Können Viren durch Lebensmittel übertragen werden?

Obst und Gemüse im Supermarkt

Bild: Pixabay, CCO

Wie groß ist die Gefahr einer Übertragung von Viren durch Lebensmittel? Vor allem jetzt in der Corona-Zeit verursacht diese Frage bei vielen große Unsicherheit. Ob man sich durch offenes Gemüse aus dem Supermarkt mit SARS-CoV-2 infizieren kann und wie hoch das Risiko bei Essensbestellungen oder beim Essen im Restaurant ist, haben die bESSERwisser recherchiert.

Viren

Bei Viren handelt es sich laut Definition um infektiöse, organische Strukturen, die sich außerhalb von Zellen zwar verbreiten, sich ohne geeignete Wirtszellen aber nicht vermehren können. Es gibt Viren ohne Membranhülle (nackte Viren) und solche, die mit einer Lipid-Doppelmembran umhüllt sind. Die Hülle verleiht einem Virus generell bessere Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen. Das erklärt, warum es sich bei den neu auftretenden Viren der letzten großen Pandemien immer um behüllte Viren handelte (HI-Virus, Influenzavirus, Ebolavirus, SARS-assoziiertes Coronavirus).

Das Vorhandensein einer Hülle macht Viren jedoch auch angreifbarer: Die Hülle wird beim Händewaschen durch die in Waschmitteln und Seife enthaltenen Tenside zerstört. Dadurch wird das Genom des Virus freigelegt, welches so nicht mehr infektiös ist. Noch detailliertere Informationen zu Viren gibt es nachzulesen in „Viren: Freunde oder Feinde des Menschen?“ von Open Science.

Übertragung von Viren

Unterschiedliche Viren haben unterschiedliche Wege der Übertragung von einem infizierten auf einen gesunden Menschen. Manche Viren werden vor allem sexuell übertragen (HIV, Hepatitis B), andere fäkal-oral, z.B. über verschmutztes Wasser (Noroviren, Hepatitis A), und wieder andere über die Atemwege durch Tröpfcheninfektion (Coronaviren, Influenzaviren).

SARS-CoV-2 wird hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Niesen oder Husten abgesondert werden, ausgeschieden. Über Nase, Mund oder Augen kann das Virus in einen neuen Wirt eindringen und dessen Atemwege infizieren. Nachdem Nahrung auch über den Mund aufgenommen wird, fragen sich viele, ob die Gefahr besteht, sich über Nahrungsmittel beim Essen anzustecken. Bis heute gibt es keinen bestätigten Fall, in dem SARS-CoV-2 über Nahrungsmittel oder deren Verpackung übertragen wurde.

Stabilität von Coronaviren

Es gibt einige Studien zur Stabilität von Coronaviren und Empfehlungen zum Umgang mit Nahrungsmitteln. Generell sind Coronaviren unter Laborbedingungen bei niedrigen Temperaturen recht stabil, aber sehr hitzeempfindlich.

  • Hitze und Kälte: Eine neue Studie zeigt, dass SARS-CoV-2 bei 4°C selbst nach 14 Tagen noch nachzuweisen ist, bei 70°C hingegen lag die Zeit bis zur Inaktivierung bei nur 5 Minuten [1].
  • In der Luft: In Aerosolen (feinen Tröpchen), über die Coronaviren üblicherweise übertragen werden, sind sie bis zu 3 Stunden lang infektiös [2].
  • Auf Oberflächen: Viele Studien untersuchen zurzeit auch die Haltbarkeit der Viren auf Alltagsgegenständen. Auch wenn Ergebnisse leicht variieren, kamen bislang alle Studien zum Schluss, dass Coronaviren auf weichen Materialien wie Papier nur einige Stunden haltbar sind. Auf Plastik, Glas oder Edelstahl hingegen konnten sie auch nach einigen Tagen noch nachgewiesen werden [1,2,3]. Desinfektionsmittel, vor allem jene mit 60-70% Ethanol, 0,5% Wasserstoffperoxid oder 0,1% Natriumhypochlorit, können die Coronaviren aber binnen einer Minute eliminieren [3].

In all den angeführten Studien wurden die Viren unter optimalen Laborbedingungen gezüchtet und nachgewiesen. Wie weit diese Ergebnisse auf Alltagssituationen übertragbar sind, in denen auch Faktoren wie UV-Licht, Trockenheit und Detergenzien auf die Viren einwirken, wurde nicht untersucht. Auch die virale Dosis von SARS-CoV-2 – also die Menge an Viren, die nötig ist, um eine Person zu infizieren – ist aktuell noch nicht bekannt.

Übertragungsarten von SARS-CoV-2

Um einen neuen Wirt zu infizieren, muss eine ausreichende Zahl infektiöser SARS-CoV-2 Viruspartikel auf dessen Atemwege treffen. Viren, die sich auf Oberflächen befinden, können sich nicht von selbst von dort fortbewegen. Coronaviren können nur durch direkte Übertragung in einen neuen Wirt gelangen. Dies kann beispielsweise über die  Hand einer Person, die gerade in frische Tröpfchen gegriffen hat und sich danach direkt an den Mund oder die Nase greift, erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion auf diesem Weg halten Experten aber für gering, als wahrscheinlichste Übertragungsart gilt die Tröpfcheninfektion [4].

