Gibt es Normen für die Krümmung von Bananen und Gurken?

Krumme Gurke

Bild: Pixabay, CCO

„Gurkenverordnung“ und „Eurobananen“ sind vielen von uns als Negativ-Beispiele für den Regelungswahn der EU bei Obst und Gemüse ein Begriff. Welche Bestimmungen gelten aktuell für Obst und Gemüse in Österreich, damit diese in den Handel gelangen dürfen? Und welche Projekte wirken dem Entsorgen von nicht normgerechtem Obst und Gemüse entgegen? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Gurken- und Bananenverordnung der EU

Für viele wurden die Gurken- und Bananenverordnung der EU zum Sinnbild für übertriebene Bürokratie und Regelungswahn der Europäischen Staatengemeinschaft. Lange Zeit wurden diese Reglementierungen von vielen EU-Kritikern, aber auch von zahlreichen Kabarettisten aufgegriffen.

Die Gurkenverordnung wurde als „Verordnung (EWG) Nr. 1677/88 der Kommission vom 15. Juni 1988 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken“ eingeführt und war ab dem 1. Januar 1989 anwendbar. Sie schrieb unter anderem vor, dass Gurken einer bestimmten Handelsklasse eine maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge aufweisen dürfen und erlangte daher auch bald als Gurkenkrümmungsverordnung Berühmtheit. Obwohl die Verordnung 2009 außer Kraft gesetzt wurde, halten wichtige Großhändler weiterhin daran fest.

Die Bananenverordnung der EU wurde als „Verordnung (EG) Nr. 2257/94 der Kommission vom 16. September 1994 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Bananen“ veröffentlicht und findet seit dem 1. Januar 1995 Anwendung. Sie besagt unter anderem, dass Bananen, die in die EU importiert, sowie innerhalb der EU produziert werden eine Länge von mindestens 14 Zentimetern und eine Dicke von mindestens 27 Millimetern besitzen müssen. Ein Krümmungsgrad für Bananen wird hier jedoch – entgegen vieler Behauptungen – nicht festgelegt.

Allgemeine Normen für Obst und Gemüse

Gesetzliche Vorgaben gelten nicht nur für Gurken und Bananen. Alles Obst und Gemüse muss bestimmte Kriterien erfüllen, um auf den Markt kommen zu dürfen. Normen befassen sich mit Anforderungen zu Qualität, Kennzeichnung und Aufmachung. Dazu zählen elementare Mindesteigenschaften wie ein einwandfreier Zustand, also dass das Obst oder Gemüse gesund oder ganz ist, sowie dass Größe und Färbung den vorgegebenen Anforderungen entsprechen. Neben diesen äußeren, schnell überprüfbaren Merkmalen muss auch das Herkunftsland angeben werden.

Spezielle Vermarktungsnormen gelten für Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gemüsepaprika, Kiwis, Pfirsiche und Nektarinen, Salate, Tafeltrauben, Tomaten sowie die Zitrusfrüchte Orangen, Mandarinen und Zitronen. Hier wird in drei Klassen eingeteilt:

  • In der Extra Klasse muss es Obst und Gemüse von höchster Qualität sein. So muss zum Beispiel ein Apfel der Extraklasse einen bestimmten Rotanteil aufweisen, eine Mindestgröße darf nicht unter- und eine Maximalgröße nicht überschritten werden. Die sortentypische Form und ein unverletzter Stiel sind ebenfalls Grundvoraussetzung.
  • Bei Klasse eins muss das Obst und Gemüse von „guter Qualität“ sein, was bedeutet, dass ein Apfel kleinere Mängel wie leichte Farb- oder Formfehler haben darf.
  • Obst und Gemüse der Klasse zwei muss definierten Mindesteigenschaften entsprechen. In dieser Klasse dürfen auch kleine Druckstellen vorhanden sein. Gewicht, Größe und Form sind hier ebenfalls definiert. Ein Millimeter Durchmesser mehr oder weniger kann schon ausreichen, dass das Schicksal einwandfreier Ware besiegelt wird, und sie nicht in den Handel darf. Damit Äpfel überhaupt im Supermarkt verkauft werden dürfen, müssen sie laut EU-Verordnung mindestens 90 Gramm wiegen, oder einen Durchmesser von 60 Millimetern vorweisen.

