Corona: Hat die Pandemie unser Essverhalten verändert?

Gemeinsames Essen. Bild: Pixabay, CCO

Bestellen beim Lieferservice, Perfektionieren von Brotbacktechniken, vermehrtes Selberkochen sowie essen und trinken, um der Langeweile zu entkommen: Die Covid-19-Pandemie hat die Art und Weise, wie wir essen, was wir essen und wieviel wir essen, beeinflusst. Internationalen Studien haben bestätigt, dass sich Essenswahl und Essverhalten sowie physische Aktivität während der Lockdowns und in Quarantäne verändert haben.

Ernährung während der Lockdowns: Nicht immer ungesünder und mehr

Eine niederländische Studie, die über 1000 Erwachsene während eines fünf Wochen dauernden Lockdowns befragte, ergab: 83 Prozent der Befragten gaben an, ihre Essensgewohnheiten hätten sich nicht verändert. Das zeugt davon, dass Ernährungsroutinen so wie andere Alltagsroutinen konstant sind und nur einem langsamen Wandel unterliegen.

Nichtsdestotrotz nahm der Rest – also etwas weniger als 20 Prozent der Befragten – eine deutliche Veränderung wahr: Eine Hälfte berichtete davon, sich ungesünder zu ernähren, die andere, dass sich ihre Ernährungssituation verbessert hätte. Ungesunde Ernährung war hierbei stark mit soziodemographischen Merkmalen verknüpft: Übergewicht, Bildungsniveau, Alter und Geschlecht waren relevante Faktoren. So erklärten eher jüngere Menschen, Frauen, höher Gebildete und besonders übergewichtige Menschen, dass es ihnen schwerer falle, sich gesund zu ernähren und dass sie generell mehr Essen zu sich nehmen als vor der Pandemie [1].

Auch in Großbritannien gab es eine groß angelegte Befragung zum Thema Gewichtsmanagement während der Pandemie. Im Gegensatz zu der niederländischen Studie berichtete in England nahezu die Hälfte der Befragten von negativen Veränderungen ihrer Ernährung, Bewegungsausübung und psychischen Gesundheit. Die Befragten nahmen Corona-bedingte Hürden im Gewichtsmanagement, wie beispielsweise Probleme bei der Motivation und Kontrolle, wahr. Auch wenig soziale Unterstützung und mangelnder Zugang zu gesundem Essen erschwerte ihnen den Alltag während der Pandemie. Aber in dieser Studie konnte neben den negativen Konsequenzen interessanterweise ebenso das Gegenteil beobachtet werden: 23 Prozent der StudienteilnehmerInnen gaben beispielsweise an, weniger zu „snacken“ und 45 Prozent mehr Sport zu betreiben [2].

Auswirkung der Lockdowns auf Personen mit Essstörungen

Lockdowns lassen den gewohnten Alltag nicht mehr zu und verändern auch die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren. Die Einschränkungen betreffen tägliche Routinen und erschweren außerdem den Zugang zu professioneller psychologischer Unterstützung. Gerade für Menschen mit bereits vorhandenen Essstörungen können solche Einschränkungen schwierig sein.

Laut einer weiteren Untersuchung aus Großbritannien empfanden aber auch Personen mit Essstörungen die Lockdown-Phasen in Hinsicht auf ihre Erkrankung, unterschiedlich. Bei einem Teil verstärkte sich das gestörte Essverhalten, der andere nahm die Ruhe, Zurückgezogenheit und Privatheit als entlastend wahr und konnte sie für Erholung und Genesung nutzen [3].

Änderungen der Motive für Nahrungswahl

Der Frage, ob sich auch die Ursachen für die Nahrungswahl im Lockdown verändert haben, ging eine Studie in Frankreich nach. Während eines Lockdowns wurden neun Ernährungsmotive im Vergleich zu der Vor-Corona-Zeit untersucht: Gesundheit, Bequemlichkeit, sinnlicher Anspruch, natürliche Inhaltsstoffe, ethische Überlegungen, Gewichtskontrolle, Stimmung, Vertrautheit und Preis.

Das Motiv Stimmung wurde weit häufiger genannt als vor der Krise, wobei hier die Kompensierung von Langeweile und Emotionsregulation die größte Rolle spielen. Interessanterweise sank die Bedeutung von Bequemlichkeit und Preis bei Nahrungsmitteln, während jene von Gesundheit, natürlichen Inhaltsstoffe und ethischen Motive zunahm [4].

Selbst Kochen während der Pandemie

Auch im Bereich der Kochpraktiken wurden in einer weiteren französischen Studie während der Lockdowns positive und negative Veränderungen wahrgenommen. Manchen Personen verschafften die Umstände im Lockdown mehr Zeit zum Kochen, auch mit frischen Produkten. Andere berichteten über einen Rückgang ihrer Ernährungsqualität, hauptsächlich verursacht durch weniger Wahlmöglichkeiten und der erhöhten Konsumation von „Komfortnahrung“ und Snacks. Durch weniger Zeitzwang kam es während der Lockdowns beim selber Kochen zu einem Anstieg von über 50 Prozent bei jenen, die positive Veränderungen wahrnahmen. Dies geht laut vorangehenden Studien mit einer besseren Ernährungsqualität und Gesundheit einher. Die Häufigkeit von Selberkochen unterschied sich allerdings bei verschiedenen Personengruppen. So etwa tendierten Personen mit finanziellen Schwierigkeiten dazu, weniger selbst zu kochen [5].

