Forschungsteams der MedUni Wien haben einen neuartigen Bluttest entwickelt, der das Risiko für Multiple Sklerose (MS) bereits vor dem Auftreten erster Symptome vorhersagen kann. Die Ergebnisse der zugrundeliegenden Studie wurden kürzlich im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Der Test weist bestimmte Antikörper im Blut nach, die sich gegen ein Protein des sogenannten Epstein-Barr-Virus (EBV) richten. Dieses Virus spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von MS. Es kann eine fehlgeleitete Immunreaktion auslösen, bei der das körpereigene Abwehrsystem Teile des Gehirns und der Nerven angreift.
Besonders bemerkenswert: Die nachweisbaren Antikörper treten oft bereits innerhalb von drei Jahren nach einer EBV-Infektion auf – also noch deutlich bevor erste MS-Symptome bemerkbar werden. Werden diese Antikörper bei einer Person bei mindestens zwei Blutuntersuchungen festgestellt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie in den folgenden Jahren an MS erkrankt. Für die Studie wurden Blutproben von mehr als 700 MS-Betroffenen und über 5.000 Kontrollpersonen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich mithilfe des Tests Personen mit erhöhtem Risiko frühzeitig identifizieren lassen.
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die weltweit rund 2,8 Millionen Menschen betrifft. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Als ein entscheidender Auslöser gilt jedoch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, das sehr weit verbreitet ist: Rund 90 bis 95 Prozent aller Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens damit – meist unbemerkt, manchmal mit Symptomen des sogenannten Pfeiffer’schen Drüsenfiebers. Bei manchen Menschen kommt es nach der Infektion zu einer Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem körpereigene Nervenzellen angreift. Genau diese Reaktion spielt bei der Entstehung von MS eine Rolle.
Dank der neuen Erkenntnisse wäre es in Zukunft möglich, gezielt Personengruppen mit erhöhtem MS-Risiko – etwa nach einer überstandenen EBV-Infektion – zu testen. Bei einem auffälligen Ergebnis könnten diese Personen dann frühzeitig medizinisch überwacht und gegebenenfalls behandelt werden, um den Ausbruch der Krankheit zu verzögern oder sogar zu verhindern. Bevor der Bluttest im klinischen Alltag eingesetzt werden kann, sind jedoch weitere Studien notwendig.
ip, 21.07.2025
Meduni Wien Pressemeldung: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/2025/news-im-juli-2025/erster-test-zur-frueherkennung-von-multipler-sklerose-entwickelt/ vom 14.07.2025
Originalpublikation: Vietzen, H., Kühner, L.M., Berger, S.M. et al. (2025). Early identification of individuals at risk for multiple sclerosis by quantification of EBNA-1381-452-specific antibody titers. Nat Commun 16, 6416. https://doi.org/10.1038/s41467-025-61751-9