Kann Obst ungesund sein?

Obst

Bild: Pixabay, CCO

Obst gilt als gesunde, leichte Nahrung, die den Körper nicht belastet. Vor allem jetzt im Sommer verlocken bunte Früchte, die süß und köstlich schmecken. Aber ist Obst wirklich so gesund? Nimmt man damit nicht zu viel (Frucht) Zucker auf, wie manche Ärzte warnen? Und wie sieht es mit der Pestizidbelastung aus? Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Fruktose, der Zucker im Obst

Zucker sollte nur in Maßen genossen werden, soviel ist bekannt. 2015 gab die WHO diesbezüglich eine Empfehlung aus: Ein durchschnittlicher Erwachsener sollte pro Tag nicht mehr als zehn Teelöffel Zucker – das entspricht etwa 50 Gramm – zu sich nehmen, um Gewichtszunahme und Karies vorzubeugen. Noch besser wäre laut WHO ein täglicher Zuckerkonsum von maximal fünf Teelöffeln.[1] Sich daran zu halten ist schwierig, da die Industrie Zucker gerne andere Namen gibt. Hinter Bezeichnungen wie Glukose, Saccharose, Maltose oder Dextrose verbirgt sich nichts Anderes als Zucker. Auch Fruktose (Fruchtzucker), die in Obst natürlich vorkommt, ist eine bestimmte Zuckerart.[2]

„Zucker“ im Überblick

Rein wissenschaftlich gesehen handelt es sich bei den Zuckern um eine bestimmte Gruppe organischer Verbindungen, die sogenannten niedermolekularen Kohlenhydrate. Je nach Anzahl der einzelnen aneinandergereihten Bausteine (Saccharide) unterscheidet man Einfachzucker (Monosaccharide), Zweifachzucker (Disaccharide) und Mehrfachzucker (Oligo- und Polysaccharide).[3] Bei der im allgemeinen Sprachgebrauch als Zucker bezeichneten Saccharose, dem Kristallzucker, handelt es sich um einen Vertreter der Zweifachzucker.

Zu den Monosacchariden zählt zum Beispiel Glukose (Traubenzucker, Dextrose), die in Obst, Gemüse und Honig vorkommt. Dieser Zucker gelangt vom Darm direkt in die Blutbahn und dient dem Körper als schnellster Energielieferant. Fruktose (Fruchtzucker) ist in Früchten enthalten und wird in der Leber zu Glukose umgewandelt. Galaktose ist Bestandteil der Laktose und ist hauptsächlich in Milch und Milchprodukten zu finden. Bei Tagatose handelt es sich um einen Einfachzucker, der erst kürzlich seine Zulassung in der EU bekommen hat. Dieser wird aus Galaktose industriell hergestellt, kommt aber auch natürlich in Milchprodukten vor. Tagatose wird nur zu etwa 20 Prozent vom Dünndarm aufgenommen, hat einen geringeren Brennwert als Glukose und wird in erster Linie in Diätnahrung eingesetzt. [4]

 

Zu den Disacchariden rechnet man Maltose, die aus zwei Glukosemolekülen besteht. Im menschlichen Körper entsteht dieser Zucker bei der Verdauung stärkehaltiger Speisen, kann aber auch künstlich hergestellt werden. Aufgrund seines karamellartigen Geschmacks wird Maltose gerne für Backwaren verwendet. Laktose besteht aus Glukose und Galaktose und kommt hauptsächlich in Milch und Milchprodukten vor. Saccharose (Haushaltszucker, Kristallzucker, Rübenzucker, Rohrzucker) wird entweder direkt zum Süßen verwendet oder Lebensmitteln zugesetzt. Dieses Disaccharid wird aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnen und besteht zur einen Hälfte aus Glukose und zur anderen aus Fruktose.

 

Polysaccharide (Vielfachzucker) schmecken weniger süß. Zu ihnen zählen Stärke, Glykogen, Pektin, Chitin, Kallose und Zellulose. Polysaccharide dienen als Ballaststoffe, Reservestoffe und Nährstoffe. Man findet sie zum Beispiel in Getreidekörnern oder Kartoffeln. [5]

Unterschiedlicher Fruchtzuckergehalt in Früchten

Der Fruktosegehalt in Früchten ist generell relativ gering, kann jedoch je nach Obstsorte stark schwanken. Hier ein kleiner Überblick – angegeben sind immer Durchschnittswerte für Fruktose (Fruchtzucker) pro 100 Gramm Früchten für das jeweilige Obst: Datteln (31 Gramm), Kaki (acht Gramm), Weintrauben (sieben Gramm), Äpfel, Kirschen (sechs Gramm), Orangen, Bananen (drei Gramm), Wassermelone (fünf Gramm), Zitrone (ein Gramm), Papaya, Rhabarber (weniger als 0,5 Gramm).

