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Suchergebnisse für "darmmikrobiom"

20.04.2020

bESSERwisser

Darmmikrobiom: Warum wir Mikroorganismen im Verdauungstrakt brauchen

Darmmikrobiom unter Lupe

Unser Körper ist Lebensraum für eine Vielzahl von Bakterien und anderen Mikroorganismen. Vor allem jene kleinen Mitbewohner, die sich in unserem Darm ansiedeln, sind an unserem Wohlbefinden maßgeblich beteiligt. Wer von Bauchbeschwerden verschont bleiben und gleichzeitig seine Immunabwehr unterstützen will, sollte sein Darmmikrobiom hegen und pflegen. Die bESSERwisser haben recherchiert, wie das funktioniert und was es mit Probiotika und Präbiotika auf sich hat.

Das menschliche Mikrobiom

Der menschliche Körper ist von der Haut über die Atemwege bis zum Verdauungstrakt dicht mit Mikroorganismen besiedelt. Der größte Teil des menschlichen Mikrobioms – darunter versteht man die Gesamtheit der Mikroorganismen, die mit dem Menschen assoziiert sind – ist im Darm angesiedelt und auch als Darmflora oder Darmmikrobiota bekannt. Schon bei der Geburt beginnen Mikroorganismen aus dem Geburtskanal der Mutter den Darm eines Babys zu besiedeln. Im Laufe des Lebens versorgen uns Muttermilch, Ernährung und unsere Umgebung permanent mit Mikroorganismen, die sich auf und in unserem Körper ansiedeln.

Den Hauptteil des menschlichen Mikrobioms machen Bakterien aus. Aber auch Archaeen, Pilze und Viren sind Teil des Mikrobioms, das in komplexer Interaktion mit dem Körper steht. Lange Zeit wurde in der Wissenschaft die Ansicht vertreten, dass im menschlichen Körper zehnmal mehr Mikroben-Zellen als menschliche Zellen zu finden sind und diese ein bis zwei Kilogramm des Körpergewichts ausmachen [1]. Neue Berechnungen haben jedoch ergeben, dass im menschlichen Körper gleich viele Mikroorganismenzellen wie Körperzellen vorkommen Man weiß heute auch, dass das Mikrobiom nicht mehr als 200 Gramm des Körpergewichts ausmacht [2].

Mikroskopisches Leben im Verdauungstrakt

Die saure Umgebung des Magens und Dünndarms erlaubt es nur wenigen Bakterienspezies, dort zu überleben. Ab dem letzten Drittel des Dünndarms (Ileum) steigt der pH-Wert an und wird basisch, und gleichzeitig nimmt auch die Zahl der Mikroorganismen zu. Im Dickdarm sind Anzahl und Diversität der Mikroorganismen am höchsten. Hier herrschen anaerobe Bedingungen, das heißt, nur Organismen, die für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff benötigen und Energie zum Beispiel aus Fermentation generieren, siedeln sich hier an [3].

Das menschliche Darmmikrobiom wird von zwei bakteriellen Stämmen beherrscht: den Bacteroidetes und den Firmicutes mit ihren jeweiligen Unterarten. Das Verhältnis dieser beiden zueinander wird in der Wissenschaft und Medizin repräsentativ zur Beurteilung der Darmgesundheit herangezogen. Das Mikrobiom ist jedoch keine einheitliche Bakteriengemeinschaft, sondern variiert von Mensch zu Mensch und verändert sich mit dem Alter. Faktoren, die die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen, sind unter anderem Alter, Genetik, geografische Lage, Art der Geburt (natürlich oder Kaiserschnitt), Ernährung in der frühen Kindheit, Medikamenteneinnahme, und Ernährungsstil [4].

Wichtige Funktionen des Darmmikrobioms

Das Darmmikrobiom wird oft auch als das „vergessene Organ“ bezeichnet, da es wichtige Funktionen im Körper übernimmt. So verarbeiten die Darmmikroben Nährstoffe, schützen vor Krankheitserregern, beeinflussen das Immunsystem und können über Verbindungen zum Hirn den Körper auf viele Arten beeinflussen.

Verdauung

Am offensichtlichsten ist die Rolle Darmmikrobioms bei der Verdauung. Hier regen die Mikroorganismen Darmbewegungen an, sind bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen beteiligt und produzieren für den Körper essenzielle Nährstoffe. Die Hauptnahrungsquelle des Darmmikrobioms sind fasrige Nahrungsbestandteile, sogenannte Ballaststoffe. Bei deren Fermentation generieren die Mikroorganismen nicht nur Energie für sich selbst, sondern erzeugen auch Nebenprodukte, wie etwa kurzkettige Fettsäuren (SCFA). Ein Beispiel dafür ist Butyrat, das eine wichtige Funktion bei der Versorgung der Darmzellen hat und immunmodulierend wirkt [5].
Weiters können Mikroorganismen in unserem Darm aus Ballaststoffen die Vitamine B1, B2, B5, B6, Folat, Vitamin B12 und Vitamin K2 produzieren und leisten so einen Beitrag zur Versorgung des Körpers mit diesen Nährstoffen [6]. Im Zuge der mikrobiellen Aktivität und vor allem durch den Prozess der Fermentation werden Gase wie Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Methan gebildet, die sich als Blähungen bemerkbar machen können.

Schutz vor Krankheitserregern

Eine weitere wichtige Funktion des Darmmikrobioms ist die Abwehr von pathogenen Keimen, die zum Beispiel durch die Nahrung aufgenommen werden. Eine intakte Darmflora mit einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Organismen, die alle Nischen des Darms besiedelt und ihren Lebensraum verteidigt, ist ein guter Schutz gegen die Besiedelung durch andere, krankmachende Keime.

Ein gesunder Mensch lebt mit seinem Mikrobiom in sogenannter„Normobiose – das bedeutet, der Körper profitiert von den anwesenden Mikroorganismen, und schädliche Organismen sind in der Unterzahl. Ein funktionierendes Mikrobiom ist notwendig für Stoffwechsel und Gesundheit. Es ist aber bislang nicht klar, ob das Mikrobiom nur positive Auswirkungen auf den Körper hat. Ebenso ist nicht geklärt, was ein „gesundes“ Mikrobiom ausmacht, da es hier auch bei gesunden Individuen eine hohe Variabilität gibt. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass ein vielfältiges Darmmikrobiom sowie das Aufwachsen in einer Umgebung mit einer hohen Zahl und Vielfalt an Mikroorganismen sich positiv auf die Gesundheit im späteren Leben auswirkt [7].

Allesesser, Vegetarier, Veganer: Das Mikrobiom i(s)st, was man isst

So gut wie alles, was wir zu uns nehmen und was in weiterer Folge unseren Darm passiert, kann Einfluss auf das Darmmikrobiom haben. Interaktionen von Nahrung, Mikrobiom und Körper sind aber hochkomplex und noch nicht ganzheitlich erforscht. Es gibt jedoch bereits etliche Studien, die sich mit der Auswirkung verschiedener Ernährungsweisen auf das Darmmikrobiom beschäftigen.

  • Es konnte gezeigt werden, dass im Mikrobiom von vegetarisch und vegan lebenden Personen vermehrt Bakteriengruppen zu finden sind, die Kohlenhydrate und Vitamine besonders gut metabolisieren können. Der höhere Anteil an Ballaststoffen in vegetarischer und veganer Ernährung verstärkt außerdem die mikrobielle Fermentation von gesundheitsförderlichen Butyraten im Darm [8].
  • Eine weitere Studie zeigte, dass sich bei einer Umstellung auf eine Ernährung mit ausschließlich tierischen Produkten das Verhältnis von Bacteroidetes/ Firmicutes verändert. Die Anzahl der proteinverwertenden Bakterien stieg, während die Zahl der Firmicutes, die für die Verdauung von pflanzlichen Ballaststoffen verantwortlich sind, zurückging. Die Studie ergab auch, dass sich das Darmmikrobiom innerhalb weniger Tage an eine neue Ernährungsweise anpassen kann, was in der Evolution des Menschen sicher hilfreich war [9].
  • Nicht nur die Zusammensetzung, auch die Art der Zubereitung der Nahrung beeinflusst das Darmmikrobiom. Beim Kochen von stärkehaltigen Lebensmitteln – wie etwa Kartoffeln – verkleistert die Stärke und wird somit leichter verdaulich. Dadurch erreicht weniger Stärke den Dickdarm und das Mikrobiom. In Studien an Mäusen und Menschen konnte gezeigt werden, dass gekochte Nahrung im Vergleich zu Rohkost die Funktionalität und Diversität des Mikrobioms beeinflusst [10].

