Extraportion Protein für Energie und Muskelaufbau beim Sport?

Eine Schüssel mit Topfen als Extraportion Protein

Mit Protein angereicherte Milchprodukte liegen im Trend. Bild: Pixabay, CCO

Um beim Sport genügend Energie zu haben und schneller Muskeln aufzubauen, wird eine Extraportion Protein benötigt – so die weitverbreitete Meinung. Deshalb greifen viele Sportler unter anderem zu Milchprodukten, die mit Protein angereichert sind. Aber wie viel Eiweiß braucht der Körper wirklich, und kann zu viel Eiweiß gar schaden? Die bESSERwisser haben die Antworten.

Eiweiß ist für Hobbysportler und Fitnessfanatiker schon längst unverzichtbar. Wer viel Sport macht, der braucht viel Protein – diese Meinung wird häufig vertreten. Viel Energie und schneller Muskelaufbau sind das Ziel. Dazu greifen Sportler häufig zu Proteinriegeln, Shakes & Co, die schon längst fixer Bestandteil vieler Supermarktregale sind. In den letzten Jahren wurde der Markt jedoch zunehmend von Milchprodukten erobert, die mit der Extraportion Protein werben – egal ob Milch, Joghurt oder Topfencreme. Auch Protein-Eis gibt es seit längerem zu kaufen. Das Versprechen all dieser Produkte: Schlank, fit und gesund dank einer Extraportion Eiweiß.

Was sind Proteine?

Eiweiße – auch Proteine genannt – sind stickstoffhaltige organische Substanzen, die aus vielen hintereinander angeordneten Aminosäuren bestehen und unterschiedlich langen Ketten bilden. Proteine erfüllen im menschlichen Körper wichtige Funktionen: Sie sind Baustoffe von Zellen, Gewebe – wie beispielsweise Muskelfasern – und Organen. Enzyme, Hormone und Antikörper sind ebenfalls Proteine. Auch die Blutgerinnung und der Transport von Vitaminen oder Eisen erfolgen über Proteine. Diese stellen außerdem wichtige Energielieferanten dar.
Die in der Nahrung enthaltenen Proteine sind aus insgesamt 20 verschiedenen Aminosäuren aufgebaut. Neun davon sind unentbehrlich und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Auch die entbehrlichen, oder bedingt unentbehrlichen Aminosäuren werden vom Organismus benötigt, um körpereigene Proteine aufzubauen. Letztere kann der Körper in bestimmten Lebens- und Krankheitssituationen gar nicht oder unzureichend selbst synthetisieren.

  • Unentbehrliche (essenzielle) Aminosäuren: Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin
  • Entbehrliche (nicht-essenzielle) Aminosäuren: Alanin, Asparagin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Glycin, Prolin, Serin
  • Bedingt unentbehrliche (bedingt-essenzielle) Aminosäuren: Arginin, Cystein, Glutamin, Tyrosin

Eiweiß: Wichtiger Bestandteil unseres Körpers

Über unsere Ernährung nehmen wir Eiweiß durch eine Vielzahl tierischer und pflanzlicher Lebensmittel wie Fleisch, Eier oder Hülsenfrüchte auf. Die Empfehlung für die tägliche Proteinzufuhr liegt für gesunde Erwachsene bei 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht [1]. Eine 70 kg schwere Person sollte demnach rund 56 Gramm Eiweiß pro Tag verzehren, was bereits mit einer Portion Fleisch von ungefähr 200 Gramm erfüllt wäre. Durch eine vollwertige Mischkost wird der tägliche Bedarf an Eiweiß also ohne Schwierigkeiten gedeckt.

Bei der Zufuhr spielt aber nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität eine entscheidende Rolle. Am besten kann der menschliche Körper tierisches Eiweiß für sich nutzen. Die so genannte biologische Wertigkeit dient der Abschätzung der Qualität von Proteinen in Lebensmitteln: Hühnereier besitzen mit einem Wert von 100 die höchste Eiweißqualität, dicht gefolgt von Schweinefleisch und Soja. Durch die Kombination verschiedener Nahrungsmittel verbessert sich die biologische Wertigkeit nochmals deutlich, ein gutes Beispiel ist der Klassiker Spinat mit Spiegelei und Kartoffeln [1].

Extraportion Protein: Nur bei Leistungssportlern sinnvoll

Viele Lebensmittelhersteller sehen in der Anreicherung von Lebensmitteln mit Protein das große Geschäft. Vor allem Milchprodukte mit extra zugesetztem Protein überschwemmen aktuell den Markt – und das, obwohl Milch schon von Natur aus Eiweiß enthält. Neben Milch, Joghurt und Topfencreme werden inzwischen aber auch Müsli und Brot mit zusätzlichem Protein aufgepeppt. Damit Produzenten mit Slogans wie „hoher Proteingehalt“ oder „Proteinquelle“ werben dürfen, müssen diese Produkte einen gewissen Anteil an Eiweiß enthalten. Der erforderliche Mindestgehalt ist in der europäischen „Health Claims-Verordnung“ festgelegt [2].

