Neurolentech GmbH ist ein innovatives Biotechnologieunternehmen mit Sitz im niederösterreichischen Klosterneuburg, das sich der Erforschung und Entwicklung neuer Therapien für neurologische Erkrankungen wie Autismus, Epilepsie und geistige Behinderungen verschrieben hat.
Das, im Dezember 2020 als Spin-off des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) gegründete Unternehmen, ist im xista Park in Klosterneuburg angesiedelt [1]. Der xista Park bietet Biotech-Unternehmen die nötige Infrastruktur, wie Labore und Büros, um ihre Visionen zu verwirklichen [2]. Neurolentech nutzt dort modernste Technologien um neuronale Zellmodelle aus Haut- oder Blutzellen der Patient:innen herzustellen. Diese Zellen werden zu sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) umgewandelt. Durch Zugabe bestimmter Moleküle – der Differenzierungsfaktoren – können sich diese iPSCs zu Gehirnzellen entwickeln, die denen der Patient:innen sehr ähnlich sind [3]. Die Nutzung dieser speziellen Stammzellen ermöglicht es, Krankheitsmechanismen auf zellulärer Ebene präzise zu untersuchen und darauf basierend neue Medikamente zu entwickeln.
Wollt ihr mehr über das Potenzial von Stammzellen erfahren? Dann lest mal in unseren Artikel „Stammzellen: Hoffnungsträger und Stein des Anstoßes“ rein.
Eines der Gründungsmitglieder ist Dr. Carsten Pfeffer – dem jetzigen Chief Security Officer (CSO) von Neurolentech. Carsten Pfeffer ist Pharmakologe mit Erfahrung in der Pharmaindustrie, promovierte in Berlin zu neurologischen Erkrankungsmodellen und forschte in den USA an der Funktion und Anatomie einzelner Nervenzellen und Hirnschaltkreise [4]. Dr. Christoph Bock ist eigentlich Forschungsgruppenleiter am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien und Professor für (Bio)Medizinische Informatik, der experimentelle Biologie mit KI-gestützter Bioinformatik zur Erforschung von Krebs, Immunologie und Präzisionsmedizin verbindet [5]. Gemeinsam mit Carsten Pfeffer und Dr. Gaia Novarino hat er 2020 Neurolentech geründet. Die Forscherin Gaia Novarino befasst sich in ihrer Forschung mit den genetischen Hintergründen neurologischer Entwicklungsstörungen. Ziel ihrer Forschung ist es, molekulare Ursachen zu identifizieren, um so neue therapeutische Ansätze und Medikamente zu entwickeln. Darüber hinaus trägt die Forschung zum besseren Verständnis der biologischen Grundlagen des menschlichen Gehirns bei [6]. CEO Dr. Priyanka Dutta Passecker bringt zusätzliche Erfahrung aus der internationalen Pharma- und Biotechbranche mit [4]. Gemeinsam mit zehn weiteren Mitarbeiter:innen arbeiten sie daran eine mögliche Therapie für neurologische Entwicklungsstörungen zu entwickeln.
Die Ursachen von neurologischen Entwicklungsstörungen sind komplex und vielschichtig – sie sind ein Zusammenspiel aus genetischen und umweltbedingten Faktoren.Unzählige Gene und Mutationen stehen mit der Entstehung von neurologischen Entwicklungsstörungen in Verbindung. In der Wissenschaft wird davon ausgegangen, dass die Entstehung neurologischer Entwicklungsstörungen oft nach dem sogenannten „Two-hit-Modell“ ablaufen. Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, dass genetische Veränderungen den Grundstein für die Krankheit legen – der erste „Hit“. Umweltfaktoren lösen dann den Krankheitsausbruch aus – der zweite „Hit“ [7].
Umweltbedingte Faktoren können schon pränatal, also vor der Geburt, wirken: beispielsweise das Alter und die Gesundheit der Mutter, der sozioökonomische Status oder die Aussetzung der Mutter gegenüber (Luft)Schadstoffen. Frühgeburtlichkeit und ein niedriges Geburtsgewicht stehen ebenfalls im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen. Postnatale – nach der Geburt - Umweltfaktoren, wie der sozioökonomische Status, der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung, die Qualität der elterlichen Fürsorge sowie die Belastung durch Stress und widrige Lebensumstände, können die Entwicklung und Ausprägung von neurologischen Entwicklungsstörungen zusätzlich beeinflussen. Armut stellt dabei einen besonders bedeutsamen Risikofaktor dar, der sich auf zahlreiche Bereiche des kindlichen Wohlbefindens negativ auswirkt und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von diesen Entwicklungsstörungen erhöht [8].