Probiotika

Im Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom ist häufig von Pro- und Präbiotika die Rede. Als Probiotika werden lebende Mikroorganismen bezeichnet, die laut Definition der WHO „dem Wirt (= Mensch, der sie aufnimmt) einen gesundheitlichen Nutzen verschaffen, wenn sie in ausreichenden Mengen verabreicht werden.“

Die Bezeichnung „probiotisch“ wird vor allem für Nahrungsmittel verwendet, die verdauungsförderliche Mikroorganismen wie Bifidobakterien oder Laktobazillen beinhalten. Dazu zählen vorrangig vergorene Lebensmittel wie Joghurt, Käse, Sauerkraut, aber auch unfiltriertes Bier. Ihnen wird nachgesagt, dass sie Verdauungsprobleme lösen, die Stuhlkonsistenz normalisieren und gegen Allergien und Unverträglichkeiten helfen. Ob die Mikroorganismen in diesen Lebensmitteln jedoch tatsächlich auch noch leben, wenn sie in den Dickdarm gelangen, ist nicht gänzlich bewiesen. Laut der europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) muss bei der Bewerbung eines Produktes mit dem Wort „probiotisch“ dessen Wirkung auch wissenschaftlich belegt sein. Das hat in der Lebensmittelbranche großen Unmut hervorgerufen und dazu geführt, dass heute kaum mehr „probiotisch“ beworbene Produkte in den Regalen zu finden sind [11].

Die möglichen gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Probiotika sind in der Forschung dennoch ein heißes Thema. Mit ihrer Hilfe erwartet man sich Prävention und Behandlung von Krankheiten. So führte in einer Studie mit älteren Menschen die regelmäßige Einnahme von Joghurt, das mit Laktobazillen angereichert wurde, zu einer Verringerung von Atemwegsinfekten um mehr als die Hälfte im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Forscher führten diesen Effekt auf eine verbesserte T-Zell mediierte Immunabwehr zurück [12]. Eine andere Studie ergab, dass regelmäßige Einnahme von Milch bzw. Reis, die mit Laktobazillen fermentiert wurden, auch bei Kleinkindern zu einem besseren Schutz gegen Infektionskrankheiten führt [13].

Laktobazillen, die in diesen beiden Studien bei gesunden Menschen eine gesundheitsfördernde Wirkung zeigten, können in seltenen Fällen bei immunschwachen Menschen aber auch in den Blutkreislauf eindringen. Dies kann in manchen Fällen Infektionen bis hin zur Entzündung der Herzklappen oder zu Hirnhautentzündung hervorrufen [14].

Präbiotika

Als Präbiotika werden unverdauliche Substanzen bezeichnet, die für das Darmmikrobiom förderlich sind. Sie werden entweder von Mikroorganismen als Energiequelle verwertet (fermentiert) oder beeinflussen deren Lebensraum positiv.

Die wohl bekanntesten Präbiotika sind Ballaststoffe – unverdauliche Kohlenhydrate, die meist pflanzlichen Ursprung haben. Hohen präbiotischen Gehalt weisen Glykane, resistente (unverdauliche) Stärke, Inulin, und Oligofruktose auf [15]. Diese sind vor allem in fasrigem Gemüse wie Spargel oder Chicorée sowie in stärkehaltigen Nahrungsmitteln wie Johannisbrotkernmehl enthalten. Darmbakterien, die die notwendigen Enzyme (CAZyme) besitzen, können diese Stoffe verwerten. Ob Präbiotika auch einen spezifischen Nutzen für den Menschen haben, ist wie bei den Probiotika ungeklärt. Laut der EFSA muss auch für die Bezeichnung „präbiotisch“ ein gesundheitlicher Nutzen wissenschaftlich erwiesen sein. Grünes Licht für die Bezeichnung „Präbiotikum“ gab es von der EFSA bisher nur in wenigen Fällen: Für Oligofruktose, die sich nachweislich auf den Blutzuckerspiegel auswirkt, sowie für Inulin, welches aus Chicorée gewonnen wird und einen positiven Effekt auf den Stuhlgang hat [16].

Die Rolle des Mikrobioms in Krankheit und Gesundheit

Auch wenn die spezifischen Interaktionen zwischen Köper und Mikrobiom noch nicht vollständig geklärt sind, ist eines klar: Die Mikroorganismen des Menschen spielen eine wichtige Rolle für seine Gesundheit. So konnten zahlreiche Studien bereits einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Infektionskrankheiten, chronischen Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Darm- und Leberkrebs und Allergien belegen [17].

Tatsache ist auch, dass Antibiotika, die im Zuge von bakteriellen Infektionen eingenommen werden, nicht nur die krankmachenden Keime, sondern auch förderliche Darmbakterien angreifen. Langwierige Antibiotikatherapien können das Darmmikrobiom zerstören und die Verdauung nachhaltig negativ beeinflussen [18].

Zur Therapie von Darmerkrankungen wird in der Medizin seit einiger Zeit auf die Fäkaltransplantation zurückgegriffen. Der Hype um diesen abstoßend-faszinierenden Eingriff verschaffte dem „gesunden“ Stuhl einen neuen Wert, der in der Southpark Folge „Kot-Diebe“ (s23f8) köstlich auf die Spitze getrieben wird.

Fazit

Heute ist bereits erwiesen, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle in Krankheit und Gesundheit spielt. Auf welche Weise es durch Ernährung beeinflusst werden kann und welche Folgen das hat, ist aber wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt und Gegenstand aktueller Untersuchungen. Fest steht zumindest schon einmal, dass eine vielseitige, ballaststoffreiche Ernährung gut für das Mikrobiom ist und der Verdauung hilft.

Weiterführender Link zum Mikrobiom des Menschen:

Mikrobiom des Menschen: Mikrobiomforschung im digitalen Zeitalter; Wissensartikel von Open Science

Quellen:

[1] Luckey TD: Introduction to intestinal microecology (1972). The American journal of clinical nutrition 25 (12), S. 1292–1294. DOI: 10.1093/ajcn/25.12.1292.

[2] Sender R., Fuchs S., Milo R.: Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body (2016). PLoS biology 14 (8), e1002533. DOI: 10.1371/journal.pbio.1002533.

[3] Lin CS, Chang CJ, Lu CC, Martel J. et al.: Impact of the gut microbiota, prebiotics, and probiotics on human health and disease (2014). Biomedical journal 37 (5), S. 259–268. DOI: 10.4103/2319-4170.138314.

[4] Yang Q., Liang Q., Balakrishnan B., Belobrajdic D. et al.: Role of Dietary Nutrients in the Modulation of Gut Microbiota (2020). A Narrative Review. Nutrients 12 (2). DOI: 10.3390/nu12020381.

[5] Martin-Gallausiaux C., Marinelli L., Blottière HM et al.: SCFA. Mechanisms and functional importance in the gut (2020). The Proceedings of the Nutrition Society, S. 1–13. DOI: 10.1017/S0029665120006916.

[6] LeBlanc JG, Milani C., Giori GS et al.: Bacteria as vitamin suppliers to their host (2013). A gut microbiota perspective. Current opinion in biotechnology 24 (2), S. 160–168. DOI: 10.1016/j.copbio.2012.08.005.

[7] Eisenstein M.: The hunt for a healthy microbiome (2020). Nature 577 (7792), S6-S8. DOI: 10.1038/d41586-020-00193-3.

[8] de Angelis M., Ferrocino I., Calabrese FM et al.: Diet influences the functions of the human intestinal microbiome (2020). Scientific reports 10 (1), S. 4247. DOI: 10.1038/s41598-020-61192-y.

[9] David LA., Maurice CF, Carmody RN, Gootenberg DB et al.: Diet rapidly and reproducibly alters the human gut microbiome (2014). Nature 505 (7484), S. 559–563. DOI: 10.1038/nature12820.

[10] Carmody RN, Bisanz JE, Bowen BP et al: Cooking shapes the structure and function of the gut microbiome (2019). Nature microbiology 4 (12), S. 2052–2063. DOI: 10.1038/s41564-019-0569-4.

[11] https://www.theguardian.com/society/2010/oct/19/efsa-rules-probiotic-health-claims-unproven

[12] Pu F., Guo Y., Li M. et al.: Yogurt supplemented with probiotics can protect the healthy elderly from respiratory infections (2017). A randomized controlled open-label trial. Clinical interventions in aging 12, S. 1223–1231. DOI: 10.2147/CIA.S141518.

[13] Nocerino R., Paparo L., Terrin G. et al.: Cow’s milk and rice fermented with Lactobacillus paracasei CBA L74 prevent infectious diseases in children (2017). A randomized controlled trial. Clinical nutrition (Edinburgh, Scotland) 36 (1), S. 118–125. DOI: 10.1016/j.clnu.2015.12.004.

[14] Goldstein EJC, Tyrrell KL and Citron DM: Lactobacillus species. Taxonomic complexity and controversial susceptibilities (2015). Clinical infectious diseases : an official publication of the Infectious Diseases Society of America 60 Suppl 2, S98-107. DOI: 10.1093/cid/civ072.

[15] Markowiak P. and Śliżewska K.: Effects of Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics on Human Health (2017). Nutrients 9 (9). DOI: 10.3390/nu9091021.

