Kohlenstoffkreislauf im Meer wird von seltenen Bakterien dominiert

Fische im Wasser

Seltene Bakterien verbrauchen den meisten Sauerstoff und produzieren das meiste CO2 in unseren Meeren, Bild: Pixabay, CCO

Ein internationales Forscher*innen-Team mit Beteiligung der Universität Wien machte eine interessante Entdeckung: Drei Prozent der Bakterien in den Ozeanen veratmen ein Drittel des gesamten Sauerstoffs.

Mikroorganismen besiedeln alle Lebensräume unseres Planeten, auch das Meer. Dort kommen sie nicht nur sehr zahlreich vor, es wimmelt auch nur so von verschiedensten Bakterienarten im Wasser unserer Ozeane: In einem Liter Meerwasser leben hunderttausende verschiedene Bakterienarten. Die meisten dieser kleinen Wasserbewohner brauchen so wie wir Sauerstoff zum Leben und veratmen ihn, um Energie aus organischem Material zu gewinnen. Beim Umsetzen von organische in anorganische Komponenten erzeugen sie Kohlendioxid. Bisher gingen Forscher*innen zur Ermittlung der Atmungsaktivität von Meeresmikroben folgendermaßen vor: Die gesamte Atmungsaktivität wurde durch die Anzahl der vorhandenen Organismen geteilt, ohne dabei die enorme Artenvielfalt der verschiedenen Meeresbakterien mit unterschiedlicher Atmungsaktivität zu berücksichtigen. 

Neue Methode zum Messen der Atmungsaktivität von Mikroorganismen

Ein Team aus internationalen Forscher*innen entwickelte nun eine Methode zur Bestimmung der Atmungsaktivität einzelner Bakterienarten. Damit untersuchten sie Bakteriengemeinschaften aus dem Golf von Maine, dem Mittelmeer und aus dem offenen Atlantischen und Pazifischen Ozean. Auch Gerhard J. Herndl und Eva Sintes von der Universität Wien waren an dieser Studie beteiligt, die im renommierten Fachjournal „Nature“ publiziert wurde.

Bei der neuen Methode verknüpften die Forscher*innen die Atmungsaktivität mit dem genetischen Code einzelner Zellen. Um die Atmungsraten einzelner Bakterienzellen zu messen, kamen fluoreszierende Sonden zum Einsatz. Da eine Zelle umso mehr fluoresziert, je mehr sie atmet, diente das Fluoreszenzsignal der einzelnen Mikroorganismen als Parameter für ihre Atmungsraten. Die Mikroorganismen aus dem Meerwasser wurden nach ihrer Fluoreszenz – und somit nach ihrer Atmungsaktivität – sortiert und anschließend einer genetischen Analyse unterzogen. So konnten die Wissenschaftler*innen die Art bestimmen und untersuchen, welche Bakterien konkret welche Atmungsraten aufweisen.

Rare Bakterienarten größte CO2-Produzenten im Ozean

Das Forschungsteam konnten zeigen, dass im offenen Ozean ein großes Ungleichgewicht unter den CO2-Produzenten herrscht: Weniger häufige Bakterienarten zeigten die größten Atmungsraten, was bedeutet, dass sie mehr Sauerstoff verbrauchen und mehr CO2 produzieren. Besonders häufige Bakterien hingegen setzen eine relativ geringe Menge an organischem Material um und produzieren weniger CO2. Die Messungen zeigten, dass weniger als drei Prozent der Bakterien im Ozean so ein Drittel des gesamten Sauerstoffs verbrauchen. Diese Entdeckung kam überraschend und wird unsere Sichtweise auf den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane grundlegend ändern.

Wie gravierend die Unterschiede sind, erklärt Herndl, einer der Co-Autor*innen der Studie: "Die Atmungsaktivität der einzelnen Bakterienarten im Meerwasser kann bis zu tausendfach variieren. Wir haben herausgefunden, dass gerade jene Bakterien, die im Ozean weniger zahlreich vertreten sind die höchsten Atmungsaktivitäten zeigen, während sehr häufig vorkommende Bakterien geringe Atmungsaktivitäten haben". Somit sind für den Kohlenstoffkreislauf in den Meeren die seltenen Bakterien insgesamt wichtiger sind als die Mikroorganismen, die im Meerwasser häufiger vorkommen. "Das ist ein häufiges Missverständnis in der Ökologie und in der Betrachtung der biogeochemischen Kreisläufe. Nicht jene Organismengruppen oder Nährstoffe, die in der höchsten Konzentration verkommen, sind besonders wichtig, sondern sehr oft jene, die nur in geringen Konzentrationen vorkommen", so Herndl.

Bakterien wichtig für Kohlenstoffkreislauf im Meer

Die Entdeckung, dass nur wenige Bakterien im Meer den meisten Sauerstoff veratmen und das meiste CO2 ausstoßen, könnte bahnbrechend sein. Denn die Mikroorganismen spielen eine zentrale Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Meere: Gemeinsam setzen sie mehr organisches Material um als alle anderen Meeresbewohner zusammen. „Wenn nun die meisten Bakterien im Meer nur wenig aktiv sind, so wie unsere Studie zeigt, dann heißt das, dass wenige Bakterienarten sehr hohe Stoffumsetzungsraten haben. Gleichzeitig werden diese hochaktiven Bakterien aber offensichtlich stark beweidet, das heißt von anderen Lebewesen gefressen, sodass sie nur in geringen Häufigkeiten vorkommen. Hohe Aktivität bedeutet also auch hohe Verlustraten durch Beweidung. Das bedeutet wiederum, dass nur wenige Bakterienarten dafür sorgen, dass wir einen hohen Kohlenstofffluss haben, während der Großteil der Bakterien eher wenig aktiv ist, langsam wächst und auch wenig beweidet wird. Diese neuen Erkenntnisse haben große Auswirkungen auf die Untersuchung von globalen Nährstoffkreisläufen wie dem Kohlenstoffkreislauf, da das Meer für einen Großteil des globalen Kohlenstoffkreislaufes verantwortlich ist.", hebt Herndl die Bedeutung der Studie hervor.

as, 30.12.2022


Quellenangaben

Quelle:

Presseaussendung der Uni Wien vom 7.12.2022

Originalpublikation:

Munson-McGee JH, Lindsay MR, Sintes E. et al.: Decoupling of respiration rates and abundance in marine prokaryoplankton. Nature 612, 764–770 (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05505-3

DOI: 10.1038/s41561-022-01081-3