Obwohl das Atmungssystem eine der Haupteintrittspforten für Mikro- und Nanoplastik aus der Luft in den Körper ist, weiß man bisher wenig über die Auswirkungen der winzigen Partikel auf die Lunge. Forscher:innen der Medizinischen Universität Wien haben nun erstmals nachgewiesen, dass diese Plastikpartikel bösartige Veränderungen in Lungenzellen auslösen können, die mit der Entstehung von Krebs in Verbindung stehen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Juli publiziert und unterstreichen einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf zur Reduktion von Plastikmüll.
Im Rahmen der Studie untersuchte das Forschungsteam um Karin Schelch, Balazs Döme und Büsra Ernhofer, wie Polystyrol-Mikro- und Nanoplastik mit verschiedenen Lungenzelltypen interagieren. Polystyrol ist ein weit verbreiteter Kunststoff, der im Alltag unter anderem in Lebensmittelverpackungen und Einwegartikeln wie Joghurt- oder Coffee-to-go-Bechern vorkommt.
Das überraschende Ergebnis der Untersuchungen: Gesunde Lungenzellen nehmen besonders kleine Partikel (0,00025 Millimeter) deutlich stärker auf als bereits bösartige Krebszellen. Sie reagieren mit biologischen Veränderungen, welche die Gefahr durch Mirko- und Nanoplastik für die Gesundheit verdeutlichen.
Konkret führte der Kontakt gesunder Zellen mit den Plastikpartikeln zu DNA-Schäden und oxidativem Stress – einem Zustand, bei dem zu viele schädliche Teilchen und zu wenige Stoffe die Schutz bieten (Antioxidanten), vorhanden sind. Ebenso wurden bestimmte Signale aktiviert, die das Wachstum und Überleben der Zellen fördern. All diese Prozesse werden als frühe Hinweise für die Entstehung von Krebs gesehen.
"Auffällig waren vor allem die reduzierte Fähigkeit der gesunden Zellen, DNA-Schäden zu reparieren, und die gleichzeitige Aktivierung bestimmter Signalwege, die normalerweise das Zellwachstum begünstigen", berichtete Studienleiterin Karin Schelch.
Während bösartige Lungenzellen unter denselben Bedingungen vergleichsweise unbeeinträchtigt blieben, reichte bei gesunden Lungenzellen schon eine kurze Zeit, um sie in eine Richtung zu beeinflussen, die mit bösartigen Veränderungen assoziiert ist. Auch Abwehrmechanismen der Zellen wurden unter dem Einfluss von Polystyrol-Partikeln angestoßen. „Wir konnten eine Aktivierung von Schutzsystemen beobachten – ein Hinweis darauf, dass sich die Zellen aktiv gegen den Stress durch Plastikpartikel zur Wehr setzen“, erläutert Erstautorin Büsra Ernhofer.
Die Lunge ist einer der wichtigsten Wege, über die Mikroplastik aus der Luft in den Körper gelangt. Bisher war jedoch kaum bekannt, wie diese Partikel mit den Zellen des Lungengewebes interagieren. „Die nun vorliegenden Daten liefern erste Hinweise darauf, dass insbesondere gesunde Lungenzellen in einer Weise reagieren, die Anlass zur Sorge gibt“, sagt Co-Studienleiter Balazs Döme.
Die Forschungsergebnisse eröffnen neue Fragestellungen zur möglichen Verbindung zwischen Plastikbelastung, chronischen Lungenerkrankungen und Krebsentstehung. Die Studie macht deutlich, wie wichtig weitere Forschung ist und zeigt, wie dringend der Handlungsbedarf zur Reduzierung von Plastikmüll ist. Vor allem, da die langfristigen Auswirkungen von Mikroplastik in der Lunge weiterhin ungeklärt sind.
nr, 15.07.2025
Meduni Wien Pressemeldung: „Mikroplastik kann bösartige Veränderungen in Lungenzellen auslösen“ vom 15.7.2025
Originalpublikation:
Ernhofer, B. et al. Small Particles, Big Problems: Polystyrene nanoparticles induce DNA damage, oxidative stress, migration, and mitogenic pathways predominantly in non-malignant lung cells. J. Hazard. Mater. 139129 (2025) doi:10.1016/J.JHAZMAT.2025.139129.