutscher Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz; Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen. Aberufen am 07.11.18

[16] Rechtsinformationssystem des Bundes Österreich, Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Gentechnikgesetz. Abgerufen am 07.11.2018

[17] Schweizer Eidgenossenschaft – Der Bundesrat,  Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen. Abgerufen am 07.11.18

 

 

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07.01.2019

bESSERwisser

Eisen: Spinat, Popeye und der Dezimalstellenfehler

Blattspinat

Viele kennen ihn aus ihrer Kindheit, den Mythos Spinat essen sei besonders gesund, weil das Blattgemüse besonders viel Eisen enthält. Popeye, der Spinat-essende Trickfilm-Matrose, trug vermeintlich zu diesem Irrtum bei. 1981 wurde der Mythos durch eine Publikation entlarvt, die zeigte, dass die Eisenmessungen in den 1930er Jahren falsch waren und lediglich eine Dezimalstelle verrutscht war. Doch auch diese Feststellung traf nicht des Pudels Kern – es entstand ein Mythos um den Mythos. Die bESSERwisser haben die Geschichte genauer beleuchtet und zum Thema Eisen und Ernährung recherchiert.

Die Mär vom Eisengehalt im Spinat und der Dezimalstellenfehler

Trickfilmfigur Popeye ernährte sich ausschließlich von Spinat, deswegen war er so besonders stark, so die Story. Mit ihm als Vorbild wurden Kinder jahrzehntelang mit dem Mythos konfrontiert, dass der Konsum von viel Spinat unseren Eisenbedarf deckt und damit zu guter Gesundheit beiträgt. Doch wenn man genauer recherchiert, sagt Popeye im  Cartoon von EC Segar: „Spinach is full of Vitamin A. An’ tha’s what make hoomans strong an’ helty!“. Der schlaue Popeye also wusste sehr wohl, dass Spinat nicht etwa sehr viel Eisen sondern vielmehr besonders viel Vitamin A enthält. 1981 veröffentlichte Professor Terence Hamblin im British Medical Journal, dass bei der Bestimmung des Eisengehaltes im Spinat in den 1930er Jahren versehentlich das Komma um eine Stelle nach rechts verrutscht sei und somit Spinat ein unnatürlich hoher Eisengehalt verschafft wurde. Dieser Dezimalstellenmythos ist heute noch in vielen Publikationen rund um das Thema Eisengehalt im Spinat präsent. Tatsächlich aber wurden bereits Jahre zuvor zu hohe Eisenmengen im Spinat von Wissenschaftlern festgestellt. Dem Fehler lagen Eisen-Kontaminationen, die durch das Erhitzen von Speisen entstanden, zugrunde, und ähnlichen Fehler ergaben sich bei den Erhebungen. Spinat hat einen ähnlich hohen Eisengehalt wie anderes dunkelgrünes Blattgemüse. Der Grund, warum Spinat tatsächlich kein besonders guter Eisenlieferant ist: Die in Spinat enthaltene Oxalsäure bzw. ihre Salze (Oxalate) beeinträchtigen die Resorption von Eisen im Darm. [1]

Spurenelement Eisen und die Eisenverarbeitung im Körper

Im August 2015 wurden beim forum ernährung heute-Mythen-Check [2] 508 Personen zu Ernährungsmythen befragt. 66,1 % der Befragten gaben an, auf jeden Fall oder zumindest teilweise zu glauben, dass Spinat reichlich viel Eisen enthält. Der Mythos zeigt sich stand fest, doch warum beschäftigen wir uns eigentlich so intensiv mit unserem Eisenbedarf?

Eisen ist ein sogenanntes Spurenelement, der Körper kann es nicht produzieren und benötigt es in „Spuren“, also verglichen mit anderen Stoffen wie beispielsweise Aminosäuren relativ wenig davon. Es kommt in mehreren Oxidationsstufen vor, wobei jedoch nur Fe2+ – zweiwertiges Eisen, und Fe3+ – dreiwertiges Eisen eine Bedeutung für den Organismus haben. Zweiwertiges Eisen kann rasch zu schwerlöslichem dreiwertigem Eisen oxidieren, daher besitzen Organismen Proteine wie Hämoglobin, Transferrin oder Ferritin, die Eisen binden. Nur so bleibt Eisen biologisch verfügbar. Circa 80 % des Eisens liegen als sogenanntes Funktionseisen vor. Dieses Funktionseisen ist größtenteils sogenanntes Hämeisen, liegt also im  Eisen-Protein-Komplex  vor – das bekannteste Hämprotein ist Hämoglobin, aber auch Myoglobin und Zytochrome sind Hämproteine im Körper. [3,4,5]

Eisen ist zentraler Baustein von Hämoglobin in den roten Blutkörperchen und bindet Sauerstoff, um ihn im Blut zu transportieren. Beispielweise versorgt es damit Muskeln mit Sauerstoff. Niedrige Eisenlevel gehen oft mit Kraftlosigkeit und Müdigkeit einher, weil die Sauerstoffbereitstellung nicht gewährleistetet ist. In tierischen Lebensmitteln, insbesondere in Fleisch, liegt der Großteil des Eisens als Hämeisen vor. Dieses Zweiwertige Eisen wird aufgrund seiner guten Löslichkeit etwa dreimal so gut resorbiert als Nicht-Hämeisen, das vor allem in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommt. Man kann jedoch gute Eisenquellen wie Hülsenfrüchte oder Vollkorngetreide mit Vitamin C-reichen Nahrungsmitteln kombinieren – damit nimmt der Körper es besser auf. Tee oder Kaffee verschlechtern übrigens die Eisenaufnahme, sie enthalten Polyphenole und Phytate, welche die Aufnahme inhibieren. Milch- und Eiproteine hemmen die Absorption ebenso wie Rhabarber, der besonders viel Oxalsäure enthält. [3,4,5,6,7,8]

Eisenmangel und Eisenspeicherkrankheit

Die drei wichtigsten labordiagnostische Messgröße zur Beurteilung des Eisenstoffwechsels sind Eisen, Ferritin und Transferrin. Eisen gibt den messbaren Eisenwert im Blut an, ist aber als Wert alleine für die Diagnose einer Eisenmangelanämie nicht aussagekräftig. Ferritin ist ein Protein und ein Maß für die Eisenspeicherung im Körper, Transferrin ist ebenso ein Eiweiß und transportiert Eisen. Bei einem Eisenmangel liegt das Eisen- und Ferritinlevel unter den geltenden Referenzwerten, Transferrin ist meist erhöht. Gemeinsam mit den Blut- und Vitaminwerten (z.B. Folsäure) und Lebensumständen wie Schwangerschaft, kann der Eisenstatus und gegebenenfalls ein zusätzlicher Bedarf an Eisen durch Mediziner beurteilt werden. [9,10]

Nicht immer müssen Ernährung oder Lebensumstände an einem gestörten Eisenhaushalt schuld sein. Die Eisenspeicherkrankheit, auch Hämochromatose oder Bronzediabetes genannt, resultiert in einer erbliche bedingten gesteigerten Eisenaufnahme im Dünndarm. Dabei lagert sich überschüssiges Eisen in den Geweben ab und schädigt diese. Die Krankheit kommt mit einer Häufigkeit von 2-5 Betroffenen pro 1000 Personen vor. Die Betroffenen weißen meist Leberschädigungen oder Schädigungen der Bauchspeicheldrüse auf, letzteres resultiert oft in einer Zuckerkrankheit (Diabetes Mellitus). Zu unterscheiden ist diese primäre genetisch bedingte Eisenspeicherkrankheit von der sekundären Hämochromatose, bei der die Eisenüberladung eine Folge anderer Erkrankungen ist. Heutzutage kann die Eisenspeicherkrankheit bei Verdacht des behandelnden Arztes durch eine genetische Untersuchung des HFE-Gens diagnostiziert werden. [11,12]

Eisenversorgung von Kindern

Kinder wachsen rasch und haben deswegen spezielle Anforderungen an die Ernährung. Eisenmangel bei Kindern ist eine weit verbreitete Mangelkrankheit und das auch in Industrieländern. Eisen ist für die Blutbildung essentiell und eine gute Versorgung ist vor allem in Wachstumsphasen wichtig. Eine Eisenanämie, also Unterversorgung, kann sowohl die körperliche als auch geistige Entwicklung stören. Eine Studie [13] von 2017 zeigte, dass spezielle Kindermilch den Bedarf an Eisen besser decken kann als Kuhmilch. Kindermilch basiert auf Kuhmilcheiweiß und ist mit verschiedenen Zucker/Kohlenstoffarten, pflanzlichen Ölen, Vitaminen sowie Spurenelementen wie Eisen angereichert. Da vom Eisenmangel nicht nur Kleinkinder betroffen sein können, sondern auch Teenager, sollten eisenreiche Nahrungsmittel wie Fleisch, Eier, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und eisenreiches Gemüse auf dem Speiseplan stehen. [14]

Fazit

Es ranken sich viele Mythen um das Thema Eisen in Lebensmittel- allen voran um Eisen im Spinat. Das zeigt, dass der Eisenhaushalt für die Menschen eine wichtige Rolle spielt. Eisenmangel spiegelt sich in Müdigkeit und Antriebslosigkeit wieder, eine erhöhte Zufuhr an Eisen durch eisenreiche Nahrungsmittel kann dem entgegenwirken. Vor allem Kleinkinder und Jugendliche haben in den Wachstumsphasen einen erhöhten Eisenbedarf, hier ist Kindermilch bzw. in der Pubertät eine eisenreiche Ernährung essentiell, um Schäden vorzubeugen. Nicht immer kann der Eisenhaushalt mit der Ernährung optimiert werden: die Eisenspeicherkrankheit bedingt eine gesteigerte Eisenaufnahme im Darm und Ablagerung von Eisen im Gewebe und ist genetisch bedingt. Sie muss frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.

Quellen:

[1]Sutton M. How the spinach, Popeye and iron decimal point error myth was finally bust. HealthWatch Newsletter 2016;101:7

[2] Forum Ernährung Heute Mythen Check. Abgerufen am 04.01.19

[3] Doc Medicus- Eisen. Abgerufen am 04.01.19

[4] Niestroj I: Praxis der Orthomolekularen Medizin. 412-417. Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1999, 2000

[5] Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A, Laube H: Ernährung in Prävention und Therapie. 68-70. Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG 2005

[6] Forum Ernährung Heute – Weder Fisch noch Fleisch. Abgerufen am 04.01.19

[7] Vegetarian Nutrition- Sports Nutrition for Vegetarians. Abgerufen am 04.01.19

[8] EatSmarter – 10 pflanzliche Eisenquellen. Abgerufen am 04.01.19

[9] Gesundheit.gv .at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, Laborwerte-Eisen. Abgerufen am 04.01.19

[10] Gesundheit.gv .at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, Eisen. Abgerufen am 04.01.19

[11] Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.V. – Leitlinie zur molekulargenetischen Diagnostik der hereditären Hämochromatose. Abgerufen am 04.01.19

[12] Hämochromatose Vereinigung Deutschland- 10 wichtige Fakten über Hämochromatose. Abgerufen am 04.01.19

[13] Akkermans MD et al.: Iron and Vitamin D Deficiency in Healthy Young Children in Western Europe Despite Current Nutritional Recommendations. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 62: 635-642 (2016)

[14] Forum Ernährung Heute – Vitamin D und Eisen bei Kindern: ein Problem? Abgerufen am 04.01.19

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29.11.2018

bESSERwisser

Genanalysen für die Ernährung – ein Zukunftstrend?

Arzt hält einen Teller mit Obst und Gemüse in der Hand

Das Bewusstsein von Konsumenten für gesunde Ernährung hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zugenommen. Im Zusammenhang damit setzt sich schön langsam ein neuer Trend durch: immer mehr Menschen lassen ihre DNA analysieren, um Aufschluss über genetisch bedingte Verarbeitung von Nährstoffen zu erhalten. Gemeinsam mit anderen Lifestyle-Gentests ist die Personalisierte Ernährung im Kommen – die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Gene und Ernährung

Menschen können sich von Individuum zu Individuum stark darin unterscheiden, wie Nahrung von ihrem Körper aufgenommen und verwertet wird. So etwa kann die gleiche Kost bei einer Person zur Gewichtszunahme führen, während eine andere Person damit ihr Gewicht hält.  Außerdem kann jemand, der sich hauptsächlich von Schnitzel und Pommes ernährt, durchaus einen niedrigeren BMI (Body Mass Index oder Körpermasseindex) aufweisen als jemand, der auf ausgewogene Kost achtet. Ebenso kann Kaffee bei verschiedenen Personen den Blutdruck völlig unterschiedlich beeinflussen. Somit funktioniert es nicht, eine Generalaussage über die Wirkung von Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln zu treffen. Zu einem gewissen Maß spielt hier unsere genetische Veranlagung eine wichtige Rolle, Wissenschaft aber auch kommerzielle Anbieter widmen sich in letzter Zeit verstärkt dieser Thematik.

Genanalysen von Anfang an?

In unserer Gesellschaft wird bereits früh versucht, das Bewusstsein für gesunde Ernährung zu schaffen. Schon unsere Kinder lernen die Ernährungspyramide [1] kennen und wissen, was gut und was schlecht für sie ist. Zahlreiche Programme unseres Gesundheitssystems setzen beim Thema Ernährung und Gesundheit früh an. Initiativen wie beispielsweise „Richtig Essen von Anfang an“ [2] vermitteln grundlegendes Wissen für Schwangere und Stillende zu ihrer Ernährung und der von Babys und Kleinkindern. Trotz solcher Maßnahmen ist Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen heute weit verbreitet. Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) können verschiedene Ursachen haben und entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel genetischer, verhaltens- wie auch verhältnisbezogener Faktoren [3]. Als verhaltensbezogen  bezeichnet man personenbezogene Faktoren, während die externen Faktoren im Lebensumfeld einer Person als verhältnisbezogen beschrieben werden.

Die gezielte Aufklärungsarbeit im Bildungsbereich bewirkt in vielen Fällen eine gewisse Sensibilität für gesunde Ernährung. Was jedoch kaum beachtet wird ist die Tatsache, dass auch genetische Einflüsse Auswirkungen darauf haben, wie die Nahrung von einem Individuum aufgenommen und verwertet wird. Projekte wie Food4Me [4] versuchen systematisch Daten zum Zusammenspiel von Genen und Ernährung zu sammeln. Immer mehr Menschen nehmen aber die Analysen auch selbst in die Hand: der Markt für genetische Tests aus dem Internet blüht [5], und hier gibt es auch ein großes Angebot an Ernährungs-Gentests. Einige dieser Gentests haben auch Kinder als Zielgruppe und untersuchen beispielsweise Gene für Fettleibigkeit [6,7].

Die Nutrigenomik

Der Forschungszweig der Nutrigenomik befasst sich mit dem Zusammenspiel von unseren Genen und der Ernährung. Jeder von uns hat ein individuelles Genprofil, das mitbestimmt, welche Nahrungsmittel der Körper gut oder auch schlecht verarbeiten kann. Nicht nur die DNA ist relevant, auch die daraus entstehenden Proteine (Proteomics) und Stoffwechselprodukte (Metabolomics) finden hier Berücksichtigung. Die Nutrigenetik ist ein Teilbereich der Nutrigenomik und beschäftigt sich mit genetischen Abweichungen, die sich auf den Stoffwechsel und den Nährstoffbedarf auswirken. In der Nutri-Epigenetik wiederum wird die Regulation von ernährungsrelevanten Genen und die Wirkung von Ernährungsweisen auf die DNA und Genregulation untersucht [8].

Heute weiß man, dass je nach genetischer Ausstattung eines Menschen Nährstoffe unterschiedlich auf ihn wirken können. Obwohl wir Menschen genetisch zu 99,9 % ident sind, machen die restlichen 0,1% den Unterschied von Individuum zu Individuum aus [9]. Konkret können minimale Abweichungen in der Buchstabenreihenfolge der DNA  – den Basen Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin – große Auswirkungen haben, denn sie sind die Bauanleitung für Eiweiße (Proteine).  Proteine haben bei allen Vorgängen in unserem Körper wichtige Aufgaben, so auch bei der Aufnahme und Verwertung von Nahrung. Veränderungen in der DNA-Sequenz können somit zu Unterschieden bei der Nahrungsverwertung führen.  Eine bestimmte Basenabfolge in der DNA kann etwa bewirken, dass Fruktosetransporter falsch gebaut werden und somit keine Fruktose mehr in die Zelle aufgenommen werden kann. Allerdings stellt eine Variantion der DNA-Basensequenz eine Mutationen dar, man spricht hier von einem sogenannten Polymorphismus. Polymorphismen sind Abweichungen der Basenabfolge der DNA, die in der Bevölkerung häufig vorkommen und bei denen oft nicht mehr definiert ist, was die „normale“ Variante ist. Molekularbiologen sprechen hier von einem häufigeren und einem weniger häufigen Allel (Ausprägungsform eines Gens).

Die Laktoseintoleranz – ein prominentes Beispiel der Nutrigenetik

Die Verträglichkeit von Milchzucker – auch als Laktosetoleranz bekannt – hat sich in Europa nach jahrtausendelanger Milchviehzucht als genetische Variante durchgesetzt. Ihr verdanken wir es, dass hierzulande auch die meisten Erwachsenen Milchzucker (Laktose) verdauen können. Die Laktoseintoleranz ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit (also keine Allergie), die etwa 75 % der Weltbevölkerung betrifft [10].

Dass der Mensch im Erwachsenenalter keine Milch verträgt, ist also global gesehen der Normalfall. Die Österreicher haben, ähnlich wie andere Europäer, historisch bedingt eine um ein Vielfaches höhere Laktosetoleranz von etwa 80 %. [11,12]

Neugeborene besitzen die Fähigkeit, dank des Enzyms Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LPH, Genname LCT) die in der Muttermilch vorhandene Laktose (Milchzucker) abzubauen. Die Fähigkeit, größere Mengen an Laktose aus Milchprodukten und Milch zu verarbeiten, bleibt aber nach dem Abstillen nicht unbedingt bei allen Menschen erhalten. Die resultierende primäre Laktoseintoleranz des Erwachsenen ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, die mit unangenehmen Symptomen einhergeht. Verantwortlich dafür, ob man Milchzucker verarbeiten kann oder nicht, sind Polymorphismen im MCM6-Gen, das in der Nähe des LCT-Gens gelegen ist. Der Polymorphismus LCT-13910C>T (Cytosin/Thymin  Variation) ist im Kontext der Laktosetoleranz besonders wichtig: Die genetische Variante ist über 90 % mit dem Auftreten der Laktosetoleranz assoziiert und für die europäische und amerikanische Form der Laktoseverträglichkeit verantwortlich. [13]

Als sekundäre Laktoseintoleranz bezeichnet man eine Milchzuckerunverträglichkeit, die als Folgeerscheinung einer anderen Erkrankung auftritt. Hierzu zählt beispielsweise die Zöliakie (Glutenunverträglichkeit). Bei dieser Erkrankung  wird die Schleimhaut des Darms verändert und damit die Laktaseproduktion beeinträchtigt. [14]

Lifestyle-Gentests und medizinische Tests: Angebote und Grenzen

Generell kann man bei Gentests aus dem Internet zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Tests unterscheiden. Medizinische Gentests sind all jene, bei denen der Gesetzgeber die Vorschreibungen des Tests durch einen Arzt vorsieht. Alle anderen – sogenannte Lifestyle-Gentests – dürfen auch von Heilpraktikern, Ernährungsberatern, Fitnesstrainern oder Privatpersonen bestellt werden. Der Test auf Laktoseintoleranz fällt in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter die Regelung für medizinische Tests [15,16,17], da es sich zwar nicht klassischerweise um eine Erkrankung handelt, die Genanalyse aber einem medizinischen Zweck dient. Ähnliches gilt für Tests, die beispielweise das Diabetes- oder Bluthochdruckrisiko aufgrund genetischer Markergene bestimmen.

