CRISPR-Interview mit Christoph Bock (CeMM)

Christoph Bock, Bild: CeMM

Christoph Bock ist Forschungsgruppenleiter am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM). Er beschäftigt sich mit der Rolle von epigenetischen Veränderungen bei der Entstehung von Krebs und mit modernen DNA-Sequenzierungsmethoden für die personalisierte Medizin.

Im Rahmen des Projekts CRISPR/Cas haben wir den Forscher zu aktuellen Fragen um die neue Genom-Editierungsmethode interviewt.

 

Herr Bock, Sie arbeiten im Bereich der Krebsforschung sowohl an Grundlagenforschungsthemen als auch an der Anwendung dieser Erkenntnisse in der Krebstherapie. Wie wenden Sie und Ihr Team CRISPR/Cas in Ihrer Forschungsarbeit an und was hat sich dadurch verändert?

Wir benutzen die CRISPR/Cas-Technologie, um die Entstehung von Krebs besser zu verstehen und neue Ansätze für die Krebstherapie zu finden. Die Entstehung von Krebs geht meist von einer einzigen Zelle aus, die sich verändert und auf unbeschränktes Wachstum gepolt wird. Die meisten WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass der erste Schritt zur Krebszelle immer eine genetische Veränderung ist. Wir glauben aber, dass sogenannte epigenetische Modifikationen – also Veränderungen in der Verpackung und Aktivität der DNA – ebenfalls eine Krebserkrankung initiieren können. Um diese Hypothese zu testen, verwenden wir eine modifizierte Form von CRISPR/Cas, um spezifische epigenetische Veränderung in gesunde Zellen einzuschleusen. Wir beobachten dann, wie sich das Verhalten dieser Zellen verändert und suchen nach Möglichkeiten, diese Veränderung zu stoppen oder rückgängig zu machen.

 

Ein konkreter Arbeitsbereich in ihrem Team ist die Erforschung von epigenetischen Veränderungen bei Leukämie und anderen hämatopoetischen Erkrankungen. Ist es absehbar, dass CRISPR-Mechanismen für die somatische in vivo Therapie von Blutkrebserkrankungen eingesetzt wird?

Es gibt bereits erste erfolgversprechende Ergebnisse, bei denen eine Leukämie mit genetisch veränderten Immunzellen bekämpft wird. Allerdings bisher noch ohne die Verwendung von CRISPR/Cas. Dabei werden sogenannte CAR-T-Zellen verwendet. Das sind genetisch veränderte T-Zellen, die darauf programmiert sind, die Leukämie-Zellen anzugreifen. Mit CRISPR/Cas wird es einfacher werden, individuell passende CAR-T-Zellen vorzubereiten und in der Leukämie-Behandlung einzusetzen – auch wenn es sicherlich noch Jahre dauert, bis diese Art von Therapie allgemein verbreitet sein wird.

 

Man hört immer wieder, dass CRISPR/Cas vor allem für die Grundlagenforschung interessant ist, da es Prozesse vereinfacht und Kosten spart. In der anwendungs­orientierten bzw. klinischen Forschung ist die Anwendung begrenzt. Gibt es hier besonders interessante Anwendungsbereiche und welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?

Ganz besonders spannend finde ich aktuell die Verknüpfung von CRISPR/Cas mit Methoden zur Einzelzell-Sequenzierung. Wir haben vor einigen Monaten eine „CROP-seq“ genannte Methode publiziert, bei der mit Hilfe von CRISPR/Cas viele verschiedene genetische Veränderungen parallel in eine große Zahl von Zellen eingeschleust werden. Anschließend führen wir eine RNA-Sequenzierung in zehntausenden einzelnen Zellen durch und können damit den Effekt der genetischen Veränderung auf die Zellen umfassend und effizient analysieren. Damit können wir zum Beispiel testen, welche genetischen und epigenetischen Veränderungen bei der Entstehung von Krebs wirklich wichtig sind.

 

Stimmt es, dass CRISPR/Cas im Gegensatz zu herkömmlichen Genom-Editierungsverfahren wie Zinkfingernukleasen oder TALENs besonders einfach zu handhaben ist ? Denke Sie, es ist möglich, dass dieses Verfahren von Menschen missbräuchlich eingesetzt wird? In welchen Bereichen wäre dies besonders bedenklich?

CRISPR/Cas ist in der Tat viel einfacher zu handhaben als andere Methoden für die gezielte Veränderung des Genoms. Trotzdem ist die missbräuchliche Anwendung von CRISPR/Cas beim Menschen aus meiner Sicht nicht besonders wahrscheinlich. Denn bei der Veränderung des Keimbahn-Genoms sind andere Schritte wie zum Beispiel die Entnahme, Kultivierung und das Einsetzen einer Eizelle schwierig und erfordern umfangreiche Spezialkenntnisse. Sehr viel größer ist die Gefahr bei Organismen, die sich schnell vermehren und deren Keimbahn-Erbgut leicht zugänglich sind – zum Beispiel Insekten. Hier wäre es mit einer als Gene-Drive bezeichneten Methode durchaus vorstellbar, dass eine Einzelperson mit entsprechender Erfahrung eine ganze Spezies genetisch verändert und/oder an den Rand der Ausrottung bringt. Verbote helfen hier nicht weiter, da sich die Verwendung von CRISPR/Cas nicht effektiv kontrollieren lässt. Wir werden stattdessen – ähnlich wie bei der Bekämpfung von Computer-Viren – Experten für Biosicherheit benötigen, die solche Attacken rechtzeitig erkennen und durch geeignete technische Maßnahmen unterbinden.

