Wie wird DNA im Zellkern verpackt?

Seil

Cohesin legt die DNA in Schleifen - ähnlich wie beim Aufwickeln eines Kletterseils, Bild: Pixabay, CCO

Das Erbgut in unseren Zellen muss stark komprimiert werden, um in den winzigen Zellkern zu passen. Dabei spielen verschiedene Proteine eine wichtige Rolle, unter anderem Cohesine.

Der menschliche Körper besteht aus rund dreißig Billionen Zellen und etwa 200 verschiedenen Zelltypen [1, 2], die alle dasselbe Erbgut in Form von DNA enthalten. Die DNA jeder Zelle besteht aus rund 3 Milliarden Basenpaaren und liegt auf 23 Chromosomenpaare - also 46 Chromosomen - verteilt im Zellkern vor. In ihr steckt die gesamte Information für RNA und Proteine, die unser Körper braucht, um zu funktionieren. Würde man alle 46 Chromosomen einer Zelle zu Fäden auseinanderziehen und diese aneinanderreihen, so wäre der entstehende Faden zwei Meter lang.

Die Wissenschaft beschäftigt sich auch heute noch mit der Frage, wie es möglich ist, DNA so kompakt unterzubringen. Neben den Histonen spielen auch andere Proteine hier eine wichtige Rolle: die Cohesine.

Cohesin – Schlüsselmolekül im Zellkern

Vor mehr als 20 Jahren wurde am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien ein ringförmiger Proteinkomplex namens Cohesin entdeckt. Wie man damals herausfand, spielt dieser bei der Zellteilung eine wichtige Rolle, indem er die verdoppelten Chromosomen bis zu ihrer endgültigen Trennung umklammert.

Im Laufe der Zeit wurden noch weitere Funktionen von Cohesin bekannt: Dieses Protein hilft auch dabei, die insgesamt zwei Meter langen DNA-Fäden in jedem Zellkern auf ein winziges Maß zu komprimieren. Daher zählt Cohesin auch zu den so genannten SMC (structural maintenance of chromosomes) Komplexen, die DNA aktiv in Schleifen falten.

Heute weiß man, dass der Cohesin-Ring die DNA wie eine Spange umfasst und sie wie ein molekularer Motor aktiv in Schleifen legt. Die Schleifenbildung erfolgt präzise, da Form und Position der Schleifen auch einen entscheidenden Einfluss auf die Genregulation haben. Durch das Falten kommen sich bestimmte Regionen der DNA näher, während sich andere voneinander entfernen. So können bestimmte regulatorische Elemente mit entfernten Genen in Kontakt kommen oder eben nicht.

Cohesin faltet die DNA "wie beim Aufwickeln eins Kletterseils" 

Ein Team vom IMP hat nun herausgefunden, wie genau Cohesin die DNA faltet. Es handelt sich dabei um einen Mechanismus, der dem Aufwickeln eines Kletterseils ähnelt.

„Cohesin arbeitet wie ein molekularer Motor, der ein wenig vom „Benzin“ der Zelle – dem ATP – verbraucht, um das Genom zu falten. Das geschieht zusammen mit dem Protein NIPBL“, so Benedikt Bauer, Erstautor der Studie. „Cohesin wickelt die DNA in Schlaufen, ein bisschen so als würde man ein langes Seil aufwickeln, um es zusammenzulegen.“

Dabei wird folgender Ablauf angenommen: Der Cohesin-Komplex bindet zunächst an seinem Gelenk über das Protein NIPBL an die DNA. Durch Falten und Schwenken wird die DNA dann auf eine Seite des Cohesin-Rings bewegt, wo sie gebunden und festgehalten wird. Das Gelenk des Cohesin-Rings kehrt in seine ursprüngliche Position zurück, um sich das nächste Stück DNA zu greifen, und der Zyklus wiederholt sich. So wird die DNA stückweise in Schleifen gelegt. „Man kann sich das so wie beim Aufwickeln eines Kletterseils vorstellen,“ erklärt Bauer. „Sie strecken einen Ihrer Arme aus, um ein weiter entferntes Stück des Seils zu fassen, und bringen es zum zweiten Arm, welcher währenddessen das Seil festhält.“

An der Entschlüsselung des Mechanismus waren auch ForscherInnen der Universität Linz beteiligt, die mit modernsten Mikroskop-Techniken visualisieren konnten, wie Cohesin arbeitet.

Verständnis grundlegender genetischer Prozesse

Die Entdeckung der ForscherInnen zur Wirkungsweise von Cohesin ist wichtig, um auch andere SMC-Komplexe zu verstehen. Schließlich ist das Falten von DNA ein aktiver und sehr genau kontrollierter Vorgang, der zu allen Phasen des Zellzyklus und in allen Organismen stattfindet.

Das Verpacken von großen Genomen war ein entscheidender Schritt in der Evolution und hat wichtige Funktionen für die Zelle. Dadurch wird beispielsweise bestimmt, wann welche Gene abgelesen werden, welche Proteine hergestellt werden und in welcher Menge – wichtige Abläufe, die Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit haben können. Passend dazu ist bekannt, dass zahlreiche Erkrankungen bis hin zu Krebs mit Fehlfunktionen von Cohesin assoziiert sind.

as, 21.10.2021


Quellenangaben

Originalpublikation:

Bauer BW, Davidson IF, Canena D., Wutz G., Tang W., Litos G., Horn S., Hinterdorfer P., Peters JM: Cohesin mediates DNA loop extrusion by a ‘swing and clamp’ mechanism. Cell, 2021. DOI: 10.1016/j.cell.2021.09.016.