Um die empfohlene Maximalmenge von 50 Gramm Zucker pro Tag durch den Konsum von Früchten zu überschreiten, müsste man ungewöhnlich große Mengen an Früchten verzehren. Um in einen gesundheitlich bedenklichen Bereich zu gelangen, müsste man beispielsweise eine große Wassermelone oder sechs mittelgroße Äpfel auf einmal verzehren. Ab dieser Menge käme man auf etwa 50 Gramm Fruchtzucker, was Dünndarm und Leber stark belasten kann. [6] Seriöse Beweisstudien, die besagen, dass ab dieser Menge Obst als ungesund eingestuft wird und schädlich wirkt, fehlen allerdings.

Industrielle Fruktose: Beliebt in der Lebensmittelproduktion

Fruktose kommt natürlich in Früchten vor, kann aber auch künstlich gewonnen werden. So wird beispielsweise aus Maisstärke ein spezieller Fruktose-Sirup hergestellt, der unter dem Namen High-Fructose-Corn-Syrup (HFCS) als hochkonzentrierte, industriell hergestellte Fruktose auf den Markt kommt. Seine Süßkraft ist um ein Vielfaches höher als die des Rübenzuckers. Die Lebensmittelindustrie nutzt gerne die Vorteile des synthetischen Fruchtzuckers: Er kristallisiert nicht und behält eine geschmeidige Konsistenz. So etwa bräunt mit Fruktose versetztes Gebäck gleichmäßiger, und bei Tiefkühlkost bilden sich keine Eiskristalle. Trotz dieser Vorteile kann es hier für den Endverbraucher problematisch werden, denn unbewusst werden oft große Mengen von HFCS aufgenommen. Ein mit HFCS gesüßter Fertigsmoothie enthält beispielsweise bis zu 40 Gramm Fruchtzucker pro Liter, was einer kleinen Wassermelone entspricht.

Zu viel Fruchtzucker kann krank machen

Da Fruktose nur über die Leber verstoffwechselt werden kann, belasten größere Mengen ab etwa 50 Gramm dieses Organ. Überschüssige Fruktose wird ins Blut abgegeben, wodurch Cholesterin- und Blutfettwerte steigen. Der Zucker wird in weiterer Folge im Körper als Fett eingelagert. Dauerhafter Konsum von großen Mengen an Fruchtzucker kann deshalb zu Übergewicht führen, und das Risiko einer Fettleber steigt. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Adipositas oder Gicht können mögliche Folgen sein. Es gibt einige Studien, die einen Zusammenhang vom Verzehr von Fruchtzucker und diesen Krankheiten belegen. Allerdings konnte darin nicht eindeutig bestätigt werden, dass der Fruchtzucker alleine verantwortlich für die gesundheitlichen Probleme ist. [7, 8]

Verdauen mit Bauchweh

Der Konsum von Fruktose in größeren Mengen kann jedoch auch aus einem anderen Grund unangenehm werden, denn zu viel davon kann in manchen Fällen Verdauungsbeschwerden verursachen. Dies lässt sich so erklären: Vom Körper aufgenommene Fruktose gelangt zunächst in den Dünndarm. Handelt es sich dabei um große Mengen, die den Dünndarm überfordern, kann dieser nicht die gesamte Menge an Fruchtzucker verwerten. Fruktose gelangt so in weiterer Folge auch in den Dickdarm, und die Darmflora ändert sich. Bakterien im Dickdarm nehmen große Fruktosemengen als Anlass, um sich übermäßig zu vermehren und produzieren dabei Säuren und Gase. Viele Menschen spüren das in Form von Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. Die Toleranzschwelle ist hier von Mensch zu Mensch recht unterschiedlich. Bei starker Ausprägung spricht man von Fruktoseunverträglichkeit, die beim Arzt getestet werden kann. [9]

Fruchtzucker in Getränken

Obst enthält neben Fruchtzucker auch Ballaststoffe. Da diese im Verdauungstrakt aufgespalten werden müssen, wird Fruktose nach dem Verzehr von Früchten langsam abgebaut. Die Aufnahme des Fruchtzuckers ins Blut wird verzögert, und der Blutzuckerspiegel steigt nur langsam an. Ballaststoffe, wie beispielsweise Pektin, binden außerdem Wasser und quellen im Magen auf. Dadurch wird die Magenentleerung verzögert, und das Sättigungsgefühl hält länger an.

