Welche Mikroben sich in Wiens U-Bahn tummeln

Einfahrende U-Bahn

U-Bahn, Bild: Pixabay, CCO

Jede Stadt zeichnet sich durch eine einzigartige Zusammensetzung an Mikroorganismen aus. Wiener ForscherInnen um Alexandra Graf von der FH Campus Wien untersuchen nun das Mikrobiom von Wiens U-Bahnen.

Im und auf dem Menschen tummeln sich unzählige Mikroorganismen, auch als Kleinstlebewesen oder Mikroben bezeichnet, die wir mit freiem Auge nicht wahrnehmen können. Für viele ist der Begriff Mikroorganismen negativ behaftet, und sie assoziieren damit Lebensmittelverderb, Krankheiten oder Infektionen. Tatsache ist jedoch, dass der menschliche Körper – Darm, Haut, Schleimhäute, Verdauungstrakt, Urogenital-Trakt, respiratorischer Trakt – dicht von mehr als tausend verschiedenen Arten von Mikroorganismen besiedelt ist. Diese sind harmlos bis hilfreich und erwiesenermaßen für unsere Gesundheit wichtig. Die wenigen, die uns krank machen können, stellen eher die Ausnahme dar.

Das menschliche Mikrobiom

Zu den Mikroorganismen zählen Bakterien, Archaebakterien (Archaeen) und Protozoa (eukaryotische Einzeller, Beispiel: Pantoffeltierchen). Pilze und Algen sind mehrzellige Mikroorganismen. Viren stellen genaugenommen keine Lebensform dar (da sie keinen eigenen Stoffwechsel haben und für ihr Überleben auf einen Wirt angewiesen sind), werden aber auch zu den Mikroorganismen gezählt. Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die mit dem Menschen assoziiert sind, bezeichnet man als humanes Mikrobiom. Lange Zeit wurde in der Wissenschaft die Ansicht vertreten, dass im menschlichen Körper zehnmal mehr Mikroben-Zellen als menschliche Zellen zu finden sind. So wurde das Gewicht der Mikroorganismen im Menschen bis vor kurzem auch meist mit ein bis zwei Kilogramm angegeben. Neue Berechnungen haben jedoch ergeben, dass diese Werte nicht stimmen, und für einen Referenzmann wurde ein Verhältnis 1:1 von Bakterienzellen zu menschlichen Zellen in unserem Körper errechnet. [1] Die geschätzte Masse der Mikroben im Menschen wurde auf 200 Gramm korrigiert. Die Mikrobiom-Forschung hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Methoden zur Sequenzierung von DNA und RNA sich unglaublich rasant weiterentwickelt haben.

Städte unterscheiden sich in ihrem Mikrobiom

Nicht nur das Genom eines Menschen ist einzigartig, auch sein Mikrobiom ist es: Jeder Mensch besitzt eine ganz eigene Zusammensetzung an Mikroorganismen, die ihn besiedeln. Da die Mikroben-Gemeinschaften für jedes Individuum charakteristisch sind, spricht man daher auch vom „mikrobiellen Fingerabdruck“, den wir in unserer Umgebung hinterlassen. Was das für Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen, bedeutet, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. So startete der amerikanische Bioinformatiker Christofer Mason von der Cornell University in New York im Jahr 2013 eine Studie zu Mikroben in der New Yorker U-Bahn. Mittlerweile ist daraus MetaSUB, ein großes weltweites Projekt entstanden, in dem U-Bahnen von 62 Städten in sechs Kontinenten untersucht werden. Langfristiges Ziel von MetaSUB ist es, das Mikrobiom dieser Städte zu analysieren und sich so besser gegen Epidemien und Infektionen wappnen zu können.

MetaSUB auch in Österreich

Seit 2016 ist auch Österreich im MetaSUB-Konsortium vertreten: Die FH Campus Wien arbeitet speziell an der Entwicklung von neuen Methoden für die Datenanalyse. Die Bioinformatikerin Alexandra Graf beschäftigt sich in diesem Rahmen auch damit, wie die Mikroorganismen in den Wiener U-Bahnen das Mikrobiom auf den Handflächen der Fahrgäste verändern. Wien besitzt aktuell fünf U-Bahn-Linien mit mehr als 100 Stationen. Täglich nutzen rund 1,2 Millionen Menschen die U-Bahn, pro Jahr werden etwa 440 Millionen Fahrgäste verzeichnet. [2] Graf möchte herausfinden, wie viele Stadtmikroben auf der Haut der Öffi-NutzerInnen zurückbleiben und schickte dafür rund 60 StudentInnen zum Probensammeln los. Diese mussten sich sorgfältig die Hände waschen und begaben sich danach auf verschiedenen Routen in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Wien. Vorher- und Nachher-Proben von deren Handflächen wurden anschließend auf Art und Diversität der Mikroorganismen analysiert. Die Forscherin möchte so untersuchen, ob nach einer Öffi-Fahrt Bakterien auf der Haut zu finden sind, die nicht Teil des eigenen Mikrobioms sind und aus der U-Bahn „mitgenommen“ wurden. Mikroben, die so auf den Händen landen, können durchaus eine positive Wirkung haben. „Tendenziell ist ein diverses Mikrobiom für unsere Gesundheit besser als ein weniger variantenreiches, das uns für Krankheiten empfänglicher macht“, so Graf.

Urban-Metagen-App zur Analyse

Graf und ihr Team haben für ihre Studien eine eigene App entwickelt, die eine schnelle und einfache Sequenz-Analyse von Mikroorganismen-Proben aus der Umwelt ermöglicht. Auch von interessierten Laien kann diese Urban-Metagen-App eingesetzt und interpretiert werden, die Ergebnisse können auf einem ganz normalen Laptop abgerufen und bearbeitet werden und sind leicht verständlich aufbereitet. Mit dem Prototyp der App hat das Team um Graf bereits die Proben von den Handinnenflächen der rund 60 studentischen ProbandInnen in der Wiener U-Bahn analysiert. Die ersten Ergebnisse mit der App sind vielversprechend, und die neue Software könnte somit die Arbeit der WissenschaftlerInnen im MetaSUB-Projekt um einiges vereinfachen.

Erste Ergebnisse aus verschiedenen Städten gibt es im MetaSUB-Projekt schon: Rund 50% der in den öffentlichen Verkehrsmitteln gesammelten Mikroben sind unbekannt. Die meisten Mikroorganismen aus der U-Bahn sind Bakterien, die entweder mit der menschlichen Haut oder mit Essen assoziiert sind. Pathogene wurden bisher erstaunlich selten gefunden. In New York wurden interessanterweise deutlich mehr antibiotikaresistente Mikroben gefunden als in London. Generell unterschieden sich die getesteten Städte stark in der Zusammensetzung ihrer Mikroorganismen. Die Ergebnisse solcher Studien sind unter anderem für die Stadtplanung wichtig, erklärt Graf: „Eine gesundheitsförderliche Mikrobendiversität lässt sich etwa durch mehr Grünflächen erreichen.“ Die Daten von Wien werden aktuell noch ausgewertet.

Die Bioinformatikerin FH-Prof. Mag. Dr Alexandra Graf von der FH Campus Wien ist für Open Science als Expertin tätig.

[1] Sender R. et al.: Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body (2016). PLoS Biol. 2016 Aug 19;14(8)

[2] Website des MetaSUB-Projekts, abgefragt am 27.06.2019:

 

AS, 27.06.2019


Quellenangaben

derStandard, Forschung spezial: Bakterien-Cocktail in der Wiener U-Bahn vom 3.6.2019