Tumormodell aus dem Biodrucker

Tumorbild: Rot fluoreszierende Tumorsphäre in biogedrucktem Gewebe.

Tumorbild: Rot fluoreszierende Tumorsphäre in biogedrucktem Gewebe., Bild: (c) Bioprinting Lab /D. Nothdurfter

28 mal 21 Millimeter – so groß ist der Plexiglas-Chip, auf dem das Team um Michael Außerlechner und Judith Hagenbuchner der Medizinische Universität Innsbruck einem kleinen Tumor direkt im Gewebe beim Wachsen zusieht. Mit dem neu entwickelten Tool – nachgebautem menschlichen Gewebe aus dem 3D-Biodrucker – können sie die Entwicklung von Tumoren, aber auch die Wirksamkeit von Krebsmedikamenten quasi im Livemodus untersuchen.

Das 3D-Tumormikroumgebungs-Modell – ein „fluidic chip“ mit einem drei Millimeter dicken Gewebestück darauf – ist zwar nachgebaut, wächst aber von selbst und bietet nahezu reale Bedingungen, um zu erforschen, wie der Tumor seine Umgebung manipuliert und für sich nutzt. Das von menschlichem Gewebe abgeleitete Äquivalent kann standardisiert produziert werden und soll auch Tierversuche ersetzbar machen.

Die Innsbrucker ForscherInnen haben in das neuartige 3D-Tumormikroumgebungs-Modell während des Druckprozesses Tumorsphäroide (kugelfömige Tumorzellaggregate) aus einem Neuroblastom – einer der häufigsten soliden Tumoren bei Kleinkindern – zwischen die Zellen des Gewebes gesetzt, welche dort innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einem Mikrotumor heranwachsen. „So war es uns möglich, zu beobachten, wie dieser kleine Tumor die Kapillaren aus dem Gewebe anzieht und diese dann in den Tumor hineinwachsen. Der Tumor baut sich also seine eigene Versorgungsstruktur auf. Dieses 3D-Modell wird uns helfen, die Mechanismen der Karzinogenese, also des Tumorwachstums, noch besser zu verstehen und damit die Tumormikroumgebung als therapeutisches Ziel für die Krebsbekämpfung besser nutzbar zu machen – und das ohne Tierversuche“, betont Mikrobiologe und Laborleiter Michael Außerlechner.

Breites Einsatzgebiet

Die Nutzbarkeit des neuen Modells steht vielen Fragestellungen offen. Möglich soll damit etwa die Testung von sog. Angiogenesehemmern (Angiogenese ist die Bildung neuer Blutgefäße) werden, eine Gruppe von Arzneistoffen, die auf die Unterdrückung der Blutgefäßneubildung und damit des Tumorwachstums abzielt. Auch PatientInnen-orientierte und damit personalisierte Fragestellungen wie etwa die Wahl der geeigneten Therapie, könnten damit möglich werden. Weiters könnte sich das biogedruckte Gewebemodell für die Erforschung der Metastasierung – ein Prozess, der die Heilungschance bei Krebs erheblich verschlechtert – als geeignet erweisen.

bg, 18.05.2022


Quellenangaben

Presseaussendung der Medizinischen Universität Innsbruck vom 18.5.2022

Forschungsarbeit:

3D bioprinted, vascularized neuroblastoma tumor environment in fluidic chip devices for precision medicine drug testing.
https://doi.org/10.1088/1758-5090/ac5fb7