Tatsächlich sind mit Protein angereicherte Produkte für die meisten Konsumenten verzichtbar, da der Proteinbedarf durch eine ausgewogene Ernährung ohne Probleme gedeckt werden kann. Das zeigt auch der Österreichische Ernährungsbericht 2017, laut dem Frauen und Männer in Österreich genügend Protein zu sich nehmen [3]. Es stellt sich somit die Frage, ob eine Extraportion Eiweiß überhaupt benötigt wird. Es gibt ein paar Personengruppen, die darauf tatsächlich angewiesen sind. Dazu zählen Schwangere und Stillende sowie Leistungs- und Profisportler [1].

Im höchsten Leistungsbereich beim Sport steigt der Proteinbedarf von 0,8 auf 1,2 bis 1,7 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Experten empfehlen allerdings, eine tägliche Zufuhr von 2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht nicht zu überschreiten. Bei Leistungssportlern ist daher eine Nahrungsergänzung mit Eiweiß durchaus sinnvoll, sollte aber unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Bei normal sportlich aktiven Menschen lässt sich der Bedarf allerdings noch problemlos über die Ernährung decken, da eine erhöhte Gesamtkalorienaufnahme auch automatisch zu einer höheren Zufuhr an Eiweiß führt. Selbst Menschen, die vier- bis fünfmal pro Woche Sport betreiben, können auf eine extra Portion Eiweiß in Form von angereicherten Lebensmitteln verzichten [4,5].

Zu viel Protein kann der Gesundheit schaden

Eine dauerhaft zu hohe Proteinzufuhr kann negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. So kann beispielsweise langfristig zu viel Eiweiß die Verdauung beeinflussen und zu Verstopfung führen. Sollte dieser Fall eintreten, ist es besonders wichtig, auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten [5].

Auch die Nieren können betroffen sein, die Effekte sind hier jedoch vom individuellen Gesundheitszustand abhängig: Gesunde Erwachsene brauchen selbst bei täglichem Konsum von 1,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht keine negativen Auswirkungen auf ihre Nierenfunktion befürchten. Aussagen über mögliche Langzeiteffekte können jedoch aufgrund fehlender Daten derzeit nicht getroffen werden [6].

Bei Personen mit unterdurchschnittlicher Nierenfunktion gibt es einen Zusammenhang von hohem Eiweißkonsum und dem langfristigen Risiko einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Bei Personen mit fortschreitender Nierenerkrankung sollte die Proteinaufnahme jedenfalls eingeschränkt werden, um den Rückgang der Nierenfunktion einzudämmen. Eine Eiweißzufuhr nach den Empfehlungen ist hier ratsam [7].

Auch Allergiker müssen bei Protein-Zusätzen vorsichtig sein. Denn Hersteller müssen ihre Rezepturen anpassen, um einen gewissen Anteil an Protein im Endprodukt zu erreichen. Während Müsli beispielsweise mit Soja-, Erbsen- oder Weizen-Eiweiß angereichert wird, kommt bei Vanillemilch zusätzlich Milcheiweiß hinzu. Bei Smoothies werden häufig Soja-Proteine zugesetzt – ein großes Problem für Personen, die dagegen allergisch sind. Es lohnt sich also immer, ein Blick auf die Zutatenliste zu werfen [7].

Extraportion Protein: Vergleichsweise teuer

Abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt spricht auch der hohe Preis von Protein-Produkten nicht gerade für deren Kauf. Wie die Marktanalyse der Konsumentenschutzorganisation foodwatch 2017 zeigte, müssen Konsumenten für die Extraportion Protein tief in die Tasche greifen: Die Produkte mancher Hersteller waren bis zu 2,5-mal so teuer wie vergleichbare Produkte ohne zugesetztem Protein. Seit 2009 zeichnet foodwatch Produkte, die mit besonders dreister Verbrauchertäuschung arbeiten, mit dem „Goldenen Windbeutel“ aus. Für die Wahl 2017 war unter anderem eine Protein-Vanillemilch für den Preis nominiert [2].