[16] Hutkins RW, Krumbeck JA, Bindels LB, Cani PD et al.: Prebiotics. Why definitions matter (2016). Current opinion in biotechnology 37, S. 1–7. DOI: 10.1016/j.copbio.2015.09.001.

[17] Bindels LB, Delzenne NM, Cani PD and Walter J.: Towards a more comprehensive concept for prebiotics (2015). Nature reviews. Gastroenterology & hepatology 12 (5), S. 303–310. DOI: 10.1038/nrgastro.2015.47.

[18] Lange K., Buerger M., Stallmach A. and Bruns T.: Effects of Antibiotics on Gut Microbiota (2016). Digestive diseases (Basel, Switzerland) 34 (3), S. 260–268. DOI: 10.1159/000443360.

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30.12.2024

bESSERwisser

Wieso sind Ballaststoffe so gesund?

Ballaststoffe sind wichtig Nährstoffe für das Darmmikrobiom und unterstützen unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Mit ein paar einfachen Tricks lassen sich leicht in den Speiseplan integrieren. 

Ihren Namen tragen Ballaststoffe völlig zu Unrecht, denn sie sind alles andere als Ballast und haben eine äußerst wichtige Funktion für Gesundheit und Wohlbefinden. Die Pflanzenfasern dienen als tolle Sattmacher, fördern die Verdauung und dienen Mikroorganismen im Darm als Nahrungsgrundlage.

Die fasrigen Bestandteile von Pflanzen, die aus komplexen Kohlenhydraten oder dem Zellwandbestandteil Lignin bestehen [1], sind in Obst, Gemüse, und Getreideprodukten enthalten. Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sind besonders ballaststoffreich.

Essen – auch für die Darmbakterien

Der Mensch ist innen und außen dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die sich zum Großteil aus Bakterien, Pilzen und Viren zusammensetzen [2,3]. Die meisten Bakterien des Menschen befinden sich im Darm. Für ihr Überleben sind sie auf Nährstoffe angewiesen, wobei die Ernährungsweise einer Person stark die Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms beeinflusst.

Der Weg der Nahrung zu den Darmmikroorganismen ist lang: Im Magen wird das zerkaute Essen zunächst durch spezielle Verdauungsenzyme zerkleinert. Im Dünndarm wird es dann weiter zerlegt, und der Körper nimmt wichtige Nährstoffe sowie Vitamine und Mineralstoffe auf. Auch Mikroorganismen schalten sich hier schon in die Essensverwertung mit ein.

Im Dickdarm wird dem Nahrungsbrei schließlich Wasser entzogen, und Salze und Elektrolyte werden aufgenommen. In diesem Darmabschnitt sitzen besonders viele Mikroorganismen und arbeiten auf Hochtouren: Mit ihrem einzigartigen Stoffwechsel verwerten sie vor allem Ballaststoffe, die bis hierher nicht umgesetzt wurden. Dabei liefern sie zusätzliche Energie und geben wichtige Stoffe an die Darmschleimhaut ab, wie beispielsweise Vitamine und kurzkettige Fettsäuren [2,3].

Intaktes Mikrobiom für Gesundheit und Wohlbefinden

Mikroorganismen erfüllen auch noch andere wichtige Funktionen im Darm: Sie unterstützen die Darmschleimhaut, die eine wichtige Barriere darstellt, produzieren antimikrobielle Stoffe und lassen potenziell schädlichen Erregern keinen Platz zum Ausbreiten. Außerdem trainieren sie das Immunsystem [2,3].

Des Weiteren können die Mikroorganismen im Darm über bestimmte Botenstoffe mit dem Gehirn kommunizieren – man spricht von der Darm-Hirn-Achse. So etwa werden von Bakterien produzierte kurzkettige Fettsäuren über das Blut zum Gehirn transportiert und führen dort u. a. zur Freisetzung des Glückshormons Serotonin und somit zu guter Laune [4]. Die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst auch Schlaf [5] sowie Haut [6].

Das Mikrobiom birgt somit enormes Potenzial für die Gesundheit und wird aktuell intensiv erforscht. Heute ist ein Zusammenhang zwischen zahlreichen Erkrankungen und einer veränderten Zusammensetzung der Darmmikroben bekannt. Das trifft beispielsweise auf Diabetes, Fettleibigkeit, Asthma, Allergien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und entzündliche Darmerkrankungen zu. Auch bei Depressionen, Autismus, Parkinson und Alzheimer dürften die Mikroorganismen im Darm eine wichtige Rolle spielen [7].

Im Tiermodell konnte des Weiteren gezeigt werden, dass sich bereits wenige Tage ohne Ballaststoffe nachteilig auf die Gesundheit auswirken [8].

Zu wenige Ballaststoffe auf den T

Europäische Richtlinien empfehlen eine tägliche Ballaststoffaufnahme von mindestens 25 bis 35 Gramm für Erwachsene, in Österreich sind es 30 Gramm [9,10]. Die meisten erwachsenen Europäerinnen und Europäer erreichen diese Menge jedoch nicht [11]. Dabei ist die Integration von Ballaststoffen in den Speiseplan nicht schwer. Diese sollten aus verschiedenen Quellen stammen, um auch noch möglichst viele unterschiedliche Vitamine, Mineralien und andere Nährstoffe abzudecken.

In der EU sind Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und Kartoffeln die Hauptquellen für Ballaststoffe. Vergleichsweise ballaststoffreich sind Bohnen, Erbsen, Linsen und Getreideprodukte mit möglichst vollem Korn wie Roggenbrot, Haferflocken sowie Vollkornbrot und -nudeln.

Bei Obst und Gemüse zählen Beeren, Äpfel, Birnen, Bananen, Pfirsiche, Avocados, Sellerie, Brokkoli, Karotten und Kartoffeln zu den besten Ballaststofflieferanten. Top für eine ballaststoffreiche Kost sind auch Nüsse und Samen: Flohsamenschalen, Leinsamen, Weizenkleie und Chiasamen lassen hier Mandeln, Pekannüsse, Pistazien und Kürbiskerne hinter sich [9-12].

Einfache Tricks für mehr Ballaststoffe

Es gibt ein paar einfache Tricks, um das Essen mit mehr Ballaststoffen anzureichern:

  • Ballaststoffreiches Obst und Gemüse für die Gerichte verwenden. Daher nicht an Äpfeln, Kartoffeln und anderen guten Ballaststofflieferanten sparen!
  • Ballaststoffe wie Karotten, Zucchini und Sellerie können in geraspelter Form einfach in manchen Speisen „versteckt“ werden. So kann etwa ein Teil von Fleisch in Fleischspeisen ohne Geschmackseinbußen durch Gemüse ersetzt werden. Und durch das Beimengen von Zucchini oder Karotten (unbedingt ganz fein raspeln!) gelingen herrlich saftige Torten und Kuchen.
  • Die Schale von Obst und Gemüse enthält viele Ballaststoffe. Daher wenn möglich Äpfel ungeschält verwenden – beispielsweise beim Zubereiten von Apfelmus, aber auch beim weihnachtlichen Bratapfel. Das spart Arbeit und ist eine Wohltat für den Darm.
  • Wenn möglich auf Vollkornprodukte zurückgreifen, beispielsweise auf Vollkornnudeln und Vollkornnudelblätter bei Pasta-Gerichten.
  • Weißmehl durch Vollkornmehl ersetzen, beispielsweise bei Einbrenn, Béchamelsauce und Bäckerei. Wem das geschmacklich nicht ganz so zusagt: Auch schon das Ersetzen eines Teils des Mehls durch die Vollkornvariante ist ein Plus für die Gesundheit. Vollkornmehl enthält im Gegensatz zu Weißmehl nicht nur den Mehlkörper mit der Stärke, sondern auch den Keimling und die Schale des Kornes und liefert so mehr Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Ein kleiner Tipp: Baguette und Toast aus Weißmehl durch die entsprechende Vollkornvariante ersetzen.
  • Viele Speisen lassen sich durch das Beimengen von Haferflocken, (geriebenen) Nüssen, Kernen und Samen ballaststoffreicher gestalten. So können etwa Suppen, Smoothies, Salate, Joghurts und Müsli auf diese Art mit Ballaststoffen aufgebessert werden. Auch Bäckerei mit Haferflocken wie etwa Haferflockenkekse schmecken wunderbar.
  • Auch als gesunder Snack eignen sich Ballaststoffe hervorragend: Eine Handvoll Nüsse oder Mandeln sind nicht nur gut gegen Heißhunger, sondern erfreuen auch den Darm. Und falls es doch etwas Süßes sein soll für zwischendurch: Auch dunkle Schokolade liefert Ballaststoffe. Weniger weihnachtlich, aber durchaus gut zu wissen: Popcorn tut das ebenso.
  • Kräuter und Gewürze sind ebenfalls tolle Ballaststofflieferanten, daher unbedingt den Mahlzeiten frische gehackte Kräuter und Gewürze beimengen. Diese verstärken nicht nur das natürliche Aroma, sondern wirken sich auch auf die Darmgesundheit und das allgemeine Wohlbefinden aus.

