Der Superkleber aus dem Meer

, Bild: Pixabay, CCO

ForscherInnen der Universität Wien haben in Kooperation mit dem deutschen Fraunhofer-Institut einen natürlichen Superkleber entdeckt und analysiert, den der im Meer lebende Rankenfuß-Krebs "Dosima fascicularis" produziert. Das nur wenige Zentimeter große Tier haftet sich mit diesem Kleber, der allgemein als Zement bezeichnet wird, kaum ablösbar an viele Materialien. Diese Eigenschaft fiel einem Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts während seines Urlaubs an der dänischen Nordsee auf. Es war einer der typischen unbewussten Entdeckungen, ein Serendipity-Erlebnis also, wie es heute gerne bezeichnet wird.

Floßbau mit Zement

Das Wiener Team rund um die Biologin Waltraud Klepal (Universität Wien) setzte sich im Rahmen eines vom FWF geförderten Projekts mit dem Aufbau des Rankenfuß-Krebses auseinander. Beobachtungen unter dem Elektronenmikroskop ermöglichten es den WissenschaftlerInnen zu klären, wo die Drüsen sitzen, die Zement entwickeln, und wie der Kleber durch winzige Gänge und Poren ins Meerwasser gelangt.

Dabei haben die Wiener ForscherInnen Interessantes entdeckt. Denn der Zement unterscheidet sich durch Struktur und Menge deutlich von dem aller anderen bekannten Arten. Der Krebs produziert ein schaumartiges Hydrogel in relativ großer Menge. Und im Gegensatz zu seinen Artgenossen hat die Substanz eine Doppelfunktion: Sie wird nicht nur als Klebstoff, sondern auch als Floß verwendet. Dadurch verleiht der Zement dem an und für sich festsitzenden Tier Mobilität, die es ihm ermöglicht, neue Lebensräume zu erschließen.

Beim Floßbau wird der Klebstoff zunächst über die Poren an den Antennen der Tiere und in weiterer Folge am Stiel des auf dem Kopf stehenden Tieres abgesondert. So entsteht Schicht für Schicht eine Art Ball, der im Inneren aus elastischen Blasen besteht, wie die ForscherInnen ebenfalls herausfanden. Wächst "Dosima" (wie WissenschaftlerInnen den Krebs auch nennen), öffnen sich am weichen, flexiblen Stiel immer neue Poren. So stellt das Tier sicher, dass es nicht im eigenen Klebstoff erstickt. Eine solche Poren-Verschiebung war der Wissenschaft bisher unbekannt.

Neue Einsatzgebiete

Durch die Zufallsentdeckung hält die Wissenschaft nun einen einzigartigen, natürlichen Klebstoff in Händen. Das Sekret von "Dosima" ist nicht nur extrem haftfähig, sondern auch elastisch und hat aufgrund seiner porösen Struktur eine stoßdämpfende Wirkung. Das macht den Stoff zu einem viel versprechenden Kandidaten für Medizin und Technik, überall dort, wo wasserfestes, dämpfendes Material gebraucht wird.

Da der flexible und wasserfeste Zement keine Giftstoffe enthält – er ist zu 92 Prozent aus Wasser sowie aus Proteinen und Kohlenhydraten zusammengesetzt – ist er guter Kandidat für vielseitige Anwendungen. "In der Orthopädie könnte es als eine Art Dämpfungskissen, etwa als Bandscheibe eingesetzt werden", erklärte Klepal.

Für Klepal ist klar, dass das Forschungsteam mit ihrer Grundlagenarbeit "einen wichtigen Beitrag in Hinblick auf die Anwendung des Zements leisten. Die nächsten Schritte werden in Richtung genetischer Aufklärung und angewandte Forschung gehen", so die Biologin.

Quelle: SciLog FWF 08.08.2016

Originalpublikationen:

Zheden V., Von Byern J., Kerbl A. et al.: Morphology of the Cement Apparatus and the Cement of the Buoy Barnacle Dosima fascicularis. The Biological Bulletin 2012 Oct; 223(2): 192-204.

Zheden V., Klepal W., von Byern J., et al.: Biochemical analyses of the cement float of the goose barnacle Dosima fascicularis - a preliminary study. Biofouling 2014 Sep; 30(8): 949-63.
doi: 10.1080/08927014.2014.954557.

Zheden V., Klepal W., Gorb S. N., et al.: Mechanical properties of the cement of the stalked barnacle Dosima fascicularis. Interface Focus 2015 Feb 6; 5(1): 20140049.
doi: 10.1098/rsfs.2014.0049.

Zheden V., Kovalev A., Gorb S. N., et al.: Characterization of cement float buoyancy in the stalked barnacle Dosima fascicularis. Interface Focus 2015 Feb 6; 5(1): 20140060.
doi: 10.1098/rsfs.2014.0060.

Artikel erstellt am 23.08.2016 von AP

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