Die Bandbreite an Lifestyle-Tests, die man ohne ärztliche Beratung beziehen kann und die lediglich einer selbst abgenommenen Speichelprobe bedürfen, ist mittlerweile sehr groß. Neben ernährungsrelevanten Genen können auch Gene, die mit Abnehmen oder sportlicher Leistung assoziiert sind, analysiert werden. Der Kunde erhält nach der Auswertung ein genetisches Profil und einen an seine Gene angepassten Ernährungs-, Trainings- oder Abnehmplan. Ein solches Profil kann dabei helfen herauszufinden, wie der Körper beispielsweise Eisen, Vitamine oder Coenzyme verwertet und wieviel man demnach zu sich nehmen muss, um den Bedarf zu decken. Dabei wird oft auch für Kunden designtes Functional Food angeboten, um eine optimale „Gen-Diät“ zu gewährleisten.

Mit dem zunehmendem Angebot ist bei Lifestyle-Gentests die Grenze zum medizinischen Nutzen immer schwieriger zu ziehen. Schlussendlich wirken viele Interventionen, die nach „nicht-medizinischen“ Genanalysen erfolgen, in den medizinischen Bereich hinein. Dies ist also ein Prozess, der von Experten begleitet werden sollte.

Fazit

Der Einfluss der Gene darauf, wie der Mensch unterschiedlich Nahrungsmittel verwerten kann, ist schon länger bekannt. Heute werden Test und Ernährungspläne auf Basis genetischer Analysen als „Personalisierte Ernährung“ betitelt, sie sollen eine individuell gesündere Lebensweise fördern. Die erhöhte Nachfrage an genetischen Analysen wirft viele Fragen zur ethischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Dimension, auch oder sogar im speziellen von „nicht-medizinischen“ Tests  auf. Eine breite Diskussion über Lifestyle-Genanalysen sollte dazu führen, dass die Anbieter der Tests auch umfassendere Informationen zur Bedeutung der Ergebnisse für Konsumenten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus kann eine gute naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) und Know-how im Bereich der Genetik dazu beitragen, als Konsument oder Konsumentin den Wert solcher Tests adäquat einschätzen zu können – und zwar da, wo die gesetzliche Regelung  medizinischer Tests endet und die Beratung durch einen Mediziner nicht mehr obligat ist.

 

Quellen

[1] Gesundheit.gv.at. Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs. Die Österreichische Ernährungspyramide. Abgerufen am 07.11.18

[2] Richtig Essen von Anfang an. abgerufen am 07.11. 18

[3] Gesundheit Österreich und Bundesministerium für Gesundheit. Österreichischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht (2016). Abgerufen am 07.11.18

[4] Food4me Projekt. Abgerufen am 07.11.18

[5] Centers for Disease Control and Prevention. Genomics and Health Impact Blog. Consumer Genetic Testing Is Booming: But What are the Benefits and Harms to Individuals and Populations? Abgerufen am 22.11.18

[6] Caulfield, T., P. Borry, M. Toews, B.S. Elger, H.T. Greely und A. McGuire. Marginally scientific? Genetic testing of children and adolescents for lifestyle and health promotion (2015). Journal of Law and the Biosciences 2: 627–644.

[7] Segal, M.. Genetic Testing for Obesity: Implications and Challenges (2017). Current Obesity Reports 6: 93–100.

[8] Doreen Gille, Nutri-Epigenetik – Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Genetik (2016) Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin. Abgerufen am 22.11.18

[9] National Human Genome Institute, FAQ Genetic and Genomic Science. Abgerufen am 07.11.18

[10] Silanikove,N.,* Leitner,G., Merin, U., The Interrelationships between Lactose Intolerance and the Modern Dairy Industry: Global Perspectives in Evolutional and Historical Backgrounds (2015). Nutrients, Aug 31; 7(9): 7312–7331. doi:  [10.3390/nu7095340] 

[11] Verband der Diaetologen Österreichs, Milchzuckerunverträglichkeit. Abgerufen am 07.11.18

[12] Obermayer-Pietsch B. Osteoporose und Laktoseintoleranz (2008). Journal für Mineralstoffwechsel; 15 (1):22-25. Abegrufen am 07.11.18

[13] Daniel H., Klein U., Nutrigenetik: Genetische Varianz und Effekte der
Ernährung, In: D. Haller (Hrsg.), Biofunktionalität der Lebensmittelinhaltsstoffe,
DOI 10.1007/978-3-642-29374-0_2, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013, Kapitel 2, Seite 9-10

[14] Mein Allergie Portal, Sekundäre Laktoseintoleranz – wann kann es dazu kommen? Abgerufen am 22.11.18

[15] Deutscher Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz; Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen. Aberufen am 07.11.18

[16] Rechtsinformationssystem des Bundes Österreich, Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Gentechnikgesetz. Abgerufen am 07.11.2018

[17] Schweizer Eidgenossenschaft – Der Bundesrat,  Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen. Abgerufen am 07.11.18

 

 

 

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16.10.2018

bESSERwisser

Warum ist Fisch so gesund?

Fisch-Stand am Markt

Fisch ist gesund und Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Laut Experten bildet der wöchentliche Verzehr von mindestens zwei Portionen Fisch die Grundlage für Gesundheit und Wohlbefinden. Doch wie in vielen anderen Ländern, liegt auch in Österreich der tatsächliche Fischkonsum deutlich unter dieser Empfehlung. Aber was macht Fisch eigentlich so gesund? Die bESSERwisser haben Antworten auf diese und andere Fragen rund um das Thema Fisch gesucht.

Zahlen & Fakten zum Fischkonsum

Fisch nimmt in den Lehrbüchern heimischer Bildungsstätten in der „Österreichischen Ernährungspyramide“ schon lange einen wichtigen Platz ein. In der Empfehlung der Nationalen Ernährungskommission in Österreich wird der Verzehr von mindestens zwei Portionen Fisch (zu je 150 g) pro Woche empfohlen, ein Wert, zu dem auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät [1][2][3].

Doch der Österreichische Ernährungsbericht 2017 spricht eine eindeutige Sprache: Alle Gruppen der Bevölkerung liegen bei der tatsächlichen Verzehrsmenge an Fisch weit unter dem empfohlenen Mindestkonsum. Österreicher essen im Schnitt nur zwischen 80 und 130 g Fisch pro Woche und verfehlen den Rat der Ernährungsexperten somit ganz eindeutig [4].

Fisch ist nicht gleich Fisch

Fisch zeichnet sich durch seine Vielfalt aus und bereichert alleine dadurch schon unseren Speiseplan. Je nach Art und Aufzucht enthält er wichtige Nährstoffe in unterschiedlichen Mengen. Insgesamt wird bei Fisch zwischen fettreichem Seefisch, Magerfisch und mittelfettem Fisch unterschieden.

·         Zu den fettreichen Seefischen zählen etwa Meeresfische wie Lachs, Hering, Makrele oder Thunfisch. Obwohl diese Fische alle einen hohen Fettgehalt von bis zu 25 Prozent aufweisen und somit viele Kalorien enthalten, gelten sie als sehr gesund. Und das hat einen einfachen Grund: Der Anteil an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, den „guten“ Fetten, ist überdurchschnittlich hoch.

·         Magerfische enthalten hingegen wesentlich weniger Fett, nämlich nur maximal zwei Prozent und sind deshalb für kalorienarme Ernährung geeignet. Anstatt mit vielen gesunden Fettsäuren punkten Seelachs, Kabeljau, Scholle und Co daher vor allem mit ihrem niedrigen Fettgehalt.

·         In Österreich heimische Kaltwasserfische wie Karpfen, Forelle und Saibling zählen übrigens mit zwei bis zehn Prozent Fett zu den mittelfetten Fischen und stellen damit eine weitere Alternative beim Fischkonsum dar. [5][6]

Die „guten“ Fette im Fisch

Omega-3-Fettsäuren gelten landläufig als gesund. Der Name dieser Gruppe an Fettsäuren hat mit dem chemischen Aufbau zu tun. Eine Fettsäure per se ist eine Verbindung von Kohlenwasserstoffen, die an einem Ende der Kette eine Carboxylgruppe – eine bestimmte chemische Verbindung aus einem Kohlenstoffatom, zwei Sauerstoffatomen und einem Wasserstoffatom, abgekürzt „COOH“ – trägt. Die Länge der Kohlenstoffkette ist je nach Fettsäure verschieden lang und enthält eine unterschiedliche Anzahl an Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoff-Atomen. Die C-Atome einer Fettsäure werden in der chemischen Nomenklatur nummeriert ­ und zwar beginnend vom Ende, also dem Omega (ω), relativ zur Carboxylgruppe. Das erste C-Atom liegt also dem COOH gegenüber. Das Besondere einer Omega-3-Fettsäure ist, dass es zwischen dem dritten und vierten C-Atom der Kette eine Doppelbindung gibt, also am ω-3 – und das gibt dieser Art von Fettsäuren ihren Namen. [7] Von diesen ω-3-Fettsäuren gibt es viele verschiedene Vertreter, ein Beispiel dafür ist die Linolensäure.

Quelle: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog

 

Fisch ist gesund für Körper und Geist

Im Fett der Fische ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Omega-3-Fettsäuren zu finden. Bereits aus Beobachtungen in den 1970er-Jahren ging hervor, dass Völker, die viel fetten Fisch wie Lachs oder auch Meeressäuger wie Wale essen, ein sehr geringes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen [7]. Diese fettreichen Meerestiere weisen beide einen besonders hohen Gehalt an gesunden Fetten auf. In den letzten Jahrzehnten konnten auch zahlreiche Studien zeigen, dass Omega-3-Fettsäure-reiche Nahrung das Herzinfarktrisiko reduziert und koronarer Herzkrankheit vorbeugt. Wie diese gesunden Fette genau auf den Körper wirken, ist allerdings nicht endgültig geklärt. Physiologisch gesehen können sie in erster Linie den Blutdruck und die Herzfrequenz senken und Ablagerungen in Venen und Arterien vermindern [5][7].

Auch weitere positive Wirkungen werden dem Fischverzehr zugeschrieben: So soll das Nahrungsmittel eventuell sogar die geistige Leistung verbessern und Erkrankungen wie Rheuma entgegenwirken.

Ein zu hoher Fleischkonsum wird heute mit einem gesteigerten Risiko für Darmkrebs in Verbindung gebracht [8]. Im Gegensatz dazu deuten manche wissenschaftliche Studien darauf hin, dass Fisch die Wahrscheinlichkeit, an dieser Krebsform zu erkranken, sogar senkt [5].

Die Mischung macht’s

Unabhängig davon, welchen Fisch wir essen: Er bietet eine wichtige Quelle für hochwertiges Eiweiß und weitere Nährstoffe, die in dieser Kombination in kaum einem anderen Nahrungsmittel vorkommen. Marine Lebewesen liefern allgemein zahlreiche Mineralstoffe und Spurenelemente wie Kalzium, Kalium und Phosphor, die essenziell für unsere Gesundheit sind [5]. Alaska-Seelachs enthält beispielsweise große Mengen an Kalium, das die Funktion unserer Nervenbahnen unterstützt und eine zentrale Rolle im Wasserhaushalt unseres Körpers spielt [6].

Vor allem im Meer lebende Fische sind außerdem ein wichtiger Lieferant an Jod, das eine zentrale Aufgabe für eine intakte Schilddrüse erfüllt und für den Hormonhaushalt essenziell ist. Ein Erwachsener kann die empfohlene Tagesmenge (200 Mikrogramm) davon beispielsweise mit nur 100 Gramm Seelachs abdecken. Auch das Halbmetall Selen, das für unser Immunsystem unerlässlich ist, nehmen wir beim Verzehr von Fisch zu uns. [5][6]

Vor allem fettreicher Seefisch enthält außerdem hohe Konzentrationen an Vitaminen [5]. Doch auch in manchen weniger fetten Fischen, wie beispielsweise der in Österreich heimischen Forelle, sind hohe Konzentrationen bestimmter Vitamine zu finden. So enthalten bereits 100 Gramm dieses schmackhaften Fisches die empfohlene Tagesmenge der Vitaminen B12 und D [6]. Vitamin B12 unterstützt die Blutbildung und hilft beim Abbau bestimmter Fettsäuren, während Vitamin D für den Knochenstoffwechsel unentbehrlich ist [5].

Hätten Sie’s gewusst? Der in den letzten Jahrzehnten in Verruf geratene Dosenfisch enthält oft besonders viel Kalzium. Das liegt daran, dass die Gräten durch die Zubereitung aufgeweicht und so vom Konsumenten mitgegessen werden [5].

Die Kunst der richtigen Zubereitung

Fisch hat noch einen weiteren Vorteil: Im Wasser lebende Organismen brauchen im Gegensatz zu anderen Tieren wesentlich weniger Muskeln, da der Auftrieb den Großteil ihres Körpergewichts trägt. Weniger Muskeln heißt folglich auch weniger Bindegewebe- und das macht den Fisch leichter verdaulich [5]. Das bringt aber ebenfalls Schwierigkeiten mit sich: Wird Fisch nicht richtig zubereitet – also übergart –, gleiten die einzelnen Muskelsegmente des Fischfleisches voneinander ab, da sie nicht durch Bindegewebe zusammengehalten werden [9].

Für die Zubereitung von Fisch eignet sich daher besonders das vorsichtige Erhitzen in einem heißen, aber nicht kochenden Sud, der höchstens 70 Grad Celsius haben darf. Dabei ändert sich die Struktur der Proteine so, dass die einzelnen Fäden benachbarter Proteine Zeit haben, sich ineinander zu verhaken. Stoppt man den Garprozess dann rechtzeitig, bleibt der Fisch saftig und zart, die einzelnen Segmente fallen aber nicht auseinander.

Bei dieser Zubereitungsart wandern außerdem die Geschmacksstoffe der beigefügten Gewürze und Kräuter durch Osmose aus dem Sud in den Fisch: Die Konzentration gelöster Moleküle auf beiden Seiten gleicht sich durch eine halbdurchlässige Membran ­ in dem Fall die Haut des Fisches ­ mit der Zeit aus [10].

Fazit

Mit seiner Kombination von guten Fetten, Vitaminen und anderen essenziellen Nährstoffen stellt Fisch eine gesunde Ergänzung oder auch Alternative zu Fleisch dar. Daher empfehlen Ernährungsexperten schon lange, auch in Österreich mehr Fisch auf den Speiseplan zu bringen. Denn zahlreiche Studien belegen mittlerweile, dass Fischkonsum positive Auswirkungen auf unseren Körper haben und Volkskrankheiten unserer Zeit wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen kann. Durch seine Vielfalt kann Fisch zusätzlich dazu beitragen, unsere Ernährung abwechslungsreicher zu gestalten.

 

Quellen:

[1] Die Österreichische Ernährungspyramide. www.bmgf.gv.at (10.4.2017), abgerufen am 4.10.2018

[2] Die Österreichische Ernährungspyramide. ages.at (27.03.2018), abgerufen am 4.10.2018

[3] Empfehlung der Nationalen Ernährungskommission. sozialministerium.at (23.10.2013), abgerufen am 4.10.2018

[4] Österreichischer Ernährungsbericht 2017. ages.at (2017), abgerufen am 4.10.2018

[5] Kienle D.: Von Hering, Lachs und Kabeljau. GEO WISSEN ERNÄHRUNG Nr.1: Gesundes Essen (2016), Seite 34-42

[6] Schlak M.: Die guten Fette aus der Tiefe. GEO WISSEN ERNÄHRUNG Nr.1: Gesundes Essen (2016), Seite 43-45

[7] Ghadiri A., Vilgis T. and Bosbach T.: Wissen schmeckt: Die Magie der Wissenschaften beim Kochen erklärt – mit 16 Rezepten. Springer (2018)

[8] Fleischkonsum & Darmkrebsrisiko. ages.at (2018), abgerufen am 10.10.2018

[9] Vilgis T.: Wissenschaft al dente: Naturwissenschaftliche Wunder in der Küche. Verlag Herder GmbH (2015)

[10] Vilgis T.: Die Molekül-Küche: Physik und Chemie des feinen Geschmacks. S. Hirzel Verlag Stuttgart (2013), 9. korrigierte Auflage

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02.10.2018

bESSERwisser

Famose Allulose: Abnehmen trotz Süßigkeiten?

Allulose
Gibt es Alternativen zu Zucker, die genauso gut schmecken? Allulose ist ein neuartiger Zucker, der einen geringen Kaloriengehalt hat. Die bESSERwisser haben recherchiert.

Ein hoher Zuckerkonsum wird als eine der relevantesten Ursachen für Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen genannt. Erwachsene sollten nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) maximal 50 Gramm Zucker pro Tag zu sich nehmen, durchschnittlich verzehren sie allerdings etwa 93 Gramm pro Tag. [1,2]

Gesundheitsbewusste und besonders Abnehmwillige versuchen es mit verschiedenen anderen Süßungsmitteln, die aber oft nicht den gewünschten Effekt haben. Einige der Süßstoffe stehen erst recht im Verdacht, über die Veränderung der Darmflora bzw. über die Beeinflussung des Sättigungsgefühls zur Gewichtszunahme beizutragen [3]. Mehr dazu im HungryforScience-Artikel „Machen Süßstoffe wirklich schlank?“.

Die gerne eingesetzten Zuckeralkohole (wie Sorbit, Xylit, Erythrit usw.) dürfen nur in kleineren Mengen genossen werden, da sie ab einer bestimmten, individuell sehr unterschiedlichen Menge abführend wirken. Alle Süssungsmittel haben das zusätzliche Problem, dass sie sich nur bedingt zum Backen von Kuchen und Torten eigenen, da ihnen die Volumen- und Textur-Eigenschaften von Zucker fehlen und zudem lassen sie geschmacklich oft zu wünschen übrig. Das liegt daran, dass sie keine geschmacksverstärkende und -abrundende Wirkung wie Zucker haben, der viele Aromen erst zur vollen Entfaltung bringt. Auch die konservierenden Eigenschaften von Zucker (z.B. in Konfitüren oder Gelees) können nicht so leicht ersetzt werden. Mehr Informationen dazu findet man im HungryforScience-Artikel „Aus flüssig wird fest: Marmelade und Co“.

Zucker ohne Kalorien

In Japan wird ein beinahe kalorienfreier Zucker, die Allulose, schon seit 2010 hergestellt. Auch in anderen Ländern gibt es Allulose längst im Handel. Sie ist allerdings sehr teuer und wird vor allem als Abnehmprodukt beworben (z.B. in den USA: ca. 200 Milliliter um knapp 13 US-Dollar).

Und in der Europäischen Union? Ein deutsches Start-up-Unternehmen, Savanna Ingredients, entwickelt eine neue Technik um Allulose billiger herstellen zu können. Und zwar nicht aus Fructose-Mais-Sirup wie in den USA, sondern aus Zuckerrüben. Derzeit läuft in der EU dafür ein Zulassungsverfahren nach der Novel-Food-Verordnung [4]. Es wird sicher noch zwei bis drei Jahre dauern, bis Allulose genehmigt wird, sie soll dann als „kalorienfreier Zucker“ vermarket werden. Auch wenn sie nicht ganz kalorienfrei ist, sondern nur stark kalorienreduziert: 100 Gramm Zucker hat einen Energiewert von 400 kcal (=Kilokalorien=1700 kJ) [5], 100 Gramm Allulose nur 20 kcal [6].

Allulose und ihre Wirkung

Allulose, früher auch Psicose genannt, ist ein Monosaccharid (Einfachzucker), das in der Natur nur selten und nur in kleinen Mengen vorkommt. WissenschaftlerInnen nahmen sie als Vorbild, um die Molekülstruktur von anderen Sacchariden enzymatisch zu verändern und so Allulose in größeren Mengen zu gewinnen. Allulose kann vom Menschen nicht wie Glukose verstoffwechselt werden und muss weitgehend ungenutzt wieder ausgeschieden werden, dadurch liefert sie kaum Energie. Sie wird ähnlich wie Zuckeralkohole im Stoffwechsel abgebaut.

Nach Versuchen an Tieren (Ratten, Mäusen) werden inzwischen auch etliche Studien mit Menschen durchgeführt, die vielversprechende Ergebnisse bringen. Der Abnehm-Effekt ist deutlich zu messen, schädliche Nebenwirkungen sind derzeit noch nicht bekannt. Allulose kurbelt die Fettverbrennung an, während die Kohlenhydratverbrennung sinkt. Der Metabolismus von Fettleibigen wird dadurch normalisiert. [7,8] Allerdings benötigt es noch weitere Studien, um die Zulassung in der EU zu erhalten. Gerade was die Dosis von Allulose angeht, ist man sich noch nicht sicher: es müssen die ADI-Werte (akzeptable tägliche und lebenslange Aufnahmemenge) festgelegt werden.