Vorratsbildung in der Pandemie: Hamsterkäufe eher die Ausnahme

Ein weiteres interessantes Phänomen beim Einkaufsverhalten während der Pandemie ist das vermehrte Anlegen von Vorräten. In dieser Hinsicht werden die medial transportierten Bilder unvergessen bleiben, die ausverkaufte Regale zeigen und aufgeregte Menschen, die Toilettenpapier in ihren Einkaufswägen stapeln.

Beth Benker beschreibt dieses Verhalten als nur eine von sechs Resilienzstrategien während der Pandemie [6]. In ihrer Studie zu den Lockdowns stellte sie fest, dass zwar moderate Mehreinkäufe durchaus vorkamen, panisches Einkaufen und Vorratsbildung jedoch nicht die Regel waren. Die interviewten StudienteilnehmerInnen distanzierten sich sogar von dieser Praxis und bezeichneten sie als panisches, individualistisches und egoistisches Verhalten. Das Einkaufsverhalten während der Lockdowns und die Vorbereitung für kommende Lockdowns war stattdessen von erheblicher und sorgfältiger Planungsarbeit gekennzeichnet [6].

Geändertes Essverhalten der Kinder während der Lockdowns

Auch Kinder wurden in den Lockdowns anders versorgt als zuvor. Laut einer US-amerikanischen und einer französischen Studie [7, 8] führte Lockdown-bedingter Stress dazu, dass Eltern ihren Sprösslingen Essen und Snacks vermehrt auch zwischen den Mahlzeiten anboten. Das verursachte eine grundsätzliche Zunahme von süßen und pikanten Snacks, die hauptsächlich für emotionale Zwecke wie Beruhigen und Beschäftigen eingesetzt wurden. Der Hauptfaktor dafür, mehr Essen und Snacks zu sich zu nehmen, war Langeweile der Kinder in der Isolation.

Auf der Seite der Eltern wurde eine tolerantere Grundeinstellung im Lockdown beobachtet: weniger Regeln als sonst, und mehr Autonomie der Kinder. Von ihnen wurden auch positive Seiten des Lockdowns erwähnt: Das Selberkochen half den Eltern bei einer Strukturierung des Alltags, und die Interaktionen zwischen ihnen und ihren Kindern rund um die Mahlzeiten wurden als positiv wahrgenommen.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass Lockdowns das Essverhalten und den Konsum sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Während das Ernährungsmuster der meisten Befragten während der Pandemie stabil blieb, gab es auch andere Personen, bei denen es hier zu gravierenden Änderungen kam. Bei vielen verschlechterte sich die Ernährungssituation während der Lockdowns und Quarantäne. Gerade jene, die schon vorher von Essstörungen betroffen oder in schwierigen finanziellen oder sozialen Situationen waren, trifft der Lockdown hart: Sie sind oftmals mit den Konsequenzen von emotionalem Essen, maßlosem Essen und Snacks zwischen den Mahlzeiten konfrontiert. Somit kann Essen auch in der Corona- Krise als Spiegel gesellschaftlicher Ungleichheit betrachtet werden.

Referenzen:

(1) Poelman MP, Gillebaart M., Schlinkert C., Dijkstra S., Derksen E., Mensink F., Hermans RCJ,  Aardening P., de Ridder D., de Vet E.: Eating behavior and food purchases during the COVID-19 lockdown: A cross-sectional study among adults in the Netherlands, Appetite, Volume 157, 2021, 105002, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.105002.

(2) Robinson E., Boyland E., Chisholm A., Harrold J., Maloney NG, Marty L., Mead BR, Noonan R., Hardman CA: Obesity, eating behavior and physical activity during COVID-19 lockdown: A study of UK adults, Appetite, Volume 156, 2021, 104853, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.104853.

(3) Brown SM, Opitz MC, Peebles AI, Sharpe H., Duffy F., Newman E.: A qualitative exploration of the impact of COVID-19 on individuals with eating disorders in the UK, Appetite, Volume 156, 2021, 104977, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.104977.

(4) Marty L., de Lauzon-Guillain B., Labesse M., Nicklaus S.: Food choice motives and the nutritional quality of diet during the COVID-19 lockdown in France, Appetite, Volume 157, 2021, 105005, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.105005.

(5) Sarda B., Delamaire C, Serry AJ, Ducrot P.: Changes in home cooking and culinary practices among the French population during the COVID-19 lockdown, Appetite, Volume 168, 2022, 105743, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2021.105743.

(6) Benker B.: Stockpiling as resilience: Defending and contextualising extra food procurement during lockdown, Appetite, Volume 156, 2021, 104981, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.104981.

(7) Jansen E., Thapaliya G., Aghababian A., Sadler J., Smith K., Carnell S.: Parental stress, food parenting practices and child snack intake during the COVID-19 pandemic, Appetite, Volume 161, 2021, 105119, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2021.105119.

(8) Philippe K., Chabanet C., Issanchou S., Monnery-Patris S.: Child eating behaviors, parental feeding practices and food shopping motivations during the COVID-19 lockdown in France: (How) did they change?, Appetite, Volume 161, 2021, 105132, ISSN 0195-6663, https://doi.org/10.1016/j.appet.2021.105132.

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