Viele dieser Tipps sind nicht nur kulinarisch ein Plus, auch der Darm und das allgemeine Wohlbefinden profitieren davon. Ein höherer pflanzlicher Anteil in unserem Essen tut außerdem nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem Klima gut.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit der Mikrobiologin und Ernährungsexpertin Annelieke Overbeeke entstanden, die auf ihrer Darm Kram-Seite Tipps und Tricks sowie zahlreiche Rezepte und Kochvideos für eine ballaststoffreichere Ernährung anbietet.

Referenzen:

[1] Akbar A. and Shreenath AP: High Fiber Diet. [Updated 2023 May 1]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan.

[2] Salvadori M. and Rosso G.: Update on the gut microbiome in health and diseases. World J Methodol. 2024 Mar 20;14(1):89196. doi: 10.5662/wjm.v14.i1.89196. PMID: 38577200; PMCID: PMC10989414.

[3] Fujisaka S., Watanabe Y. and Tobe K. The gut microbiome: a core regulator of metabolism. J Endocrinol. 2023 Jan 19;256(3):e220111. doi: 10.1530/JOE-22-0111. PMID: 36458804; PMCID: PMC9874984.

[4] Appleton J.: The Gut-Brain Axis: Influence of Microbiota on Mood and Mental Health. Integr Med (Encinitas). 2018 Aug;17(4):28-32. PMID: 31043907; PMCID: PMC6469458.

[5] Dos Santos A. and Galiè S.: The Microbiota-Gut-Brain Axis in Metabolic Syndrome and Sleep Disorders: A Systematic Review. Nutrients. 2024 Jan 29;16(3):390. doi: 10.3390/nu16030390. PMID: 38337675; PMCID: PMC10857497.

[6] Thye AY, Bah YR, Law JW, Tan LT, He YW, Wong SH, Thurairajasingam S., Chan KG, Lee LH and Letchumanan V.: Gut-Skin Axis: Unravelling the Connection between the Gut Microbiome and Psoriasis. Biomedicines. 2022 Apr 30;10(5):1037. doi: 10.3390/biomedicines10051037. PMID: 35625774; PMCID: PMC9138548.

[7] Hou K., Wu ZX, Chen XY, Wang JQ, Zhang D., Xiao C., Zhu D., Koya JB, Wei L., Li J. and Chen ZS.: Microbiota in health and diseases. Signal Transduct Target Ther. 2022 Apr 23;7(1):135. doi: 10.1038/s41392-022-00974-4. PMID: 35461318; PMCID: PMC9034083.

[8] Overbeeke A., Lang M., Hausmann B., Watzka M., Nikolov G., Schwarz J., Kohl G., De Paepe K., Eislmayr K., Decker T., Richter A. and Berry D.: Impaired Mucosal Homeostasis in Short-Term Fiber Deprivation Is Due to Reduced Mucus Production Rather Than Overgrowth of Mucus-Degrading Bacteria. Nutrients. 2022 Sep 15;14(18):3802. doi: 10.3390/nu14183802.

[9] The European Food Information Council: Empfohlene tägliche Aufnahme von Ballaststoffen und ballaststoffreichen Lebensmitteln, um Ihnen zu helfen, dieses Ziel zu erreichen. Zuletzt aktualisiert 2023. Abgerufen am 27.11.2024.

[10] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: DGE/ ÖGE-Referenzwerte. Abgerufen am 27.11.2024

[11] McKeown NM, Fahey GC Jr, Slavin J. and van der Kamp JW: Fibre intake for optimal health: how can healthcare professionals support people to reach dietary recommendations? BMJ. 2022 Jul 20;378:e054370. doi: 10.1136/bmj-2020-054370. PMID: 35858693; PMCID: PMC9298262.

[12] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Ballaststoffe. Abgerufen am 13.12.2024

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22.07.2024

bESSERwisser

Resistente Stärke: Kalte Nudeln für unsere Darmbakterien

Nudelsalat

Es ist oft schwierig, eine Portion Nudeln, Kartoffeln oder Reis für eine Mahlzeit korrekt einzuschätzen, und oft bleibt etwas übrig. Beim Abkühlen dieser Lebensmittel entsteht dann resistente Stärke. Resteessen von Pasta und anderen stärkehaltigen Lebensmitteln ist gut für die Gesundheit und kann auch beim Abnehmen helfen. Warum das so ist, erklären die bESSERwisser in diesem Artikel.

In vielen Kulturen sind Reis, verarbeiteter Weizen, Mais oder Kartoffeln fixer Bestandteil der Mahlzeiten – und somit kommt auch eine reichliche Portion Stärke auf den Teller [1,2]. Personen mit herkömmlicher Ernährungsweise nehmen bis zu einem Viertel ihrer Kalorien über dieses Kohlenhydrat zu sich, Vegetarier noch mehr [3].

Während Pasta und Kartoffel generell als Dickmacher gelten, verhält es sich mit diesen Lebensmitteln in abgekühlter Form ganz anders: Sie sollen das Abnehmen erleichtern und auch noch gut für die Gesundheit sein.

Stärke ­– ein Vielfachzucker

Stärke ist ein Vielfachzucker (Polysaccharid), der aus einzelnen miteinander verknüpften Glukoseeinheiten (Traubenzucker) aufgebaut ist. Im menschlichen Dünndarm wird Stärke in ihre kleineren Zuckerbestandteile aufgespalten und in Form von Glukose vom Körper aufgenommen. Für diesen Prozess sind spezielle Verdauungsenzyme zuständig: Amylasen und Amyloglukosidasen.

Manche Arten von Stärke können den Dünndarm jedoch unverdaut passieren, man spricht in so einem Fall von so genannter resistenter Stärke. Diese gelangt dann als Vielfachzucker in den Dickdarm, wo unser Darmmikrobiom ­– eine Vielzahl an diversen Bakterien – schon darauf wartet und sie verarbeitet [4]. Da resistente Stärke vom menschlichen Verdauungssystem nicht oder nur teilweise abgebaut werden kann, wird sie zu den Ballaststoffen gerechnet.

Resistente Stärke weist eine komplexe Struktur auf, und es sind nicht alle Mikroorganismen in der Lage, sie abzubauen. Ruminococcus bromii oder Eubacterium rectale sind neben Firmicutes prausnitzii jene Bakteriengruppen im menschlichen Verdauungstrakt, die das schaffen [5].

Da resistente Stärke im Dünndarm nicht in ihre Glukose-Einheiten aufgespalten wird, steigt der Glukosespiegel nach ihrem Verzehr weniger stark an als bei herkömmlicher Stärke.

Verdaubarkeit von Stärke – eine Typenfrage

Resistente Stärke ist nicht gleich resistente Stärke, denn es gibt davon insgesamt fünf verschiedene Arten – so genannte Subtypen oder Fraktionen.

Typ1 der resistenten Stärke (RS 1) ist natürliche Stärke, die durch ihre kompakte Struktur für Verdauungsenzyme kaum bis gar nicht zugänglich ist. Durch Mahlen wird diese Stärke-Fraktion, die vor allem in ganzen Getreidekörnern, Samen, Saaten und Hülsenfrüchten zu finden ist, besser verdaulich.

Resistente Stärke des Typ 2 (RS 2) ist ebenfalls natürliche Stärke und kommt in granulärer Form in Stärkekörnern vor. Sie ist beispielsweise in ungekochten Kartoffeln, grünen Bananen oder Maisstärke enthalten [6]. RS 2 ist in kaltem Zustand gegenüber den menschlichen Verdauungsenzymen resistent und wird für diese erst nach dem Erhitzen zugänglich, wenn die Stärkekörner quellen und platzen [7, 8].

Resistente Stärke Typ 2 ist die Vorstufe der resistenten Stärke Typ 3 (RS3). Diese ist nicht in rohen Produkten enthalten und entsteht nur dann, wenn zuvor erhitzte stärkehaltige Lebensmittel erkalten. Ein Teil der Stärkemoleküle bildet dabei kristalline Strukturen aus, und die Stärke „verkleistert“ zur RS 3. Diese ist für die Verdauungsenzyme nicht mehr angreifbar und für den Menschen daher unverdaulich – für die Bakterien in unseren Darm aber nicht [9, 10]. Das Aufwärmen kann den Gehalt an resistenter Stärke wieder verringern [11, 12, 13]. Ein Beispiel für ein Gericht mit RS3 ist Kartoffel- oder Nudelsalat.

Beim Typ 4 der resistenten Stärke (RS 4) handelt es sich um chemisch modifizierte unverdauliche Stärke. Diese wird künstlich vernetzt oder mit bestimmten Molekülen versehen, um so ihre Eigenschaften zu verändern. Das Vernetzen der einzelnen Stärke-Moleküle wird hauptsächlich in der Pharma- und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Diese Veränderung führt zu einer widerstandfähigeren Stärke, der Hitze, Säure und mechanische Kräfte weniger anhaben können [14]. Stärke des Typs 4 findet man beispielsweise in Ballaststoff-Drinks oder bestimmten Brot- und Kuchensorten.