Obwohl Allulose nur etwa 70 % der Süßkraft von Zucker hat, besitzt sie viele andere wichtige Eigenschaften von Zucker wie z.B. ähnliche Eigenschaften bezüglich Volumen und Textur beim Backen. Man kann sie karamellisieren und die Maillard-Reaktion (siehe HungryforScience-Artikel „Braten, Backen, Karamellisieren – Chemie des guten Geschmacks“) gelingt damit [9]. Auch Aromen verstärken und abrunden kann sie ähnlich wie Zucker. Dadurch könnte sie nicht nur in Haushalten, sondern auch von der Lebensmittelindustrie gut verwendet werden.

 

Fazit

Man wird noch ein paar Jahre warten müssen, um herauszufinden, ob Naschen ohne Gewichtszunahme funktioniert und was es für Nebeneffekte haben wird. Ob der neue Hype für viele Menschen mit Verdauungsproblemen und Unverträglichkeiten endet, ähnlich wie bei gängigen Zuckeralkoholen? Abnehmen trotz eines hohen Süßigkeitenkonsums klingt doch irgendwie zu paradiesisch, um wahr zu sein.

Quellen:

[1] Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, WHO-Zuckerempfehlungen: https://www.ages.at/themen/ernaehrung/who-zucker-empfehlungen/. Abgerufen am 26.09.18

[2] Der Standard.at; Zuckerkonsum: Die süßen Schattenseiten der Ernährung: https://derstandard.at/2000052304442/Zuckerkonsum-Die-suessen-Schattenseiten-der-Ernaehrung. Abgerufen am 27.09.18

[3] Cabral, T., Pereira, M., Falchione, A., et.al.: Artificial Sweeteners as a Cause of Obesity: Weight Gain Mechanisms and Current Evidence (2018). Health, May 5, 10: 700-717. doi: 10.4236/health.2018.105054. http://www.scirp.org/journal/PaperInformation.aspx?paperID=84959 

[4] Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Neuartige Lebensmittel: https://www.ages.at/themen/lebensmittelsicherheit/neuartige-lebensmittel/. Abgerufen am 27.09.18

[5] Nährwerterechner.de, Nährwerte Zucker weiß: https://www.naehrwertrechner.de/naehrwerte/Zucker+wei%C3%9F/ . Abgerufen am 27.09.18

[6] Deutsches Bundeszentrum für Ernährung, Allulose: https://www.bzfe.de/inhalt/bzfe-newsletter-nr-28-vom-11-juli-2018-32567.html. Abgerufen am 27.09.18

[7] Kimura T., Kanasaki A., Hayashi N. et.al.: d-Allulose enhances postprandial fat oxidation in healthy humans (2017). Nutrition, June 29, 43–44: 16-20: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0899900717301181

[8] Han Y., Kwon E-Y., Yu M.K. et.al.: A Preliminary Study for Evaluating the Dose-Dependent Effect of d-Allulose for Fat Mass Reduction in Adult Humans: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial (2018). Nutrients, Jan 29;10(2): 160; doi:10.3390/nu10020160 http://www.mdpi.com/2072-6643/10/2/160/htm

[9] Oshima H., Ozaki Y., Kitakubo Y. und Hayakawa S.: Decrease in the d-Psicose Content of Processed Foods Fortified with a Rare Sugar (2014). Food Science and Technology Research 20(2):415-421. https://doi.org/10.3136/fstr.20.415   https://www.jstage.jst.go.jp/article/fstr/20/2/20_415/_article/-char/en

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26.07.2017

bESSERwisser

Ist das Trinken von Kaffee ungesund?

Kaffee

Die tägliche Tasse Kaffee, ob gleich morgens als Muntermacher oder im Kampf gegen das Nachmittagstief, ist für viele ein tägliches Ritual oder Genuss. Früher als Buhmann mit schlechtem Image verschrien, trudeln nun endlich mehr und mehr Entwarnungen zu unserem Lieblings-Heißgetränk ein. Um einen Überblick zu bekommen, haben sich die bESSERwisser informiert.

Kaffeekonsum

45% vom weltweit exportierten Kaffee werden nach Europa eingeführt. Europa hat die höchste Konsumrate pro Kopf. Die Spitze wird – nicht etwa vom Kaffeegenussland Italien – sondern von Ländern des hohen Nordens angeführt: Finnland, Schweden und die Niederlande haben über 1000 Tassen pro Person im Jahr zu verzeichnen. Laut einer Studie aus der DACH-Region von 2016 gaben 50% der Kaffeetrinker an, Kaffee zu konsumieren, weil er Energie verleiht. Für 36% aber bedeutet der Kaffee hingegen pure Entspannung. [1]

Inhaltsstoffe des Kaffees

Kaffee ist nicht nur braunes Wasser, sondern besteht aus essentiellen Nährstoffen wie Vitaminen, (z.B. Folsäure), Mineralstoffen (z.B. Kalium), Antioxidantien und dem stimulierenden Koffein. Antioxidantien verhindern oder verzögern zerstörerische Prozesse in unseren Zellen, da sie zum Schutz von freien Radikalen dienen. Bei mehreren Tassen am Tag addieren sich die Nährstoffe zu einer signifikanten Portion der Gesamt-Tageszufuhr. Tatsächlich nimmt der Durchschnittsbürger mehr Antioxidantien über Kaffee zu sich als über Obst und Gemüse. [2]

Kaffee-Besonderheiten

Für den Geschmack des Kaffes sind Säuren, Bitterstoffe und mehr als 800 natürliche Aromen verantwortlich. Das ideale Getränk, um die Konzentrationsspanne zu erhöhen, ist der Café Mocha. Der Kakao darin bietet nicht nur eine zusätzliche Aromakomponente, er hat auch eine beruhigende Wirkung und wirkt der vom Koffein erzeugten Unruhe entgegen. [3]

Bienen fliegen auf Koffein: Manche Pflanzen lagern das bittere Koffein in den Blättern ab, um für Pflanzenfresser ungenießbar zu erscheinen. Bienen bevorzugen Blütennektar mit Koffein und finden schneller wieder zu koffeinhaltigen Pflanzen zurück. [4]

Kopi Luwak ist eine Delikatesse in Indonesien und gilt als exklusiver Kaffee. Die Kaffeebohnen sind so besonders, weil sie zuerst den Darm von Schleichkatzen passieren müssen. Die Verdauungssäfte und Enzyme sorgen für eine gewisse Fermentierung der unverdaulichen Kaffeebohnen, wodurch ein höherer Gehalt an Apfel- und Zitronensäure entsteht, die zu dem exquisiten Aroma beitragen. Ein Kilogramm Kopi Luwak kostet rund 300 Euro.

Wirkung von Kaffee

Koffein überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wirkt auf das zentrale Nervensystem. Der körpereigene Stoff Adenosin signalisiert dem Körper Müdigkeit, indem es die Ausschüttung von belebenden Stoffen wie Dopamin und Noradrenalin drosselt. Da Koffein eine ähnliche Struktur wie Adenosin aufweist, kann es deren Rezeptoren besetzen und damit das Müdigkeits-Signal unterbinden. Allerdings tritt bei Dauerkonsumenten irgendwann ein Gewöhnungseffekt ein, denn ihr Hirn bildet mehr Rezeptoren aus, so dass auch das Adenosin zum Zug kommen kann. Gelegentliche Kaffeekonsumenten bemerken daher die intensivste Wirkung. Warum dennoch auch regelmäßige Kaffeegenießer sich morgens nach ihrer Tasse wacher fühlen, hängt mit den Entzugserscheinungen zusammen, die sich nachts einstellen. Lässt die Wirkung des Koffeins nach, bildet sich verstärkt Adenosin. Dadurch fühlen Sie sich viel matter. Bei Dauerkonsumenten dient der Kaffee dann nur noch als Ausgleich und Symptombehandlung der Entzugserscheinungen.

Entgegen einer weitläufig verbreiteten Annahme regt Kaffee den Harndrang nicht an. Kurzfristig erhöht Koffein zwar die Filterfunktion der Nieren und damit die Urinmenge, doch spielt dies über den gesamten Tag hinweg, selbst bei starkem Kaffeekonsum, eine vernachlässigbare Rolle.

Gleichzeitig gilt Koffein als mildes Schmerzmittel und verengt lokal im Gehirn leicht die Gefäße, was Migräne oder Kopfschmerzen lindern kann. [5]

Kaffee und Gesundheit

Koffein stimuliert die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin, was das Herz schneller schlagen lässt. Die Blutgefäße erweitern sich, aber bedenklich ist dieser Effekt im gesunden Körper nicht. Kaffeebohnen enthalten Kahweol und Cafestol, die den Cholesterinspiegel im Blut erhöhen. Die Zubereitungsart bestimmt, wie viele Anteile der beiden Stoffe im fertigen Getränk landen: Im Papierfilter und in Kaffeepads bleiben diese hängen. Bei normalem Kaffeegenuss – darunter versteht man bis zu vier Tassen Kaffee pro Tag – stellt die Menge an Kahweol und Cafestol jedoch auch bei filterloser Zubereitung kein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. [7]
Die Leber scheint von den beiden Lipiden zu profitieren, sie wirken schützend auf unser zentrales Entgiftungsorgan und stehen in Verbindung mit einem reduziertem Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. [6] Die Mehrzahl der neueren Studien spricht sich gegen einen Zusammenhang zwischen Herzgefäßerkrankungen und Kaffeekonsum aus, ganz im Gegenteil, Kaffee soll im Zusammenhang mit einem längeren Leben stehen. [8]

Trotzdem dürfen die Nebenwirkungen von Kaffee nicht außer Acht gelassen werden: Vor allem gelegentliche Kaffeetrinker klagen über erhöhten Puls, Unruhe und Schlafstörungen. Generell sind die Effekte auf den Schlaf und die Verträglichkeit jedoch individuell sehr unterschiedlich, daher muss jeder für sich selbst herausfinden, wie viel Kaffee einem gut tut. Dabei ist es gut zu wissen: Je nach Zubereitungsart variiert der Koffeingehalt von Kaffee [9]. Das kann – abgesehen von geschmacklichen Vorlieben – empfindlichen Kaffeetrinkern auch bei der Wahl des für sie geeigneten Kaffees helfen.

„Coffee to go again“

Nicht nur wegen der gesundheitsfördernden Wirkung ist Kaffee wieder mehr in den Medien vertreten. Der „Coffee to go“-Boom erhitzt die Gemüter, die Wegwerf-Becher eine Menge Müll verursachen. Deshalb unterstützen viele bekannte Cafés die Initiative „Coffee to go again“ und füllen Heißgetränke in mitgebrachte Becher.

Fazit

Kaffee, schwarz und ohne weitere Zusätze (Zucker, Milch etc.), ist am besten verträglich und soll am gesündesten sein. Entkoffeinierter Kaffee hat ähnliche gesundheitsfördernde Wirkung, wenn auch abgeschwächt. Tatsächlich steht ein moderater und regelmäßiger Kaffeegenuss durchaus im Einklang mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Kaffee hat viele gesundheitsfördernde Wirkungen, was aber kein Grund ist, mit dem Kaffeetrinken anzufangen. Die tägliche Zufuhr sollte 400 mg, das entspricht etwa vier bis fünf Tassen, nicht überschreiten. Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, auch andere koffeinhaltige Lebensmittel zu beachten: Eine Dose Red Bull enthält 80 mg Koffein und eine 100-Gramm-Tafel Bitterschokolade rund 34 mg.

Quellen

[1] Kaffee in Zahlen No. 6 (2017) [Aufgerufen am 18.7.2017]

[2] Svilaas, A et al. (2004) Intakes of Antioxidants in Coffee, Wine, and Vegetables Are Correlated with Plasma Carotenoids in Humans. J. Nutr., 134: 562–567

[3] Boolani, A et al. (2017) Acute effects of brewed cocoa consumption on attention, motivation to perform cognitive work and feelings of anxiety, energy and fatigue: a randomized, placebo-controlled crossover experiment. BMC Nutrition.

[4] Couvillon, M J et al. (2015) Caffeinated Forage Tricks Honeybees into Increasing Foraging and Recruitment Behaviors. Current Biology,  Volume 25, Issue 21, 2815 – 2818

[5] Kaffee in Zahlen No. 4 (2015) [Aufgerufen am 18.7.2017]

[6] Kennedy O J, Roderick P, Buchanan R, et al. (2017) Coffee, including caffeinated and decaffeinated coffee, and the risk of hepatocellular carcinoma: a systematic review and dose–response meta-analysis. BMJ Open

[7] Coffee perfect [Aufgerufen am 24.4.2019]

[8] EurekAlert: Two large studies link higher coffee consumption to reduced risk for death (2017)

[9] Arne Preuß, Coffeeness: So viel Koffein ist wirklich in Deinem Kaffee! (2019)

 

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05.07.2017

bESSERwisser

Ist zu viel Salz ungesund?

Salzkörner

Heutzutage wird oft versucht auf Speisesalz zu verzichten, da es negative Effekte auf die Gesundheit haben soll. Doch ist Salz wirklich ungesund? Und was passiert, wenn man zu viel Salz isst? Die bESSERwisser haben sich informiert und Wissenswertes über Tafelsalz zusammengetragen.

Seit 1963 spricht man in Österreich vom jodierten Salz als „Vollsalz“. Da über die Böden und das Grundwasser nicht die empfohlene Tagesmenge an Jod (~200µg) aufgenommen werden kann, wird Salz bei uns mit Jod versetzt. Jod ist essentiell für die Hormonproduktion der Schilddrüse und verhindert Kropfbildung. [1]

Weitere häufige Zusatzstoffe sind zum Beispiel Fluorid zur Kariesprophylaxe oder das Vitamin Folsäure, das eine große Rolle in der Embryonalentwicklung sowie für die Zellreifung und -teilung von Blutzellen spielt.

 

Salz im menschlichen Körper

Wir haben eigens eine Sinneswahrnehmung für Salz: wir schmecken salzig. Das verdeutlicht, wie wichtig Salz für den menschlichen Körper ist.

Seit den 1970er Jahren wird aufgrund epidemiologischer Metadaten aus klinischen Studien empfohlen, auf eine salzarme Ernährung zu achten. Besonders bei Kindern und im hohen Alter ist es jedoch wichtig, den Elektrolythaushalt konstant zu halten. Ein Erwachsener benötigt täglich 3 bis 6 Gramm Salz, um den Verlust durch Schwitzen oder Ausscheidungen auszugleichen.

Im menschlichen Körper reguliert Salz physiologische Prozesse wie das Herz-/Kreislaufsystem, den Wasserhaushalt, die Verdauung und die Reizweiterleitung im Nervensystem und ist somit lebensnotwendig. Natrium, Chlorid und Kalium halten den osmotischen Druck der extrazellulären Körperflüssigkeiten aufrecht. Durch hohe Kochsalzzufuhr kommt es zu einer neuen Wasserverteilung zwischen den Zellen, um Salzkonzentrationen auszugleichen. Das führt zu einem verstärkten Durstgefühl nach salzigen Mahlzeiten,­ das Wasser ist notwendig um das überschüssige Salz über die Nieren auszuscheiden. Natrium und Chlorid regulieren auch den Blutdruck: bei anhaltendem, hohem Salzkonsum werden die Arterien, in denen das Blut fließt belastet. Das höhere Volumen erfordert mehr Herzmuskelkraft zum Pumpen und führt somit zu einem erhöhten Blutdruck (Hypertonie). [3]

Studien dazu gibt es wie Sand am Meer, aber die Klarheit fehlt zum Teil immer noch. Die Zusammenhänge zwischen Salzkonsum und dem Herz-/Kreislaufsystem sind komplexer als ursprünglich angenommen. Jedoch wurden positive Auswirkung einer Reduzierung von Salz bei Patienten mit Bluthochdruck festgestellt. [4]

Für alle Haustierhalter interessant: Hunde und Katzen scheinen beim Schmecken von Salz unempfindlich zu sein. Also Vorsicht, dass der Vierbeiner nicht zu viel davon erwischt. [5]

 

Warum schmeckt es ohne Salz nicht?

Ohne die Prise hat jedes Essen weniger Aroma, nicht umsonst spricht man vom „Salz in der Suppe“. Salz macht das Essen nicht nur salziger, sondern kann den Geschmack aller Zutaten verbessern. Das liegt an den Natriumionen, die anderen Aromen in den Vordergrund verhelfen und weitgehend nicht den Geschmack, aber den Geruch verbessern. Deshalb sagt man, dass ein erfahrener Koch Gerichte nur nach dem Geruch salzen kann.

Was uns schmeckt, wird nicht nur von Mund und Gaumen bestimmt. Mittlerweile wurden Geschmacksrezeptoren im Darm, im Gehirn und sogar in der Lunge identifiziert. Unsere Wahrnehmung vom Geschmack ist also umfangreicher als wir glauben. Während Darm und Gehirn sich überlegen, was uns als nächste Mahlzeit schmecken würde, nutzt die Lunge ihre Bitterrezeptoren zur Erkennung chemischer Botenstoffe von Bakterien in den Atemwegen, um das Immunsystem so schnell wie möglich zu aktivieren. [7]

Kochsalz wird somit nicht umsonst zum Würzen in vielen Gerichten verwendet. Im Brot ist Salz notwendig, um die Stärke des Mehls zu stabilisieren. Bei Gemüse können durch die Hinzugabe von Salz die Zellwände gelockert und die Kochzeit maßgeblich reduziert werden, damit wichtige Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Die Wirkung gegen Bakterien und andere Mikroben haben sich schon die Babylonier zur Konservierung von Lebensmitteln zunutze gemacht. Noch heute ist das Pökeln von Fleisch mit einer Form des Kochsalzes, dem Natriumnitrit, in Verwendung. Salz aus verarbeiteten Lebensmitteln macht somit den Großteil der notwendigen, täglichen Zufuhr aus und ist auch der Hauptgrund für den zu hohen Salzkonsum in den Industrieländern. [3]

 

Salzsorten & deren Gewinnung

Aus was besteht eigentlich Salz? Und ist Salz gleich Salz? Wir haben die Zusammensetzung von Salz und dessen Eigenschaften recherchiert. Da das Salzregal im Lebensmittelgeschäft immer umfangreicher wird, haben wir hier die Unterschiede gängiger Salze aus dem Handel aufgelistet.

 

Zusammensetzung von Salz

Salz besteht zu 97 % aus Natriumchlorid (NaCl), den Rest machen diverse Mineralien aus, die sich abhängig von der Gewinnung und dem Ursprung unterschiedlich zusammensetzen. Salz besitzt hygroskopische Eigenschaften. Das bedeutet, dass es Wasser anzieht. Natrium- und Chlor-Ionen an den Kanten der Salzkristalle reagieren mit Wassermolekülen aus der Luft, was im Endeffekt zur Verklumpung mit anderen Salzkristallen führt. Deshalb gibt man gerne ein paar Reiskörner mit in den Salzstreuer, weil diese eine noch höhere Affinität zur Feuchtigkeit haben als Natriumchlorid. [2]

 

Raffiniertes Salz

Raffiniertes Kochsalz ist reines Natriumchlorid (NaCl). Alle anderen Mineralien, wie Magnesium, Kalzium, Kalium und Eisen, die in geringen Mengen in Natursalzen enthalten sind, werden herausgefiltert.

 

Meersalz

97 % des Wassers auf der Erde ist Salzwasser, mit einer Salzkonzentration von etwa 3,5 %. Dieses Salz wird durch Verdunstung gewonnen und kristallisiert dank Aufkonzentration aus. Das teuerste und edelste Meersalz ist das Fleur de Sel aus Frankreich oder Flor de Sal aus Portugal, das nur an heißen, windstillen Tagen an der Wasseroberfläche gebildet und von Hand abgeschöpft wird.