Schätzungsweise kämpfen 2% der Weltbevölkerung und 15% der Kinder und Heranwachsenden mit den Symptomen neuroentwicklungsbedingter Erkrankungen [9]. Bis heute gibt es jedoch keine Heilung dieser Krankheiten, bloß Therapieansätze, die Symptome lindern und Betroffenen helfen sollen, den Alltag mit der Krankheit einfacher zu meistern. Zum einen gibt es zum Beispiel Verhaltenstherapien für ADHS-Betroffene oder Bildungs-Maßnahmen, mit denen Kindern das Lernen leichter gemacht werden soll. Zum anderen gibt es auch Medikamente, die beim Management der Symptome wie etwa Hyperaktivität, Angst oder Aggression hilfreich sein können. Oft ist es aber ein Zusammenspiel verschiedener Ansätze, auch manchmal in Kombination mit beispielsweise Gesprächs- und/oder Physiotherapie, die individuelle Ansprüche der Patient:innen berücksichtigen [10].
Um für Betroffene in Zukunft eine bessere Therapie oder sogar Heilung zu ermöglichen, baut Neurolentech auf ein zentrales Projekt des Unternehmens: der Aufbau einer Biobank, die klinische und genetische Daten kombiniert. Dieses System soll langfristig die Entwicklung personalisierter Therapien ermöglichen. Es wird ein Set an Werkzeugen entwickelt, das dazu dient, die wesentlichen Abläufe bei der Durchführung von Gen- und Wirkstoffscreenings systematisch zu analysieren und zu untersuchen. Man entwickelt also Werkzeuge, um besser zu verstehen, wie man Gene und mögliche Medikamente systematisch testen und analysieren kann. Dafür arbeitet das Start-Up unter anderem mit dem Universitätsklinikum in Frankfurt und dem Kinderkrankenhaus Meyer in Florenz [11-13].
Neben Kliniken hat Neurolentech bereits mehrere strategische Partnerschaften und Förderungen erhalten. Im April 2024 wurde eine Zusammenarbeit mit dem britischen Unternehmen Kaerus Bioscience bekanntgegeben. Ziel ist es, die von Neurolentech entwickelte Drug Discovery Platform (Plattform für Arzneimittelentdeckung) für die Entwicklung von Wirkstoffen gegen genetisch bedingte neuroentwicklungsbedingte Störungen zu nutzen [14]. Zudem erhielt Neurolentech im Jahr 2021 einen Forschungszuschuss der amerikanischen Foundation for USP7 Related Diseases in Höhe von 100.000 US-Dollar (um die 90 000 Euro), um das seltene Hao-Fountain-Syndrom zu untersuchen [15, 16]. Auch die öffentliche Hand fördert Neurolentech: Im Rahmen des aws Seedfinancing-Programms wurde das Unternehmen mit finanziellen Mitteln und Beratung unterstützt, um seine Geschäftsidee weiterzuentwickeln [17].
Erforschung seltener Epilepsie-Erkrankung
Eine ganz besondere Zusammenarbeit hat Neurolentech mit der TESS Research Foundation, welche das niederösterreichische Unternehmen finanziell bei der Erforschung von SLC13A5 Epilepsie unterstützt. SLC13A5-Epilepsie ist eine seltene genetische Erkrankung, durch die Kinder kurz nach der Geburt schwere epileptische Anfälle erleiden und im weiteren Verlauf eine Bewegungsstörung, Sprachschwierigkeiten und kognitive Entwicklungsverzögerungen entwickeln. Das Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, Zellmodelle zu entwickeln, mit denen man diese Krankheit besser untersuchen, sowie potenzielle Medikamente testen kann. Dafür ist unteranderem eine Co-Zellkultur geplant – hierbei werden zwei oder mehr verschiedene Zelltypen in einem Nährmedium gemeinsam gezüchtet. So können realistischere Zellmodelle entwickelt werden. Ziel ist es, krankheitstypische Veränderungen zwischen gesunden und betroffenen Nervenzellen zu identifizieren, um neue Biomarker und potenzielle Wirkstoffziele zu finden. Diese Arbeit ist ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierter Therapien für diese seltene Erkrankung [18, 19].