Vorreiterrolle der Schweiz

In der Schweiz initiierte die Handelskette Coop im Jahr 2013 unter dem Namen „Ünique“ den ersten Verkauf von Obst mit optischen Mängeln. Walliser Marillen, denen der Hagel im Juli zugesetzt hatte, und wo ein Viertel der Ernte beschädigt war, konnten so verkauft werden.

Der Handel in Österreich nahm sich das Schweizer Modell zum Vorbild und zog nach. Seit 2.10.2013 gibt es auch im österreichischen Handel Obst und Gemüse mit eigenwilligem Aussehen. Unter dem Namen „Wunderlinge“ setzt die Rewe Group – Billa, Merkur, Adeg – damit ein Zeichen gegen die vieldiskutierte Lebensmittelverschwendung.  Seit 2015 ist auch Penny mit dabei.

Wunderlinge – nicht NORMal

„Wunderlinge“, das ist heimisches Obst und Gemüse, einwandfrei in Geschmack und Qualität, angeboten zu einem günstigeren Preis aufgrund weniger gefälligen Aussehens. Seit dem Start gibt es Äpfel, Karotten oder Erdäpfeln in Formen, die es normalerweise nicht in den Handel schaffen. Kleine, leicht deformierte Äpfel, gekrümmte Karotten, oder Erdäpfel, herzförmig statt oval. Jedes Obst oder Gemüse, das nicht der klassischen Form entsprach, wurde bis dahin entweder am Feld liegen gelassen, Tieren verfüttert, oder mehrere Tausende Kilometer weit transportiert, um noch verkauft werden zu können. Auf diese Art wurden über 30% der Obst- und Gemüseernte aussortiert. Damit diese Verschwendung eingeschränkt wird, und man eine höhere Effizienz in der gesamten Produktionskette erreicht, wurden zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen.

Andere Projekte gegen die Wegwerfkultur

  • Seit 2018 gibt es bei Hofer unter dem Namen „Krumme Dinger“ auch Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern zu kaufen. Dabei werden saisonale Zucchini, Gurken oder Paprika in Bioqualität verkauft, die ihren Kollegen mit „Modelmaßen“ im Geschmack nicht nachstehen, und von den Konsumenten gerne gekauft werden.
  • Die Wiener Universität für Bodenkultur sucht bei der „Nachernte“ Anfang Herbst Freiwillige, die Gemüse und Früchte aufsammeln, die liegengeblieben sind, weil sie zu klein, zu groß, zu wenig gefärbt sind. Drei Prozent des Ertrages bleiben auf den Feldern liegen. Was nach nicht viel klingt, macht durch die Größe der Felder einige Tonnen Obst und Gemüse aus. Mithilfe dieser Initiative, können mehrere 100 Kilogramm Ernte gerettet werden, die dann an BiowirtInnen und das Wiener Hilfswerk weitergegeben werden. Ziel ist der Aufbau eines Nacherntenetzwerks in Österreich.
  • In Tirol gibt es seit Frühjahr 2018 die „Karakter“ Ernte. Das ist ein Zusammenschluss produzierender und weiterverarbeitender Betriebe, die sich dem nicht genutzten Anteil der regionalen Obst- und Gemüseernte annehmen, der nicht für die Supermarktnormen infrage kommt. Der Abnehmerkreis sind Gastronomiebetriebe, sowie Schul- und Betriebsküchen, die sich entschlossen haben die gesamte Ernte zu verarbeiten.

Quellen:

https://www.bmnt.gv.at/land/produktion-maerkte/vermarktungsnormen/Obst_und_Gemuese.html

https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/schriftenreihe/p_19816.pdf

https://boku.ac.at/oeffentlichkeitsarbeit/themen/presseaussendungen/presseaussendungen-2018/04092018-nachernten-verringert-ertragsverlust-und-vermeidet-abfall/

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