 

Steinsalz

Das meist grobe Steinsalz ist durch das Austrocknen der Urmeere und der Verschiebung der Kontinentalplatten zu neuen Gebirgen entstanden und wird deshalb in Salzbergwerken aus Gestein gewonnen.

Das Himalaya-Salz mit seinem milderen Geschmack fällt durch seine rosa Farbe besonders auf, die es kleinen Mengen von Eisen zu verdanken hat. Optisch ist das „ayurvedische Zaubermittel“ aus Pakistan definitiv ein Hingucker, besondere Effekte konnten bis dato jedoch nicht nachgewiesen werden. [6]

 

 

Hätten Sie’s gewusst?

Salz wird auch als „weißes Gold“ bezeichnet. Früher wurde römischen Soldaten das sogenannte „salarium argentum“, eine Ration Salz, auf den Reiseweg mitgegeben. Später wurde es durch Geld abgelöst. Namensgebend steht Salz noch immer im „Salär“ für Lohn oder im Englischen „salary“.

 

Fazit zum Thema Speisesalz

Sowohl das raffinierte Salz, als auch das sogenannte Ur-Salz bestehen fast ausschließlich aus Natriumchlorid. Der Rest setzt sich aus diversen Mineralien zusammen, denen bei der empfohlenen Menge von einem Teelöffel Salz am Tag keine signifikanten Auswirkungen auf die Gesundheit nachgewiesen werden konnten. [8]

Die Rieselfähigkeit und die kleinen Unterschiede im Geschmack der verschiedenen Sorten sind somit die Hauptmerkmale bei der Entscheidung am Gewürzregal.

Wer den Salzkonsum reduzieren möchte, sollte frische Speisen selbst zubereiten, am besten mit frischen Kräutern und Gewürzen anstatt einem Zuviel an Salz. Mit der Zeit schmeckt auch salzarmes Essen besser, da sich unsere Geschmacksrezeptoren anpassen.

 

Welches Salz schmeckt Ihnen am besten?

 

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Nudelwasser zu salzen?

 

Quellen

[1] Speisesalzgesetz im Bundesgesetzblatt Österreich, abgerufen am 26.06.2017

[2] Bad Reichenhaller Salzwissen

[3] Speisesalz von chemie.de

[4] Rexhaj E., Messerli F.H., Cerny D., Bohlender J.: Salt and Blood Pressure: Cutting Through the Scientific Fog (2017). Curr Hypertens Rep 19:47

[5] Bradshaw J.W.S.: The Evolutionary Basis for the Feeding Behavior of Domestic Dogs and Cats (2006). J. Nutr. 136: 1927–1931

[6] Macias S.: Salt – An Overview of Various Types of Salts, abgerufen am 21.06.2017

[7] Holmes B.: Geschmack: Gebrauchsanleitung für einen vernachlässigten Sinn (2016). Riemann Verlag

[8] Drake S.L., Drake M.A.: Comparison of Salty Taste and Time Intensity of Sea and Land Salts from around the World (2011). Journal of Sensory Studies 26: 25–34

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08.06.2017

bESSERwisser

Sind Energy Drinks schädlich für die Gesundheit?

Geöffnete Dose eines Energy Drinks

Sicher kennen Sie diese Situation: Sie sind müde und erschöpft und brauchen sofort Energie, um ihre Leistungsfähigkeit wieder zu steigern oder überhaupt munter zu bleiben. Ob Student, gestresster Arbeiter, überforderte Eltern oder übermüdete Partytiger: Viele holen sich den schnellen Energie-Kick mit Energy Drinks. Doch halten die flüssigen Wachmacher auch das, was sie versprechen? Machen sie wirklich fit und munter? Und was ist dran an dem Gerücht, dass Energy Drinks den Körper schädigen können? Die bESSERwisser haben nachgeforscht.

 

Energy Drinks: Vor allem junge Konsumenten

Energy Drinks sind laut Österreichischem Lebensmittelbuch alkoholfreie Erfrischungsgetränke mit einem Coffeingehalt von mindestens 150mg/l und den Zusätzen Taurin, Inosit und Glucuronolacton [1].Sie haben eine anregende Wirkung auf den Körper und versprechen in anstrengenden Situationen eine Leistungssteigerung und erhöhte Konzentrationsfähigkeit.

Die Geschichte der flüssigen Energiespender geht auf die 70er-Jahre zurück. Damals entwickelte der thailändische Erfinder Chaleo Yoovidhya ein aufputschendes Getränk namens Krathing Daeng – auf Englisch Red Bull. Dieses kam vor allem bei thailändischen Arbeitern und Lastwagenfahrern gut an, wurde jedoch anfangs als „Kaffee des armen Mannes“ verspottet. 1982 wurde der Österreichische Unternehmer Dietrich Mateschitz auf den Energy Drink aufmerksam und gründete gemeinsam mit Yoovidhya ein weiteres Unternehmen. Red Bull kam im Jahr 1987 in silberfarbenen Dosen in die Regale und bekam im Zuge einer neuen Marketingstrategie noch ein cooles Sport-Image verpasst. Die Produktkategorie der Energy Drinks für den globalen Markt war somit eröffnet. Mittlerweile gibt es Energy Drinks von vielen Anbietern weltweit, Red Bull ist und bleibt Marktführer.

Die Palette der flüssigen Muntermacher wurde vor wenigen Jahren erweitert. Heute gibt es auch so genannte Energy Shots zu kaufen. Diese enthalten die gleichen Bestandteile wie Energy Drinks, allerdings in geringerem Volumen und dadurch höher dosiert – meist in etwa vierfacher Konzentration.

Wie eine Studie der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde zeigt, greift fast jeder dritte Erwachsene zu Energy Drinks [2]. Noch beliebter sind sie die flüssigen Energiespender bei Kindern und Jugendlichen. 68 Prozent der Teenager konsumieren Energy Drinks. 12 Prozent dieser jungen Leute trinken mindestens viermal wöchentlich flüssige Muntermacher („high chronic consumers“), und 12 Prozent von ihnen nehmen dabei mehr als einen Liter auf einmal zu sich („high acute consumers“).

Zusammensetzung von Energy Drinks

Die Inhaltsstoffe verschiedener Energy Drinks und deren Konzentrationen variieren je nach Marke. Im Allgemeinen bestehen sie jedoch aus folgenden Zutaten: Wasser, Zucker (im Durchschnitt acht bis zehn Stück Würfelzucker pro 250ml) oder Süßstoff, Farbstoffe, Aromastoffe, Kohlensäure und diverse chemisch synthetisierte Substanzen. Bei den künstlichen Inhaltsstoffen reicht die Palette von Koffein, Taurin, Inosit und Glucuronolacton bis hin zu den verschiedensten Vitaminen. In letzter Zeit ist auch bei den flüssigen Energiespendern ein Trend zu biologischen Zutaten spürbar. So werden mittlerweile auch coffeinhältige Extrakte aus den Fruchtkernen der Guaranapflanze für Energy Drinks verarbeitet.

 

Coffein: Der Muntermacher im Energy Drink

Coffein zählt zur Gruppe der natürlich vorkommenden Purine. Nach der IUPAC-Nomenklatur lautet sein korrekter Name 1,3,7-Trimethyl-3,7-dihydro-1H-purin-2,6-dion. Unter normalen Bedingungen ist reines Coffein ein weißes, geruchloses Pulver mit bitterem Geschmack. Coffein ist vor allem durch sein Vorkommen in den Samen des Kaffestrauchs bekannt. Es ist aber auch in über 60 anderen Pflanzen zu finden, weshalb es manchmal fälschlicherweise auch als Teein (nach seinem Vorkommen im Teestrauch) oder Guaranin (nach seinem Vorkommen in den Samen der Guarana-Pflanze) bezeichnet wird.

Coffein aus Kaffee und aus Tee wird im Körper unterschiedlich aufgenommen. Während Coffein aus Kaffee sofort im Magen freigesetzt wird und schnell wirkt, wird das Coffein aus Tee durch Bindung an Gerbstoffe erst im Darm gelöst. Seine Wirkung tritt somit später ein und hält länger an. Coffein kann mittels Extraktion aus Kaffeebohnen oder Teeblättern gewonnen werden, wird heute aber meist industriell hergestellt.

 

Bei Coffein handelt es sich um eine stimulierende Substanz (ein sogenanntes Stimulans), bei der – je nach Dosis – eine anregende und eine erregende Wirkung unterschieden werden können. In geringer Dosis übt Coffein eine anregende Wirkung auf die Psyche aus, die Antrieb und Konzentration steigert und Müdigkeitserscheinungen beseitigt. Bei höherer Dosierung werden auch Atemzentrum und Kreislauf angeregt. Es kommt zu einer Steigerung der Herzfrequenz, zu erhöhtem Puls und zu erhöhtem Blutdruck, die Bronchien erweitern sich, und der Darm wird stimuliert. Coffein wirkt außerdem auf die Gefäße im Gehirn verengend, während sich die Gefäße in der Peripherie durch Coffein erweitern. Die oft zitierte harntreibende Wirkung von Coffein scheint minimal zu sein und konnte in Studien bisher nicht belegt werden.

 

Die aufputschende Wirkung von Energy Drinks beruht vor allem auf der Kombination von Coffein und Zucker. Das Coffein befindet sich nach etwa 30 bis 45 Minuten im Blutkreislauf und stimuliert in geringer Dosis die Psyche, der Zucker führt zur Freisetzung des Glückshormons Dopamin. Für die weiteren Inhaltsstoffe gibt es keine klaren Studien, die eine leistungssteigernde Wirkung beweisen.

Hätten Sie’s gewusst?

Der Mythos, dass das Taurin in den Energy Drinks aus Stierhoden stammt, stimmt übrigens nicht. Taurin wird für dafür künstlich synthetisiert.

 

Wieviel Coffein darf sein?

Was vielleicht viele nicht wissen: Der Coffeingehalt von einer Tasse Kaffe und einer Dose
Energy Drink sind sehr ähnlich. So etwa enthalten 150ml Kaffee im Durchschnitt zwischen 50 und 80mg Coffein. Auch 250ml eines Energy Drinks beinhalten in etwa 80mg Coffein [2].

Die Coffeinmenge an sich stellt somit kein Problem bei Energy Drinks dar. Allerdings werden Kaffee und Energy Drinks ganz anders und zu unterschiedlichem Zweck konsumiert. Kaffee ist ein altbekanntes Genussmittel und wird – wie der Name schon sagt – meist langsam und über den Tag verteilt genossen. Energy Drinks hingegen werden oft zur sofortigen Leistungssteigerung schnell getrunken, und das zumal auch in größeren Mengen. Und hier liegt das eigentliche Problem, denn so kann die in kurzer Zeit aufgenommene Menge von Coffein durchaus die empfohlene Dosis überschreiten. Das kann vor allem bei Coffein-empfindlichen Personen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Diese können von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Nervosität, Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Herz-Kreislauf-Beschwerden reichen.

 

Empfohlene Coffein-Tagesdosis

Die von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) empfohlene Aufnahmemenge von Coffein aus allen Ernährungsquellen [3] wurde für gesunde Erwachsene mit 400mg/ Tag festgesetzt, wobei Einzeldosen 200mg nicht überschreiten sollten.

Für Schwangere, Kinder und Jugendliche gelten allerdings andere Werte: Schwangere sollten nicht mehr als 200mg Coffein pro Tag zu sich nehmen. Bei Kindern und Jugendlichen werden maximal 3mg Coffein/ kg Körpergewicht als unbedenklich angesehen [3].

Coffein-empfindliche Personen sollten generell vorsichtig sein.

Energy Drinks und Alkohol

Obwohl es viele derartige Assoziationen gibt, konnte bisher für gesundheitliche Probleme als Folge des Konsums von Coffein in Kombination mit Alkohol noch kein kausaler Zusammenhang hergestellt werden. Dennoch wird generell vom Konsum von Energy Drinks gemeinsam mit Alkohol – sehr beliebt beispielsweise auf LAN-Partys – abgeraten. Dasselbe gilt für Energy Drinks bei sportlicher Betätigung.

 

Fazit

Solange Coffein in Maßen genossen und nicht in kurzer Zeit dem Körper in hochkonzentrierter Form zugeführt wird – egal ob als Kaffee oder Energy Drink – ist es für gesunde Erwachsene unbedenklich. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Personen mit gesundheitlichen Problemen müssen allerdings vorsichtig sein. Sie sollten die Coffeinmenge der von ihnen konsumierten Getränke kennen und vor allem bei Shots die Angaben zum Coffeingehalt auf der Verpackung nachlesen. Auf eine Kombination von Coffein und Alkohol sollte verzichtet werden.

 

Aktualisierung am 17.01.2018:

Eine Kanadische Studie aus dem Jahr 2018 zeigte eine negative Auswirkung von Energy Drinks [4]. So gaben von insgesamt 2.000 Befragten im Alter von 12 bis 24 Jahren mehr als die Hälfte an, nach dem Konsum von Energy Drinks unter anderem an Herzrasen, Übelkeit oder auch Krämpfen zu leiden.

 

Referenzen

[1]: Bundesministerium für Gesundheit: Österreichisches Lebensmittelbuch, IV Auflage, Kapitel/ B26/Erfrischungsgetränke, S.8; letzte Änderungen und Ergänzungen am 27.1.2016 

[2] AGES: Energy Drinks (2017)

[3]: European Food safety Authority: Scientific Opinion on the safety of caffeine (2015); EFSA Journal 2015;13(5):4102

[4] Hammond D. et al.: Adverse effects of caffeinated energy drinks among youth and young adults in Canada: a Web-based survey (2018). cmajo January 15, 2018 vol. 6 no. 1 E19-E25. doi: 10.9778/cmajo.20160154

 

Artikel erstellt am 8.6.2017, aktualisiert am 17.01.2018

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31.05.2017

bESSERwisser

Ist natives Olivenöl zum Braten geeignet?

Olivenölflasche mit Salat

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, ob man Olivenöl erhitzen darf? Und sind Sie dabei auf die Antwort gestoßen, dass man das native Olivenöl (extra) nur für Salate und Kaltspeisen nutzen sollte? In den Ländern rund ums Mittelmeer wird allerdings auch natives Olivenöl (extra) zum Kochen und Braten benutzt. Ist das nun falsch? Die bESSERwisser haben Studien zu diesem Thema gefunden.

Qualität von Olivenöl: Herstellungsverfahren und Region entscheidend

Olivenöl wird nach EU-Verordnungen in verschiedene Güteklassen eingeteilt. Zusätzlich gibt es auch geschützte Herkunfts-Bezeichnungen. Die höchste Güteklasse ist „natives Olivenöl extra“, es darf nur mit schonenden mechanischen Verfahren ohne Wärmezufuhr gewonnen werden und einen maximalen Gehalt an freien Fettsäuren von 0,8g / 100 g Öl enthalten. Die Angabe „Kaltpressung “darf nur verwendet werden, wenn das Olivenöl durch eine mechanische Pressung bei höchstens 27°C in einem traditionellen Verfahren gewonnen wurde. Die Bezeichnung „Kaltextraktion“ darf nur für mit moderner Technik (Perkolation oder Zentrifugation) ebenfalls bei höchstens 27°C gewonnenes Öl benutzt werden.

Für die Güteklasse „natives Olivenöl“ gelten dieselben Regeln, es darf aber einen höheren Gehalt an freien Fettsäuren und leichte Abstriche bei der Qualität aufweisen. Schlichtes „Olivenöl“ bedeutet, dass es sich um eine Mischung aus raffiniertem Olivenöl (mittels Lösungsmitteln und Hitze gewonnen) und nativem Olivenöl handelt. Allerdings ist das Verhältnis nicht festgelegt – es kann also auch nur 1% natives Olivenöl sein. Raffiniertes Olivenöl darf pur nicht an Konsumenten verkauft werden. [1]

Ebenfalls vorgeschrieben ist eine Angabe der Herkunft: handelt es sich um einen Mix aus verschiedenster EU-Ländern? Kommt es von außerhalb der EU? Oder stammt es aus einem bestimmten Land (z.B. Griechenland) oder aus einer von der EU geschützten Region? Letzteres bürgt jedenfalls für höhere Qualität. Gesundheitsbezogene Angaben sind derzeit noch nicht erlaubt, da es noch Probleme mit Nachweisverfahren gibt. Mehr dazu am Schluss.

Die Grenze des Erhitzens: der Rauchpunkt

Als Rauchpunkt wird jene Temperatur bezeichnet, bei der erhitztes Öl ohne Zusatz von Kochgut zu rauchen beginnt. Bitte selbst nicht ausprobieren: rauchendes Öl ist nicht mehr genießbar. Je höher der Rauchpunkt eines Öles ist, umso besser eignet es sich zum Braten und Frittieren. Öle mit niedrigem Rauchpunkt eignen sich nur für schonende Zubereitungsmethoden oder dürfen nur kalt verwendet werden. Raffinierte (chemisch gewonnene) Öle haben alle einen Rauchpunkt über 200 Grad Celsius, spezielle Frittier-Öle einen besonders hohen. Der Rauchpunkt kaltgepresster Ölen ist je nach Sorte sehr verschieden. Natives Olivenöl (extra) hat einen sehr hohen, er beträgt durchschnittlich 180° C. Damit Sie sich das besser vorstellen können: Butter hat einen Rauchpunkt von etwa 175° C.

Kalt, Herd oder Mikrowelle?

Warum ist natives Olivenöl (extra) relativ hitzebeständig? Das liegt an seinem hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren, die wesentlich stabiler sind als mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Zudem enthält es viele pflanzliche Antioxidantien, die den Hitzestress mindern und teilweise ins Bratgut übergehen.

Bei einer Studie [2] wurde festgestellt, dass natives Olivenöl extra sowohl beim Braten als auch beim Frittieren weniger Schadstoffe freisetzte als das zum Vergleich verwendete Sonnenblumenöl. Allerdings gingen bei den hohen Temperaturen die gesundheitsfördernden Pflanzenwirkstoffe verloren. Interessanterweise ist natives Olivenöl in der Mikrowelle nicht stabil: hier gehen aus noch unbekannter Ursache alle wertvollen Inhaltsstoffe rasch verloren [2].

Gesundheitliche Wirkungen von Olivenöl

Noch Anfang des Jahrhunderts wurde angenommen, dass vor allem die Zusammensetzung der Fettsäuren Olivenöl so gesund macht. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass es vor allem die über 36 verschiedenen sekundären Pflanzenstoffe sind, die anti-entzündliche Eigenschaften entfalten und für die positive Wirkung auf die Gesundheit verantwortlich sind. Sie wirken schützend gegen Arteriosklerose, Herzkrankheiten, Schlaganfälle und hohe Cholesterinwerte, möglicherweise auch gegen eine Reihe anderer Krankheiten. An der Wirkung auf Mikroorganismen im Darm des Menschen wird gerade geforscht [3].

Vertrauenssache Einkauf

Nur natives Olivenöl (extra) enthält alle diese oben erwähnten Pflanzenwirkstoffe, allerdings in stark unterschiedlicher Menge, von unter 20 bis über 1000 mg pro kg Öl. Die Menge hängt ab von der Olivensorte, den Böden, dem Klima, der Baumpflege und Reife der Oliven. Zudem spielt der Herstellungsprozess eine wichtige Rolle: durch Kaltpressung und Kaltextraktion bleiben mehr Wirkstoffe erhalten und Öl aus erster Pressung enthält mehr davon als jenes aus den folgenden Pressungen. Leider gibt es derzeit noch keine Zertifizierung für diese Wirkstoffe, sie soll aber demnächst im Rahmen der EU-Regulierung 432/2012 (zulässige gesundheitsbezogene Angaben) umgesetzt werden [4]. Somit wird hoffentlich bald der Einkauf von Olivenöl nicht mehr eine reine Vertrauenssache sein.

Fazit:

Natives Olivenöl eignet sich für alle schonenden Garmethoden wie Dünsten und Kurzbraten, sowie auch für schonendes Braten und Backen im Rohr bei nicht zu hohen Temperaturen. Auch für Salate und andere Kaltspeisen ist es bestens geeignet. Hier kann es sein je nach Sorte typisches Aroma entfalten. Zum Frittieren, Grillen und Kochen in der Mikrowelle eignet sich schlichtes Olivenöl oder ein andere hoch erhitzbare Öle allerdings besser.