Bei RS 5 handelt es sich wie bei RS4 um resistente Stärke, die nicht in natürlichen Lebensmitteln vorkommt. Sie liegt als Komplex aus Zucke rund Fetten vor und ist ebenfalls unverdaulich.

Kleine Untermieter im Darm – unser Darmmikrobiom

Der Mensch ist dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die auch als menschliches Mikrobiom bezeichnet werden. Genaugenommen bestehen wir sogar zur Hälfte aus Mikroorganismen: Es wird geschätzt, dass ein Mensch im Durchschnitt aus 30 Billionen Zellen besteht. Dazu kommen dann noch einmal ungefähr 30 Billionen Mikroorganismen, die ihn innen und außen besiedeln [15]. Die meisten davon tummeln sich im Darm und werden als Darmmikrobiom bezeichnet.

Heute weiß man, dass die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms kann unseren Energiehaushalt und unsere Gesundheit beeinflussen kann [16, 17]. Die kleinen Untermieter in unserem Darm brauchen, ebenso wie wir, auch Nahrung und ernähren sich von dem, was bei ihnen im Darm landet.  Essen, das im Dünndarm nicht verdaut wurde – vor allem Ballaststoffe – gelangt in den mittleren Teil des Dickdarms. Dort bietet es den Bakterien einen herausragenden Nährboden [18]. Dies erklärt, warum unsere Ernährung auch einen Einfluss auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms hat [19].

Gelangt resistente Stärke in den Dünndarm, wird der Prozess der anaeroben – also ohne Sauerstoff ablaufenden – Fermentation gestartet. Dabei stellen die Bakterien aus der Nahrung Alkohol, CO2 und organische Säuren her [20]. Durch die anaerobe Fermentation entstehen aus resistenter Stärke schließlich Salze von kurzkettigen Fettsäuren wie Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure: Butyrat, Acetat und Propionat.

Nicht alle Arten resistenter Stärke wirken sich allerdings gleich auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms aus. So etwa lässt resistente Stärke vom Typ 2 andere Bakterien im Darm wachsen als Typ 4 [21, 22]. Um konkrete Aussagen zum Einfluss verschiedener Stärke-Typen auf die Biodiversität in unserem Darm machen zu können, bedarf es aber noch weiterer Studien.

Der Einfluss kurzer Fettsäuren auf unsere Gesundheit

Unsere Darmbakterien produzieren aus resistenter Stärke im Dickdarm unter anderem Acetat, welches im menschlichen Körper eine wichtige Rolle im Fett-Metabolismus spielt und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt. Seine Rolle im Fett-Stoffwechsel ist aber eher negativ behaftet, denn eine erhöhte Produktion von Acetat geht mit größerem Appetit und einem höheren Risiko für Übergewicht einher [23].

Vom Propionat, das ebenfalls vom Darmmikrobiom im Dickdarm aus resistenter Stärke gebildet wird, wird jedoch angenommen, dass es der Gegenspieler zum Acetat ist und unseren Appetit zügelt. Propionat hat außerdem möglicherweise einen schützenden Einfluss auf unseren Blutkreislauf, indem es der Verstopfung der Arterien entgegenwirkt [24]. Sowohl Acetat als auch Propionat wirken entzündungshemmend, und beide können ins Gehirn gelangen [25, 26].

Buttersäure und ihre Derivate sind eine der Hauptenergiequellen der Darmepithelzellen und halten diese funktionsfähig, sodass keine ungewünschten Substanzen in unseren Kreislauf gelangen können. Diese Fettsäure schafft es auch, Entzündungsreaktionen im Darm herunterzuregulieren und hat möglicherweise einen gesundheitsfördernden Effekt [27, 28, 29].  Außerdem besitzt sie antioxidative Eigenschaften und einen möglichen Tumor-hemmenden Effekt, weshalb sie verstärkt in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Durch eine Ernährung, die viel resistente Stärke enthält, kann man den Buttersäure-Spiegel erhöhen, was auch den Verlauf von Darmkrebs-Erkrankungen verbessern kann [30,31].

Darm-Hirn-Achse: Wie unser Bauch das Hirn beeinflusst

Kurze Fettsäuren, die Hauptprodukte der Fermentationsprozesse unserer Darmbakterien, können nicht nur unsere Gesundheit beeinflussen, sie wirken sich auch auf das Gehirn aus. Auch wenn die genauen Mechanismen noch unklar sind, konnte schon gezeigt werden: Ein Ungleichgewicht in unserem Darmmikrobiom kann Auswirkungen auf unser Hirn haben. Etliche Studien legen eine Verbindung zwischen einem gestörten Darmmikrobiom und neurologischen Krankheiten nahe – von Depressionen, Alzheimer, Parkinson bis hin zu Autismus [32, 33, 34, 35].

Eine mögliche Erklärung dafür: Acetat, das beim Abbau resistenter Stärke in unserem Darm entsteht, kann über den Blutstrom in unser Gehirn gelangen. Dort hat es nicht nur Einfluss auf unser Sättigungsgefühl, es ist auch wichtig für die Reifung von Mikroglia-Zellen im Gehirn. Diese speziellen Immunzellen fressen Fremdkörper oder schadhafte Gehirnzellen auf. Studien weisen des Weiteren darauf hin, dass durch Mikroorganismen erzeugtes Acetat dem Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen entgegenwirken kann [36].

Auch Butyrat ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren, welche als Schutzbarriere zwischen Hirnsubstanz und Blutstrom dient, und gelangt so ins Gehirn. Dort kann es dann durch das Regulieren von Genen verschiedene positive Wirkungen haben. aher wird Butyrat in der Forschung als experimentelles Medikament für Studien zu neurologischen Erkrankungen – von Depression über neurodegenerative Erkrankungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen – eingesetzt [37, 38].

Resistente Stärke: Gut fürs Abnehmen?

Der Konsum von resistenter Stärke scheint auch gut fürs Abnehmen zu sein – zumindest bei Mäusen. Bei diesen konnte gezeigt werden, dass resistente Stärke von Kartoffeln zu einer geringeren Gewichtszunahme führte als bei Ernährung ohne resistente Stärke [39].

Beim Menschenaber scheint resistente Stärke bei gesunden Personen keinen Effekt auf die Gewichtsabnahme zu haben – zu diesem Ergebnis kam zumindest eine Zusammenfassung von mehreren Daten [40]. Da resistente Stärke die Fettverbrennung ankurbelt und die Speicherung von Fett in den Fettzellen verringert, betonen die Studienautor:innen  aber, dass resistente Stärke übergewichtigen Menschen durchaus beim Abnehmen helfen könnte. Hinweise dafür gab es in einer Studie, bei der die Studienteilnehmenden 40 Gramm resistenter Stärke einnahmen und innerhalb von  8 Wochen 2,8 Kilogramm verloren. Das Problem dabei war jedoch, dass mit 37 übergewichtigen Studienteilnehmer:innen die Gruppe an Proband:innen ziemlich klein war. Des Weiteren wurde mit 40 Gramm die empfohlene Tagesdosis von 25-30 Gramm an Ballaststoffen, zu denen die resistente Stärke ja auch zählt, überschritten [41, 42].

Was auch noch bekannt ist: Resistente Stärke schafft es, den Glukose-Stoffwechsel im Körper anzuregen. Dies könnte für Diabetiker:innen interessant sein, um den Blutzuckerspiegel zu senken – hier benötigt es aber einer besseren Studienlage, um sichere Aussagen treffen zu können [43].

Fazit

Resistente Stärke, die beim Erkalten von zuvor gewärmten Nudeln, Kartoffeln, Reis und auch Süßkartoffeln entsteht, birgt großes Potential für unsere Gesundheit: Sie ist eine hervorragende Nahrungsgrundlage für die Bakterien in unserem Darm, die sie dann zu kurzen Fettsäuren weiterverarbeiten. Diese spielen eine Schlüsselrolle in der Regulation verschiedenster Stoffwechselprozesse und können Einfluss auf die Funktion unseres Gehirns, die Regulation des Blutzuckers, den Schutz des Blutkreislaufs bin hin zu potenzieller Prävention von Darmkrebs haben. Mit resistenter Stärke tun wird somit nicht nur unseren Darmbakterien etwas Gutes, sondern in weiterer Folge vermutlich auch unserem Wohlbefinden.

Des Weiteren wäre es möglich, dass resistente Stärke übergewichtigen Personen beim Abnehmen hilft, und auch im Zusammenhang mit Diabetes wird ihr Positives nachgesagt. Aktuell wird mit Hochtouren an diesen Themen geforscht, und es braucht noch mehr Studienergebnisse, um hier sichere Aussagen treffen zu können.

