Hoffnung für PatientInnen mit funktionsunfähiger Hand

, Bild: Plexus brachialis des Menschen; Henry Vandyke Carter - Henry Gray (1918) Bartleby.com: Gray's Anatomy, Tafel 808; gemeinfrei

 

Für PatientInnen mit Verletzungen des Nervensystems, die zur Funktionsunfähigkeit einer Hand geführt haben, gibt es ein neues Behandlungsprotokoll. Dieses wurde von einer Forschungsgruppe rund um Prof. Dr. Oskar Aszmann von der MedUni Wien und dem AKH Wien entwickelt. Das Protokoll soll helfen abzuklären, welche PatientInnen von einer Hightech-Prothese profitieren würden.
 

Funktionsunfähige Hand bei verletztem Armgeflecht

Der so genannte Plexus brachialis (Armgeflecht) ist ein Netz aus sensorischen und motorischen Nervenfasern, die von der Hals- und Brustwirbelsäule ausgehen und zu Nerven der Schulter, des Arms und der Hand zusammenlaufen. Bei schweren Verletzungen des Plexus brachialis kann eine ganze Reihe chirurgischer Verfahren zum Einsatz kommen, um die Nerven- und Muskelfunktion wiederherzustellen. Dabei gewinnen Schulter und Oberarm oft ihre Stabilität und Beweglichkeit zurück, und in einigen Fällen kann sogar die Beweglichkeit von Hand und Fingern wiederhergestellt werden. Manchmal bleibt die Hand aber ein nutzloses Anhängsel. Der von Aszmann und seinem Team entwickelte und vor kurzem veröffentlichte Behandlungsalgorithmus bietet nun eine Leitlinie zur Auswahl von PatientInnen für eine gedankengesteuerte Armprothese. Er soll bei der Feststellung helfen, welche PatientInnen mit Verletzungen des Armgeflechts mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Hightech-Prothese profitieren würden.
 

Ersatz einer nutzlosen Hand durch gedankengesteuerte Prothese

Die WissenschaftlerInnen um Aszmann nutzten für das Erstellen des Behandlungsprotokolls ihre Erfahrung im Bereich der bionischen Rekonstruktion: Seit dem Jahr 2011 gab es an der Klinischen Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der MedUni Wien/AKH insgesamt 16 PatientInnen, deren nutzlose biologische Hand durch eine bionische Hand ersetzt wurde. Bei ihnen war die Nervenverletzung so schwer, dass keine chirurgische Intervention mehr möglich war, um eine Funktion der Hand wiederherzustellen. Bei einer bionischen Hand, die auch als myoelektrische Prothese bezeichnet wird, werden die Muskeln mit der Prothese verbunden. Durch elektrische Signale, die zur Prothese übertragen werden, kann diese gesteuert werden. Das heißt, die Prothese wird mittels Gedanken kontrolliert. Damit wird es PatientInnen möglich, Bewegungen auszuführen, die mit einer herkömmlichen Prothese nicht vorgenommen werden könnten. So können sie mit einer myoelektrischen Prothese beispielsweise ein Glas greifen, jemandem die Hand schütteln oder etwas festhalten.
 

Viele Schritte bis zur bionischen Hand

Das entwickelte Behandlungsprotokoll besteht aus mehreren Schritten. Die PatientInnen werden körperlich und psychisch beurteilt. Sie müssen die Schultern und Ellenbogen noch verwenden können und auch mental in der Lage sein, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Denn sie erwartet in weiterer Folge ein spezielles Gehirntraining zur Steuerung der bionischen Hand bis hin zur tatsächlichen Operation, bei der die nutzlose biologische Hand amputiert und durch eine myoelektrische Prothese ersetzt wird. Danach folgt ein weiteres spezielles Training mit der neuen Hand.
 

Erste Ergebnisse geben neue Hoffnung

Nun liegen erste Ergebnisse von fünf PatientInnen vor, deren Operation bereits ausreichend lange zurückliegt (mindestens drei Monate nach der letzten prothetischen Anpassung). Bei allen verbesserte sich die Handfunktion signifikant. Zum Zeitpunkt der Verfassung des Studienpapiers befanden sich die anderen elf PatientInnen noch in früheren Phasen des Algorithmus.
Oskar Aszmann spricht von neuer Hoffnung für PatientInnen:  „Mehr als 25 Jahre lang habe ich PatientInnen behandelt, die schlimme periphere Nervenläsionen erlitten haben. Eine bionische Rekonstruktion wie die, die in diesem Studiendokument beschrieben wurde, ist ein echter Wendepunkt. Sie hilft PatientInnen, die keine andere Alternative haben, wirklich und gibt wieder Hoffnung.“

Professor Aszmann ist mit seinem Team unser wissenschaftlicher Partner im Talente regional Projekt BodyTec (Link: http://openscience.or.at/bodytec).
 

Quelle:
Medizinische Universität Wien

Originalpublikation:
Hruby LA, Sturma A., Mayer JA et al: Algorithm for bionic hand reconstruction in patients with global brachial plexopathies (2017).  J. Neurosurg., online publiziert, vor dem Druck, 17. Januar 2017; DOI: 10.3171/2016.6.JNS16154.
 

 

BG, JM, 01.02.2017