 

Referenzen

[1] Fiebig, H-J. und Küchler T.: Qualität und Vermarktung von Olivenölen in der Europäischen Union. Feb 2016

[2] Santos, C.S.P., Cruz, R., Cunha, S.C., und Casal, S.: Effect of cooking on olive oil quality attributes. Food Research International 2013, Vol. 54: p2016-2024, doi:10.1016/j.foodres.2013.04.014

[3] Parkinson, L., Cicer, S.: The Health Benefiting Mechanisms of Virgin Olive Oil Phenolic Compounds. Molecules 2016, 21(12). pii: E1734. doi: 10.3390/molecules21121734

[4] Reboredo-Rodríguez, P., Valli, E., Bendini, A. et.al: A widely used spectrophotometric assay to quantify olive oil biophenols according to the health claim (EU Reg. 432/2012). Eur. J. Lipid Sci. Technol. 2016, Vol 118: p1593–1599. doi:10.1002/ejlt.201500313

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05.04.2017

bESSERwisser

Sind Eier Cholesterinbomben?

Eier sind ungemein vielseitig: Wir verwenden sie zum Backen und Kochen, essen sie roh, weich oder hart sowie in Vor-, Haupt- und Süßspeisen. Gerade zu Ostern sind sie auch ein wichtiger Bestandteil der Tradition – die bunten Ostereier und somit auch das Eierfärben gehören zur Freude der Kinder zum Osterfest dazu. Eier sind wichtige Eiweißlieferanten und beinhalten eine Vielzahl an Nährstoffen, aber auch (zu) viel Cholesterin – das ist zumindest die gängige Meinung. Deshalb hat das Ei auch schon seit langem ein schlechtes Image als Cholesterinbombe. Aber stimmt das überhaupt? Die bESSERwisser haben nachgeforscht, ob Eier wirklich so viel Cholesterin enthalten wie angenommen und ob die Faustregel „Nur ein Ei am Tag“ befolgt werden sollte [1].

Cholesterin – lebenswichtig für unseren Körper

Cholesterin kommt in allen Zellen von Tieren und vom Menschen vor. Als wichtiger Baustein der so genannten Plasmamembran, die alle unsere Zellen umhüllt, ist es für unseren Körper essentiell – das ist vielen von uns vielleicht gar nicht bewusst. Die Zellmembran verschafft unseren Zellen Stabilität und dient als Schleuse für die Aufnahme und Abgabe verschiedener Stoffe in die Zellen hinein und aus den Zellen heraus. Etwa 95 % des Cholesterins im Körper befinden sich in Zellmembranen. Cholesterin hat noch weitere wichtige Funktionen: Es dient als Vorstufe für Steroidhormone wie beispielsweise Testosteron oder Östrogen, ist an der Erzeugung von Gallensäuren beteiligt und liefert dem Körper bei seiner eigenen Herstellung eine Vorstufe von Vitamin D.

Cholesterin – manchmal auch als Cholesterol bezeichnet – ist ein lipophiles (fettlösliches) Molekül und in Wasser nicht löslich.  Obwohl es umgangssprachlich häufig als Blutfett bezeichnet wird, ist Cholesterin genau genommen kein solches. Denn Cholesterin ist ein Sterol, das sich in seiner Struktur von den Triglyceriden – das sind die Fette im herkömmlichen Sinn – unterscheidet. Besonders das Gehirn sowie die Organe, die für die Produktion von Steroidhormonen verantwortlich sind, benötigen viel Cholesterin. Etwa ein Viertel davon befindet sich im Gehirn, wo es vor allem in den Nervenfasern vorkommt [1].

Was allgemein oft nicht bekannt ist: Etwa 90 % des im Körper vorhandenen Cholesterins wird nicht über die Nahrung aufgenommen, sondern vom Körper selbst in der Leber produziert [2]. Auch das über die Nahrung zugeführte Cholesterin wandert über den Darm in die Leber. Unsere Ernährung beeinflusst, wieviel Cholesterin von der Leber hergestellt wird, da diese auch als Regulator dient.
Weil Cholesterin nicht wasserlöslich ist, wird es für den Transport im Blut an Lipoproteine gebunden. Diese werden je nach Dichte in so genannte LDL- und HDL-Teilchen unterteilt. Erstere, die „Low Density Lipoproteine“ (LDL) mit geringerer Dichte, verteilen das Cholesterin von der Leber aus überall im Körper. Sie werden auch als „böses“ Cholesterin bezeichnet, da sie Ablagerungen in den Blutgefäßen verursachen und somit die Gefahr für
Arteriosklerose (Arterienverkalkung) erhöhen können. Dies bedeutet in weiterer Folge ein größeres Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko. Die „High Density Lipoproteine“ (HDL) mit hoher Dichte wirken anders: Sie transportieren das überschüssige Cholesterin von den verschiedenen Organen im Körper wieder zurück zur Leber und schützen als „gutes“ Cholesterin die Blutgefäße vor Arteriosklerose [3]. Inwiefern cholesterinreiche Lebensmittel den Cholesterinspiegel tatsächlich erhöhen, ist bis heute in der Fachwelt umstritten. Auch genetische Veranlagung kann übrigens die Ursache für einen erhöhten Wert des schädlichen LDL-Cholesterins sein. Davon ist möglicherweise laut Fachleuten eine von 200 Personen in Industrieländern betroffen [5].

Das Ei – ein Allroundtalent

Eier sind eine Quelle für unterschiedliche wichtige Nährstoffe. Sie enthalten hochwertiges Eiweiß – bereits ein Ei deckt bis zu 15 Prozent Tagesbedarfs eines Menschen ab. Außerdem sind sie reich an Spurenelementen, wie etwa Kalzium, Phosphor, Magnesium, Eisen und Zink, und Vitaminen, wie A, B2, B12, D und E [1].

Erhöhen Eier den Cholesterinspiegel?

Ein großes Ei enthält bis zu 185 mg Cholesterin. 300 mg sind laut American Heart Association das Höchstlimit, das pro Tag konsumiert werden sollte. Dementsprechend wäre man nach dem Genuss von zwei Eiern bereits weit über dem derzeit empfohlenen Maß, was der Faustregel „Nur ein Ei am Tag“ entsprechen würde. Neue Studien zeigen jedoch, dass es keinen Grund zur Sorge gibt: Das Limit sollte neu überdacht werden, da höhere Mengen an Cholesterin durchaus konsumierbar sind, ohne sich negativ auf die Gesundheit auszuwirken [4].
Neue Untersuchungen belegen außerdem, dass cholesterinreiche Lebensmittel den Cholesterinspiegel weit weniger beeinflussen als stark fetthaltige Nahrung [6].Nach dem heutigen Wissensstand bleibt er beim Verzehr von Eiern im Rahmen einer normalen Ernährung sehr konstant [7].
Zudem enthält ein Ei zwar sehr viel Cholesterin, liefert aber auch ausreichend Lezithin. Dieses ist dafür zuständig, die Cholesterinaufnahme im Darm zu  vermindern und ist daher ein natürlicher negativer Regulator von Cholesterin [8].

Fazit

Das Ei beinhaltet neben Eiweiß auch wichtige Spurenelemente und Vitamine. Trotz seines hohen Cholesterinanteils überwiegen die vielen Vorteile, den der Verzehr eines Eis mit sich bringt. Bei einem normalen Cholesterinspiegel leisten Eier einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung. So können wir mit gutem Gewissen unsere Ostereier essen.

Quellen

[1] Eckel, R.: Eggs and beyond: is dietar cholesterol no longer important?. The american journal of clinical nutrition 2015, Aug(2):235-236. doi:10.3945/ajcn.115.116905
[2] Blesso, C.,Andersen, C., Barona, J. et al: Effects of carbohydrate restriction and dietary cholesterol provided by eggs on clinical risk factors in metabolic syndrome. Journal of Clinical Lipidology 2013, Volume 7, Issue 5, 463-471. doi: 10.1016/j.jacl.2013.03.008
[3] http://www.chemie.de/lexikon/Cholesterin.html, Abgerufen am: 02.02.2017
[4] Exler, J., Philips, K., Patterson, K. und Holden, J.: Cholesterol and vitamin D content of eggs in the U.S. retail market. Journal of Food Composition and Analysis 2013. Volume 29, Issue 2, 110-116. doi: 10.1016/j.jfca.2012.11.001
[5] Nordestgaard, B. Chapman, M., Humphries, S. et al: Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease: Consensus Statement of the European Atherosclerosis Society. European Heart Journal 2013. 34 (45): 3478-3490. doi: 10.1093/eurheartj/eht273
[6] Kanter, M., Kris-Etherton, P., Fernandez, M., Vickers, K. und Katz, D.: Exploring the fators that affect blood cholesterol and heart diesease risk: Is dietary cholesterol as bad for you as history leads us to believe?. Advances in nutrition 2012. Vol3: 711-717. doi: 10.3945/an.111.001321
[7] Fernandez, M.: Rethinking dietary cholesterol. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2012. Mar, 15(2): 117-21. doi: 10.1097/MCO.0b013e32834d2259.
[8] http://www.forum-ernaehrung.at/artikel/detail/news/detail/News/eier-besser-als-ihr-image/, Abgerufen am: 02.02.2017

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14.02.2017

bESSERwisser

Wirkt Cranberrysaft bei Harnwegsinfekten?

Cranberry

Der Cranberry werden vielfältige gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Sie soll Harnwegsinfektionen heilen und Krebserkrankungen vorbeugen. Doch was steckt wirklich hinter der Wunderbeere? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Rotbeere aus Übersee

Die strauchförmigen Cranberry-Pflanzen, zu Deutsch Kranichbeeren, wachsen bevorzugt auf moorigen Böden. Sie kommen vor allem in den Feuchtgebieten des US-amerikanischen Nordens sowie in Kanada vor. Außerdem ist die Cranberry eng verwandt mit der in Mitteleuropa heimischen Preisel- und Heidelbeere. Jedoch unterscheiden sich diese in der Süße: Preisel-oder Heidelbeeren sind deutlich süßer als Kranichbeeren [1].

Sauer macht lustig…und gesund?

Der hohe Säureanteil der Cranberry soll bei Harnwegsinfekten helfen. Die in der Cranberry enthaltenen Säureverbindungen, unter anderem Zitronensäure und Vitamin C, so wurde postuliert, können den Harn ansäuern. Damit sollen sie vor dem Wachstum von Bakterien schützen. Jedoch ist diese These seit Jahrzehnten wissenschaftlich überholt.

Bereits in den 1950er Jahren wurde wissenschaftlich erwiesen, dass sich der pH-Wert im Harn auch beim Konsum großer Mengen Cranberrysaft nicht signifikant ändert [2]. Hingegen konnte einige Jahrzehnte später gezeigt werden, dass der in der Cranberry enthaltene Stoff Proanthocyanidin bestimmte Bakterienarten daran hindert, sich an Zellwände der Harnwege zu heften [3].

Neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft

In den letzten Jahren häuften sich Studien zur Untersuchung gesundheitssfördernder Effekte der Cranberry. Nicht zuletzt wurden viele dieser Studien von Cranberrysafthersteller finanziert, sodass objektive Aussagen zur Wirkung dieser Beeren noch immer rar sind.

Negative Ergebnisse

Eine von Cranberrysaft Hersteller Ocean Spray gesponserte und 2011 publizierte Studie untersuchte 319 Patientinnen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten. Dabei hatte die Konsumation von Cranberrysaft keine schützende Wirkung im Vergleich zum Placebo (Wasser) [4].

Ein Jahr darauf verglich eine Metaanalyse mehrere Studien. Dabei war das Ziel die Wirkung von Cranberrysaft bei Harnwegsinfektionen zu analysieren. Infolgedessen wurden die Ergebnisse von 24 Studien und insgesamt 4473 Fällen statistisch analysiert. Jedoch war der Saft auch hier nicht wirksamer als das Placebo, respektive reines Wasser [5].

Positive Ergebnisse

Eine weitere Metaanalyse analysierte 13 Studien von 1616 Fällen mit Harnwegsinfekten. In den Studien wurden unterschiedliche Cranberry-Produkte für die Behandlung von Harnwegsinfekten eingesetz (Saft, Tabletten, Kapseln…). Doch problematisch war dabei die Deutung der Ergebnisse: Zwar wurde ein schützender Effekte der Cranberry-Produkte erkannt, aufgrund der Heterogenität der Produkte konnte man jedoch keinen Rückschluss auf eine passende Dosierung oder Anwendungsart ziehen [6].

Beginnend mit 2013 sponserte ein Cranberrysaft-Hersteller eine wissenschaftliche Studie. Diese sollte den schützenden Effekt von Cranberrysaft auf das Entstehen von Harnwegsinfekten nun statistisch beweisen. Infolgedessen wurden 185 Frauen auf die Wirkung von Cranberrysaft getestet, weitere 188 erhielten als Kontrollgruppe die gleiche Menge Wasser. In Folge wurde das Ergebnis 2016 publiziert: Cranberrysaft verringerte die Anzahl an wiederkehrenden Harnwegsinfekten [7].

Alles nur Placebo?

Viele der Studien zeigten, dass Probanden, die Flüssigkeiten konsumierten, weniger Infekte hatten. Jedoch geschah dies nicht aufgrund des Cranberry-Saftes, sondern eher aufgrund der konsumierten Flüssigkeitsmenge. Daher steht bis dato nicht fest, ob das Anheften der Bakterien durch die Flüssigkeitsmengen oder tatsächlich durch das Proanthocyanidin verhindert wird.

Nichtsdestotrotz: Auch wenn sich die Studien und Metanalysen immer noch widersprechen, der Placebo Faktor Cranberry ist nicht zu vernachlässigen. Dessen sind sich auch medizinische Gesellschaften wie der Europäische Urologen-Verband (EUA) bewusst. Doch auch die EUA Richtlinien müssen sich stets nach den Ergebnissen aktueller Studien richten. Daher wurde in den Leitlinien von 2015 keine Empfehlung für die Prophylaxe von Harnwegseffekten mit Hilfe von Cranberry-Produkten mehr ausgesprochen [8].

Unabhängige Studien?

Nachdem eine aktuellere Studie [7] positive Versuchsergebnisse zeigte, bleibt fraglich, wie die Leitlinien sich entwickeln werden. Jedoch ist diese Studie nicht unumstritten. Schließlich wurde die Studie durch Mittel eines der größten Cranberrysaftherstellers der Welt gesponsert. Weiter waren wissenschaftliche Mitarbeiter der Firma aktiv an der Studiendurchführung und Auswertung beteiligt. Daher sind die Ergebnisse fragwürdig: Über 39% der Harnwegsinfekte bei Frauen sollen durch den regelmäßigen Konsum von Cranberrysaft reduziert worden sein. Dies entspricht einer Effektzahl, die nicht einmal bei sehr effektiven Medikamenten zu finden ist [9].

Die Radikalen sind los – Cranberry als Antioxidans

Bei all den offenen Fragen zur Wirkung von Kranichbeeren bei Harnwegsinfekten bleibt die bereits wissenschaftlich erwiesene Wirkung der Wunderbeere als Antioxidans oft unbeachtet. Schließlich wurde erst vor kurzem die anti-oxidative Wirkung der in der Cranberry vorkommenden Substanzen im Darmkrebs-Zellmodell erfolgreich getestet. Dabei zeigte sich: Der Flavonoide enthaltende Cranberryextrakt löste an der Oberfläche der Krebszellen einen Prozess aus, der über die Reduktion entzündungsstimulierender Botenstoffe in der Zelle einen verringerten oxidativen Stress mit sich brachte [10].

Sekundäre Pflanzenstoffe

Die Cranberry reiht sich zu jenen pflanzlichen Lebensmitteln, die durch ihre Chemikalien den Körper vor oxidativen Stress schützen kann. Damit können Kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, Osteoporose, Neurodegenerativen Erkrankungen sowie Diabetes Mellitus vorbeugt werden [13]. Aber auch ohne Nutzen für die Gesundheit schmecken die Wunderbeeren sehr lecker. Einige Rezepte zum Backen und Kochen mit Cranberries sind hier zu finden.

Sekundäre Pflanzenstoffe („Phytochemikalien“)

Bis dato sind über tausend sogenannte Phytochemikalien bekannt. Dies sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. Jedoch werden diese im Gegensatz zu den primären nicht vom menschlichen Körper als Nährstoff genutzt, sondern üben eine pharmakologische Wirkung aus.

 

Besonders bekannt sind unter anderem das Carotinoid Lycopin der Tomate, die Isoflavone in Soya oder die Flavonoide in verschiedenen Fruchtarten. Diese Flavonoide gehören zu der uneinheitlichen Stoffklasse der Polyphenole. Übrigens ist der Phenolring dabei für die charakteristische Färbung verantwortlich. Daher verleihen Anthocyane oder Proanthocyanidine als Untergruppe der Flavonoide, Beeren oder Trauben ihre blauen, roten oder violetten Farbtöne [11]. Genauso ist das im grünen Tee enthaltene EGCG (Epogallatcatechin) ist ein Flavonoid, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut [12].

 

Referenzen

  1. Anja Schemionek, Cranberry: Die Powerfrucht für mehr Gesundheit. (2016) LebensBaum Verlag
  2. Chih-Hung Wang, MD; Cheng-Chung Fang, MD; Nai-Chuan Chen, MD; et al.; Cranberry-Containing Products for Prevention of Urinary Tract Infections in Susceptible PopulationsA Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials, (2012), Arch Intern Med. 2012;172(13):988-996.
  3. La VD., Labrecque J, Grenier D., Cytoprotective effect of proanthocyanidin-rich cranberry fraction against bacterial cell wall-mediated toxicity in macrophages and epithelial cells. (2009) Oct;23(10):1449-52
  4. Cibele Barbosa-Cesnik, Morton B. Brown, Miatta Buxton, Lixin Zhang, Joan DeBusscher, Betsy Foxman; Cranberry Juice Fails to Prevent Recurrent Urinary Tract Infection: Results From a Randomized Placebo-Controlled Trial. Clin Infect Dis 2011; 52 (1): 23-30.
  5. Jepson RG, Williams G, Craig JC.Cranberries for preventing urinary tract infections.Cochrane Database of Systematic Reviews (2012), Issue 10. Art. No.: CD001321
  6. Chih-Hung Wang, MD; Cheng-Chung Fang, MD; Nai-Chuan Chen, MD; et al.; Cranberry-Containing Products for Prevention of Urinary Tract Infections in Susceptible PopulationsA Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials, (2012), Arch Intern Med.; 172(13):988-996.
  7. Kevin C Maki, Kerrie L Kaspar, Christina Khoo, Linda H Derrig, Arianne L Schild, Kalpana Gupta, Consumption of a cranberry juice beverage lowered the number of clinical urinary tract infection episodes in women with a recent history of urinary tract infection. Am J Clin Nutr 2016;103:1434–42.
  8. Grabe (Chair), R. Bartoletti, T.E. Bjerklund Johansen, T. Cai , M. Çek, B. Köves , K.G. Naber, R.S. Pickard, P. Tenke, F. Wagenlehner, B. Wullt, Guidelines on Urological Infections. EAU Guidelines 2015.
  9. Blogeintrag (Zugriff 14.2.17 11:27) How juice companies game science to perpetuate the myth that cranberry prevents UTIs, Julia Belluz@juliaoftorontojulia.belluz@voxmedia.com Jun 17, 2016, 9:50am EDT
  10. Chen P. et al, Anti-inflammatory effects of phenolic-rich cranberry bean (Phaseolus vulgaris L.) extracts and enhanced cellular antioxidant enzyme activities in Caco-2 cells, Journal of Functional Food, online 12 February 2017
  11. Präsentation sekundäre Pflanzenstoffe, Nutrigenomics Universität Wien
  12. Hilal, Yumen; Untersuchungen über Polyphenole in weißen und grünen Tees. (2010) Cuvillier-Verlag
  13. Augustin Scalbert , Claudine Manach , Christine Morand , Christian Rémésy & Liliana Jiménez (2005) Dietary Polyphenols and the Prevention of Diseases, Critical Reviews in Food Science and Nutrition, 45:4, 287-306

 

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04.01.2017

bESSERwisser

Halten Süßstoffe wirklich schlank?