Mehr Protein bedeutet nicht mehr Muskeln

Ein bekannter heimischer Produzent preist seine Topfencreme als „optimalen Trainingsabschluss zum Löffeln“ an. Ein Vanilledrink aus den Supermarktregalen wiederum soll „den Muskelaufbau unterstützen“ und wird als sportliches Getränk für eine „fitnessorientierte und alltagsaktive Zielgruppe“ beworben [8]. Die Werbung richtet sich somit nicht an jene Verbraucher, die auf eine erhöhte Zufuhr angewiesen sind, sondern soll normal sportlich aktive Menschen zum Kauf bewegen.

Vor allem Hobbysportler, die schnell Fett verlieren und Muskeln aufbauen wollen, setzen auf proteinreiche Diät. Teilweise tun sie das zu Recht, denn es gibt mittlerweile wissenschaftlich fundierte Belege, die für eine zusätzlich Proteinzufuhr sprechen – allerdings nur in geringen Mengen: Eine Proteinsupplementation – also die zusätzliche Aufnahme von Nahrungsprotein – verbessert den Muskelzuwachs durch Krafttraining, wenn die tägliche Versorgung mit Eiweiß unter 1,6 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegt. Der Einfluss des Krafttrainings auf den Zuwachs von Muskelmasse ist jedoch wesentlich größer als die Protein-Supplementation.

Eine weitere Strategie, die viele Sportler zum Aufbau von Muskelmasse verfolgen, ist eine Kalorienaufnahme über dem tatsächlichen Energiebedarf. Eine positive Energiebilanz scheint den Aufbau von Muskulatur aber nicht wesentlich zu fördern. Bei gesunden, übergewichtigen Personen oder Profisportlern, die nach einer Verletzung oder Saisonpause das Training wieder aufnehmen, wurde folgendes beobachtet: Krafttraining in Verbindung mit erhöhter Proteinzufuhr und negativer Energiebilanz – dh wenn mehr Kalorien verbrannt als zugeführt werden – hatte einen Zuwachs der Muskulatur und Abbau der Fettmasse zur Folge. Bei regelmäßig trainierenden Personen konnte dies jedoch nicht beobachtet werden [6].

Um die Muskulatur möglichst gut aufzubauen, setzen viele Sportler auch darauf, ihre Proteinaufnahme rund um die Zeit des Trainings zu planen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine Verteilung der täglichen Proteinaufnahme auf mehrere Mahlzeiten alle drei bis fünf Stunden den Aufbau von Muskulatur fördert. Es bleibt jedoch unklar, ob dies im Rahmen einer ausgeglichenen oder positiven Energiebilanz der Fall ist [6].

Fazit

Von „Protein-Müsli“ bis „Eiweiß-Brot“ – die Bandbreite an Lebensmitteln, denen eine Extraportion Protein hinzufügt wurde, ist groß. Meist werden diese Produkte von den Herstellern als sportlich-gesunde Lebensmittel vermarktet – häufig zu überteuerten Preisen. Dabei ist das Extra-Protein meist völlig überflüssig. Gesunde Menschen, die sich ausgewogen ernähren, sind ohnehin mit ausreichend Eiweiß versorgt. Auch Erwachsene, die oft sportlich aktiv sind, können die empfohlene tägliche Proteinmenge problemlos über ihre Ernährung aufnehmen. Bei gleichbleibender Ernährung und Aktivität führt die Extraportion Protein nicht zu einem erhöhten Muskelaufbau.

Insgesamt ist es schwierig, die sehr hohe Proteinaufnahme einiger Kraftsportler zu rechtfertigen. Es fehlt derzeit an unterstützender Forschung, die eine eindeutige Verbesserung der positiven Auswirkungen von Krafttraining auf die Muskelmasse bestätigt.

Quellen:

[1] Österreichische Gesellschaft für Ernährung: Eiweiß (2018) 

[2] Verbraucherschutzorganisation Foodwatch – die Lebensmittelretter: Protein-Lebensmittel: Die neueste Masche der Lebensmittelindustrie, um Verbraucherinnen und Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen (2017) 

[3] Universität Wien und Bundesministerium für Gesundheit und Frauen: Österreichischer Ernährungsbericht 2017. 

[4] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: FAQ Proteine und unentbehrliche Aminosäuren

[5] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Ernährung und Kraftttraining (2020).

[6] Slater GJ, Dieter BP, Marsh DJ, Helms ER, Shaw G. and Iraki J.: Is an Energy Surplus Required to Maximize Skeletal Muscle Hypertrophy Associated With Resistance Training ? (2019). Front. Nutr.

[7] Bilancia G., Cavallo P., Ciacci C. and Cirillo M.: Dietary Protein, Kidney Function and Mortality: Review of the Evidence from Epidemiological Studies (2019). Nutrients 2019, 11(1), 196

[8] Der Standard: Proteinjoghurt und -müsli: In die Eiweißfalle tappen (2019).

 

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