Brustkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen in Österreich. Die Diagnose bedeutet für die Betroffenen eine große gesundheitliche und seelische Belastung, die Erkrankung bringt aber oft auch soziale und wirtschaftliche Folgen mit sich. Besonders gravierend sind Rückfälle in Form von so genannten Fernmetastasen, wenn sich der Krebs also in andere Organe ausgebreitet hat. Meist sind Fernmetastasen ein Zeichen für ein fortgeschrittenes Krebsstadium und die Heilungsmöglichkeiten oft begrenzt. Sie führen zu längeren beruflichen Auszeiten und belasten Patientinnen und ihr Umfeld, aber auch das Gesundheitssystem stark.
Brustkrebs lässt sich in verschiedene Subtypen einteilen, je nachdem, ob die Tumorzellen bestimmte Andockstellen (Rezeptoren) für Hormone oder Wachstumsfaktoren an ihrer Oberfläche aufweisen. Rund zwei Drittel aller Brustkrebs-Fälle gehen auf Tumore des Typs HR+/HER2- zurück. Das bedeutet, dass die Krebszellen einen Hormonrezeptor an ihrer Oberfläche tragen (HR+ oder HR positiv), nicht aber den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2- oder HER2 negativ), der für das Wachstum von Zellen eine Rolle spielt.
Für Patientinnen mit fortgeschrittenem Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Brustkrebs (HR+/HER2-) ist eine Behandlung mit so genannten CDK4/6-Inhibitoren in Kombination mit einer endokrinen Therapie (Antihormontherapie, Hormontherapie) eine Standardbehandlung [1].
Diese Mittel können bei Patientinnen mit einem höheren Risiko für Rückfälle auch schon im Frühstadium der Erkrankung eingesetzt werden. Klinische Studien zeigen, dass der mehrjährige adjuvante Einsatz von CDK4/6- Inhibitoren in Kombination mit endokriner Therapie das Risiko eines Rückfalls bei diesen Patientinnen deutlich senken kann. Adjuvant bedeutet, dass die Behandlung nach Operation, Strahlentherapie und etwaiger Chemotherapie erfolgt. Es ist also eine zusätzliche, ergänzende Behandlung, um das Rückfallrisiko zu senken.
Aufbauend auf klinischen Ergebnissen untersucht die Studie des IHS, welche Rückfälle in Österreich potenziell vermeidbar wären und welche volkswirtschaftlichen Folgekosten damit verbunden sind – also nicht nur direkte Behandlungsausgaben, sondern auch indirekte Belastungen wie Arbeitsausfälle, Frühpensionierungen oder zusätzlicher Pflegeaufwand, die die gesamte Gesellschaft betreffen.
In der Studie wurden 1.340 Patientinnen identifiziert, die bei der Erstdiagnose im Jahr 2022 die Behandlungskriterien für eine Therapie mit CDK4/6-Inhibitoren erfüllten. Die Modellrechnung des IHS zeigt, dass innerhalb von 30 Jahren etwa 200 Rückfälle (oder rund 1.000 Krankheitsjahre) mit metastasiertem Brustkrebs verhindert werden könnten.
Das hätte nicht nur medizinische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile: Der frühzeitige Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren könnte bei diesen Patientinnen langfristige Folgekosten von 43 bis 52 Millionen Euro einsparen.
„Hier stehen wir nicht nur medizinisch, sondern auch gesamtgesellschaftlich vor einer Chance“, betont Assoz. Prof. Dr. Gabriel Rinnerthaler, einer der Studienautor:innen. „Jede Patientin, die keinen Rückfall erleidet, gewinnt wertvolle Lebenszeit und Lebensqualität – und zugleich profitieren ihr Umfeld und das Gesundheitssystem.“
Pro vermiedenem Rückfall ergibt sich laut IHS-Berechnungen ein gesellschaftlicher Nutzen von rund 250.000 Euro. Davon entfällt rund ein Viertel auf Produktivitätseffekte – weil Patientinnen ihre berufliche Tätigkeit und unbezahlte Arbeit fortsetzen oder früher wieder aufnehmen können.
„Die moderne Therapie stärkt die Chance, trotz Erkrankung am Arbeitsleben teilzuhaben und Alltagsaufgaben weiter erfüllen zu können“, erklärt IHS-Forschungsgruppenleiter für Gesundheitssysteme und -politik Dr. Thomas Czypionka. „Das ist ein entscheidender Beitrag zur Selbstbestimmung, zur wirtschaftlichen Stabilität der Patientinnen und zur Gesellschaft insgesamt.“
Auch das Gesundheitssystem profitiert deutlich: 75 % des errechneten Nutzens entstehen durch vermiedene Krankenhausaufenthalte, Therapien und Behandlungen, die bei einem Rückfall notwendig geworden wären. „Solche Zahlen sind entscheidend, um Investitionen in neue Therapien, die die Lebensqualität der Patientinnen verbessern, auch ökonomisch nachvollziehbar darzustellen und damit den gesundheitspolitischen Diskurs zu unterstützen“, betont IHS-Gesundheitsökonomin Stephanie Reitzinger, PhD.
Hinweis: Die Studie wurde durch eine Förderung der Novartis Pharma GmbH Österreich unterstützt. Die Studienautor:innen geben an, dass die Ergebnisse nicht durch die Finanzierungsquelle beeinflusst wurden, und die geäußerten Ansichten ausschließlich jene der Autor:innen sind.
bg, 13.10.2025
Presseaussendung des IHS, 29.9.2025
1. Morrison L, Loibl S, Turner NC. The CDK4/6 inhibitor revolution — a game-changing era for breast cancer treatment. Nat Rev Clin Oncol. 2024;21(2):89-105. doi:10.1038/s41571-023-00840-4