Stevia-Pflanze

Österreich is(s)t erstaunlich süß. Bei einer aktuellen Meinungsumfrage gaben 7 von 10 Österreichern an, zumindest gelegentlich Süßstoff zu verwenden – entweder direkt oder über fertige Produkte. So wird der Zuckerersatz etwa im Kaffee, in Süßspeisen oder Fertigprodukten konsumiert. 42% der Befragten sind der Meinung, dass Süßstoffe einen Beitrag zu einem gesunden Lebensstil leisten. Und obwohl viele der Teilnehmer künstliche Süße verwenden, mögen ihn die wenigsten. Zwei von drei an der Umfrage Beteiligten meinten, dass Süßstoffe ungesund seien, und ein Drittel von ihnen sagte dem künstlichen Saccharose-Ersatz gar eine krebserregende Wirkung nach [1]. Dennoch wird die künstliche Süße gerade als kalorienarme Alternative zu herkömmlichen Produkten gesehen. Das ist mit ein Grund dafür dass man im Supermarkt viele Produkte findet, die Süßstoffe beinhalten.

Aber stimmt es wirklich, dass sich Süßstoffe nicht so wie Zucker auf die Figur schlagen? Die bESSERwisser haben nachgeforscht.

Die beliebtesten Süßstoffe

Süßstoffe sind künstlich erzeugte oder natürliche Ersatzstoffe für Zucker, die einen erheblich höheren Süßgeschmack als dieser aufweisen. Sie besitzen eine 30-13.000-mal höhere Süßkraft als Saccharose und haben einen sehr geringen Brennwert. In der EU sind zurzeit 10 verschiedene Süßstoffe zugelassen. Die Bekanntesten sind Acesulfam (E 950), Aspartam (E 951), Saccharin (E 954), Sucralose (E955) und Steviosid (E 960) [2].

Acesulfam K

Acesulfam K ist im Vergleich zu Saccharose bis zu 200-mal süßer. Es ist hitze- und lagerbeständig und schmeckt ähnlich wie normaler Zucker. Verwendet wird der Süßstoff oft in Getränken, aber beispielsweise auch in Zahnpasten, da er keine Karies auslösende Wirkung hat. Acesulfam-K wird vom Körper unverändert wieder ausgeschieden und kann in Kläranlagen meist nicht vollständig abgebaut werden.

Aspartam

Aspartam hat eine ähnlich hohe Süßkraft wie Acesulfam K, hat einen leicht bitteren Geschmack und wirkt aromaverstärkend. Der Süßstoff ist nicht koch- und backfest. Aspartam wird für eine breite Reihe an Produkten, etwa Backwaren und Fertiggerichte, verwendet, und wird oft in Kombination mit Acesulfam K eingesetzt. Vor allem dieser Süßstoff gerät aufgrund seiner Bekanntheit oft in den kritischen Fokus der Öffentlichkeit.

Saccharin

Saccharin ist der älteste bekannte Süßstoff. Es ist hitze- und gefrierbeständig und hat einen bitteren Nachgeschmack. Sachharin ist bis zu 500-mal süßer als Zucker und verursacht kein Karies, weshalb es oft in Zahnpflegeprodukten verwendet wird. Der Zuckerersatzstoff wird vom Körper unverändert mit dem Urin wieder ausgeschieden.

Sucralose

Sucralose zeichnet sich vor allem durch seine hohe Stabilität und gute Wasserlöslichkeit aus und ist 600-mal süßer als Zucker. Die Sucralose wird vor allem als Tafelsüße in Pulver- und Tablettenform verwendet.

Steviosid

Steviosid, allgemeinhin als Stevia bekannt, ist eines der bekanntesten Süßungsmittel. Es wird fest, mit einer Konsistenz die Puderzucker ähnelt, oder flüssig verkauft. Die Süßkraft von Steviosid ist sehr variabel und schwankt in einem Bereich von 70 bis 300-facher Verstärkung im Vergleich zu Zucker. Der Ersatzstoff ist gut zum Kochen und Backen geeignet und verursacht kein Karies.

Süßstoffe als möglicher Auslöser von Diabetes?

Die bis vor kurzem vorherrschende Meinung war, dass künstliche Süßstoffe das Einhalten von Diäten erleichtern und Diabetes verhindern können. Eine israelische Studie kam nun aber zu einem gegenteiligen Ergebnis: In Versuchen an Mäusen fanden sie heraus, dass die Tiere, die mit Süßstoffen gefüttert wurden, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die mit herkömmlicher Saccharose ernährt wurden, eher an Gewicht zunahmen und ihr Blutzuckerspiegel anstieg [3].

Der Versuchsablauf im Experiment war folgender: Die Forscher versetzten das Wasser der Tiere über knapp drei Monate hinweg mit verschiedenen Süßstoffen. Daraufhin wurde ein oraler Glukosebelastungstest durchgeführt. Dieser ergab bei den mit Süßstoffen gefütterten Tieren einen erhöhten Anstieg der Glukosewerte im Vergleich zu den Kontrolltieren, deren Trinkwasser mit Glukose oder Saccharose versehen war. Die veränderte Glukoseintoleranz und die damit einhergehenden erhöhten Glukosewerte gelten als Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes Typ 2.

Da Süßstoffe nicht vom Darm resorbiert werden, gehen die Forscher favon aus, dass die bakterielle Darmflora eine Rolle spielt und für die erhöhten Glukosewerte mit verantwortlich ist. Um diese Theorie zu testen, bekamen die Versuchstiere daraufhin Antibiotika, um die Darmbakterien abzutöten. Eine durch Süßstoffe ausgelöste Glukoseintoleranz konnte so verhindert werden.

Die Forscher untersuchten auch die Daten von knapp 400 Teilnehmern des Personalized Nutrition Projects [4]. Diese Analysen ergaben, dass Probanden, die Süßstoffe nutzten, mehr wogen, einen höheren Blutzuckerspiegel hatten und ihre orale Glukosetoleranz im Vergleich zu Testpersonen, die normalen Zucker zu sich nahmen, gestört war. Auch hier wurde eine Veränderung der Darmflora der Probanden festgestellt. [5].

Der individuelle Mix an Darmbakterien ist somit ein wichtiger Faktor dafür, wie Lebensmittel wirken, so auch der Tenor der leitenden Forscher der Studie. Dies zeigt auch Die Wichtigkeit von personalisierter Medizin auf [3].

Gewichtszunahme durch Zuckerersatzstoffe

Eine US-amerikanische Studie untermauert die Erkenntnisse des israelischen Forscherteams: Wissenschaftler der Purdue University in Indiana fütterten Ratten mit Joghurt, das entweder mit herkömmlichem Zucker oder mit Saccharin gesüßt wurde. Die Ratten, die den künstlichen Zuckerersatz zu sich nahmen, legten mehr Gewicht zu als die Vergleichsgruppe. Zudem neigten sie schnell dazu, größere Mengen zu sich zu nehmen als die mit Zucker gefütterten Tiere. Die fehlenden Kalorien und die Entkopplung vom süßen Geschmack und Kalorienzufuhr führten dazu, dass die Ratten das Essen schlechter verwerteten und nach mehr verlangte. Die Süße signalisiert dem Körper normalerweise eine hohe Energiedichte, weshalb er seinen Stoffwechsel hochfährt. Durch das Zuführen der kalorienlosen Ersatzstoffe wird das Verdauungssystem durcheinander gebracht. Das führt wiederum dazu, dass der Körper bei richtigem Zucker seinen Stoffwechsel nicht mehr ausreichend aktiviert und die aufgenommenen Kalorien nicht in vollem Maße verbrannt werden können [6].

Fazit

Noch besteht Uneinigkeit, wie künstliche Saccharose-Ersatzstoffe wirken. In kleinen Mengen dürften die Süßungsmittel keine Probleme verursachen, in großen Dosen sind sie mit Bedacht zu genießen. Auf das Nutzen der Zuckerersatzstoffe zum Abnehmen sollte man lieber verzichten – und langfristig doch wieder auf den altbewährten Zucker setzen, aber eben in Maßen statt in Massen.

 

Referenzen

[1] Umfrage Österreich, Stand: 19.12.2016

[2] Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Stand: 19.12.2016

[3] Gut Bacteria, Artificial Sweeteners and Glucose Intolerance, Stand:  19.12.2016

[4] Personalized Nutrition Project, Stand: 19.12.2016

[5] Suez J., Korem T., Zeegi D. et al.: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Nature, 2014, 514:181-186, doi:10.1038/nature13793

[6] Swithers S., Baker C., Davidson T.: General and persistent effects of high-intensity sweeteners on body weight gain and caloric compensation in rats. Behavioral Neuroscience, 2009, Vol 123(4):772-780, http://dx.doi.org/10.1037/a0016139

 

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28.12.2016

bESSERwisser

Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion

Weickäse auf Teller

Damit Lebensmittel so schmecken, wie wir es kennen, sind oft kleine Helfer im Einsatz: Mikroorganismen. Diese werden heute standardmäßig für die Lebensmittelproduktion eingesetzt. Ohne die nützlichen Kleinstlebewesen wäre beispielsweise die Herstellung von Joghurt, Brot oder Käse gar nicht möglich. Die bESSERwisser haben recherchiert, welche Mikroorganismen zur Herstellung von Nahrungsmitteln verwendet werden, was sie können und wie sie unser Essen geschmacklich beeinflussen. Auch der Frage, was mit den Mikroorganismen aus der Nahrung in unserem Körper passiert, sind die bESSERwisser nachgegangen.

Kleine Lebewesen mit großem Nutzen

Unter dem Begriff Mikroorganismen wird eine sehr heterogene Gruppe an mikroskopisch kleinen Lebewesen zusammengefasst. Man kann Mikroorganismen, die häufig auch als Mikroben oder Kleinstlebewesen bezeichnet werden, in Einzeller und Mehrzeller unterteilen. Zu den einzelligen Mikroorganismen zählen Bakterien und Protozoen – das sind Einzeller, die im Gegensatz zu den kernlosen Bakterien einen echten Zellkern besitzen (z.B. Pantoffeltierchen). Auch Pilze und Algen, die aus wenigen Zellen bestehen, gehören zu den Mikroorganismen. Viren gehören streng genommen nicht zu den Mikroorganismen, werden aber trotzdem häufig dazugezählt. Was viele nicht wissen: Mikroorganismen machen insgesamt etwa 70 Prozent der gesamten Biomasse aus. Schätzungen gehen heute davon aus, dass unser Planet in etwa eine Billion mikrobieller Arten beherbergt [1].

Viele Mikroorganismen sind grundlegende Elemente von Nahrungsketten, da sie wichtige Stoffe produzieren. Kleinstlebewesen können aber auch organische Materie zu anorganischen Stoffen abbauen und somit in geochemischen Stoffkreisläufen eine wichtige Rolle spielen. Mikroorganismen werden teilweise gezielt gezüchtet und kommen für unterschiedlichste Anwendungen zum Einsatz. So etwa können Bakterien bei der Abwasserreinigung oder beim Abbau von Ölfilmen in Gewässern helfen oder zur Produktion von Arzneimitteln oder technisch nutzbaren Stoffen herangezogen werden. Und auch bei der Produktion von Nahrungsmitteln ist es heute Standard, sich verschiedenster Mikroorganismen zu bedienen.

Beispiele für Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion

Hefen

Hefen zählen zu den niederen Pilzen und vermehren sich durch Sprossung oder Spaltung. Diese Einzeller stellen die wichtigsten Mikroorganismen dar, die für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden. Ihre Fähigkeit,  bei der alkoholischen Gärung Zucker in Alkohol umzusetzen und Lebensmittel zu fermentieren, wird schon seit langer Zeit vom Menschen eingesetzt.

Alkoholische Gärung: Unter Gärung versteht man den Stoffwechselprozess, bei dem unter anaeroben Bedingungen – das heißt in Abwesenheit von Sauerstoff – Kohlenhydrate zum Energiegewinn abgebaut werden. Bei der alkoholischen Gärung der Hefen werden Kohlenhydrate, vor allem Glukose, zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid umgesetzt. Unter den richtigen Bedingungen wächst Hefe explosionsartig.

Hefe wurde beispielsweise bereits in der Antike zur Bierherstellung genutzt – damals allerdings unter weniger kontrollierten Bedingungen als heute. In der Natur sind Hefen als so genannte wilde Hefen zu finden, für die Lebensmittelproduktion werden jedoch Kulturhefen gezüchtet und eingesetzt. . Die von Hefe gebildeten Stoffwechselprodukte lassen beim Backen den Teig aufgehen und verhelfen Getränken zu ihrem Alkoholgehalt. Deshalb werden Hefen zum Beispiel bei der Produktion von Brot, Bier, Wein, und Spirituosen eingesetzt.

Schimmelpilze

Als Schimmelpilze wird eine sehr heterogene Gattung filamentöser Pilze bezeichnet. Auch wenn mit ihnen im ersten Augenblick oft verdorbenes Essen assoziiert wird, so gibt es auch Vertreter dieser Gattung, die für die Lebensmittelproduktion nutzbar sind und hier vor allem für Fermentationsprozesse eingesetzt werden. Bei der Herstellung von Roquefort oder Camembert beispielsweise werden Edelschimmelarten als Reifungsorganismen verwendet und verleihen dem Käse den typischen Geschmack, ohne dabei für den Menschen schädlich zu sein. Auch bei der Herstellung von Salami, Alkohol oder Zitronensäure werden Schimmelpilze eingesetzt. Aromastoffe oder Lebensmittelfarbstoffe aus Schimmelpilzen finden in der Lebensmittelindustrie ebenfalls Verwendung. Ein Beispiel dafür ist die Herstellung von rotem Reis.

Milchsäurebakterien

Die Milchsäurebakterien gehören einer bestimmten Gruppe von Bakterien an, die durch den Prozess der Milchsäuregärung Lebensmittel konservieren. Sie sind in der Natur weit verbreitet und sind auch im Verdauungstrakt des Menschen zu finden. Die Eigenschaften der Milchsäurebakterien macht sich  der Mensch schon seit vielen tausenden Jahren zunutze.

Milchsäuregärung: Bei der Milchsäuregärung werden Kohlenhydrate zu Milchsäure und Kohlendioxid abgebaut. Die Milchsäure verleiht den Lebensmitteln den charakteristischen säuerlichen Geschmack und macht sie länger haltbar, indem sie das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen verhindert.

Die von den Milchsäurebakterien produzierte Milchsäure bewirkt eine Verdickung von Milch und kommt bei der Herstellung von Joghurt, Buttermilch, Käse und anderen Milchprodukten zum Einsatz.  Milchsäurebakterien finden auch Verwendung bei der Weinerzeugung, bei der Herstellung von Sauerteig, Sauerkraut, sowie Kakao. Auch für probiotische Produkte, die unsere Darmflora unterstützen sollen, werden Milchsäurebakterien eingesetzt.

In der Lebensmittelproduktion kommt häufig eine Kombination mehrerer verschiedener Mikroorganismen zum Einsatz. So wird beispielsweise Essig durch die Vergärung von Wein durch Hefe und Essigsäurebakterien gewonnen.

Das Mikrobiom des Menschen

Früher war man der Meinung, dass der Mensch aus rund 10 Mal mehr Mikroben-Zellen als menschlichen Zellen besteht. Das Gesamtgewicht der Mikroorganismen im und auf dem Menschen wurde auf 0,5 bis 1 Kilogramm geschätzt [2]. Diese Ansicht wurde mittlerweile revidiert. Heute geht man davon aus, dass der menschliche Körper im Durchschnitt rund 30 Billionen Mikroorganismen beherbergt und aus etwa gleich vielen menschlichen Zellen besteht. Nach neuen Berechnungen trägt jeder Mensch in etwa 200 Gramm Mikroorganismen mit sich herum [3].

Als Mikrobiota wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet, die einen Menschen besiedelt, und als Mikrobiom die Gesamtheit aller ihrer Gene bzw. Genome. Jeder Mensch hat eine einzigartige Zusammensetzung an Mikroorganismen, die ihn besiedeln, und hinterlässt quasi seinen persönlichen „mikrobiotischen Fingerabdruck“ in seiner Umwelt.

Jeder Mensch hat eine einzigartige Zusammensetzung an Mikroorganismen, die ihn besiedeln, und hinterlässt quasi seinen persönlichen „mikrobiotischen Fingerabdruck“ in seiner Umwelt. Im Zusammenhang mit dem Menschen werden mit Mikroorganismen oft als erstes Krankheitserreger assoziiert. Die meisten Mikroben im und auf dem Menschen sind aber keine krankmachenden Keime, sondern üben wichtige Funktionen aus. So helfen Mikroorganismen unter anderem, Nahrungsmittel zu verwerten, giftige Stoffe abzubauen oder Oberflächen zu blockieren, um so die Besiedelung mit Krankheitserregern zu verhindern.

Mikroorganismen kommen auf verschiedensten Wegen auf und in unseren Körper: Sie werden durch Hautkontakt, durch Einatmen, aber auch über die Nahrung von uns aufgenommen. Welchen Mustern das Wachstum bestimmter Populationen dann im Körper folgt und wovon dieses beeinflusst wird, ist Gegenstand intensiver Forschung. Da Korrelationen zwischen bestimmten Krankheiten und der Zusammensetzungen von Mikroorganismen im Körper beobachtet werden konnten, ist die Untersuchung des menschlichen Mikrobioms ein vielversprechendes Forschungsfeld. In welchem Ausmaß die aktiven und inaktiven Mikroorganismen, die wir über die Nahrung zu uns nehmen, auch Einfluss auf Krankheit und Gesundheit haben, ist noch unklar. Und auch die Frage, ob man gezielt durch Nahrung bestimmten Krankheiten vorbeugen oder diese gar heilen kann, bleibt momentan noch offen.

Referenzen:

[1] Locey KJ and Lennon JT: Scaling laws predict global microbial diversity (2016). PNAS. 113:5970-5975

[2] Luckey, TD: Introduction to intestinal microecology (1972). Am. J. Clin. Nutr. 25, 1292-1294

[3] Sender R. et al.: Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body (20 16). PLoS Biol. Aug 19;1 4(8)

 

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14.12.2016

bESSERwisser

Weihnachtliche Gewürze: gut und gesund

Weihnachtliche Gewürze

Die Christkindlmärkte sind wieder geöffnet, die Maroni-Verkäufer stehen vor ihren Öfen, und Lebkuchen und Glühwein haben Saison. Sie ist wieder da – die Weihnachtszeit – und mit ihr der so charakteristische und eindrückliche Geruch nach Anis, Nelken, Vanille und Zimt.  Aber Gewürze sind nicht nur ein sinnliches Erlebnis, sie sorgen auch für unser Wohlbefinden, zum Beispiel durch ihre verdauungsfördernde Wirkung. Wussten Sie, dass die meisten Gewürze auch eine heilende Wirkung haben und in der Kräutermedizin eingesetzt werden? Die bESSERwisser haben für Sie Wissenswertes dazu zusammengefasst.

Anis mit und ohne Stern

Anis hilft bei Husten und gegen Blähungen, wirkt antibakteriell, krampf- und schleimlösend. Er kann allerdings auch allergische Reaktionen auslösen. Sternanis ist botanisch nicht mit dem Anis verwandt, ähnelt ihm aber geschmacklich und im Duft. Einer der Wirkstoffe des Sternanis, die Shikimisäure, ist die Grundlage für den Wirkstoff des bekannten Grippemittels Tamiflu. Kein Wunder, dass Sternanistee gegen Husten und andere grippalen Beschwerden eingesetzt wird.

Verschiedene Gewürze im Lebkuchen

Kardamom und Koriander werden bei uns eher mit der asiatischen Küche assoziiert, Koriander, Muskat und Piment werden eigentlich nicht mit  Süßspeisen in Verbindung gebracht. Sie sind dennoch gemeinsam mit Nelken und Zimt Bestandteil von Lebkuchengewürz. All diese Gewürze wirken verdauungsfördernd und sind gut für Magen und Darm. Koriander gilt zudem als krampflösend und antibakteriell. Der stimmungsaufhellende Muskat gehört zu den Gewürzdrogen, in höherer Dosierung (5-30 g) ist er giftig, kann sogar tödlich sein.

