Hot Topics am Euroscience Open Forum

, Bild: Open Science - Lebenswissenschaften im Dialog (cc_by_sc)

Das Euroscience Open Forum (ESOF) ist anders als typische wissenschaftliche Konferenzen. Auf dieser Konferenz trifft sich alle zwei Jahre ein bunter Mix von mehr als 3000 WissenschaftlerInnen unterschiedlichster Disziplinen, Wirtschafts- und MedienvertreterInnen sowie PolitikerInnen. Ein Ziel der mehrtägigen Konferenz ist es einen europaweiten und Disziplinen überschreitenden Raum des wissenschaftlichen Austausches zu schaffen. Darüber hinaus wird auch die breite Öffentlichkeit mit spezifischen Aktivitäten adressiert. Dieses Jahr fand das ESOF vom 21. bis 26. Juni in Kopenhagen am ehemaligen Gelände der Carlsberg Brauerei statt – und was hier in vielen Sessions zusammengebraut wurde, war durchaus eine geschmackvolle Mischung. Die Themenschwerpunkte des wissenschaftlichen Programms reichten von Innovationen im Gesundheitsbereich, aktueller neurowissenschaftlicher Forschung, globalem Ressourcenmanagement bis zur Verbindung von Urbanisierung, Design undLebensqualität. Open Science war mit dabei und schaute sich um, welche lebenswissenschaftlichen Themen beim ESOF diskutiert wurden.

Sagen Facebook-Profile mehr als Genomdaten?

Ein Schwerpunkt der lebenswissenschaftlichen Vorträge lag auf den Auswirkungen der nächsten Generation von DNA-Sequenzierungstechnologien, mit denen ForscherInnen nun schneller Daten sammeln und global teilen können. Mit diesen Möglichkeiten gehen auch einige Herausforderungen einher. Genetische Daten beinhalten nicht nur persönliche Informationen, es wird zunehmend auch schwieriger sie zu lagern, abzufragen und zu managen. Welche Rückschlüsse können aus genetischen Daten gezogen werden? Und wie soll man damit umgehen?

Anders Olauson, Präsident des Europäischen Patientenforums, äußerte eine klare Meinung: PatientInnen wollen die Besitzer ihrer Daten sein, auch wenn ForscherInnen das nicht gerne hören. Genetischen Daten komme eine Sonderstellung zu, so Jane Kaye von der University of Oxford. Sie brachte auch einen Beleg für diese Behauptung. ForscherInnen am Whitehead Institute for Biomedical Research konnten nämlich mit Hilfe öffentlicher Online-Datenbanken die Identität von Personen ausfindig machen, deren anonyme DNA-Proben sequenziert und online veröffentlicht wurden. Anonymität und DNA scheinen sich also zu widersprechen. Open Data Befürworter, darunter der Bioinformatik-Pionier Ewan Birney, sehen den Aspekt des Datenschutzes weniger problematisch. Aus der Sicht Birneys geben genetischen Daten weniger relevante Informationen über uns preis als Einkaufsverhalten und Facebook-Profile.

Datenschutz in der Forschung mit genetischen Daten bleibt trotz solcher Plädoyers aber weiterhin ein sensibles Thema. Das zeigte auch die 2013 erfolgte Veröffentlichung des Genoms von HeLa-Krebszellen durch ForscherInnen am Europäischen Labor für Molekularbiologie in Heidelberg. Diese Zellen werden heute zwar in fast jedem molekularbiologischen Labor verwendet, sie wurden jedoch in den 1950er Jahren ohne Einwilligung und Anonymisierung der Patientin – Henrietta Lacks („HeLa“) – von ihrem Arzt entnommen. Im Anschluss an die Publikation des sequenzierten HeLa-Genoms äußerten die Lacks-Nachkommen Befürchtungen, dass Rückschlüsse auf Familienmitglieder möglich wären. Auch ein öffentlicher Aufschrei im Social Media Portal Twitter folgte. Die ForscherInnen zogen zwar die Veröffentlichung der Daten zurück, gaben aber zu bedenken, dass es signifikante Unterschiede zwischen dem Genom von Krebszellen und den gesunden Zellen von Henrietta Lacks gebe.

Shakespeare im Reagenzglas

In der molekularbiologischen Forschung fallen immer mehr Daten an. Von der herausfordernden Speicherung großer Datenmengen sprach Nick Goldman vom European Bioinformatics Institute in Cambridge. Dieses Institut fungiert als eine Art europäische Sammelstelle von Daten zu Genomen, Genexpressionen und Proteinstrukturen. Goldman und KollegInnen hatten die platzsparende Idee, diese Daten sozusagen wieder in ihr Ursprungsmedium einzuschleusen: Denn ein Reagenzglas mit DNA fasst in etwa so viel Information wie eine Million CD-ROMs. Um Daten wie Shakespeares Sonette oder ein Soundfile von Martin Luther Kings berühmter „I have a dream“ Rede in DNA einzuschreiben, entwickelten sie einen Code, mit dem jedes Computerfile in eine DNA-Sequenz transferiert wird. Diese konnten sie dann aus der „beschriebenen“ DNA ohne Datenverlust auslesen. Im Gegensatz zu anderen Datenträgern verspricht die DNA noch weitere Vorteile: Man kann damit leicht Kopien erstellen, und DNA wird im Gegensatz zu Kassetten oder digitalen Datenmedien niemals obsolet werden. DNA-Lesegeräte ändern sich zwar, aber alle sind dazu gebaut DNA zu lesen. Nicht zuletzt hält DNA viel länger als andere Speichermedien.

Diese Langlebigkeit wurde besonders eindrücklich in Vorträgen über die Sequenzierung und Analyse historischer DNA vor Augen geführt. Das Forschungsfeld der Paläogenetik wartet seit der Entschlüsselung des Mammutgenoms im Jahr 2008 immer wieder mit faszinierenden Ergebnissen auf. Ein heuer in der Fachzeitschrift Nature erschienener Artikel wies etwa anhand der DNA eines 12.000 Jahre alten Skeletts nach, dass alle derzeit lebenden amerikanischen Ureinwohner von einer aus Asien ausgewanderten Gruppe abstammen. Auch die Sequenzierung des Genoms von Özi brachte Erstaunliches zu Tage. Genetisch verbindet den „Mann aus dem Eis“ nämlich mehr mit der heutigen Bevölkerung im Mittelmehrraum als mit noch lebenden SüdtirolerInnen. Laut Paläobiologe Eske Willerskev könnte man mit neuen Sequenzierungstechnologien theoretisch bis 1 Million Jahre zurück in die Zeit gehen. Katerina Harvati, Paläanthropologin an der Universität Tübingen, gab sich zurückhaltender und ortete Beschränkungen für paläogentische Analysen. Aufgrund der besseren Konservierung von DNA in kälteren Gebieten wären dem Feld beispielsweise geographische Grenzen gesetzt. Zudem habe man meist nur wenige Proben zur Verfügung und könne kaum etwas über das „Endprodukt“ und seine Lebensumstände aussagen. Zukunftspotential sieht sie allerdings in der Erforschung der in Fossilien besser erhaltenen Proteine. Mit einem Irrglauben konnte schließlich auch aufgeräumt werden: Mumien konservieren DNA nicht per se besser.

Erstellt am: 1. Juli 2014

This content is not available in English. However, an English translation of the About us and Vienna Open Lab section is just waiting to be discovered.