Empfehlungen zum Umgang mit Nahrungsmitteln

Aus der Erfahrung mit Ausbrüchen von verwandten Coronaviren  wie SARS und MERS Coronaviren, die nicht über Lebensmittel übertragen wurden, schließen Wissenschaftler, dass sich auch SARS-CoV-2 nicht anders verhält [5]. Die allgemeinen Hygieneregeln zum Umgang und Verarbeitung von Lebensmitteln sollten aber auf jeden Fall eingehalten werden.

Die WHO empfiehlt generell, vor dem Kontakt mit Lebensmitteln zuerst die Hände mit Seife zu waschen. So werden schon einmal mögliche Keime auf den Händen des Koches oder der Köchin inaktiviert und werden nicht auf das Essen übertragen. Erst danach sollen frische Lebensmittel gewaschen und verarbeitet werden. Von der Desinfektion von Lebensmitteln wird abgeraten, da dies zu Allergien führen könnte. Auch eine Übertragung von Coronaviren durch fertig zubereitete Speisen ist sehr unwahrscheinlich. Wichtig ist aber, bei der Abholung oder Lieferung Abstand zu anderen Personen zu halten und sich auch danach gründlich die Hände zu waschen [6].

Andere virale Infektionen durch Lebensmittel

Auch wenn dies auf SARS-CoV-2 nicht zutrifft, können Lebensmittel durchaus andere krankmachende Viren übertragen. Die häufigsten viralen Lebensmittelinfektionen werden durch Noroviren und Hepatitis A Viren verursacht. Noroviren sind hoch infektiös, schon wenige Viruspartikel können eine Magen-Darm-Grippe auslösen. Oft sind die Verläufe aber nur leicht oder asymptomatisch. Hepatitis A verursacht ebenfalls Magen-Darm-Beschwerden, kann aber auch Fieber und eine Leberentzündung zur Folge haben. Diese für Lebensmittelinfektionen typische Viren werden vor allem fäkal-oral übertragen, meistens durch infizierte Menschen in der Verarbeitungskette von Lebensmitteln. Aber auch bei der Düngung oder Bewässerung mit verschmutztem Wasser können Nahrungsmittel in Kontakt mit Noroviren kommen. Die größte Gefahr der Ansteckung ist bei Meeresfrüchten, frischem Blattgemüse und Früchten, die nicht gekocht werden [7].

Virale Infektionen durch Lebensmittel werden aufgrund ihres oft milden Verlaufs häufig nicht erkannt. Verunreinigte Speisen, die in großem Maßstab zubereitet werden, können aber auch zu großen Krankheitsausbrüchen führen. Im Herbst 2012 erkrankten beispielsweise 11.000 Menschen in fünf deutschen Bundesländern an Brechdurchfällen infolge von Norovirus-Infektionen. Als Ursache konnten Tiefkühl-Erdbeeren einer bestimmten Charge identifiziert werden, die an Großküchen ausgeliefert worden waren [8].

Um das Risiko von lebensmittelbedingten Infektionen zu minimieren, ist die Einhaltung von Hygienestandards in der Landwirtschaft und nahrungsmittelverarbeitenden Betrieben unerlässlich. Im Zweifelsfall ist das Kochen von Lebensmitteln vor dem Verzehr die beste Strategie, um virale Erreger abzutöten.

Fazit

Generell können Viren durch Nahrungsmittel übertragen werden. Noroviren und Hepatitis A Viren sind die häufigsten Auslöser viraler Nahrungsmittelinfektionen. Im Fall des derzeit grassierenden Coronavirus, SARS-CoV-2, ist die Übertragung durch Lebensmittel aber sehr unwahrscheinlich. Übliche Hygienemaßnahmen sollten aber trotzdem unbedingt eingehalten werden. In diesem Sinne: Vor dem Essen – und Kochen – Händewaschen nicht vergessen!

[1] Chin AWH, Chu JTS, Perera MRA et al.: Stability of SARS-CoV-2 in different environmental conditions (2020). The Lancet Microbe. DOI: 10.1016/S2666-5247(20)30003-3.

[2] van Doremalen N., Bushmaker T., Morris DH et al.: Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as Compared with SARS-CoV-1 (2020). The New England journal of medicine 382 (16), S. 1564–1567. DOI: 10.1056/NEJMc2004973.

[3] Kampf G., Todt, D., Pfaender S. and Steinmann E.: Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents (2020). The Journal of hospital infection 104 (3), S. 246–251. DOI: 10.1016/j.jhin.2020.01.022.

[4] Bundesinstitut für Risikobewertung: https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html, abgerufen: 28.04.2020

[5] EFSA: Coronavirus: keine Anhaltspunkte, dass Lebensmittel eine Quelle für eine Infektion oder ein Übertragungsweg sind, abgerufen: 28.04.2020

[6] Lebensmittelverband Deutschland, abgerufen: 28.04.2020

[7] Bosch A., Gkogka E., Le Guyader FS et al.: Foodborne viruses. Detection, risk assessment, and control options in food processing (2018). International journal of food microbiology 285, S. 110–128. DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.06.001.

[8] Bundesinstitut für Risikobewertung: Norovirus-Ausbruch 2012, abgerufen: 28.04.2020

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