Die vielseitige Nelke

Die Gewürznelke ist nicht nur im Geruch sehr intensiv, sie wird dank ihrer ätherischen Öle auch in der Heilkunde eingesetzt. Da sie eine starke verdauungsfördernde Wirkung hat, ist sie Bestandteil vieler Magen-Darm Tees und Magenbitter und wird oft schwerverdaulichen Speisen zugesetzt. Nelken wirken auch antibakteriell, schmerzstillend und gegen Mundgeruch, deshalb werden sie in diversen Mund- und Zahnpflegeprodukten eingesetzt. Die starke antibakterielle Wirkung von Nelken wird derzeit intensiv beforscht, um sie für Medikamente nutzbar zu machen. [1]

Vanille für verliebte Naschkatzen

Vanille ist das wohl häufigste Gewürz in Süßspeisen. Allerdings ist nur ein kleiner Teil davon echte Vanille, meist kommt stattdessen industriell erzeugtes Vanillin zum Einsatz. Von der echten Vanille werden nur etwa 1000 Tonnen jährlich produziert, von Vanillin dagegen etwa 12.000 Tonnen. Vanille wird in der Heilkunde kaum eingesetzt, dafür umso mehr in der Kosmetik- und Parfümindustrie. Ihr wird eine beruhigende und stimmungsaufhellende Wirkung zugeschrieben. Wegen der chemischen Ähnlichkeit des Vanillins mit den Sexuallockstoffen des Menschen wird Vanille auch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt.

Zimt in Maßen genießen

Falls Sie Zimt nicht nur als Pulver, sondern auch in Form von Zimtstangen verwenden, sollten Sie diese einmal genauer betrachten. Ist die Rinde dünn, bröckelig und nur von einer Seite her eingerollt? Oder dick, hart und von beiden Seiten her eingerollt? Im ersteren Fall haben Sie sogenannten echten Zimt (Zimtbaum, cinnamomum verum, auch als Ceylon-Zimt bezeichnet) erstanden. Im Fall von dickem, hartem Zimt handelt es sich um Zimt von einer Zimtkassie (je nach Herkunftsregion unterteilt in weitere Arten wie cinnamomum cassia, cinnamomum burmani usw.). Für das Backen eignet sich der gröbere Cassia-Zimt besser, weil er weniger hitzeempfindlich ist. Wegen des höheren Kumarin-Gehaltes ist er allerdings in letzter Zeit umstritten. Kumarin kann, regelmäßig und in größeren Mengen genossen, bei empfindlichen Personen Leberschäden verursachen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat deshalb eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge von 0,1 mg Kumarin pro kg Körpergewicht und Tag abgeleitet, der mit auch mit den Ergebnissen der EFSA übereinstimmt [2].

Keine Angst vor Zimt

Muss man nun Angst vor Zimtsternen haben? Nein, wenn man nicht Unmengen davon isst. Probleme ergeben sich vor allem wegen der medizinischen Wirkung von Zimt: es scheint bei gesunden Menschen den Blutzucker zu senken und den Triglycerinspiegel zu reduzieren, was Essern von fett- und zuckerreichen Keksen gut tut. Bei Diabetes ist die Wirkung von Zimt noch umstritten, es wird jedenfalls eifrig zur Wirkung geforscht und publiziert. [3,4] Viele Betroffene nehmen dennoch bereits jetzt täglich Zimtkapseln ein. In solchen Fällen sollte wirklich in der Küche auf Ceylon-Zimt zurückgegriffen werden, um die Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten. Besonders Kleinkinder sollten nicht zu viel Zimtgebäck oder Zimt enthaltende Fertiggerichte bekommen, da sie die empfohlenen Grenzwerte rascher erreichen.

Achtung: Für Allergiker können weihnachtliche Gewürze auch zum Problem werden – nachzulesen in unserem Artikel Tipps und Tricks für Allergiker.

 

Referenzen

[1] Ajiboye TO, Mohammed AO, Bello SA et.al: Antibacterial activity of Syzygium aromaticum seed: Studies on oxidative stress biomarkers and membrane permeability.  Microb Pathog. 2016 Jun;95:208-15. DOI: 10.1016/j.micpath.2016.03.011

[2] Bundesinstitut für Risikoberwertung (BfR): Fragen und Antworten zu Cumarin in Zimt und anderen Lebensmitteln. (Zugriff am 13.12.2016)

[3] Costello RB, Dwyer JT, Saldanha L. et.al: Do Cinnamon Supplements Have a Role in Glycemic Control in Type 2 Diabetes? A Narrative Review.  J Acad Nutr Diet. 2016 Sep 8. S2212-2672(16)30899-1. DOI: 10.1016/j.jand.2016.07.015.

[4] Hariri M. Ghiasvand R.: Cinnamon and Chronic Diseases. Adv Exp Med Biol. 2016;929:1-24.  DOI: 10.1007/978-3-319-41342-6_1

 

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09.12.2016

bESSERwisser

Tipps und Tricks für Allergiker

Der Duft von Keksen liegt in der Luft, die Christkindlmärkte verströmen das verführerische Aroma von Zimt und Nelken. Für Allergiker ist Weihnachten jedoch mit Tücken verbunden: Welche Backzutaten sind besonders gefährlich? Und welche Alternativen gibt es?

Die wichtigsten Antworten für gefahrlosen Genuss in der Weihnachtszeit liefern die bESSERwisser gemeinsam mit der Allergieexpertin Ines Swoboda.

Die häufigsten Allergene

  • Erdnüsse stehen ganz oben auf der Liste der „Weihnachtsallergene“. Sie können für Allergiker schon in kleinsten Mengen extrem gefährlich werden und befinden sich traditionsgemäß in vielen Nikolaussackerln.
  • Auch Walnüsse, Haselnüsse und Mandeln, oft fixe Zutaten von Weihnachtsbäckerei, stellen ein Gesundheitsrisiko für Allergiker dar. Nüsse sind in versteckter Form auch in Marzipan, Krokant und Nougat enthalten.
  • Kuhmilch, Eier und Mehl werden für beinahe alle Kekse und süßen Weihnachtsleckereien verarbeitet. Dabei kann das im Weizen (und auch in anderen Getreidesorten) enthaltene Klebereiweiß Gluten nicht nur Allergien hervorrufen, auch Unverträglichkeiten können dadurch verursacht werden. Gluten ist auch der Auslöser für Zöliakie, eine Erkrankung der Magen-Darm-Schleimhaut.
  • Zimt, Anis, Kardamon, Gewürznelken und Koriander bergen eine nicht ganz offensichtliche Gefahr für Pollenallergiker. Bei ihnen kann durch diese weihnachtlichen Gewürze eine pollenassoziierte Nahrungemittelallergie im Sinne einer Kreuzreaktion hervorgerufen werden. Dazu kommt es, wenn der Körper in den Gewürzen Allergene erkennt, die eine ähnliche Struktur wie Pollenallergene aufweisen.
  • Übrigens ist auch bei Fisch und Krustentieren für Allergiker große Vorsicht geboten, denn schon kleinste Mengen dieser Allergenquellen können besonders schwere Symptome verursachen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur durch den Verzehr von Fischen und Krustentieren, sondern auch durch das Einatmen der beim Kochen entstehenden Dämpfe sowie durch den Hautkontakt mit Fischen und Krustentieren eine Vielfalt klinischer Symptome ausgelöst werden kann. Fischallergien sind in unseren Breiten nicht sehr verbreitet. In Ländern, in denen häufiger frischer Fisch konsumiert wird, gibt es deutlich mehr Betroffene.

Alternativen für Allergiker

Damit auch Allergiker in der Weihnachtszeit nicht auf den Genuss verzichten müssen, sind eine genaue Planung des Festessens und das Nachfragen bei Einladungen wichtig. Auch bei offen verkauften Leckereien – wie etwa auf dem Weihnachtsmarkt – sollten Betroffene vorsichtig sein.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, greift am besten selbst zu Nudelwalker und Kochlöffel und weiß somit genau, was verarbeitet wird. Beim Kochen und Backen gibt es allerhand Tricks, um auch ohne allergene Zutaten auszukommen.

Zu allergenen Backzutaten gibt es folgende Alternativen

  • Statt Kuhmilch kann Wasser, Soja- oder Reismilch verwendet werden.
  • Eier können durch eine Kombination aus Wasser, Öl, Mehl und Backpulver, aber auch durch Bananen ersetzt werden. Safran gibt übrigens auch eilosen Backwaren eine schöne gelbe Farbe.
  • Um ohne Gluten auszukommen, können glutenfreie Mehlsorten wie beispielsweise Mais-, Soja-, Buchweizen-, Hafer-, Hirse-und Leinsamenmehl sowie Amaranth verwendet werden.
  • Haselnüsse und Erdnüsse können durch Kokosraspeln, Sesam oder Amaranth ersetzt werden.
  • Persipan ist ein Ersatz für Marzipan und enthält statt der Mandeln zerkleinerte Marillen- und Pfirsichkerne.

Ein Viertel der Bevölkerung betroffen

Allergien sind heute weit verbreitet, und die Tendenz, an dieser „Volkskrankheit“ zu erkranken, ist steigend. In den Industrieländern ist bereits jede vierte Person von einer Allergie betroffen, und alleine unter Nahrungsmittelallergien leiden acht Prozent der Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen.

Doch warum kommt es zu einer Allergie und wie lässt sich die Zunahme an Allergien erklären? Grundsätzlich muss eine genetische Prädisposition vorliegen, damit es zu einer allergischen Erkrankung kommen kann. Für die beobachtete Zunahme an Allergien gibt es verschiedene Erklärungen.

Einerseits haben sich die Möglichkeiten der Diagnose stark verbessert, und das Bewusstsein in der Bevölkerung für diese Krankheit ist gestiegen. Doch das allein ist nicht der Grund für die steigende Zahl an Allergikern. Die in Industrieländern herrschenden hohen Hygienestandards dürften zu einer mangelnden Stimulierung und damit zu einer „Unterforderung“ des Immunsystems führen („Hygiene-Hypothese“).

Dieses reagiert dann bei Kontakt mit harmlosen Stoffen zu heftig, und es kommt zu allergischen Reaktionen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Umweltverschmutzung ihren Teil zur starken Zunahme der Allergien beiträgt. Die Forschung ist aktuell bemüht, die molekularen Grundlagen allergischer Reaktionen weiter aufzuklären, die Diagnostik zu verbessern und entsprechende Therapien zu entwickeln.

Überreaktion des Immunsystems

Bei Allergikern lösen per se unschädliche Substanzen, die als Allergene bezeichnet werden, eine Aktivierung von Immunzellen aus. Dadurch kommt es zur Bildung einer speziellen Art von Abwehrstoffen, den IgE-Antikörpern, welche Mastzellen dazu veranlassen, Histamin und andere Botenstoffe freizusetzen. Krankheitserscheinungen wie eine laufende Nase, Niesreiz, tränende Augen, juckende Haut und bei Nahrungsmittelallergien auch Übelkeit, Durchfall, Blähungen und Erbrechen sind die Folge. Im schlimmsten Fall kann es zum lebensbedrohenden anaphylaktischen Schock kommen.

Kinder und Erwachsene sind von Allergien unterschiedlich betroffen. So etwa sind Nüsse, Obst, Gemüse und Gewürze die häufigsten Quellen von Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen. Bei Kindern hingegen sind Milch, Eier, Sojabohnen und Weizen für die meisten Fälle allergischer Reaktionen verantwortlich. Allergien, die in der Kindheit auftreten, können sich auch wieder „auswachsen“, das heißt im Lauf der Zeit abklingen.

Kennzeichnungspflicht für Allergene

Mit Ende 2014 kam es zum verpflichtenden Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung zur Allergenkennzeichnung: War zuvor bereits die Angabe von Allergenen in abgepackten Lebensmitteln vorgeschrieben, so müssen seither auch allergene Zutaten in offen verkauften Speisen angegeben werden. Diese Neuerung hat Allergikern den Genuss von Speisen in Restaurants und bei Buffets, aber auch auf Weihnachtsmärkten erleichtert und auch das Thema Nahrungsmittelallergien verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt.

Obwohl die Symptome bei Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten gleich sein können, handelt es sich dabei um zwei grundlegend verschiedene Prozesse. So ist bei einer allergischen Reaktion stets das Immunsystem beteiligt, und es kommt zu einer fehlgeleiteten Entzündungsreaktion im Körper. Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit wird Nahrung nicht bzw. nur unzureichend zerkleinert und abgebaut, und das führt zu Beschwerden. Nur der Arzt kann hier die richtige Diagnose stellen.

Bei den Lebensmitteln, die Allergien und Unverträglichkeiten verursachen, gibt es viele Überschneidungen. Mit unseren Tipps zum allergenfreien Kochen und Backen wird Weihnachten sowohl für Allergiker als auch für Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten hoffentlich ein kulinarisches Fest.

 

Dieser Artikel ist auch auf ORF Science nachzulesen.

Mehr zum Thema Nahrungsmittelallergien in unserem Blog-Beitrag Ines Swoboda: Fleisch- und Fischallergien im Fokus.

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01.12.2016

bESSERwisser

Warum haben wir im Winter Lust auf Fettiges?

Während wir im Sommer zu leichten Gerichten greifen, essen wir im Winter umso lieber herzhaft und kalorienreich. Ob Kartoffelpuffer, Fondue, Martini-Gans oder Weihnachtsbäckerei – je fetter, desto besser. Doch warum beginnen die meisten Menschen bei den sinkenden Temperaturen, einen steigenden Appetit für deftiges Essen zu entwickeln?

Genetisch bedingter Appetit auf fettiges Essen

Englische Forscher haben eine Verbindung zwischen dem Gen Galanin und der Lust auf fettiges Essen entdeckt.

Galanin ist ein Neuropeptid, das vor allem im peripheren und im Zentralnervensystem auftritt [1]. Neuropeptide sind Peptide (Moleküle aus mehreren Aminosäuren), die im Nervengewebe vorkommen und als Botenstoffe dienen.
Die biologische Wirkung von Galanin im menschlichen Organismus ist sehr vielfältig. Im zentralen Nervensystem ist Galanin an der Regulierung der Freisetzung verschiedener Neurotransmitter beteiligt. Galanin ist möglicherweise auch in verschiedene neurologische Prozesse, wie die Hemmung epileptischer Anfälle, involviert. Im peripheren Nervensystem beeinflusst das Neuropeptid die Bewegungsabläufe des Magen-Darm-Trakts. Außerdem kann Galanin auf das Hormonsystem einwirken [2].

In Versuchen mit Nagetieren konnten Wissenschaftler beobachten, dass ein erhöhtes Vorkommen von Galanin die Lust auf fettreiches Essen und Alkohol ansteigen lässt [3]. Bei Europäern ist das Galanin-Gen besonders stark ausgeprägt, weshalb sie öfter zu fettigem Essen und Alkohol greifen. Das Entstehen erhöhter Genaktivität von Galanin lässt sich auf unsere Vorfahren zurückführen, die noch als Nomaden durch das Land zogen und in Höhlen lebten. Damals war Nahrung mit einem hohen Fettgehalt vor allem im Winter wichtig für das Überleben. Asiaten haben hingegen ein weniger aktives Galanin-Gen, weshalb grundsätzlich weniger Verlangen nach deftigem Essen besteht. Sie passen ihre Ernährungsgewohnheiten allerdings stark an das europäische Pendant an, wenn sie über längere Zeit damit in Berührung kommen [2].

Die Lust auf fettige Speisen könnte dementsprechend im Westen durch die höhere Aktivität des Galanin-Gens größer sein, das allein dürfte aber nicht der einzige ausschlaggebende Faktor sein.

Fettes gegen Winterdepression

Ein weiterer Auslöser für das Verlangen nach fetten Gerichten kann die saisonal-affektive Störung, umgangssprachlich als „Winterdepression“ bezeichnet, sein. Diese beschreibt eine von der Jahreszeit abhängige, depressive Phase, die hauptsächlich in den Wintermonaten auftritt. Die Symptome umfassen etwa eine längere Schlafdauer, eine gedrückte Stimmung sowie einen verstärkten Appetit [4]. In der Fachliteratur wurde schon mehrmals beschrieben, dass das Verlangen nach fetthaltigem Essen eine Begleiterscheinung der Winterdepression ist. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die stimmungsaufhellende Wirkung vom Zuführen fettiger oder auch süßer Speisen [5]. Es ist dennoch empfehlenswert, langfristig nicht nur auf stark fett-und zuckerhaltige Gerichte zu setzen.

Ur-Impulse und kulinarische Erinnerungen

Andere Erklärungen für den Heißhunger auf Fettes stehen in Zusammenhang mit unseren Urimpulsen, einen Vorrat für die kalten Monate anzulegen. So etwa hängt die gesteigerte Kalorienaufnahme laut Prof. Ira Ockene, Professor an der Medical School der Universität in Massachusetts, USA, mit den kürzer werdenden Tagen zusammen. Die Sonnenstunden werden weniger, und damit einhergehend ist man tagsüber weniger Licht ausgesetzt [6]. Diese Veränderung der Umwelt führt dazu, dass der Mensch in kürzerer Zeit mehr Nahrung finden und konsumieren muss, so Ockene. Der amerikanische Forscher stellte in einer Studie fest, dass die Teilnehmer im Herbst und Winter knapp 90 Kalorien pro Tag mehr zu sich nahmen als in den Sommermonaten [7]. Im selben Zeitraum sinkt der Level an sportlicher Betätigung auf ein Minimum ab. Eine mögliche Erklärung ist der höhere Energieaufwand, um eine Körpertemperatur von 37°C zu halten – weshalb mehr Kalorien verbraucht werden, die dem Körper auch zugeführt werden müssen.

Ein weiterer Faktor, der die Lust auf fettiges Essen im Winter steigern kann, ist die kulinarische Erinnerung. Wenn man etwa von der Großmutter eigens gebackene Kekse bekommt, die man seit der Kindheit kennt, haben diese aufgrund der emotionalen Verbindung einen höheren Stellenwert und werden schmackhafter wahrgenommen. Dementsprechend spielt in der kalten Jahreszeit nicht nur der Futtersammel-Instinkt eine Rolle, es spielen auch Erinnerungen eine Rolle, die man mit gewissen Speisen verbindet [6].

Fazit der bESSERwisser:

Warum wir in der kalten Jahreszeit größeren Appetit auf fette Gerichte entwickeln, ist nicht nur auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen. Es sind verschiedene Komponenten dabei involviert.

Verraten Sie uns doch in den Kommentaren, welche Erfahrungen Sie dazu haben. Welcher Theorie stimmen Sie zu beziehungsweise wie können Sie sich das kulinarische Phänomen vom Heißhunger auf Fettes in den Wintermonaten erklären?

 

Referenzen:

[1] Davidson S., Lear M., Shanley L. et al: Differential Activity by Polymorphic Variants of a Remote Enhancer that Supports Galanin Expression in the Hypothalamus and Amygdala: Implications for Obesity, Depression and Alocoholism. Neuropyschopharmacology, 2011, 36, 2211.2221, doi: 10.1038/npp.2011.93
[2] Crawley JN: The role of galanin in feeding behavior, PubMed, 1999, 33(5), 369-75, doi: 10.1054/npep.1999.0049
[3]http://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/galanin/4466, Website abgerufen am: 17.11.2016
[4] Westrin A, ‚Raymond WL: Seasonal Affective Disorder: A Clinical Update. Annals of Clinical Psychiatry. 2007, Volume 19, 239-246
[5] Christensen, L.: The effect of food intake on mood. Clinical Nutrition, 2001, Volume 20, Supplement 1, Pages 61–166. doi: 10.1054/clnu.2001.0420
[6] http://www.npr.org/2011/12/19/143938954/winter-munchies-do-we-eat-more-in-colder-months, Website abgerufen am: 01.12.2016
[7] Y Ma, B C Olendzki, W Li, AR Hafner et al.: Seasonal variation in food intake, physical activity, and body weight in a predominantly overweight population, European Journal of Clincal Nutrition, 2006, 60, 519-528. Doi: 10.1038/sj.ejcn.1602346

 

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05.09.2016

bESSERwisser

Ines Swoboda zu Lebensmittelallergien: Fleischallergien und Fischallergien

Allergieforscherin Ines Swoboda in ihrem Labor

In Österreich litt im Jahr 2007 bereits jede fünfte Person an einer Allergie [1]. Heute ist mit noch mehr Allergikern und Allergikerinnen zu rechnen, denn die Zahl der Allergie-Erkrankungen steigt weltweit. Die bESSERwisser trafen die Wiener Allergieforscherin Ines Swoboda, die einen besonderen Aspekt von Lebensmittelallergien untersucht: Fleisch- und Fischallergien. Eine Zusammenfassung des Gesprächs mit der passionierten Wissenschaftlerin.

