Expertin im Portrait: Allergieforscherin Ines Swoboda

Allergieforscherin Ines Swoboda in ihrem Forschungslabor

Allergieforscherin Ines Swoboda, Bild: Open Science - Lebenswissenschaften im Dialog (CC BY-SA-ND 3.0 AT)

Die Allergieforscherin Ines Swoboda lehrt und forscht an der FH Campus Wien und untersucht mit ihrem Team Mechanismen von Nahrungsmittelallergien und respiratorischen Allergenen. Der passionierten und erfolgreichen Wissenschaftlerin liegt auch die Öffentlichkeitsarbeit sehr am Herzen, und sie engagiert sich stark in der Wissenschaftskommunikation. Seit dem Jahr 2014 hat sie gemeinsam mit Open Science bereits mehrere Projekte umgesetzt, wie beispielsweise die Entwicklung einer Allergie-Mitmachstation und einer Allergie-Spiele-App sowie eine Fortbildung für PädagogInnen. Auch an einem Blogbeitrag für science.ORF war sie maßgeblich beteiligt.

 

Wir haben die enthusiastische Forscherin zum Interview gebeten.

Warum es immer mehr Allergien gibt und was die Forschung aktuell beschäftigt

Ines, woran arbeitest Du aktuell mit Deiner Forschungsgruppe an der FH Campus Wien?

Wir beschäftigen uns momentan mit zwei großen Themen: Mit Fleisch- und Fischallergien. Wir arbeiten aber auch an respiratorischen Epithelzellen – mit dem Ziel, Allergien, die den Atmungsapparat betreffen, besser zu verstehen. Und vor kurzem haben wir ein sehr spannendes neues Projekt gestartet, das sich mit Schimmelpilzallergien befasst.

Welche Aspekte der Fleisch- und Fischallergien erforscht Du mit Deinem Team?

Über Fleischallergien ist noch relativ wenig bekannt. Man weiß allerdings, dass PatientInnen entweder auf Säugetierfleisch (rotes Fleisch) oder auf Geflügelfleisch (weißes Fleisch) allergisch sind. Uns ist es vor kurzem gelungen, erste Moleküle aus Geflügelfleisch zu identifizieren, die eine Allergie gegen Geflügelfleisch auslösen können. Wir haben diese Ergebnisse 2020 im Journal of Allergy and Clinical Immunology – der Zeitschrift mit dem höchsten Impact auf dem Gebiet der Allergie – publiziert.

Zusätzlich beschäftigen wir uns noch mit einer interessanten Sonderform der Fleischallergie, dem sogenannten alpha-Gal Syndrom. Bei diesem entwickeln PatientInnen nach einem Zeckenbiss eine Allergie auf rotes Fleisch. Ungewöhnlich an dieser Sonderform der Allergie ist, dass Symptome erst einige Stunden nach dem Verzehr von rotem Fleisch und nicht wie üblich durch Proteine, sondern durch einen Zucker, nämlich durch die Zuckerstruktur alpha-Gal, ausgelöst werden. Über Fischallergien weiß man schon mehr. Hier wollen wir einerseits neue Allergene – das sind Substanzen, die Allergien verursachen können – identifizieren, andererseits wollen wir an einer Verbesserung der Immuntherapie mitwirken. Durch das Verwenden modifizierter Einzelallergene statt Extrakten könnte die Immuntherapie in Zukunft spezifischer und starke Nebenwirkungen vermieden werden. 

Das klingt nach einem sehr umfangreichen Forschungsrahmen. Was ist für Dich eigentlich das Spannende am Thema Allergie?

Ich mag das wissenschaftliche Arbeiten und die Grundlagenforschung an und für sich. Mir ist es allerdings auch wichtig, ein Fernziel zu verfolgen, das Nutzen bringt. Unsere Forschungsergebnisse sollen auf lange Sicht den Allergikern und Allergikerinnen helfen. Ich möchte mit meinem Team einen Beitrag dazu leisten, die Diagnose und die Behandlungsmöglichkeiten von Allergien zu verbessern.

Man hört von vielen Seiten, dass die Tendenz, an einer Allergie zu erkranken, steigt. Stimmt das?

Dass es immer mehr Allergien gibt, lässt sich durch zahlreiche Studien belegen. Es gibt natürlich den Aspekt, dass früher die Möglichkeiten einer verlässlichen Diagnose noch nicht gegeben waren und deswegen weniger Allergien registriert wurden. Aber auch seit Einsatz einer verbesserten Allergie-Diagnose wurde ein weiterer Anstieg dieser Erkrankung verzeichnet.

Was ist die Ursache für den Anstieg der Allergie-Erkrankungen?