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06.11.2020

bESSERwisser

Sind Apfelkerne giftig?

Aufgeschnittener Apfel, bei dem man Apfelkerne sieht

Oft hört man, dass Apfelkerne giftig sind und Blausäure enthalten. Deshalb sollte man sie nicht essen, so der damit einhergehende Ratschlag. Tatsächlich schützen viele Pflanzen ihre Samen mit giftigen Substanzen. Die bESSERwisser haben recherchiert, welche Früchte das betrifft und ob der Verzehr von Obstkernen gefährlich sein kann.

Schutzmechanismus in Kernen: Anreicherung von Amygdalin

Da Pflanzen vor ihren Fraßfeinden nicht davonlaufen können, haben sie andere Taktiken entwickelt, um ihre Vermehrung sicherzustellen. Dazu zählt unter anderem die Produktion von giftigen sekundären Pflanzenstoffen, die sie in ihren Zellen anreichern. Die Familie der Rosengewächse (Rosaceae), zu der auch Äpfel, Birnen, Marillen, Zwetschken und Mandeln zählen, konzentriert zu diesem Zweck Amygdalin in den Kernen ihrer Früchte. Sind Apfelkerne deshalb giftig?

Gebundene Blausäure in Apfelkernen

Amygdalin ist ein sogenanntes cyanogenes Glycosid – also eine Zuckerverbindung mit gebundener Blausäure. Unzerkaut passieren Apfelkerne den Verdauungstrakt, und Amygdalin wird vom Körper nicht aufgenommen. Werden Apfelkerne jedoch im Mund zerkaut oder in gemahlener Form gegessen, wird dieses freigesetzt. Im Körper kommt Amygdalin in Kontakt mit Wasser und wird von speziellen Enzymen, den sogenannten beta-Glucosidasen, gespalten. Dieser Vorgang läuft im Darm durch die Bakterien des Darmmikrobioms ab. Dabei ensteht Cyanwasserstoff (HCN), besser bekannt als Blausäure, welche vom Körper dann aufgenommen wird [1].

Blausäure ist hochgiftig, da sie die Zellatmung blockiert und der Körper in Folge keine Energie mehr gewinnen kann. Schon ein bis zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht können für den Menschen tödlich sein. Geringe Mengen an Blausäure kann der Körper jedoch durch das Enzym Rhodanase in den ungefährlichen Stoff Rhodanid umwandeln.

Verzehr: Wie viele Apfelkerne sind giftig?

Bei der Verarbeitung von ganzen Früchten – etwa zu Saft – werden häufig auch Kerne oder Teile davon mitverarbeitet. Der Amygdalin-Gehalt dieser Produkte ist aber relativ gering und stellt laut Studien kein Risiko für die Ernährungssicherheit dar [2].

Anders verhält es sich beim Verzehr der Kerne selbst: Hier können durchaus nennenswerte Mengen von Blausäure im Körper angereichert werden. Im Fall von Apfelkernen kann in etwa abgeschätzt werden, wie viele Kerne gefährlich werden können:

Ein großer Apfelkern wiegt im Schnitt rund ein Gramm (0,7 Gramm werden in der Literatur angegeben). Abhängig von der Apfelsorte enthält ein Kern ein bis vier Milligramm Amygdalin [3].
Ein Milligramm Amygdalin kann in weiterer Folge zu etwa 0,06 Milligramm Blausäure umgewandelt werden [4]. Somit können durch das Verspeisen eines einzigen Apfelkerns je nach Größe und Apfelsorte zwischen 0,06 und 0,24 Milligramm Blausäure im Körper entstehen.

Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) hat die kritische Dosis von Blausäure für einen erwachsenen Menschen bei 30-50 Milligramm angesetzt. Um diese Menge zu erreichen, müsste ein Erwachsener je nach Körpergewicht somit rund 150 Apfelkerne essen, um diesen Wert zu erreichen.

Bei den wesentlich größeren Marillenkernen wird aufgrund des im Inneren enthaltenen Amygdalins jedoch dazu geraten, nicht mehr als drei Kerne pro Tag zu verspeisen. Für Kinder kann schon der Verzehr von einem Kern gefährlich werden [4]. Bei versehentlichem Verschlucken wird Amygdalin jedoch nicht freigesetzt, und die Erstickungsgefahr ist in diesem Fall wohl das größere Problem. Die inneren Weichkerne von Marillen, die in Aussehen und Konsistenz Mandeln ähneln, erhält man durch Aufknacken des äußeren Marillenkerns. Es gibt die inneren Marillenkerne auch geröstet und gesalzen zu kaufen, hier ist beim Genuss jedoch Vorsicht geboten. Auch Leinsamen enthalten Amygdalin, weswegen nicht mehr als zwei Esslöffel pro Tag konsumiert werden sollten.

Bei übermäßigem Konsum von Amygdalin treten vor der Vergiftung Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen auf. Da Blausäure im Körper angereichert und nur langsam abgebaut wird, kann auch eine regelmäßige Einnahme auf Dauer zu einer Vergiftung führen [4].

Fragwürdiger Einsatz in der Alternativmedizin

Nun stellt sich die Frage, wieso manche Menschen überhaupt auf die Idee kommen, die bitteren und nicht besonders schmackhaften Kerne in größeren Mengen zu sich zu nehmen.

Der Hintergrund ist der Einsatz von Amygdalin in der Alternativmedizin als „Wundermittel“ gegen Krebs. Unter dem Namen Laetril oder der – übrigens falschen – Bezeichnung Vitamin B17 wird Amygdalin angepriesen, Krebszellen zu zerstören. Wissenschaftlich seriöse Beweise für die therapeutische Wirksamkeit von Amygdalin auf Krebszellen fehlen jedoch [5].

Fazit

Viele Obstkerne enthalten Amygdalin – ein Stoff, der im Körper enzymatisch zu Blausäure umgesetzt wird. Obwohl Blausäure hochgiftig ist, liegt sie in Apfelkernen in so geringen Mengen vor, dass der Verzehr von Äpfeln inklusive Kernen unbedenklich ist. Es müssten schon über 150 Apfelkerne verspeist – und auch zerkaut – werden, um hier überhaupt die Untergrenze des kritischen Grenzwerts zu überschreiten. Anders verhält es sich mit dem weichen, mandelähnlichen Inneren von Marillenkernen, die man durch Aufknacken des äußeren Kerns erhält: Hier sollten nicht mehr als drei Stück gegessen werden.

Quellen

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  2. Bolarinwa IF, Orfila C. and Morgan MR.: Amygdalin content of seeds, kernels and food products commercially-available in the UK. Food Chem. 2014;152:133-9. doi: 10.1016/j.foodchem.2013.11.002
  3. Bolarinwa IF, Orfila C. and Morgan MR. Determination of amygdalin in apple seeds, fresh apples and processed apple juices. Food Chem. 2015 Mar 1;170:437-42. doi: 10.1016/j.foodchem.2014.08.083
  4. EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), Schrenk D., Bignami M., Bodin L. et al.: Evaluation of the health risks related to the presence of cyanogenic glycosides in foods other than raw apricot kernels. EFSA J. 2019 Apr 11;17(4):e05662. doi: 10.2903/j.efsa.2019.5662
  5. Blaheta RA, Nelson K., Haferkamp A. et al.:  Amygdalin, quackery or cure? 2016 Apr 15;23(4):367-76. doi: 10.1016/j.phymed.2016.02.004
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29.04.2020

bESSERwisser

Adstringenz: Wenn sich im Mund alles „zusammenzieht“

Rotwein und Trauben

Viele kennen das Gefühl, wenn es einem im Mund „alles zusammenzieht“. Im Fachjargon ist dieses Phänomen als Adstringenz bekannt. Häufig haben Rotweine adstringierende Wirkung, aber auch Obst und andere Speisen können solch ein pelzig-raues Geschmackserlebnis hervorrufen. Verantwortlich dafür sind spezielle pflanzliche Gerbstoffe, die so genannten Tannine. Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Was sind Tannine?

Tannine sind pflanzliche Gerbstoffe, was auch zu ihrer Namensgebung führte (franz. tanin = Gerbstoff). Als sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe dienen sie nicht dem Energiestoffwechsel der Pflanze, sondern schützen diese vor Fressfeinden, Pathogenen oder Antioxidantien (UV-Strahlen). Weiters regulieren Tannine auch den pflanzlichen Stoffwechsel zur Anpassung an verschiedene Umweltbedingungen. Der Tannin-Gehalt einer Pflanze kann somit stark schwanken. Auch die chemischen Strukturen von Tanninen sind sehr unterschiedlich und variieren je nach der Pflanzenart, in deren Organellen sie produziert werden [1].