Interview mit Ines Swoboda

bESSERwisser: Frau Swoboda, woran arbeiten Sie aktuell mit ihrer Forschungsgruppe an der FH Campus Wien?

Swoboda: Wir beschäftigen uns momentan mit zwei ganz großen Themen: Mit Fleisch- und Fischallergien. Wir arbeiten aber auch an respiratorischen Epithelzellen – mit dem Ziel, Allergien, die den Atmungsapparat betreffen, besser zu verstehen. Und vor kurzem haben wir ein sehr spannendes neues Projekt gestartet, das sich mit Schimmelpilzallergien befasst.

bESSERwisser: Zum Thema Lebensmittelallergien: Welche Aspekte der Fleisch- und Fischallergien erforschen Sie mit Ihrem Team?

Swoboda: Über Fleischallergien ist noch relativ wenig bekannt. Man weiß allerdings, dass Patienten entweder auf Säugetierfleisch (rotes Fleisch) oder auf Geflügelfleisch (weißes Fleisch) allergisch sind. Uns ist es vor kurzem gelungen, erste Moleküle aus Geflügelfleisch zu identifizieren, die eine Allergie gegen Geflügelfleisch auslösen können – da schreiben wir gerade eine Publikation dazu. Über Fischallergien weiß man schon mehr. Hier wollen wir einerseits neue Allergene – das sind Substanzen, die Allergien verursachen können – identifizieren, andererseits wollen wir an einer Verbesserung der Immuntherapie mitwirken. Durch das Verwenden modifizierter Einzelallergene statt Extrakten könnte die Immuntherapie in Zukunft spezifischer und starke Nebenwirkungen vermieden werden.

bESSERwisser: Das klingt nach einem sehr umfangreichen Forschungsrahmen. Was ist für Sie eigentlich das Spannende am Thema Allergie?

Swoboda: Ich mag das wissenschaftliche Arbeiten und die Grundlagenforschung an und für sich. Mir ist es allerdings auch wichtig, ein Fernziel zu verfolgen, das Nutzen bringt. Unsere Forschungsergebnisse sollen auf lange Sicht den Allergikern und Allergikerinnen helfen. Ich möchte mit meinem Team einen Beitrag dazu leisten, die Diagnose und die Behandlungsmöglichkeiten von Allergien zu verbessern.

bESSERwisser: Man hört von vielen Seiten, dass die Tendenz, an einer Allergie zu erkranken, steigt. Stimmt das?

Swoboda: Dass es immer mehr Allergien gibt, lässt sich durch zahlreiche Studien belegen (zusammengefasst in [2]). Es gibt natürlich den Aspekt, dass früher  die Möglichkeiten einer verlässlichen Diagnose noch nicht gegeben waren und deswegen weniger Allergien registriert wurden. Aber auch seit Einsatz einer verbesserten Allergie-Diagnose wurde ein weiterer Anstieg dieser Erkrankung verzeichnet.

bESSERwisser: Was ist die Ursache für den Anstieg der Allergie-Erkrankungen?

Swoboda: Man geht dabei von einer Multikomponentenursache aus, es sind also mehrere Faktoren daran beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt sicher die genetische Veranlagung, aber es gibt noch weit mehr Faktoren, von denen angenommen wird, dass sie die Entstehung von allergischen Erkrankungen begünstigen können, So zum  Beispiel die steigende Umweltverschmutzung und veränderte Lebensgewohnheiten. Auch vermehrte Hygienemaßnahmen scheinen laut Hygienetheorie das Auftreten von Allergien zu begünstigen. Diese Theorie besagt,, dass früher das Immunsystem des Menschen durch die Notwendigkeit, unterschiedlichste Pathogene abzuwehren, viel mehr gefordert war. Heutzutage ist aufgrund der verbesserten Hygienebedingungen unser Immunsystem teilweise „unterfordert“ und sozusagen nicht in Übung. So kann es auf harmlose Stoffe überreagieren. Aus diesem Grund nehmen auch Autoimmunerkrankungen zu. Ein weiterer Punkt ist auch, dass die Nahrung, die wir heute zu uns nehmen, nicht mehr der „natürlichen Nahrung“ entspricht. Durchschnittsbürger von heute konsumieren Junk Food und eine wahre Bombe an E-Nummern in diversen Nahrungsmitteln. Die Nahrung ist künstlich, und auch die Art der Verarbeitung und Aufbereitung für den Handel ist heute anders. Dass dies auch zu Allergien führen kann, ist allerdings noch nicht bewiesen, das ist bis jetzt reine Vermutung.

bESSERwisser: Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden oft in einem Atemzug genannt, sind aber grundlegend verschieden. Wo liegt der große Unterschied?

Swoboda: Obwohl die Symptome wie Jucken im Mund, Hautrötungen oder Magen-Darm-Beschwerden durchaus ähnlich sein können, muss man klar zwischen Allergien und einer Nahrungsmittel­unverträglichkeit unterscheiden. An einer allergischen Reaktion ist immer das Immunsystem beteiligt. Es sind Antikörper der IgE-Klasse involviert, und der Botenstoff Histamin wird ausgeschüttet. Erst ab dem Zweit- bzw. Folgekontakt kommt es zur Reaktion auf die Allergenquelle, vorher findet die sogenannte Sensibilisierung statt – der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit hingegen laufen keine immunlogischen Prozesse im Körper ab. Es ist meist zu wenig eines bestimmten Enzyms vorhanden – wie zum Beispiel bei der Laktose- oder Fruktoseintoleranz – und Nahrungsmittel können nicht gut verarbeitet und in kleinere Teile gespalten werden. Bei einer Unverträglichkeit gibt es keine Sensibilisierungsphase, eine Reaktion kann schon beim Erstkontakt erfolgen. Es gibt auch noch die Zöliakie. Diese Erkrankung, bei der es im Extremfall zum Abbau der Darmzotten kommen kann, ist ein Spezialfall und stellt eine Unverträglichkeit auf Gluten mit immunologischer Basis dar.

bESSERwisser: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft aus? Werden Allergien zurückgehen, können sie einmal vollständig geheilt werden?

Swoboda: Eines ist sicher: In Zukunft werden immer bessere Möglichkeiten  zur Diagnose von Allergien zur Verfügung stehen. Es wird auch bessere Mittel für Therapien geben. Eine komplette Vermeidung von Allergien ist trotz verbesserter Diagnose aber teilweise nicht möglich. Bei Nahrungsmitteln kann man bei vorliegender Diagnose versuchen, diese nicht mehr zu sich zu nehmen, bei Pollen und Hausstaubmilben aber beispielsweise lässt sich der Kontakt oft nicht vermeiden.

bESSERwisser: Was ist Ihre Prognose für zukünftige Trends und Entwicklungen? Geht alles wieder zurück zum Natürlichen, werden wir unsere Produkte wieder vom Bauern beziehen?

Ausstattung im Labor von Ines Swoboda

Bild: Ausstattung im Labor von Ines Swoboda (Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog)

Swoboda: Hier wage ich es nicht, Prognosen abzugeben. Es wäre schon möglich, dass Landwirte als direkte Lieferanten für die Endverbraucher wieder wichtiger werden. Teilweise werden mit den Produkten vom Bauernhof auch Endotoxine – das sind Zerfallsprodukte von Bakterien – mitgeliefert, die das Immunsystem stimulieren und trainieren. Es gibt Hinweise darauf, dass es bei natürlichen Produkten zu weniger Allergien kommt, das ist aber alles im Moment noch zu wenig belegt.

Zur Person

Univ. Doz. Dr. Ines Swoboda ist als Allergieforscherin in Wien tätig und untersucht mit ihrem Team die Mechanismen von Fleisch- und Fischallergien sowie allergische Reaktionen des Atmungsapparates. Die promovierte Biologin studierte in Wien, absolvierte einen Forschungsaufenthalt an der University of Melbourne (Australien) und war mehr als 10 Jahre lang an der Medizinischen Universität Wien tätig, wo sie sich auch habilitierte. Seit September 2011 leitet sie eine eigene Forschungsgruppe an der Fachhochschule Campus Wien, Fachbereich Biotechnologie. Ihre Forschungsprojekte werden aktuell von der Stadt Wien (MA 23), dem FWF und der FFG finanziert.

Ines Swoboda ist neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit auch in der Öffentlichkeitsarbeit sehr aktiv. So nahm sie unter anderem schon am Wiener Forschungsfest, dem Junior Science Club, dem Science Day und der Langen Nacht der Forschung  teil, um mit Besuchern zu diskutieren und wirkte auch bei der Entwicklung einer Allergie-Station für eine interaktive Wanderausstellung des Science Center Netzwerks mit. Aktuell bereitet sie sich auf zwei weitere Öffentlichkeitsprojekte – eine Lehrerfortbildung und ein Projekt zum Thema Ernährung – vor. Sie ist auch als Expertin unterstützend für Open Science tätig.

Mehr Information zu Ines Swoboda und Ihrer Forschung unter:

https://www.fh-campuswien.ac.at/content/personen/ines-swoboda-univdoz-dr.html

 

Referenzen

[1]: Dorner T., Lawrence K., Rieder A. und Kunze M.: Österreichischer Allergiebericht. In: Verein Altern mit Zukunft, Juni 2006.

[2]: Pawankar R, Canonica GW, ST Holgate ST, Lockey RF, Blaiss M. The WAO White Book on Allergy (Update. 2013)

Ausgewählte Publikationen von Ines Swoboda

Swoboda I, Kühn A. Fischallergie – neue Ansätze zur Verbesserung von Diagnose und Therapie. In Allergien durch tierische Lebewesen. Stiller D (ed) Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Oberhaching, Germany, pp 17-32.

Swoboda, I., Bugajska-Schretter, A., Linhart, B., Verdino, P., Keller, W., Schulmeister, U., Sperr, W.R., Valent, P., Peltre, G., Quirce, S., Douladiris, N., Papadopoulos, N.G., Valenta, R. and Spitzauer, S. (2007). A recombinant hypoallergenic parvalbumin mutant for immunotherapy of IgE-mediated fish allergy. Journal of Immunology, 178(10), 6290-6296.

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18.08.2016

bESSERwisser

Suppen von „Suppito“: Haltbar ohne Konservierungsstoffe

Suppito Produkte im Kühlregal

Es gibt viele Ernährungstrends. Manche kommen, manche gehen. Und einige bleiben. So war es vor längerer Zeit die asiatische Küche mit ihren vielseitigen Curries, die in Österreich Fuß fasste. Wenig später kam der Boom der Juice Bars, der sich auch halten konnte. Seit einigen Jahren ist auch das Suppenessen bei uns wieder in Mode gekommen. Mitverantwortlich dafür ist in Wien sicherlich auch Andrea Scholdan, die mit Suppito im Jahr 2007 die erste Wiener Suppenmanufaktur im sechsten Bezirk eröffnete. Die bESSERwisser haben Andrea Scholdan im Suppito getroffen und sie zu ihrem gewagten Jobwechsel, ihren Produkten und ihrer Konservierungsmethode befragt. Hier ein kurzer Bericht darüber.

Koch im Suppito

Bild: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog, CC BY-NC-SA

Aroma-Feuerwerk und gute Stimmung

Beim Betreten des kleinen Gassenlokals ist gleich einmal eines im wahrsten Sinne des Wortes „atemberaubend“: der betörende Duft. Zuerst sind die verschiedenen Nuancen noch schwierig einzuordnen, aber nach und nach lässt sich zumindest eine Curry-Mischung aus der Vielfalt der Duftaromen erkennen. Am großen Herd stehen zwei Köche, die gut gelaunt nebeneinander Gemüse schneiden. Es wird gerade Tom Ka Gai, eine thailändische Hühner-Kokossuppe, zubereitet. Die Stimmung ist gut, alles wirkt sehr entspannt. Eine Mitarbeiterin schwirrt herum, und schon ist auch Frau Scholdan da und begrüßt uns herzlich. Unser erster Eindruck ist positiv: eine Frau, die nur so vor Energie sprüht, mit ihren MitarbeiterInnen scherzt und gerne lacht. Wir nehmen im Suppito Platz und plaudern mit Frau Scholdan.

Suppe, Sugos und Süßes vom Feinsten

40.000 Liter Suppe und Eintöpfe pro Jahr kocht Andrea Scholdan mit ihren Köchen. Sie bietet Suppen, Sugos und Süßes zum Abholen oder mit Lieferservice an. „Für all jene, die selbst keine Zeit zum Kochen haben“, wie sie sagt. Alle Gerichte werden nach der 5-Elemente- Lehre mit heimischen und überwiegend biologischen Zutaten zubereitet, sind laktose- und glutenfrei und enthalten keine Konservierungsstoffe. Der Erfolg gibt der Medizinerin, die ihre Berufung zum Kochen erst in der zweiten Lebenshälfte entdeckt hat, recht: Die Manufaktur gibt es seit fast 10 Jahren und erfreut sich großer Beliebtheit.

Gewürzregal im Suppito

Bild: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog, CC BY-NC-SA

Zum Kochen im großen Stil gelangte Scholdan über Umwege. Ursprünglich hatte sie Medizin studiert und war als Fachärztin für Urologin tätig. Bis zu dem Zeitpunkt, als starke Magen-Darm-Probleme sie zum Umdenken zwangen. Sie setzte sich verstärkt mit der 5-Elemente-Ernährungslehre der Traditionellen Chinesischen Medizin auseinander, denn „so konnte es einfach nicht weitergehen“. Die darauf folgende Ernährungsumstellung, bei der warm gekochte Speisen die zentrale Rolle spielen, brachte rasch Genesung. Andrea Scholdan war dadurch so begeistert, dass sie die Medizin an den Nagel hing und sich zur 5 Elemente-Ernährungsberaterin ausbilden ließ. Dadurch motiviert, begann sie Freunde und Familie nach dieser Lehre zu bekochen. Weitere Erfahrung sammelte sie in den Küchen der Starköchinnen Lisl Wagner-Bacher und Kim Sohyi, bevor sie sich im Jahr 2007 mit einer Freundin selbständig machte und das „Suppito“ eröffnete.

Suppito Verkaufsraum

Bild: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog, CC BY-NC-SA

Kochen nach der 5-Elemente-Lehre

Bei dieser Ernährungsform spielen die 5 Elemente der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) eine wichtige Rolle. Diese stehen für verschiedene Geschmäcker:  Holzelement (sauer), Feuerelement (bitter), Erdelement (süß), Metallelement (scharf) und Wasserelement (salzig). Jedes Nahrungsmittel hat bestimmte geschmackliche, thermische und energetische Eigenschaften, die für bestimmte  Organe im Körper wichtig sind und einem der fünf Elemente zugeordnet werden. Entsprechend der Jahreszeit und körperlichen Verfassung sollte man täglich Speisen aus allen 5 Elementen zu sich nehmen. Um alle Elemente abzudecken, kommen in die Suppen von „Suppito“ oft Ingwer, Algen, Zitronenschale und -saft mit hinein. Auch Yin und Yang spielen eine wichtige Rolle denn durch die richtige Auswahl der Zutaten können Hitze oder Kälte im Körper ausgeglichen werden. Auch die richtige Kombination an belebenden oder beruhigenden Zutaten kann Gesundheit und Wohlbefinden fördern.

Die Grundprodukte sollten möglichst frisch, regional und saisonal sein. Generell sollte möglichst alles gekocht werden und Rohkost nur in der warmen Jahreszeit  und in kleinen Mengen gegessen werden. Viele Gewürze und frische Kräuter werden verwendet, Tiefkühlkost, Mikrowelle und industriell behandelte Lebensmittel jedoch vermieden. Und: „Es ist wichtig, mit Ruhe und Liebe zu kochen und mit Genuss zu essen“, so Scholdan.

Für die bessere Bekömmlichkeit sollte man zum Beispiel Folgendes beachten: Getreide und Hülsenfrüchte immer waschen und in kaltem Wasser einweichen. Hülsenfrüchte immer ohne Deckel kochen, den Schaum abschöpfen. Das Kochwasser immer weggießen. Reis wird in einem Topf so lange gewaschen, bis er nicht mehr schäumt.

Suppito Gläser im Wasserbad

Gläser im Wasserbad, Bild: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog, CC BY-NC-SA

Was für uns überraschend war: Die gute alte Hühnersuppe, bei uns die Wunderwaffe gegen grippale Infekte und Verkühlungen, ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin während dieser Krankheit verpönt. Dort heißt es nämlich, dass diese Kraftsuppe auch Bakterien und Viren stärkt, weshalb sie im Krankheitsfall nicht empfohlen wird. Perfekt ist sie als Vorbeugung oder nach der Krankheit als Kräftigungsmittel.

Konservieren ohne Chemie

Die Haltbarkeit der Suppen und Gerichte von Suppito beträgt 4 Wochen bei basischen Gerichten. Pikantes und Saures ist sogar bis zu 15 Wochen und länger haltbar. Und all das ohne jeglichen Zusatz von chemischen Konservierungsstoffen. Die Suppen und Sugos werden kochend heiß in saubere Schraubgläser abgefüllt, mit Deckel verschlossen und rasch im kalten Wasserbad abgekühlt.  Anschließend kommen die Gläser sofort in den Kühlschrank.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Es gibt physikalische, thermische, chemische und biologische Konservierungsverfahren, die alle verhindern oder verzögern sollen, dass Lebensmittel verderben.

  • Zu den physikalischen Methoden zählen salzen, trocknen, zuckern, tiefkühlen, kühlen, vakuumieren, Druckbehandlung und mechanisches Entfernen vom Mikroorganismen.
  • Thermisch kann man Lebensmittel durch Kochen (Inaktivieren produkteigener Enzyme), Pasteurisieren (Abtöten von Keimen, aber nicht von Sporen bei 70°C bis 100°C) und Sterilisieren (Abtöten von Keimen und Sporen bei über 100°C) haltbar machen.
  • Bei der chemischen Konservierung kommen chemische Konservierungsstoffe zum Einsatz, die als Zusatz in der Nahrung Mikroorganismen abtöten oder deren Wachstum verhindern.
  • Biologisches Konservieren macht sich erwünschte Mikroorganismen zunutze (Milchsäuregärung, alkoholische Gärung). Durch deren Wachstum wird die Ausbreitung anderer, unerwünschter Mikroorganismen verhindert.

Wenn Lebensmittel verderben, ist dies auf die Wirkung von Mikroorganismen – Bakterien und Pilzen – zurückzuführen. Diese zersetzen Lebensmittel oft bis zur Ungenießbarkeit. Bei falscher Herstellung oder Lagerung können sich teilweise Keime in Lebensmitteln vermehren, die für Mensch und Tier gefährlich sind. Folgende Mikroorganismen stellen ein Gesundheitsrisiko für Verbraucher – vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen – dar und sind als Ursache lebensmittelbedingter Erkrankungen bekannt: Salmonellen, Campylobacter, EHEC (krankheitsauslösende Stämme des Darmbakteriums E.Coli), Staphylokokken, Listerien, Clostridien, Shigellen und Schimmelpilze.

Es gibt aber auch Mikroorganismen, die bei der Lebensmittelproduktion bewusst zum Einsatz kommen und die die Gesundheit nicht schädigen. So werden beispielsweise Milchsäurebakterien zur Herstellung von Joghurt und Hefe Teig sowie bestimmte Schimmelpilze zur Erzeugung von Schimmelkäse verwendet.

Referenz

Tschäpe H.: Lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten durch Bakterien (2000). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz: 43:758–769

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