Man geht dabei von einer Multikomponentenursache aus, es sind also mehrere Faktoren daran beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt sicher die genetische Veranlagung, aber es gibt noch weit mehr Faktoren, von denen angenommen wird, dass sie die Entstehung von allergischen Erkrankungen begünstigen können. So geht man zum Beispiel davon aus, dass auch unsere veränderten Lebensgewohnheiten und die steigende Umweltverschmutzung dazu beitragen. Vor allem vermehrte Hygienemaßnahmen scheinen laut Hygienetheorie das Auftreten von Allergien zu begünstigen. Diese Theorie besagt, dass früher das Immunsystem des Menschen durch die Notwendigkeit, unterschiedlichste Pathogene abzuwehren, viel mehr gefordert war. Heutzutage ist aufgrund der verbesserten Hygienebedingungen unser Immunsystem teilweise „unterfordert“ und sozusagen nicht in Übung. So kann es auf harmlose Stoffe überreagieren. Man nimmt an, dass dies auch ein Grund dafür ist, dass Autoimmunerkrankungen ebenfalls zunehmen.

Ein weiterer Punkt ist auch, dass die Nahrung, die wir heute zu uns nehmen, oft nicht mehr der „natürlichen Nahrung“ entspricht. Sehr häufig ist die Nahrung künstlich, und auch die Art der Verarbeitung und Aufbereitung für den Handel ist heute anders. Dass dies auch zu Allergien führen kann, ist allerdings noch nicht bewiesen, das ist bis jetzt reine Vermutung.

Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden oft in einem Atemzug genannt, sind aber grundlegend verschieden. Wo liegt der große Unterschied?

Obwohl die Symptome wie Jucken im Mund, Hautrötungen oder Magen-Darm-Beschwerden durchaus ähnlich sein können, muss man klar zwischen Allergien und einer Nahrungsmittelunverträglichkeit unterscheiden. An einer allergischen Reaktion ist immer das Immunsystem beteiligt. Es sind Antikörper der IgE-Klasse involviert, und der Botenstoff Histamin wird ausgeschüttet. Erst ab dem Zweit- bzw. Folgekontakt kommt es zur Reaktion auf die Allergenquelle, vorher findet die sogenannte Sensibilisierung statt – der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit hingegen laufen keine immunlogischen Prozesse im Körper ab. Es ist meist zu wenig eines bestimmten Enzyms vorhanden – wie zum Beispiel bei der Laktose- oder Fruktoseintoleranz – und Nahrungsmittel können nicht gut verarbeitet und in kleinere Teile gespalten werden. Bei einer Unverträglichkeit gibt es keine Sensibilisierungsphase, eine Reaktion kann schon beim Erstkontakt erfolgen. Zusätzlich gibt es auch noch die Zöliakie. Diese Erkrankung, bei der es im Extremfall zum Abbau der Darmzotten kommen kann, ist ein Spezialfall und stellt eine Unverträglichkeit auf Gluten mit immunologischer Basis dar.

Wie sieht Deiner Meinung nach die Zukunft aus? Werden Allergien zurückgehen, können sie einmal vollständig geheilt werden?

Eines ist sicher: In Zukunft werden immer bessere Möglichkeiten zur Diagnose von Allergien zur Verfügung stehen. Es wird auch bessere Mittel für Therapien geben. Eine komplette Vermeidung von Allergien ist trotz verbesserter Diagnose aber teilweise nicht möglich. Bei Nahrungsmitteln kann man bei vorliegender Diagnose versuchen, diese nicht mehr zu sich zu nehmen, bei Pollen und Hausstaubmilben aber beispielsweise lässt sich der Kontakt oft nicht vermeiden.

Was ist Deine Prognose für zukünftige Trends und Entwicklungen? Geht alles wieder zurück zum Natürlichen, werden wir unsere Produkte wieder vom Bauern beziehen?

Hier wage ich es nicht, Prognosen abzugeben. Es wäre schon möglich, dass Landwirte als direkte Lieferanten für die Endverbraucher wieder wichtiger werden. Teilweise werden mit den Produkten vom Bauernhof auch Endotoxine – das sind Zerfallsprodukte von Bakterien – mitgeliefert, die das Immunsystem stimulieren und trainieren. Es gibt Hinweise darauf, dass es bei natürlichen Produkten zu weniger Allergien kommt, das ist aber alles im Moment noch zu wenig belegt.

Ines Swoboda in ihrem Labor
Ines Swoboda in ihrem Labor, Bild: FH Campus Wien/Schedl

Ines Swoboda ganz privat

Liebe Ines, wie bist Du eigentlich zur Forschung gekommen? War das schon immer Dein Traumjob?

Ich war schon immer sehr neugierig und interessiert an neuen Erkenntnissen und Entdeckungen. Allerdings waren meine Interessen sehr breit gefächert. Als ich dann jedoch im Rahmen meines Biologiestudiums die erste Vorlesung in Immunologie hatte, war ich von dem Fach so fasziniert, dass ich wusste, dass ich später unbedingt in diesem Bereich forschen wollte. 

