Hefe statt Erdöl: Wie man Treibhausgase als Rohstoff nutzen kann

Teig mit Nudelholz

Hefe dient nicht nur zum Backen, sie kann in manipulierter Form auch CO2 als Rohstoff nutzen, Bild: Pixabay, CCO

Eine manipulierte Hefe könnte die Welt verändern und den Klimawandel bekämpfen: Wiener Forscher*innen ist es gelungen, mithilfe von Hefe das schädliche Treibhausgas CO2 als Rohstoff für die Herstellung industrieller Produkte zu nutzen.

Von den 118 chemischen Elementen im Periodensystem zählen nur wenige zu den Bausteinen von Lebewesen: Alle organischen Verbindungen sind aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel und den Halogenen aufgebaut. Kohlenstoff nimmt dabei eine zentrale Rolle ein und ist auch im menschlichen Körper enorm wichtig: Kohlenstoffverbindungen bilden das Gerüst, das Zellen, Proteine und DNA zusammenhält.

Klimawandel: Erderwärmung durch Treibhausgase

Auch sonst ist Kohlenstoff in den vielfältigsten Formen ein zentraler Bestandteil unserer Erde. So etwa findet er sich in Form von Kohlenhydraten in unserer Nahrung oder bildet die Grundlage fossiler Treibstoffe. Auch viele Materialien des Alltags, wie zum Beispiel Plastik, bestehen aus Kohlenstoff-Verbindungen. Die extensive industrielle Nutzung von Kohlenstoff brachte jedoch auch eines der aktuell größten Probleme unseres Zeitalters mit sich: den Klimawandel. Der Anstieg der Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen führt zu einer immer weiter voranschreitenden globalen Erderwärmung. Aus diesem Grund, und auch, weil fossile Rohstoffe schön langsam knapp werden, ist der Einsatz von erneuerbaren Ressourcen heute von großer Bedeutung. Hier wäre das Nutzen und Recyceln von CO2 aus der Atmosphäre als Ausgangstoff für industrielle Prozesse eine gute Lösung, um wertvolle landwirtschaftliche Rohstoffe zu schonen und das Klima zu schützen.

Hefe nutzt CO2 als Ausgangsstoff

Heute stellt die moderne industrielle Biotechnologie eine der größten Zukunftshoffnungen dar, um CO2-neutrale oder sogar CO2-negative industrielle Prozesse zu entwickeln. International wird hier an verschiedensten Lösungsansätzen geforscht.

Auch die Arbeitsgruppe rund um Diethard Mattanovich, Senior Researcher am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) in Graz und Professor am Department für Biotechnologie (DBT) an der Universität für Bodenkultur Wien, beschäftigt sich mit der Nutzbarmachung von CO2 als Ressource. Der Forscher experimentiert dafür unter anderem mit Komagataella phaffii – einer CO2-produzierenden, heterotrophen (sich von anderen ernährenden) Hefe. Vor wenigen Jahren gelang es Mattanovich und seinen Mitarbeiter*innen, diese Hefe so zu verändern, dass sie statt Alkohol Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt und ihre Biomasse gänzlich aus CO2 aufbauen kann.

Vor kurzem konnten die Forscher*innen jetzt einen weiteren Erfolg verzeichnen: „Nun sind wir noch einen bedeutenden Schritt weitergekommen: Wir konnten Ausgangsstoffe für industrielle Produkte wie Bioplastik, Polymere oder Absorptionsmittel aus CO2 produzieren, indem wir weitere Gene aus Milchsäurebakterien und Schimmelpilzen in die modifizierte Hefe eingebracht haben“ erklärt Mattanovich. Die Ergebnisse der bahnbrechenden Arbeit wurden in der Fachzeitschrift „The Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ veröffentlicht.

Kunststoffe und Chemikalien aus CO2: Erste Erfolge im kleinen Maßstab

Das Team um Mattanovich verwendete für seine Versuche Methoden aus der synthetischen Biologie:  Die Wissenschaftler*innen statteten die Hefe K. phaffii künstlich mit Genen für die Produktion von Itaconsäure und Milchsäure aus. Diese Säuren werden aus CO2 hergestellt und unter anderem zur Produktion von Gummi, Kunststoffen, Farben und Lacken, Verdickungsmittel oder Verpackungen eingesetzt. Die manipulierte Hefe produzierte anschließend Itaconsäure und Milchsäure ausschließlich aus CO2, und das mit einer guten Ausbeute. Dass die Hefe dafür tatsächlich CO2 verwendete, bewiesen die Forscher*innen mit einer speziellen Methode, dem Kohlenstoff-13-Isotopentest. „Bis zur industriellen Reife müssen wir die Stämme und Prozesse weiter optimieren“, meint Mattanovich. „Im Labormaßstab konnten wir jedoch bereits zeigen, dass man Treibhausgase tatsächlich als Rohstoff für wichtige Chemikalien nutzen kann“, so Özge Ata, Senior Scientist am acib und Forscherin an der BOKU zum enormen Potenzial dieser Arbeit.

Durch diese „Carbon Capture and Utilization“ Technologie kann Kohlendioxid in langlebige Materialien gebunden werden und könnte Erdöl als Rohstoff verdrängen. Da so weniger Treibhausgase freigesetzt würden, wäre das ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.

as, 24.11.2022


Quellenangaben

Quelle:

PA der BOKU Wien vom 15.11.2022

Originalpublikation:

Baumschabl M., Ata Ö., Mitic BM und Mattanovich D. : Conversion of CO2 into organic acids by engineered autotrophic yeast (2022). Applied Biological Sciences, November 16, 2022, 119 (47) e2211827119, https://doi.org/10.1073/pnas.2211827119