Die bekannteste Wirkung von Tanninen ist ihre Interaktion mit Eiweißen (Proteinen). Sie binden und fällen Proteine, reagieren aber auch mit Kohlenhydraten, organischen Stickstoffverbindungen und sogar mit Metallen. Da es sich bei den meisten Enzymen um Proteine handelt, interagieren Tannine auch mit ihnen. Während früher angenommen wurde, dass Tannine Enzymaktivitäten nur vermindern können, ist inzwischen klar, dass sie diese auch steigern können. Das hängt vor allem von der Konzentration der Tannine ab. Eine geringe Menge steigert, eine hohe Menge verringert die katalytische Aktivität von Enzymen [1].

Vorkommen in Lebensmitteln

Tannine finden sich vor allem in Rinden, Blättern und Früchten von Bäumen und Sträuchern. Deshalb kommen sie auch in einigen pflanzlichen Speisen und Getränken vor. Besonders hoch ist der Tanningehalt in Kakaobohnen, Tee und Rotwein. Aber auch viele Beeren, Nüsse, Hülsenfrüchte und Getreidesorten beinhalten diese sekundären Pflanzenstoffe.

Tannine haben einen starken Einfluss auf den Geschmack und das Mundgefühl von Speisen. Dank ihrer antioxidativen Wirkung verlängern sie außerdem die Haltbarkeit von Lebensmitteln. Die Aufnahme und Verstoffwechselung von Tanninen im Körper dürfte stark vom Mikrobiom im Darm abhängen, ist aber noch nicht zur Gänze erforscht [2].

Adstringierende Wirkung

Lebensmitteln mit hohem Tanningehalt verursachen beim Verzehr oft Adstringenz – eine Empfindung des Zusammenziehens und der Trockenheit im Mund, von manchen auch als herbes oder pelziges Gefühl beschrieben. Ursache dafür ist eine Fällung der im Speichel und den Mundschleimhäuten gelösten Proteinen durch die Tannine. Normalerweise wird der als eine angenehme Flüssigkeit wahrgenommen, die die Schleimhäute benetzt. Gelangen nun aber über Nahrung oder Getränke Gerbstoffe in den Mund und werden im Speichel gelöst, werden Proteine gefällt und verbinden sich zu größeren Komplexen. Das Fließverhalten des Speichels ändert sich, was mittels Trigeminusnerv wahrgenommen wird. Die adstringierende Wirkung hängt von der Anzahl der Hydroxylgruppen des Tannins ab, bei 1-5 solcher Gruppen steigert es sich, ab 7 Gruppen verringert sie sich wieder. [1,2]

Verwendung von Tanninen

Früher spielten Tannine vor allem in der Lederproduktion eine große Rolle. Bis ins 20. Jahrhundert wurden die in Eichenholz vorkommenden Tannine dazu verwendet, die Fasern in Tierhäuten zu vernetzen und das Leder haltbar zu machen. Heutzutage wird Leder vor allem mit Mineralsalzen gegerbt.

In der Lebensmittelindustrie werden Tannine heute aufgrund ihrer antioxidativen und antimikrobiellen Wirkung als Konservierungsstoffe eingesetzt.

In der Medizin wird ihre immunregulierende, entzündungshemmende, krebshemmende, Herz-Kreislauf-stärkende und antithrombotische Wirkung erforscht, ebenso wie stoffwechselregulierende und antidiabetische Eigenschaften. Das Problem dabei ist, dass Tannine sehr unterschiedlich sind und sich Resultate schwer vergleichen lassen. [2,3]

Vor allem in der Prävention von chronischen Krankheiten dürften Tannine ihre Wirkung entfalten, da sie anti-oxidativ, entzündungshemmend, antibakteriell und antiviral wirken. Zudem haben sie einen positiven Einfluss auf den Blutzucker und das Sättigungsgefühl und könnten auch als vorbeugendes Mittel gegen Übergewicht und Diabetes interessant werden. [3]

Fazit

Tannine sind pflanzliche Gerbstoffe, die mit Proteinen interagieren und diese zum Verklumpen bringen können. Sie sind für das „pelzige Gefühl“ und das „Zusammenziehen“ im Mund verantwortlich. Dieses wird oft durch Wein hervorgerufen und ist auch als Adstringenz bekannt. Eine mögliche medizinische Wirkung von Tanninen ist aktuell ein spannendes Forschungsgebiet.

Quellen:

[1] Adamczyk  B., Simon J., Kitunen V. et al.:  Tannins and Their Complex Interaction with Different Organic Nitrogen Compounds and Enzymes: Old Paradigms versus Recent Advances. Chemistry Open (2017), Volume6, Issue5,  p610-614

[2] Smeriglio A., Barreca D. and Trombetta D.: Proanthocyanidins and hydrolysable tannins: occurrence, dietary intake and pharmacological effects. British Journal of Pharmacology (2017) 174 p1244-1262

[3] Barrett  AH, Farhadi NF and Smith TJ: Slowing starch digestion and inhibiting digestive enzyme activity using plant flavanols/tannins— A review of efficacy and mechanisms. LWT (2018) Volume 87, p 394-399

 

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28.04.2020

bESSERwisser

Kurkuma – goldenes Gewürz und Heilmittel

Kurkuma-Wurzel und Kurkuma-Pulver

Kurkuma erfreut sich nicht nur in zahlreichen Speisen, sondern auch in Getränken zunehmender Beliebtheit. Golden Milk und Kurkuma Latte zählen zu den neuen Trend-Getränken und gelten als wahres Superfood. Diesen Drinks wird positive Auswirkung auf die Gesundheit nachgesagt. Wer nicht gerade asiatisch kocht, hat sich wahrscheinlich noch nie Gedanken darüber gemacht, woher Kurkuma eigentlich stammt und wie die schöne gelbe Farbe dieses Gewürzes entsteht. Die bESSERwisser haben dazu recherchiert.

Kurkuma ist einer der Bestandteile von Curry-Gewürzmischungen und wird als solche in vielen Speisen verwendet. Seit einiger Zeit findet Kurkuma jedoch auch bei der Zubereitung von Getränken Einsatz. Golden Milk ist ein neues kurkumahaltiges In-Getränk, dem gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt wird. Was im ersten Moment wie eine ausgefallene Hipster-Kreation klingt, hat in Wahrheit eine jahrhundertealte Tradition.

Botanische Zugehörigkeit und Ursprung

Die Kurkuma (Curcuma longa) ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae). Ihre Wurzel ähnelt stark der des Ingwers, ist jedoch deutlich intensiver und etwas dunkler gelb gefärbt. Deshalb ist Kurkuma auch unter den Namen gelber Ingwer, Safranwurz oder Gelbwurz bekannt. Bei der Verarbeitung ist Vorsicht geboten, da Kurkuma stark färbt. Am besten trägt man Handschuhe und arbeitet nicht mit Kunststoffgeräten. Flecken lassen sich auch nur sehr schwer wieder aus der Kleidung entfernen. Die Färbekraft von Kurkuma kann man sich aber auch zunutze machen und damit beispielsweise gelbe Ostereier zaubern.

Die Kurkuma-Pflanze selbst ist ursprünglich auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien heimisch. In China, Indien, Thailand, Nepal und im Iran dient ihre pulverisierte Wurzel zur Verfeinerung vieler asiatischer Gerichte und verleiht den Speisen eine kräftige gelbe Färbung sowie eine erdige Geschmacksnote. Darüber hinaus wird das Gewürz gerne als Färbemittel, etwa für Lebensmittel wie Senf und Milchprodukte, verwendet. In der traditionellen ayurvedischen Medizin gilt Kurkuma seit knapp 4000 Jahren als umfassendes Heilmittel zahlreicher Krankheiten und kommt beispielsweise bei Atemwegsinfekten, Rheuma, Verdauungsbeschwerden oder Leberleiden zum Einsatz.

Geschmacks- und farbgebende Inhaltsstoffe von Kurkuma

Der typische Geschmack von Kurkuma entsteht vor allem durch so genannte Oleoresine.  Das sind färbende oder geschmacksgebende Extrakte, die aus Samen, Wurzeln, Blättern, oder Früchten sowie ätherischen Ölen gewonnen werden können [1].

Für die gelbe Färbung der Kurkuma-Wurzel sind so genannte Curcuminoide verantwortlich. Zu diesen zählen neben Curcumin auch Demethoxycurcumin, Bisdemethoxycurcumin und Cyclocurcumin (Curcumin I bis IV). Bei Curcumin handelt es sich um ein natürliches Polyphenol, das erstmals im Jahr 1870 in purer, kristalliner Form extrahiert wurde [1,2].

Schlechte Aufnahme von Curcumin aus der Nahrung

Curcumin wird ein breites Spektrum an positiven Wirkungen auf die Gesundheit nachgesagt, welche hauptsächlich auf seiner anti-oxidativen und anti-inflammatorischen Wirkung im Körper beruhen . Curcumin ist jedoch chemisch instabil und verfügt über eine niedrige Wasserlöslichkeit, womit es nur schlecht ins Zellinnere sowie ins Blut aufgenommen werden kann. So wird letztendlich das wenige Curcumin aus der Nahrung, das im Dünndarm absorbiert wurde, in der Leber rasch verstoffwechselt und über die Gallenblase schnell ausgeschieden. Auch hohe Dosierungen von bis zu 12 Gramm Kurkuma-Pulver pro Tag – was deutlich mehr als der von der WHO empfohlenen Tagesdosis von maximal 3 Gramm entspricht – konnten daran nichts ändern [2,3].