Trotz intensiver Forschung sind die Therapiemöglichkeiten für neurologische Entwicklungsstörungen bislang begrenzt. Umso wichtiger sind innovative Ansätze wie patientenspezifische Stammzellmodelle, die ein tieferes Verständnis der Krankheitsmechanismen ermöglichen und neue Behandlungswege eröffnen. Neurolentech setzt genau hier an: mit personalisierten Zellmodellen, systematischer Datenanalyse und internationalen Kooperationen arbeitet das Unternehmen an der Entwicklung neuer Therapien für bislang unheilbare Erkrankungen – und gibt Betroffenen damit neue Hoffnung.
cs, 27.06.2025
[1] FirmenABC – Neurolentech GmbH, abgerufen am 27.06.2025
[2] Website Xista-Park, abgerufen am 27.06.2025
[3] Takahashi, K., Tanabe, K., Ohnuki, M., Narita, M., Ichisaka, T., Tomoda, K., & Yamanaka, S. (2007). Induction of pluripotent stem cells from adult human fibroblasts by defined factors. Cell, 131(5), 861–872. https://doi.org/10.1016/j.cell.2007.11.019
[4] Website Neurolentech – Team, abgerufen am 27.06.2025
[5] Website Bock Labor, abgerufen am 27.06.2025
[6]ISTA Website – Novarino Group, abgerufen am 27.06.2025
[7] Parenti, I., Rabaneda, L. G., Schoen, H., & Novarino, G. (2020). Neurodevelopmental disorders: From genetics to functional pathways. Trends in Neurosciences, 43(8), 608–621. https://doi.org/10.1016/j.tins.2020.05.004
[8] Boivin, M. J., Kakooza, A. M., Warf, B. C., Davidson, L. L., & Grigorenko, E. L. (2015). Reducing neurodevelopmental disorders and disability through research and interventions. Nature, 527(7578), S155–S160. https://doi.org/10.1038/nature16029
[9] Gidziela, A., Ahmadzadeh, Y. I., Michelini, G., Allegrini, A. G., Agnew-Blais, J., Lau, L. Y., Duret, M., Procopio, F., Daly, E., Ronald, A., Rimfeld, K., & Malanchini, M. (2023). A meta-analysis of genetic effects associated with neurodevelopmental disorders and co-occurring conditions. Nature human behaviour, 7(4), 642–656. https://doi.org/10.1038/s41562-023-01530-y
[10] Astle, D. E., Holmes, J., Kievit, R., & Gathercole, S. E. (2022). Annual Research Review: The transdiagnostic revolution in neurodevelopmental disorders. Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines, 63(4), 397–417. https://doi.org/10.1111/jcpp.13481
[11] ] Austria Wirtschaftservice – Neurolentech, abgerufen am 27.06.2025
[12] FAZ Artikel „Uniklinik Frankfurt sucht nach neuen Therapien für Autismus“, vom 08.08.2022
[13] Website des Azienda Ospedaliera Universitaria Istituto di Ricovero e Cura a Carattere Scientifico (IRCCS), abgerufen am 27.06.2025
[14] Pressemeldung „Neurolentech Signs Technology Access Partnership with Kaerus Bioscience to Advance Neurodevelopmental Disorder Research“, vom 22.04.2024
[15] Pressemeldung „Foundation for USP7 Related Diseases Announces Grant to Neurolentech in Search for Cure to Rare Disease Hao-Fountain Syndrome” , vom 05.04.2021
[16] Zampieri, N., Pulvirenti, R., Pedrazzoli, E., & Camoglio, F. S. (2022). Hao-Fountain syndrome and genital disorders: report of a new possible association. Italian journal of pediatrics, 48(1), 182. https://doi.org/10.1186/s13052-022-01367-7
[17] Pressemeldung “Neurolentech, an IST Austria Spin-off Company Tackling Autism and Epilepsy, Receives Seed Investment“, vom 13.10.2021
[18] Peters S. B. (2021). Co-culture methods to study neuronal function and disease. Neural regeneration research, 16(5), 972–973. https://doi.org/10.4103/1673-5374.297066
[19] Pressemeldung „TESS Research Foundation Announces Grant to Neurolentech in Search of Cure for SLC13A5 Epilepsy“, vom 09.09.2021