Wieso bist Du auch in der Wissenschaftskommunikation so aktiv? Ist es schwierig, im ohnehin sehr vollen Forschungsalltag Zeit dafür aufzuwenden?

Es ist mir ein großes Bedürfnis, die Freude und Begeisterung am Forschen, Entdecken und Erkennen an SchülerInnen, StudentenInnen und alle anderen Wissbegierigen weiterzugeben. Wissenschaftskommunikation ist für mich so bereichernd, dass es mir neben dem öfter sicher auch recht stressigen Forschungsalltag eigentlich immer wieder gelingt, Zeit dafür zu finden.

Was war für Dich das eindrücklichste Erlebnis bei der Öffentlichkeitsarbeit?

Es war für mich eine große Freude und Ehre, gemeinsam mit Open Science eine Allergie-Station zu entwickeln. Diese ist als Teil der vom ScienceCenter Netzwerk organisierten interaktiven Wissenschafts-Wanderausstellung „Wechselwirkungen – Wirkungswechsel mehrere Jahre sehr erfolgreich durch ganz Österreich gereist.

Was ist Dein Lieblingsgegenstand im Labor?

Die Pipette. Sie ist das am häufigsten verwendete Gerät in einem molekularbiologischen Labor, die bei jedem Experiment zum Einsatz kommt.

Welcher Forscher bzw. welche Forscherin beeindruckt Dich besonders und warum?

Marie Curie. Eine faszinierende Persönlichkeit und großartige Forscherin, die für die Wissenschaft lebte. Sie prägte den Begriff „Radioaktivität“ und entdeckte neue chemische Elemente. Sie war die erste weibliche Nobelpreisträgerin, und sie bekam sogar zwei Nobelpreise, einen für Physik und einen für Chemie. Und dies zu einer Zeit, als Frauen in vielen Ländern noch nicht einmal zum Studium zugelassen wurden.

Zur Person

FH-Prof. Univ.Doz. Dr. Ines Swoboda studierte an der Universität Wien Genetik, absolvierte einen Forschungsaufenthalt an der University of Melbourne (Australien) und war mehr als 10 Jahre lang an der Medizinischen Universität Wien tätig. Dort erlangte sie auch ihre Habilitation auf dem Gebiet der Allergologie.

Seit September 2011 ist die Wissenschaftlerin als Gruppenleiterin an der FH Campus Wien, Bereich Biotechnologie tätig und leitet dort eine eigene Forschungsgruppe und das Kompetenzzentrum für Molecular Biotechnology. Mit ihrem Team untersucht sie die Mechanismen von Nahrungsmittelallergien tierischen Ursprungs sowie allergische Reaktionen des Atmungsapparates.

Öffentlichkeitsprojekte

Ines Swoboda hat Open Science bereits bei zahlreichen Projekten unterstützt.

Im Jahr 2014 wirkte die Allergieforscherin im Rahmen des Projektes Allergie interaktiv bei der Entwicklung einer Allergie-Station für eine interaktive Wanderausstellung des Science Center Netzwerks mit. Die Ausstellung tourt seit 2015 durch Österreich und konnte mittlerweile schon mehr als 40.000 BesucherInnen begeistern.

Auch an einer Fortbildung für PädagogInnen zum Thema Allergie im Jahr 2016 war Swoboda maßgeblich beteiligt.

Beim Projekt Hungry for Science stellte Ines Swoboda 2016 ihre Expertise ebenfalls zur Verfügung – sie war Vortragende bei Aktionstagen im Vienna Open Lab und half beim Schreiben eines Blogbeitrages, der auf orf.science veröffentlicht wurde.

Dass Ines Swoboda nicht nur eine begeisterte und erfolgreiche Wissenschaftlerin ist, sondern ihr auch die Öffentlichkeitarbeit sehr am Herzen liegt, zeigt ihre Teilnahme an folgenden weiteren Öffentlichkeits-Veranstaltungen: Wiener Forschungsfest, Junior Science Club, Science Day, Lange Nacht der Forschung und European Research Night.

Über die Zusammenarbeit mit Open Science und ihre Erfahrungen in der Wissenschftskommunikation sagt Ines Swoboda:"Die Zusammenarbeit mit Open Science ist stets eine große Freude und Bereicherung. Mit ihrem unglaublichen Einsatz und ihrer positiven Einstellung gelingt es den MitarbeiterInnen von Open Science stets eine wunderbare Atmosphäre zu schaffen, die jeden mitreißt und begeistert und die die Basis für interessantes, kreatives, spannendes und erfolgreiches gemeinsames Arbeiten darstellt. Durch Open Science erhielt ich schon wiederholte Male die Möglichkeit, interessierten Laien von meinen Forschungsarbeiten zu berichten, und durfte dabei immer wieder erfahren, wie erfüllend und bereichernd Wissenschaftskommunikation ist und wie viel Ideen und Anregungen man durch diesen Austausch für die eigene wissenschaftliche Tätigkeit mitnehmen kann."

as, 05.08.2020