Fleisch-Allergie nach Zeckenstich?

Zecken als Auslöser einer Allergie, Bild: Pixabay CCO

Zecken sind als Überträger verschiedenster Krankheiten, wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), bekannt. Seit einigen Jahren sorgt jedoch eine weitere, eher ungewöhnliche Erkrankung für Aufmerksamkeit: Zeckenstiche können auch eine Allergie gegen rotes Fleisch auslösen.

Das klingt erstmal ziemlich überraschend und tatsächlich ist diese Form der Allergie in vielerlei Hinsicht besonders. Die bESSERwisser haben recherchiert, um herauszufinden, was genau hinter dem sogenannten Alpha-Gal-Syndrom steckt.

Das Alpha-Gal Syndrom

Beim Alpha-Gal Syndrom handelt es sich um eine Allergie gegen rotes Fleisch. Genauer gesagt richtet sich diese Allergie gegen das Kohlenhydrat Galaktose-alpha-1,3-Galaktose, kurz Alpha-Gal. Dieses Zuckermolekül kommt in den Zellen der meisten Säugetiere vor und ist demnach im Fleisch von Rind, Schwein, Wild oder Lamm enthalten. Dabei spielt es bei einer Allergie gegen Alpha-Gal keine Rolle, ob das Fleisch roh, gekocht oder verarbeitet ist. Selbst Produkte wie Gummibärchen oder Marshmallows, die Galantine enthalten, können Symptome auslösen. [1]

Besonders spannend ist jedoch, dass diese Art von Allergie durch Zeckenstiche ausgelöst wird. Während eine Zecke Blut saugt, gibt sie über ihren Speichel verschiedene Moleküle an den Menschen ab – darunter auch Strukturen, die Alpha-Gal enthalten. Bei manchen Menschen reagiert das Immunsystem auf diese Strukturen, indem spezifische IgE-Antikörper gegen Alpha-Gal gebildet werden. Kommt die betroffene Person später über Nahrungsmittel erneut in Kontakt mit Alpha-Gal, wird das Molekül von den IgE-Antikörpern erkannt und eine allergische Reaktion ausgelöst. [2]

Verzögerte Nahrungsmittelallergie

Die Beschwerden des Alpha-Gal Syndroms reichen von Hautausschlägen und Juckreiz bis hin zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Bei schweren Fällen kann es sogar zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock kommen.

Eine wichtige Besonderheit des Alpha-Gal-Syndroms ist dabei der zeitliche Verlauf der Symptome. Klassische Nahrungsmittelallergien zeigen sich meist innerhalb weniger Minuten nach dem Essen. Beim Alpha-Gal Syndrom sieht das ganz anders aus. Die Beschwerden treten oft erst 2 bis 6 Stunden nach dem Verzehr von rotem Fleisch auf.  Vermutlich liegt das daran, dass Moleküle mit Alpha-Gal zunächst im Darm verdaut und aufgenommen werden müssen, bevor das Immunsystem darauf reagieren kann. [1,3]

Alpha-Gal Syndrom: Auf rotes Fleisch verzichten, Bild: Pixabay CCO

Genau diese deutliche Zeitverzögerung erschwert eine Diagnose erheblich, da Betroffene die Symptome oft nicht mit der Mahlzeit in Verbindung bringen, die sie Stunden davor gegessen haben.

Wie wurde der Zusammenhang mit Zeckenstichen erkannt?

Die Entdeckung des Alpha-Gal Syndroms war, wie viele neue Entdeckungen, eigentlich ein Zufall. Aufmerksam auf die Allergie gegen Alpha-Gal wurde man erstmals im Rahmen einer Arzneimittelstudie zu einer Antikörpertherapie gegen Darmkrebs (Cetuximab). Dieses Medikament enthält nämlich das Zuckermolekül Alpha-Gal. Bei einigen Patient:innen traten bei der Therapie unerwartete allergische Reaktionen auf. Bei genaueren Untersuchungen fiel auf, dass all diese Personen eines gemeinsam hatten: Sie sind zuvor von Zecken gestochen worden. Daraufhin wurde diese Reaktion genauer untersucht, was Anfang der 200er Jahre letztendlich zur Identifikation des Alpha-Gal Syndroms führte. [4]

Weltweit verbreitet

Fälle des Alpha-Gal Syndroms wurden mittlerweile auf der ganzen Welt gemeldet. Dadurch weiß man, dass Stiche von unterschiedliche Zeckenarten die Allergie auslösen können. Am besten untersucht ist die Lone-Star-Zecke, die vor allem im Süden der USA und in Mexiko vorkommt und dort für eine hohe Zahl an Betroffenen sorgt. In Europa – und damit auch in Österreich – steht der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) im Verdacht, eine ähnliche Rolle zu spielen. [5]
Wie viele Menschen in Österreich aber wirklich vom Alpha-Gal Syndrom betroffen sind ist unklar, da genaue Daten fehlen. Expert:innen gehen jedoch davon aus, dass die Dunkelziffer viel höher ist, weil eine Diagnose aufgrund der Besonderheiten des Krankheitsbildes und eines fehlenden Bewusstseins oft schwierig ist.

Einfluss des Klimawandels

Auch der Klimawandel beeinflusst die Verbreitung des Alpha-Gal-Syndroms. Steigende Temperaturen begünstigen die Ausbreitung verschiedener Zeckenarten in neue Regionen und milde Winter verlängern ihre Aktivitätsphase teilweise bis in die kälteren Monate. Dadurch steigt langfristig auch das Risiko für zeckenassoziierte Erkrankungen – inklusive des Alpha-Gal-Syndroms. [6]

Grundsätzlich besteht aber noch großer Forschungsbedarf, um die Krankheit besser zu verstehen. Offen ist dabei immer noch die Frage, warum manche Menschen nach Zeckenstichen eine allergische Immunantwort entwickeln und andere nicht. Ein besseres Verständnis soll in Zukunft auch helfen, die Diagnosen zu erleichtern und Therapien für Betroffene zu entwickeln.

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