 

Verändert man eine genetische oder epigenetische Information mit CRISPR/Cas, kann das vielfältige zelluläre Auswirkungen haben. Inwieweit kann man durch Algorithmen bzw. computerbasierten Analysen im Vorhinein analysieren, wie die Konsequenzen der Modifikation aussehen werden?

Wenn wir einzelne Veränderung durchführen, die auch in der Natur vorkommen, dann lassen sich die Auswirkungen recht genau vorhersagen. Ein Beispiel ist die somatische Gentherapie für PatientInnen mit einem genetischen Defekt in einem einzelnen Gen. Wenn man diesen Defekt mit CRISPR/Cas in einer hinreichend großen Zahl von Zellen behebt, dann kann man die Krankheit gezielt behandeln. Wenn man aber versucht, hunderte genetische Veränderungen gleichzeitig vorzunehmen, dann kann man die Ergebnisse kaum bis gar nicht vorhersagen. Daher wird man sich über „Designer-Babys“ zumindest in den kommenden Jahrzehnten keine allzu großen Sorgen machen müssen. Es ist zwar vorstellbar, dass genetische Defekte in einzelnen Genen schon vor der Geburt korrigiert und damit schwere Krankheiten verhindert werden. Aber um Eigenschaften wie zum Beispiel Intelligenz oder Körpergröße (die beide eine hohe erbliche Komponente haben, dass heisst mehrere Gene beteiligt sind) stark zu beeinflussen, müsste man hunderte von Stellen im Genom verändern, was technisch sehr schwierig, in seinen Auswirkungen unvorhersehbar und entsprechend riskant wäre.

 

Sie beschäftigen sich intensiv mit Sequenzierungstechnologien. Immer wieder kommt auf, dass CRISPR/Cas vor allem in komplexen Organismen viele sogenannte Off-Target Effekte hat, also auch an anderen Stellen im Genom, die nicht Ziel der Veränderung sind, schneidet und editiert. Welche Möglichkeiten hat man, dies zu kontrollieren und welche Limitierungen gibt es hierbei?

Grundsätzlich sollte eine Genom-Sequenzierung durchgeführt werden, wenn mit genetisch veränderten Zellen geforscht wird oder sogar klinische Anwendungen geplant sind. Damit kann man effektiv prüfen, ob irgendwelche potentiell gefährlichen Veränderungen des Genoms stattgefunden haben. Schwieriger ist die Situation bei der Genom-Editierung in vivo, weil dort eine Qualitätskontrolle durch DNA-Sequenzierung vorab nicht möglich ist. Allerdings gibt es Fortschritte bei der Entwicklung sehr genauer CRISPR/Cas-Methoden, so dass die Off-Target-Effekte eher an Bedeutung verlieren werden.

 

CRISPR/Cas erregt mediales Aufsehen. Wie schätzen Sie den tatsächlichen Nutzen der Technologie für die Wissenschaft ein und wie sehr kann die Gesellschaft in diesem Fall in die Debatte um die Anwendung der Technologie einbezogen werden?

Der Nutzen von CRISPR/Cas ist gerade für die Grundlagenforschung sehr hoch. Außerdem eröffnet diese recht einfache und entsprechend zugängliche Technologie viele Anwendungen für eine Vielzahl von WissenschaftlerInnen, die bisher einigen wenigen gut ausgestatteten Laboren vorbehalten waren. Im Kontext von Wissenschaft und Gesellschaft freut mich das breite Interesse an CRISPR/Cas, denn an diesem Beispiel lassen sich viele Aspekte der modernen biomedizinischen Forschung verstehen und diskutieren.

 

Gibt aus Ihrer Sicht rechtliche und ethische Aspekte, die in Zukunft, CRISPR betreffend, durch Entscheidungsträger vermehrt berücksichtigt oder Gesetze, die vielleicht sogar adaptiert werden müssen?

CRISPR/Cas ist sehr viel effizienter, schneller und kostengünstiger als andere Methoden zur gezielten Veränderung des Genoms. Allerdings ist die genetische Veränderung von Zellen und Organismen in der biologischen Forschung schon seit vielen Jahren Alltag, und es gibt bereits umfassende Erfahrungen und Richtlinien, die auch eine sichere Verwendung von CRISPR/Cas garantieren werden. Ein substanziell neues Risiko sehe ich nur im Bereich eines Bio- und Ökosystem-Terrorismus, also der Erstellung von Gene Drives und anderen Methoden zur gezielten und böswilligen Veränderung von Insekten und Krankheitserregern. Verbote helfen hier wenig, aber Experten-Teams für Biosicherheit können geeignete Abwehrstrategien und Gegenmaßnahmen vorbereiten.

 

Wenn Sie drei Forschungsbereiche nennen müssten, in denen CRISPR/Cas besonders vielversprechend eingesetzt werden kann, welche wären das?

Besonders vielversprechend erscheint aus biomedizinischer Perspektive die Anwendung von CRISPR/Cas in den folgenden Bereichen:

  • Biomedizinische Forschung: Schnellere und bessere Entwicklung von neuen Medikamenten
  • Somatische Gentherapie: Entwicklung von effektiven Therapien für eine Vielzahl seltener Erkrankungen
  • Gene Drive: Gezielte Ausrottung von Insekten, die Krankheiten übertragen (Moskitos, Zecken etc.).

Allerdings steht die Entwicklung von CRISPR/Cas-basierten Technologien noch am Anfang, und es liegt noch viel Arbeit vor uns, bis diese Anwendungen sicher, zuverlässig und hoffentlich bezahlbar im medizinischen Alltag angekommen sein werden.

 

Herzlichen Dank für das Interview!

 

erstellt von EK am 11.07.17

Gefördert von/durch:
Ansprechpartner:
  • Elena Kinz
This content is not available in English. However, an English translation of the About us and Vienna Open Lab section is just waiting to be discovered.