Es gibt jedoch die Möglichkeit, die Verfügbarkeit von Curcumin für den Körper zu erhöhen:

  • So kann beispielsweise durch die gemeinsame Aufnahme von Curcumin und Piperin, dem Hauptwirkstoff in schwarzem Pfeffer, die Aufnahme von Curcumin ins Blut um 2000 % gesteigert werden. Dies ist jedoch von der Curcumin-Dosis und dem Gesundheitszustand der Person abhängig [2,3].
  • Auch verschiedene Arten der Wirkstoffverabreichung sowie nanotechnologie-basierte Systeme zum Wirkstofftransport sollen die therapeutische Wirksamkeit von Curcumin verbessern [4]. Ein Beispiel dafür ist das Abfüllen von Curcumin gemeinsam mit essenziellen Kurkuma-Ölen in Kapseln, um die Aufnahme vom Dünndarm ins Blut zu steigern [5].

Therapeutisches Potential wird diskutiert

Curcumin und seine Derivate haben im Lauf der letzten zwei Dekaden erhöhte Aufmerksamkeit in der Forschung bekommen [2,7]. Für neurodegenerative Erkrankungen, Krebs und Immunerkrankungen gilt Curcumin als vielversprechender Wirkstoff [3,6].

Auch ein Einsatz von Curcumin bei Krebs wird diskutiert. Krebs ist heute die zweithäufigste Todesursache weltweit. Trotz großer Fortschritte in der Krebstherapie sind sowohl die Zahl der Neuerkrankungen als auch die Sterblichkeitsrate hoch. Daher gehört die Suche nach effizienteren und weniger toxischen Behandlungsstrategien von Krebs zu den obersten Zielen der derzeitigen Forschung [7]. Curcumin gilt hier als vielversprechender Kandidat, eine effektive Wirkung gegen Krebs konnte jedoch bisher noch nicht bestätigt werden. Derzeit wird in verschiedenen klinischen Humanstudien die Wirksamkeit von Curcumin bei Brust- und Prostatakrebs erforscht:

  • Eine amerikanische Studie beschäftigt sich mit möglichen Veränderungen des Primärtumors von 20 Brustkrebspatientinnen im Zusammenhang mit der oralen Gabe von Curcumin [8].
  • Eine weitere Studie untersucht eine mögliche Reduzierung der Krebsprogression in 291 Prostatakrebspatienten, die unter aktiver ärztlicher Überwachung stehen. Curcumin wird den Probanden in Form eines Nahrungsergänzungsmittels namens Biocurcumax verabreicht [8].

Beide Studien werden in den nächsten Jahren abgeschlossen und man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.

Interaktion von Kurkuma mit der Darmflora

Unsere Ernährung hat starken Einfluss auf unsere Darmflora. Eine intakte Darmflora wiederum ist entscheidend für einen gesunden Körper. So steht ein Ungleichgewicht unserer Darmflora mit vielen Stoffwechselerkrankungen in Zusammenhang [9].

Studien weisen darauf hin, dass der positive Effekt von Curcumin auf die Gesundheit durch die Darmflora verstärkt wird. Die Mikroorganismen des Darms und Curcuma beeinflussen sich gegenseitig: Die Darmflora produziert aktive Stoffwechselprodukte aus Curcumin, was allerdings stark von der individuellen Bakterienbesiedelung einer Person abhängig ist. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass Curcumin einen positiven Einfluss auf die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora hat. Das ist in Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer, wichtig, da bei diesen Erkrankungen eine veränderte Darmflora für das Auftreten von Symptomen verantwortlich ist. Etwaige Veränderungen der Darmflora im Menschen und die genauen Mechanismen dahinter sind Gegenstand zukünftiger Forschung.

Bei der Verwendung von Curcumin für therapeutische Zwecke wird empfohlen, dieses gemeinsam mit Milch oder Öl einzunehmen, um die Aufnahme im Körper zu erhöhen [6,9].

Golden Milk: Wahres Superfood?

Aufgrund der möglicherweise verbesserten Aufnahme von Curcumin in Kombination mit Milch erfreuen sich auch Golden Milk und Kurkuma Latte in letzter Zeit großer Beliebtheit. Unzählige Onlineshops bieten fertige Gewürzmischungen für die Zubereitung dieses Wunder-Getränks an. Obwohl sie in Indien schon seit Jahrhunderten Tradition haben, gelten diese Getränke in Europa erst seit kurzer Zeit als Trend und wahres Superfood. Wie der Name schon vermuten lässt, besteht das Getränk neben dem Kurkumapulver in erster Linie aus Milch oder pflanzlichen Alternativen aus Mandel, Soja, Cashew, Kokos oder Hafer. Propagiert werden neben anti-oxidativer und entzündungshemmender auch eine verdauungsfördernde Wirkung. Hier besteht jedoch aus wissenschaftlicher Seite noch reichlich Forschungsbedarf.

Tipps für Einkauf und Lagerung von Kurkuma

Frische Kurkuma-Wurzeln sind ganzjährig in Bioläden oder gut sortierten Supermärkten erhältlich. Beim Kauf ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Wurzel schwer in der Hand liegt und keinesfalls runzelige oder feuchte Stellen aufweist. Die frische Wurzel lässt sich am besten im Kühlschrank in einer Dose oder einem verschließbaren Gefrierbeutel aufbewahren, wo sie mehrere Wochen frisch bleibt.

Kurkuma-Pulver sollte, wie auch andere Gewürze, trocken und kühl gelagert werden. Dazu eignen sich gut verschließbare Gefäße mit Schraubverschluss.

Fazit

Zur Farbgebung von Speisen und Getränken eignen sich frische Kurkuma-Wurzeln oder das daraus gewonnene Pulver gut als günstigere Alternative zu Safran. Auch als Bestandteil von Curry-Gewürzmischungen ist Kurkuma gut zum Verfeinern und Färben verschiedener Speisen geeignet. In Milch oder Pflanzendrinks aufgelöst kann man Kurkuma als wärmendes Getränk genießen. Ihrem Ruf als Superfood kann die Golden Milk aus wissenschaftlicher Sicht allerdings noch nicht gerecht werden. Mögliche positive Wirkungen von Curcumin – dem in Kurkuma enthalten Wirkstoff – auf die Verdauung sowie beim Einsatz bei Krebs sind wissenschaftlich noch nicht bestätigt. Die Kurkuma zugeschriebenen Eigenschaften als Wundermittel kommen also eher aus der Tradition als aus der Wissenschaft.

Referenzen:

[1] Nelson, KM, Dahlin JL, Bisson J. et al.: The Essential Medicinal Chemistry of Curcumin (2017). J Med Chem. 2017 Mar 9;60(5):1620-1637. doi: 10.1021/acs.jmedchem.6b00975.

[2] Dei Cas M. nad Ghidoni R.: Dietary Curcumin: Correlation between Bioavailability and Health Potential (2019). Nutrients. 2019 Sep 8;11(9). pii: E2147. doi: 10.3390/nu11092147.

[3] Anand P., Kunnumakkara AB, Newman RA et al.: Bioavailability of curcumin: problems and promises (2007). Mol Pharm. 2007 Nov-Dec;4(6):807-18. Epub 2007 Nov 14.

[4] Catanzaro M., Corsini E., Rosini M. et al.: Immunomodulators Inspired by Nature: A Review on Curcumin and Echinacea (2018). Molecules. 2018 Oct 26;23(11). pii: E2778. doi: 10.3390/molecules23112778.

[5] Singletary K.: Turmeric: Potential Health Benefits (2020). Nutrition Today: January/February 2020 – Volume 55 – Issue 1 – p 45-56. doi: 10.1097/NT.0000000000000392

[6] Pluta R., Januszewski S. and Ulamek-Koziol M.: Mutual Two-Way Interactions of Curcumin and Gut Microbiota (2020). Int. J. Mol. Sci. 2020, 21(3), 1055. doi: 10.3390/ijms21031055

[7] Tomeh MA , Hadianamrei R. and Zhao X.: A review of curcumin and its derivatives as anticancer agents (2019). Int J Mol Sci. 2019 Feb 27;20(5). pii: E1033. doi: 10.3390/ijms20051033.

[8] Giordano A. and Tommonaro G.: Curcumin and Cancer (2019). Nutrients. 2019 Oct; 11(10): 2376. doi: 10.3390/nu11102376

[9] Zam W.: Gut Microbiota as a Prospective Therapeutic Target for Curcumin: A Review of Mutual Influence (2018). J Nutr Metab. 2018; 2018: 1367984. doi: 10.1155/2018/136798

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