Konsumiert man anstatt von Früchten den daraus gewonnenen Fruchtsaft, verhält es sich anders: Fruchtsäfte ohne zugesetzte Ballaststoffe lassen den Blutzuckerspiegel schneller ansteigen, und man verspürt nach deren Genuss schneller wieder Hunger. Da das Sättigungsgefühl aufgrund der fehlenden Ballaststoffe nicht so rasch einsetzt, trink man bei Fruchtsäften auch schnell größere Mengen, als man in Form von Früchten zu sich nehmen würde. Es macht für den Körper also einen großen Unterschied, in welcher Form man Obst zu sich nimmt.

Fruchtgetränke im Überblick

Im Handel findet man unterschiedliche Bezeichnungen von Fruchtgetränken [10]: Unter Fruchtsaft versteht man ein flüssiges Erzeugnis aus Früchten, bei dem der Fruchtgehalt 100 Prozent betragen muss. Man unterscheidet zwischen Direktsaft und Fruchtsaft aus Konzentrat, wobei beim Konzentrat der Fruchtsaft im Herkunftsland konzentriert und im Zielland rückverdünnt wird. Ein Fruchtsaft aus Orangen enthält beispielsweise etwa 40, Apfelsaft sogar bis zu 68 Gramm Fruktose pro Liter. Bei Fruchtnektar ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestgehalt an Fruchtsaft oder Fruchtmark je nach Fruchtart verschieden. Bei Mango muss dieser beispielsweise 25 Prozent, bei Nektar aus Pfirsich 50 Prozent betragen. Fruchtnektar darf bis zu 20 Prozent des Gesamtgewichts an Zucker oder Honig zugesetzt werden. Frischsaft ist zu 100 Prozent frisch gepresster Saft aus Früchten.

Fruchtsaftgetränke zählen zu den Erfrischungsgetränken und enthalten nur geringe Mengen an Fruchtsaft. Bei Zitrusfrüchten sind es beispielsweise sechs Prozent, bei Trauben oder Kernobst 30 Prozent. Zucker und Aromastoffe dürfen ebenfalls beigefügt werden. Bei Smoothies wird die ganze Frucht, manchmal sogar mit Schale, verarbeitet. Als Basis dienen Fruchtmark oder Fruchtpüree, die mit Wasser, Milchprodukten oder Pflanzenmilch vermengt werden, um eine cremige Konsistenz zu erhalten. Smoothies schmecken gut und vermitteln noch dazu das Gefühl, etwas Gutes für den Körper zu tun. Allerdings kann der Genuss eines Smoothies schnell mit großen Mengen an Fruchtzucker zu Buche schlagen: So etwa enthält ein Smoothie aus drei Äpfeln, zwei Orangen, einer Banane und 100 Gramm Erdbeeren rund 40 Gramm Fruktose – damit wäre das Fruktosekonto für diesen Tag dann auch schon beinahe voll.

Pestizide – die gefürchtete Chemie im Obst

Seit der Einführung des Glyphosatverbots in Österreich im Juli sind Konsumenten für das Thema Pestizide besonders sensibilisiert, und Berichterstattungen über Schadstoffe in Lebensmitteln erwecken großes Interesse. Eine Behandlung mit Pestiziden sieht man dem Obst nicht an, und man schmeckt sie auch nicht, daher sind diese Stoffe oft gefürchtet. Im Durchschnitt wird konventionelles Obst – vom kleinen Pflänzchen bis zur reifen Frucht – bis zu 53 Mal gespritzt, bevor es in die Supermarktregale gelangt. [11] In Europa sind aktuell etwa 290 verschiedene Substanzen zugelassen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, und konventionell wirtschaftende Landwirte kommen kaum ohne Pestizide aus. Bei Kritik verweisen Landwirte und Supermärkte meist auf Grenzwertbestimmungen, die in Österreich selten überschritten werden. Allerdings gelten die Grenzwerte für einzelne Pestizide, und nicht für die Gesamtbelastung aller eingesetzten Spritzmittel. Der gesamte Schadstoffcocktail, der sich durch das Spritzen insgesamt ergibt, kann sich in manchen Fällen sehr wohl auf die Gesundheit auswirken.

