28. Februar: Tag der Seltenen Erkrankungen - Wissen aus einer medizinischen Nische

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Am 28. Februar findet der Welttag der Seltenen Erkrankungen statt. Dieser soll das Bewusstsein für Seltene Erkrankungen in der Öffentlichkeit steigern. Die Seltenen Erkrankungen sind aufgrund der geringen Fallzahlen auf eine gute Vernetzung von medizinischen Einrichtungen, aber auch dem Wissen über die Erkrankungen in der Bevölkerung angewiesen. Am Beispiel der Seltenen Erkrankungen könnte man auch für die Weiterentwicklung der Personalisierten Medizin lernen.

 

Einordnung

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn sie weniger als eine Person unter 2000 Individuen betrifft. Da es über 7000 Seltene Erkrankungen gibt, sind sie jedoch gar nicht so „selten“: Etwa 5-8 % der Bevölkerung und damit im Schnitt etwa 400.000 Österreicher haben eine Seltene Erkrankung [1].

Zu den Seltenen Erkrankungen gehören Stoffwechselerkrankungen wie Cystische Fibrose, rheumatoide Erkrankungen wie juvenile rheumatische Arthritis oder Lungenerkrankungen wie Pulmonale Vaskulitis.

 

Hämophilie – neue Therapieansätze

Zu den bekanntesten Seltenen Erkrankungen zählt die Hämophilie oder Bluterkrankheit. In Österreich sind etwa eines von zehntausend männlichen Neugeborenen betroffen. Die Erkrankung ist durch eine mangelnde Bildung der Blutgerinnungsfaktoren VIII (Hämophilie A) und IX (Hämophilie B) charakterisiert und genetisch bedingt. Durch die gute genetische Charakterisierung der Erkrankungen war es in den letzten Jahren möglich, die Therapie der Erkrankungen zu verbessern. Normalerweise müssen Bluter lebenslang prophylaktisch Blutgerinnungsfaktoren einnehmen, mittels Gentherapie wurden nun erste Erfolge erzielt, die eventuell sogar eine Heilung der Hämophilie B in  Aussicht stellen. Die verwendete Gentherapie besteht aus einem einsträngigen Adeno-assoziierten Virus (AAV), in dessen Erbinformation ein Gen für den Blutgerinnungsfaktor IX eingebaut war. Der Vektor wurde dann über eine Infusion den Versuchsteilnehmern verabreicht und diese für fast 500 Wochen beobachtet. Das Ergebnis: Die Konzentration des Blutgerinnungsfaktors stieg dauerhaft um ein Drittel an, Blutungen verschwanden fast völlig. Jedoch zeigte die Therapie auch Nebenwirkungen im Bereich der Leber. [2], [3]

 

Was die Personalisierte Medizin von den Seltenen Erkrankungen lernen kann

80% der Seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und hoch individuell. Was man beispielsweise in der Krebsforschung über die Individualität der Erkrankungen erst in den letzten Jahren zu verstehen lernte, war im Bereich der Seltenen Erkrankung immer gegeben. So profitiert die Personalisierte Medizin stark von Erkenntnissen der Erforschung von Einflüssen der Genetik und Epigenetik bei Seltenen Erkrankungen. In der Personalisierten Medizin wird eine weltweite Standardisierung von Ontologien, also die Einführung einer gemeinsamen Sprache, in der phänotypische und genotypische Charakteristika von Erkrankungen beschrieben werden, immer notwendiger [4].

Im Bereich der Seltenen Erkrankungen ist die weltweite Vernetzung von Patientendaten und Erkrankungscharakteristika aufgrund der niedrigen Fallzahlen essentiell. Jedoch ist auch hier die Qualität der zahlreichen Ontologien verbesserungswürdig. Eine Präzisierung der Daten würde eine verbesserte Nutzung für die Personalisierte Medizin mit sich bringen. Neben der Präzisierung der Ontologien muss auch an einer Lösung gearbeitet werden, die Gesellschaft zukünftig aktiver in die Bestimmung der Nutzung Ihrer Daten miteinzubeziehen.

 

Disziplinen an der Grenzen der naturwissenschaftlichen Betrachtung

Sowohl die Forschungsdisziplin der Seltenen Erkrankungen als auch die Krebsforschung, sind im Kontext der Personalisierten Medizin an einer Grenze angelangt. Die von den Naturwissenschaften eingeforderte Verallgemeinerung der Erkenntnisse, muss nunmehr durch den Blick auf den einzelnen Menschen ergänzt werden, so Matthias Beck, Professor für theologische Ethik mit Schwerpunkt Medizinethik an der Universität Wien, kürzlich in einem Gastkommentar [5]. Die Herausforderung der Personalisierten Medizin besteht also darin, das Verallgemeinerbare mit dem Unvergleichlichen zusammenzubringen und über die Disziplinen hinweg zu vernetzen.

 

Quellen:

[1] APA Science: Big Data und seltene Erkrankungen

[2] APA Science: Bluterkrankheit könnte heilbar werden vom 14.02.18

[3] George L.A., Sullivan S.K., Giermasz A. et. Al..Hemophilia B Gene Therapy with a High-Specific-Activity Factor IX Variant (2017). N Engl J Med, Dec 7; 377(23):2215-2227]

[4] APA Science: Big Data und seltene Erkranungen vom 21.02.18

[5] APA Science: Gastkommentar Matthias Beck – Krebs: An den Grenzen der Naturwissenschaftlichen Betrachtung

 

 

 

 

EK, 27.02.2018

Ansprechpartner:
  • Elena Kinz