Studien zu Pestizidbelastungen

Eine 2015 durchgeführte Studie aus den USA [12] zeigte, dass die männliche Spermienzahl und der Anteil an morphologisch normalen Spermien geringer werden, wenn Obst mit hohen Pestizidbelastungen konsumiert wird. Eine 2017 erschienene dänische Langzeitstudie untersuchte, wie sich Pestizidrückstände verschiedener Substanzen in Lebensmitteln langfristig auswirken. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Auswirkungen unbedeutend für die Gesundheit wären. [13]

Ende 2018 zeigte ein Stichproben-Test der Arbeiterkammer Wien, dass 88 Prozent des getesteten Obstes Rückstände von Schadstoffen beinhaltete. Allerdings lagen alle Werte für einzelne Pestizide unter dem gesetzlichen Grenzwert. Addiert ergab die Gesamtmenge an Schadstoffen auf eine Frucht aber eine hohe Belastung. Hilfreicher wäre es somit, den Konsumenten die Gesamtbelastung durch alle Schadstoffe im Obst offenzulegen, um gesundheitliche Folgen besser abschätzen zu können. [11] Eine Erhebung von Global 2000 im Jahr 2015 ergab, dass biologisch angebautes Obst kaum bis keine Pestizidbelastungen aufweist. [14]

Fazit

Eine gesunde, ausgewogene Ernährung sollte unbedingt Obst beinhalten. Wer normale Mengen an Früchten isst, tut seinem Körper etwas Gutes und riskiert weder Bauchschmerzen noch andere gesundheitliche Beschwerden – vorausgesetzt, es liegt keine Unverträglichkeit vor. Beim Konsum fertiger Getränke aus Früchten heißt es jedoch schon vorsichtiger sein: Über Fruchtsäfte, Smoothies und Co können schnell große Mengen an Fruchtzucker aufgenommen werden. Hier sollte man darauf achten, unter den empfohlenen Maximalwerten für Fruktose zu bleiben, um Beschwerden zu vermeiden. Und wer Angst vor Pestizidbelastungen hat und hier auf Nummer sicher gehen möchte, wählt am besten Biofrüchte, denn Biologisch angebautes Obst darf keine naturfremden Pestizide enthalten. [15, 16, 17]

Quellen:

Abgerufen am 1.8.2019

¹ AGES: Guideline:Sugars intake for adults and children (2015)

² Deutsche Verbraucherzentrale, Lebensmittelklarheit: Zucker hat viele Namen

³ Lifeline, das Gesundheitsportal: Glucose plus Fructose gleich Saccharose: Zuckerarten im Überblick

⁴ Science Direct: Tagatose

⁵ Science direct: Polysaccharides

⁶ Stanhope Kl: Sugar consumption, metabolic disease and obesity: The state of the controversy (2016). Crit Rev Clin Lab Sci. 2016;53(1):52-67.

⁷ Chiu S, Sievenpiper JL, de Souza RJ et al.: Effect of fructose on markers of non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD): a systematic review and meta-analysis of controlled feeding trials (2014). Eur J Clin Nutr. 2014 Apr;68(4):416-23

⁸ Sievenpiper JL, de Souza RJ, Mirrahimi A. et al.: Effect of fructose on body weight in controlled feeding trials: a systematic review and meta-analysis (2012). Ann Intern Med. 2012 Feb 21;156(4): 291-304.

⁹ Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Fruktoseintoleranz

¹⁰ Rechtsinformationssystem des Bundes: Fruchtsaftverordnung

¹¹ Arbeiterkammer Wien: Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln bei Obst und Gemüse aus Wiener Supermärkten und Märkten (2018).

¹² Chiu Y., Afeiche M., Gaskins A., et al.: Fruit and vegetable intake and their pesticide residues in relation to semen quality among men from a fertility clinic (2015). Hum Reprod. 2015 Jun; 30(6): 1342–1351.
Published online 2015 Mar 30.

¹³ Larsson M., Nielsen V., Bjerre N., et al.: Refined assessment and perspectives on the cumulative risk resulting from the dietary exposure to pesticide residues in the Danish population (2018). Food and Chemical Toxicology, Volume 111, January 2018, Pages 207-267.

¹⁴ Global 2000: Bio vs. konventionell (2015)

¹⁵ Global 2000: Pestizide

¹⁶ Bio Austria: Bio-Rechtsvorschriften

¹⁷ Kommunkationsplattform Verbrauchergesundheit: Veröffentlichungen zur biologischen Produktion (2019)

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